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Humboldtforum mit archäologischem Fenster

— Nachricht —

Die ausgegrabenen Schlossreste hinter der Humboldt-Box sollen erhalten werden. Das hätten die Stiftung Berliner Schloss – Humboldtforum und das Landesdenkmalamt Berlin beschlossen, schreibt die taz. Insgesamt sechs Räume soll das archäologische Fenster umfassen, das in das Humboldtforum integriert werden soll. Das umfasst nicht den ganzen Ausgrabungsbestand, der von der Humboldt-Box heute gut eingesehen werden kann. Nur eine Teilfläche im Südwesten des Schlossareals bleibe erhalten. Der Rest fällt der U55 zum Opfer, die das Baufeld unterqueren wird. Die archäologischen Funde sollen auch zukünftigen Besuchern zugänglich gemacht werden. Dazu seien jetzt Umplanungen mit dem Architekten Franco Stella zu besprechen. (taz)

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Der Turm der Touristen

— Nachricht —

Der Fernsehturm wird im Winter modernisiert. Bis März nächsten Jahres sollen Foyer am Boden, Panoramaetage und Restaurant in der Kugel für rund 1,5 Millionen Euro umgebaut werden, schreibt der Spiegel. Das passiert bei laufendem Besucherverkehr, nur im Februar schließt der Turm für zwei bis drei Wochen. Pro Jahr kommen ca. 1,2 Millionen Gäste hierher. Wie die Berliner Zeitung berichtet, hat die letzte Renovierung des Gebäudes vor 15 Jahren stattgefunden, es ist mit 368 Metern das höchste Deutschlands und steht unter Denkmalschutz. Teile der Ausstattung können deshalb nicht verändert werden, zum Beispiel die bunten Glasbausteine in den Wänden und Treppengeländer. Dagegen wird die Bar in der Panoramaetage verspiegelt, der Teppich bekommt wärmere Farben, die Garderobe wird aus Sicherheitsgründen nach unten ins Foyer verlegt, und hier betritt man den Turm zukünftig durch eine Drehtür und wartet – bis zu 90 Minuten – auf roten Sofas bis es mit dem Lift in 40 Sekunden für derzeit mindestens elf Euro Eintritt nach oben geht. Der Fernsehturm feierte am 3. Oktober 2009 sein 40-jähriges Jubiläum. (Spiegel, Berliner Zeitung, Futurberlin)

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„K21“ tot

— Nachricht —

Die Initiative „Stoppt K21“ in Prenzlauer Berg hat sich aufgelöst. Dies habe Mitinitiator Matthias Aberle gestern Nacht via Facebook bekannt gegeben, wie Prenzlauer Berg Nachrichten berichten. 6.874 Unterschriften seien laut Aberle für das Bürgerbegehren letztlich zusammen gekommen; bis jetzt war die Zahl unklar geblieben, da die Unterschriftenliste zum Stichtag in der letzten Woche beim Bezirksamt überraschenderweise nicht eingereicht worden war. 8.736 Unterschriften hätten es laut Berliner Zeitung aber werden müssen, damit das Bürgerbegehren erfolgreich wird. Auch wenn das Bürgerbegehren damit passé ist, haben Ex-Mitglieder der Initiative die Zusammenarbeit mit den Piraten aufgenommen, um in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Pankow weiter gegen den Umbau der Kastanienallee zu kämpfen. Die Straße soll so umgebaut werden, dass Straßenbahn und Radverkehr sich nicht länger blockieren; die Straßenbahn soll mit Tempo 50 fahren. Für den neuen Radweg am rechten Fahrbahnrand werden die Pkw-Stellplätze auf Kosten der bisher großzügigen Bürgersteige verlagert. Der Umbau ist im Gange und wird nach Einschätzung von Bezirksstadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne) gegen Ende nächsten Jahres fertig sein, schreibt die taz. (Prenzlauer Berg Nachrichten, Berliner Zeitung, taz, Futurberlin)

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Alles geht nach Lichtenberg

— Nachricht —

Immer mehr Berliner ziehen nach Lichtenberg. Entgegen demografischer Prognosen, die dem Bezirk nach Angaben der Berliner Zeitung eine Bevölkerungszahl von ca. 250.000 vorhergesagt haben, leben mittlerweile 263.000 Menschen dort. Die Zuzügler kommen aus benachbarten Innenstadt-Bezirken, wo die Mieten steigen, aber auch aus Wedding und Neukölln. Im letzten Halbjahr seien ca. 1.000 neue Einwohner pro Monat hinzugekommen, schreibt die Berliner Zeitung. Es kämen vor allem Familien mit Kindern in den überalterten Bezirk. Daher steht der Bezirk vor der Herausforderung, seine soziale Infrastruktur anzupassen. Es fehlten 1.100 Kitaplätze, und mindestens fünf neue Grundschulen würden gebraucht. Für letztere sollen Schulgebäude reaktiviert werden, die der Bezirk in der Vergangenheit schließen musste. Keine einzige Schule soll neugebaut werden. (Berliner Zeitung)



Mehr Kultur für Thälmann-Park

— Nachricht —

Das Kulturgelände im Ernst-Thälmann-Park in Pankow soll für 2,2 Millionen Euro saniert werden. Der Bezirk hat nach Angaben von Prenzlauer Berg Nachrichten Fördermittel aus dem „Stadtumbau Ost“-Programm beim Senat beantragt. Die kommunalen Kultur-Einrichtungen, wie „Wabe“, „Theater unterm Dach“ oder „Jugendtheateretage“ sollen eine  „Spielstätte für die darstellende Kunst“ in einem Nachbargebäude erhalten und mit einem besseren Schallschutz ausgestattet werden. Noch vor zwei Jahren hatte die Pankower BVV das Gelände als Stätte für freie Künstler in Frage gestellt, als es darum ging, Jugendeinrichtungen aus dem Eliashof in der Senefelderstraße hierher zu verlagern, um dort eine Grundschule zu reaktivieren. Ein Aktionsbündnis hatte bei den Politikern schließlich ein Umdenken bewirkt. Ihm hatten sich zahlreiche Kulturschaffende angeschlossen, darunter die Schauspieler Axel Prahl und Katja Riemann, aber auch die Bands Rosenstolz und die Puhdys. Die Sanierung des Kulturareals soll jetzt der Auftakt zu einer umfassenden Modernisierung des gesamten Wohnparks sein. Der Thälmann-Park feierte in diesem Jahr sein 25-jähriges Jubiläum. Er wurde 1986 zum 100. Geburtstag seines Namensgebers eingeweiht. (Prenzlauer Berg Nachrichten, Futurberlin)

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Weichenstellung für Berliner Stadtentwicklung

— Nachricht —

Das wollen die neuen Koalitionäre von Berlin: ein „Stadtentwicklungskonzept 2030“; eine IBA mit dem Titel „Berlin als Modellstadt für moderne Urbanität – Wissen, Wirtschaft, Wohnen“; einen städtebaulichen Wettbewerb für das „Rathausforum“ zwischen Alex und Spree; den Bau von 30.000 neue Wohnungen; die Erhöhung des Bestands an landeseigenen Wohnungen um 30.000 auf 300.000; kein Zweckentfremdungsverbot zur Verhinderung von Ferienwohnungen; die Beibehaltung der siebenjährigen Kündigungsfrist für Mieter bei Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen; eine Deregulierung des Denkmalschutzes zur Erleichterung von Bauinvestitionen; die Fortsetzung der Programme zur Sozialen Stadt; eine Pflicht zur Online-Beteiligung von Bürgern bei Bebauungsplänen; 10.000 neue Straßenbäume; die Sicherung von Kleingärten; eine Verschärfung des Spielhallengesetzes. Noch zu klären sind: Straßenausbaubeitragsgesetz, Liegenschaftspolitik und S-Bahn. (Tagesspiegel)

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Schaufenster des Nichts

— Meinung —

Wenn morgen am Berliner Schlossplatz mit dem Segen von Audi die Eröffnung der Humboldt-Box zelebriert wird, könnte das mehr sein als der Auftakt zum Bau des Humboldtforums. Der Schlussstein auf der Wiese der Nation wäre hier schon vor dem Grundstein gesetzt, wenn sich der vermeintliche Prolog über Jahre und Jahrzehnte schleichend als baulicher Hauptakt entpuppt, als die Alternative.

Warum könnte es so kommen? – In Szenario I geht dem Bund einfach das Geld aus und gibt auf Dauer die Finanzmittel zum Schlossbau nicht frei. In Szenario II ändert der Bundestag nach neu entfachter Debatte und neu eingesetzter Expertenkommission den Beschluss von 2002. In Szenario III hört die CDU/CSU auf, eine konkrete Ausgestaltung von Volksabstimmungsverfahren auf Bundesebene zu blockieren und ermöglicht dadurch direkte Demokratie an einem Ort mit durchweg undemokratischer Geschichte. In Szenario IV geht dem Schloss einfach die Puste aus, weil der Rohbau zunächst zwar zu Stande kommt (später wieder abgerissen wird!), aber nicht der Spendenbetrag für dekorative Kuppel und Schlüterfassaden aufgebracht wird. Und in Szenario V ändert sich der politische Wille des Landes Berlin und setzt sich gegenüber dem Bund durch, nachdem Berlinern und Berlinerinnen die schlichte Box einfach besser gefällt als diktierter, dekorativer Barock.

Was wäre der Mehrwert einer solitären Humboldt-Box auf dem Nicht-Schlossplatz? – Sie wäre die Briese Unbeschwertheit, die auf dem politisch überlasteten Ort gebraucht wird und das Quäntchen Glück, das uns den offenen Platz unter Wahrung zahlreicher Sichtachsen vom neuen Freiheits- und Einheitsdenkmal aus denken lässt. Vor allem aber wäre die Box ein Schaufenster des Nichts, da ihr der rückwärtige Laden fehlt. – Ironie des Schicksals, dass sie ihn miniaturisiert im Inneren beherbergt, in den eigenen Ausstellungsräumen: das Schloss als Modell! Wenn dann auch noch Bauherr Manfred Rettig wie am 25. Mai bekräftigt: „Es geht um Architektur, nicht um Inhalte“, ist die Implosion des kernlosen Projekts nur natürliches Gesetz. Wenn das kein Grund zum Feiern ist.

 

 

 

Politik blind für Altstadt

— Bericht —

„Erst graben, dann planen“, auf diese einfache Formel brachte Historiker und Projektentwickler Willo Göpel die Forderungen des Bürgerforums Historische Mitte, das gestern zum zweiten Mal in der Marienkirche stattfand. In der Vergangenheit wäre das in der Berliner Stadtplanung, so Göpel, genau anders herum gewesen, und diese Praxis dauere bis heute an.

So sollen die Überreste der Gerichtslaube vorm Roten Rathaus erst 2014 ausgegraben werden, während die Planungen für den neuen U-Bahnhof der U55 bereits auf Hochtouren laufen und infolge der Diskussion um eine mögliche Integration der archäologischen Funde zum alten Berliner Rathaus schon modifiziert wurden. BVG und Architekt Oliver Collignon planen eine Galerie in dem Bahnhof, durch eine Fensterwand werden die Gemäuer des alten Rathauses sichtbar gemacht.

Das ist dem Bürgerforum zu wenig. Die Funde wolle das Forum nicht wie im Panzerschrank wegsperren, sondern erlebbar machen, so Göpel. Bürgerforum-Architekt Helmut Maier stellte beispielhaft vor, wie die vier Schiffe des Rathauses mithilfe einer Dachkonstruktion geschützt werden könnten und potenziell begehbar würden. Auch schlug er einen unterirdischen Alternativausgang ins Nikolaiviertel vor, um den in der gegenwärtigen Planung notwendigen Abriss des ausgegrabenen, vierten Gebäudeschiffes zu verhindern. Manfred Kühne von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hält einen Fußgängertunnel unter der Spandauer Straße für zu teuer und zu riskant. Man stieße dabei womöglich sehr schnell auf weitere unterirdische Gebäudereste Alt-Berlins.

Grundsätzlich sei eine Verschwenkung des Bahnhofs nach Norden, also weg von der Ausgrabungsstelle, nicht möglich wegen der Anschlussstelle des bereits vorhandenen Bahntunnels in Höhe der Jüdenstraße. Dies sei der Zwangspunkt in der Planung, erklärte der Projektleiter der BVG, Jörg Seegers. Der Tunnelabschnitt zwischen Alexanderplatz und Jüdenstraße wurde schon in den 20er Jahren gebaut.

Benedikt Goebel, Historiker und Bürgerforum-Mitglied, verwies darauf, dass es nicht darum ginge, die Verkehrsingenieure zu überzeugen, sondern die Politik. Wie Göpel zuvor mitteilte, habe bis dato keine der Berliner Parteien in ihren Wahlprogrammen zur Thematik der Berliner Altstadt Position bezogen. Das Bürgerforum plant im Herbst, 12 Tage vor der Abgeordnetenhauswahl, eine Veranstaltung, zu der baupolitische Sprecher der Parteien eingeladen werden sollen.

Das Bürgerforum fordert neben der sofortigen und vollständigen Ausgrabung des mittelalterlichen Berliner Rathauses, inklusive Gerichtslaube, auch die Anerkennung des Altstadtbereiches als besonderes Planungsgebiet, ein Moratorium aller weiteren Planungen, eine Grabungskampagne und Bauforschung als zukünftige Planungsgrundlage, ein Informationszentrum Berliner Stadtkern im Sinne einer ständigen öffentlichen Ausstellung und eine weitere Änderung der Bahnhofsplanung am Roten Rathaus. Die zusätzlichen Kosten infolge der bisherigen Umplanung belaufen sich nach Angaben von BVG-Projektleiter Seegers auf eine halbe Million Euro.

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Wer Indianer will, soll nach Dahlem fahren

— Meinung —

Der folgende Text entstand als Beitrag zum Schreibwettbewerb der Akademie c/o, Neuer Kunstverein im Oktober 2010. Ausgeschriebenes Thema war die Beantwortung der Frage: „Was ist Raumproduktion in der Berliner Republik?“ Mein Text zielt auf den Schlossplatz ab.

Was ist Raumproduktion in der Berliner Republik? – Gegenfrage: Was erhofft sich der Fragesteller von dem Strauß an Antworten, die auf diese Frage möglich sind? Eine Bilanz? Eine Definition? Eine Kritik?

Zu bilanzieren wäre ein Zeitfenster von zwei Dekaden, maximal. Denn was ist die Geburtsstunde der Berliner Republik? Die Deutsche Einheit, der 3. Oktober 1990? Der Hauptstadtbeschluss des Bundestages vom 20. Juni 1991? Oder ist die neue Republik geboren, als Bundespräsident Richard von Weizsäcker 1994 ins Schloss Bellevue einzog, Bundeskanzler Gerhard Schröder 1998 ins ehemalige Staatsratsgebäude oder derselbe 2001 ins neu gebaute Kanzleramt an der Spree? Je nach Länge des Zeitfensters fiele eine Bilanz entsprechend üppiger oder schlanker aus.

Zu definieren wäre vor allem der Begriff Raumproduktion. Im Kern der Sache wird Raum dort produziert, wo gebaut wird; das leuchtet jedem ein. Wir sprächen dann über Architektur und Städtebau, auch über Infrastrukturprojekte, von der Saar bis an die Oder, von Rügen bis zum Bodensee. Das eröffnet uns ein thematisches Panorama, das nur in Auszügen dargestellt werden soll: In Ostdeutschland glänzen die Innenstädte, gerettet aus der grauen Republik. Gleichsam schrumpfen dort Großsiedlungen und produzieren mit ihrem Rückzug neue Raumfreiheiten. Im Ruhrgebiet legt eine Region ihre Autobahn lahm, errichtet auf 60 Kilometern Asphalt eine temporäre Tafel. Die Leipziger untertunneln ihren Stadtkern, auf dessen Boden sie im Herbst 1989 der Berliner Republik den Weg bereiteten. Beim Einsturz des Kölner Stadtarchivs verkehrt sich Raumproduktion ins Gegenteil, in Raumdestruktion; auch hier produzierte man untertage. In Dresden ist die barocke Frauenkirche aus ihrer Ruine auferstanden und krönt das Elbtal, das wenig später wegen eines Brückenbaus das Weltkulturerbe verliert. Die Stuttgarter hinterfragen die Grundfaktoren republikanischer Raumproduktion und entblößen eine staatliche Härte, die selbst vor den Weichteilen eines 66-jährigen Mannes nicht halt macht und ihm mittels Wasserwerfer sein Augenlicht nimmt; na so was, in der Berliner Republik?

Doch Deutschland existiert, lebt und stirbt auch am Hindukusch, setzt mit den Einsatzliegenschaften der Bundeswehr Bauten in den nordafghanischen Wüstensand. Mehr noch: Militärische Kampfhandlungen sind Raumproduktion! Das Bombardement bei Kunduz hat Chaos produziert und Raum zerstört. An diesem Punkt lässt sich der Begriff, ähnlich wie beim Kölner Stadtarchiv, ins Negative überführen und zusätzlich ins Extreme. Ins Leidvolle gerät er, wenn wir uns vor Augen halten, dass die Afghanistan-Aktivitäten der Berliner Republik im niedersächsischen Seedorf ein neues Grab entstehen lassen, für den dorther stammenden, 26-jährigen Soldat, der Anfang Oktober als 44. Todesopfer des Bundeswehreinsatzes bei einem Attentat in der Provinz Baghlan ums Leben gekommen war. – Da ist der Stein auf dem Friedhof, der zur Stätte für die Trauer der Angehörigen wird, ein neuer Lebensraum für sie, produziert von der Republik.

Zerbrechliche Republik

Republiken in Berlin sind von Natur aus fragil. Möge man die kurze von 1848, die vom Kaiserreich unterdrückte von 1871 und die Weimarer von 1918 als solche betrachten. Im Grunde können wir stolz auf die Bonner sein, stabil wie sie war. – Zerbrechlich also nenne ich das Wesen der Berliner Republik und konstatiere: Umso kolossaler hat sie ihr Nest an der Spree gebaut. Das Thema des Essays provoziert natürlich den Blick in die Hauptstadt. Und so soll es sein.

In Berlin bleibt Axel Schultes Band des Bundes ohne sein (bestechendes!) Bürgerforum bislang ein gerissenes. „Das Kanzleramt ist das, was es nie sein sollte: ein solitärer, ein isolierter Ort“,[1] klagt der Architekt – ein Solitär, geradezu wie ein Grabstein. Die Parlamentsbauten abgehängt, den Volksplatz auf verkehrlichen Durchzug gestellt, bleibt die gebaute Demokratie der Republik am Spreebogen ein flüchtiges Phänomen für Passanten. Aufenthalt unerwünscht.

Ein wahrer Titan baut sich dagegen an der Chausseestraße auf. Nicht unbedingt, weil der Neubau der BND-Zentrale so groß ist; Eindruck macht vielmehr die innere Geschlossenheit und der Zusammenhalt des Baus. Schon der Baustelle sieht man an, dass es da einen festen, unzugänglichen Kern in diesem Raumgebilde geben wird. Das wird der Ort sein, an dem zum Schutze der Republik derselben große und kleine Geheimnisse ruhen. Hoffen wir, dass wir das Gelände niemals stürmen müssen, wie 1990 die Normannenstraße in Lichtenberg.

Nicht Kolossalität, sondern Kulisse! – Das ist das Mittel, das Bund und Berliner Senat dem Schlossplatz injizieren wollen. Hier produziert die Berliner Republik ihre Trophäe, setzt sich die Krone auf, macht sich das Leben leicht. Deshalb soll der Berliner Schlossplatz als republikanisches Raumprodukt im Folgenden zum Brennpunkt für die Beantwortung der Essayfrage gemacht werden.

Am Schlossplatz scheiden sich die deutschen Geister. Das ist gut so, denn wir müssen über diesen Ort miteinander reden. Wir müssen an diesem Ort zueinander finden, groß genug ist er allemal. Dort geschieht gerade, was eigentlich am Anfang von Planung steht: Wir setzen uns mit dem Ort auseinander; das braucht Zeit. Wir regen uns auf; das braucht Meinung. Wir reiben uns an den Vorstellungen der anderen; das braucht Begegnung. Erst diese Reibung wird hervorbringen, worüber eine Kommission zu entscheiden haben sollte und worüber der Bundestag seine Beschlüsse fasst. Der Bau, der in diesem Jahr hätte beginnen sollen, gehört ans Ende dieser Geschichte. Nicht umgedreht. Der Bund aber macht es umgedreht! Am Schlossplatz wird das Pferd von hinten aufgezäumt, und die Folge davon wird sein, dass sich der Gaul nicht reiten lassen wird. Somit erleben wir gerade eine raumproduktive Frühgeburt. Mit allen Wehwehchen. – Am Schlossplatz findet die Raumproduktion in der Berliner Republik gewissermaßen im Brutkasten statt.

Betriebsblind

Es ist nicht Franco Stella, der kritisiert werden soll. Der Architekt ist ja nur als treuer Vasall den Wettbewerbsvorgaben gefolgt. Der Wettbewerb selbst ist der Irrtum, der auf das Schloss abzielte – und nur das Schloss. Dieser Ort aber hat Ideen verdient, Kreativität und die Achtung seiner Nachbarn. Denken wir vom Denkmal aus die Zukunft dieses Ortes! Auf der Schlossfreiheit steht bald das Freiheits- und Einheitsdenkmal. Von dort aus überschaut man den ganzen Platz. Die Blicke sind frei zwischen den Anrainerbauten, als hielten sie Konferenz: vom Marstall zur Museumsinsel, vom Dom zum Schlossportal im Staatsratsgebäude; von der Schlossfreiheit hinüber zum Fernsehturm; und im Rücken Schinkelplatz und Bauakademie. Der Schlossplatz brauchte keinen Schlosswettbewerb, sondern einen städtebaulichen Ideenwettbewerb vom Alten Museum bis zur Marienkirche. Hier geht es um Städtebau im Herzen der Hauptstadt, nicht nur um die Bebauung eines bundeseigenen Grundstückes. – Von daher werfe ich den Raumproduzenten in der Berliner Republik am Schlossplatz aus stadtplanerischer Sicht Betriebsblindheit vor.

Blindheit kann aber auch Methode sein, im Dienste der Politik. Und weil der Ort mit Hohenzollernschloss und DDR-Palast eine politische Seele hat, ist es nicht wirklich verwunderlich, dass sich die Raumproduktion des Bundes dort von der von Boddien´schen Stadtschlosspropaganda politisieren lässt. Wie viel Demokratie verträgt das Schlossplatzprojekt? „Die wiederholte Forderung einiger Kommissionsmitglieder, einen städtebaulichen Wettbewerb […] durchzuführen, wurde mehrheitlich zurückgewiesen“,[2] berichtet der Architekturkritiker Bruno Flierl, der als Experte dabei war. Er schreibt, Verfahren und Entscheidung der Kommission wären von einzelnen Mitgliedern kritisiert worden; Sondervoten hätten im Abschlussbericht keinen Eingang gefunden. Sollte ein so räuberisches Kommissionsergebnis die geistige Grundlage für einen für Deutschland so wichtigen Bau sein? Die zerstrittene Expertenrunde hat mit ihrer Empfehlung zum Schlossaufbau der deutschen Politik einen brisanten Pass in die Tiefe zugespielt. Der Bundestagsbeschluss soll hier nicht kritisiert werden, aber was davor geschah. – An dieser Stelle finden wir das undemokratische Element, das faule Ei, in der Raumproduktion der Berliner Republik am ausgewählten Ort.

Gewalttätig

Ist der Ort reif für einen Bau? Machen wir einen Exkurs vom Städte- in den Ackerbau. Hier wurde die zur Ruhe gelassene Brache als konsequenter Bestandteil in der Dreifelderwirtschaft über Jahrhunderte zum Garant für agrarische Qualität. Hat der Berliner Schlossplatz nicht auch ein Recht auf Regeneration? Preußen, Sozialismus, Preußen. Hält hier der Bund als Bauherr die lokale Fruchtfolge nicht ein? Was werden die Deutschen ernten, wenn die Berliner Republik ihren kostbaren, steuerlichen Samen unbedacht auf politisch ausgelaugten, vergewaltigten Boden aussät? Und die Gewalt geht weiter: Der Bau der Humboldt-Box wird vorangetrieben, auch wenn der 28 Meter hohe Solitär (ein weiterer Grabstein?) durch die bis 2014 ausgesetzten Schlossbauarbeiten seine Existenzberechtigung verliert; Bundesbauminister Peter Raumsauer fordert den legendären ersten Spatenstich noch vor Ende der Legislaturperiode, damit mit Hängen und Würgen endlich der Point Of No Return überschritten werden kann. – Die Raumproduktion in der Berliner Republik ist am Schlossplatz in der Tat eine gewalttätige.

Baupause her!

Anschlussfrage: Sind wir reif für diesen Ort? Preußen, Sozialismus, Denkpause. Das sollte aus meiner Sicht der Dreiklang sein, den wir am Schlossplatz in der aktuellen Lage der Republik zu kultivieren haben. Für Bruno Flierl sollte er „ein kulturell-kommunikativer Ort der Gesellschaft und ihrer Bürgerinnen und Bürger aus Ost und West sein, ein identitätsstiftender Ort im Prozess ihrer nationalen Vereinigung […]“[3]. Hervorragend sieht man am Wettbewerb zum Freiheits- und Einheitsdenkmal und seinen Ergebnissen, wie schwierig es ist, das Thema der Deutschen Einheit in Kunst und Architektur zu transportieren. Wie könnte sich die gesellschaftliche Annäherung an einen Stadtraum wie dem Schlossplatz gestalten, gäbe man dem Ort statt der barocken Fassaden lediglich ein bestimmtes Thema mit auf den Weg in seine Zukunft? Wie vollzöge sich die Deutsche Einheit auf der Wiese der Nation? – Angesichts dieses nicht unbedingt architekturspezifischen Aspekts trägt das Schlossprodukt der Berliner Republik dazu bei, sich potenzielle Antworten auf diese Frage wortwörtlich zu verbauen.

Dabei käme es am Schlossplatz darauf an, Spielräume offen zu halten und nicht die Spielzeuge von Gestern auszustellen: die Büffelmaske aus Kamerun, das Opfermesser aus Peru. Wer Indianer will, soll nach Dahlem fahren. Das Ethnologische Museum im Humboldt-Forum auf dem Schlossplatz überzeugt mich nicht, auch nicht Hand in Hand mit einem Schaufenster der Wissenschaften aus der Humboldt-Universität (HUB). Der Fehlgriff besteht in der Art der Nutzung. Das ist zuviel Museum auf der Museumsinsel. Am Ende geht sie uns unter. – Die Republik produziert hier ein Schwergewicht, wo die Waage weltweiter Anerkennung schon am Anschlag ist: Die Museumsinsel gehört mit ihren fünf Häusern und zehn Sammlungen zum Weltkulturerbe.

Die Ironie in der Historie ist schon bemerkenswert. Die Museumsinsel ist die von seinen Nachfolgern zu Ende gedachte und zu Ende gebaute Idee Friedrich Wilhelms III., die in den Schlössern verborgen gehaltene Kunst der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. – Jetzt bringen wir die Kunst zurück in das Stadtschloss; und was symbolisiert dieser Akt?

Opportun

Dass die Zentral- und Landesbibliothek (ZLB), der dritten Nutzerin im Bunde des Humboldt-Konzepts, ihre Bücherregale um keine 50 Meter von der Breiten Straße auf den Schlossplatz tragen soll, anstatt am Schlossplatz zu bleiben, zeigt uns: Der Bauherr produziert das mental-fixierte Fassadenwerk in anspruchsloser und opportuner Art und Weise. – Hier nimmt die Republik, was sie kriegt, um sich nicht vorwerfen lassen zu müssen, sie produziere ein Luftschloss.

Am Schlossplatz wächst leider nicht zusammen, was zusammengehört. „Form und Funktion sind als eigene Wertsetzungen völlig unabhängig voneinander konzipiert worden“,[4] kritisiert Bruno Flierl. Stattdessen soll hier komprimiert werden, was als Kulturangebot in der Stadt (mit HUB und ZLB sogar in direkter Nachbarschaft) schon vorhanden ist. – Mit dem Museums- und Medienschloss auf der Spreeinsel putzt die Republik mutlos eine Adresse auf, die eine viel volksnähere Funktion verdient hätte und homogenisiert, nicht bereichert, das städtische Nutzungsgefüge in der Mitte Berlins.

Selber forschen!

Stellen wir den Forschergeist der Humboldt-Brüder nicht aus, sondern wenden wir ihn auf das Fallbeispiel selbst an! Erforschen wir den deutschen Schlossplatz, solange es uns die Gnadenfrist der Republik gewährt. Und soll die Regierung vor Ort auch selber forschen: Sportstätten und Stadtentwicklung, multifunktionale Zentren, Jugendliche im Stadtquartier – so heißen aktuelle Forschungsfelder des Experimentellen Städtebaus in ihrem zuständigen Ministerium. Machen wir statt staubiger Bücher eine Sportstätte zum Mittelpunkt der Republik, in der Stadt zentral zugänglich und unter den Augen der Weltöffentlichkeit!

Holen wir die Tafel von Ruhr.2010 an die Spree und sitzen an ihr länger als einen Sonntag. Überlassen wir den Ruhm für wiederbelebte Barockbauten den Sachsen, die Kulturschätze jetzt dringender brauchen denn je. Irritieren wir die Menschen in Kabul nicht damit, dass ihre Schutzmacht in ihrem Heimatland mit einem Prestigeprojekt architektonische Sehnsüchte nach einem Gebäude zu stillen sucht, in welchem auch der einstige Kolonial-Kaiser Wilhelm II. zu Hause war. Beachten wir, dass bald auch der Schlossplatz von einer Bahn untertunnelt wird. Vergessen wir auch nicht, dass vor den Fenstern des alten Schlosses schon 1848 scharf geschossen worden war; der Mob der Märzrevolutionäre verlor damals mehr als sein Augenlicht und liegt heute im Volkspark Friedrichshain begraben. Ihre Grabkreuze stehen noch, produziert vom preußischen König Friedrich Wilhelm IV., der heute im Kolonnadenhof vor der Alten Nationalgalerie posiert, auf der Museumsinsel. Seine Raumproduktion ist abgeschlossen. – Diejenige der Berliner Republik dagegen läuft auf Hochtouren und ist am Berliner Schlossplatz völlig offen.

Literatur

Schultes, Axel, „Das Bundeskanzleramt“ in Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (Hrsg.), Demokratie als Bauherr – Die Bauten des Bundes in Berlin 1991-2000, Junius Verlag, Hamburg, 2000.

Flierl, Bruno, Berlin – Die Neue Mitte: Texte zur Stadtentwicklung seit 1990,  Thomas Flierl (Hrsg.), Edition Gegenstand und Raum, Verlag Theater der Zeit, Berlin, 2000.


[1] A. Schultes, „Das Bundeskanzleramt“ in Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (Hrsg.), Demokratie als Bauherr – Die Bauten des Bundes in Berlin 1991-2000, Junius Verlag, Hamburg, 2000, S. 166.

[2] B. Flierl, Berlin – Die Neue Mitte: Texte zur Stadtentwicklung seit 1990,  T. Flierl (Hrsg.), Edition Gegenstand und Raum, Verlag Theater der Zeit, Berlin, 2000, S. 170.

[3] Ebd., S. 159.

[4] Ebd., S. 170.


Kulturmanagement und keine Kohle von Berlin

— Nachricht —

Die Stiftung Berliner Schloss/Humboldtforum hat auf dem Schlossplatz ein Teilgrundstück gekauft. Ein weiteres soll in Kürze aus dem Besitz Berlins an sie übertragen werden, schreibt die Berliner Zeitung Ende Dezember. Gleichzeitig weigert sich Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), für das Projekt zum Wiederaufbau des Schlosses finanziell in Vorleistung zu gehen. Er werde die für 2012 vereinbarten Zuschüsse nicht zahlen, solange es vom Bund keine verbindliche Zusage für den Bau gebe. Der Frankfurter Ethnologe Karl-Heinz Kohl hat währenddessen die neue Expertengruppe kritisiert, die das Kultur- und Veranstaltungszentrum im Humboldtforum konzipieren soll; es gebe keinen einzigen Ethnologen darin. Das Ethnologische Museum soll einer der Hauptnutzer im Humboldtforum werden. Kulturstaatsminister Bernd Neumann hatte im Dezember den Schweizer Kulturmanager Martin Heller zum Projektleiter des acht-köpfigen Beraterteams berufen. Auch hält Kohl die Leiterin des Ethnologischen Museums in Dahlem, Viola König, mit der Aufgabe der Museumspräsentation im Humboldtforum für überfordert. Der Vorsitzende der deutschen Gesellschaft für Völkerkunde hatte im Mai 2009 in der Zeitschrift Merkur einen Beitrag zu ethnologischen Sammlungen im Humoldtforum veröffentlicht. (Berliner Zeitung, Lausitzer Rundschau)

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Bahn frei für Tram zum Hauptbahnhof

— Nachricht —

Mit voraussichtlich elfjähriger Verspätung wird ab 2013 die Straßenbahn auch zwischen Nordbahnhof und Hauptbahnhof verkehren. Nachdem das Verwaltungsgericht Berlin zwei Tage vor Heilig Abend die Klagen des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), der City Grund Verwaltungsgesellschaft und zwei Anwohnern abgewiesen hat, steht dem Ausbau der Invalidenstraße im Bezirk Mitte nichts mehr entgegen. – Es sei denn, der Antrag des Hoteliers Carl Loyal beim Oberverwaltungsgericht auf Zulassung der Berufung hätte Erfolg; das Gericht hatte gegen das Urteil keine Berufung zugelassen. Die Bauarbeiten könnten im März beginnen, kündigte Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) an. Die einst durch die Mauer geteilte Invalidenstraße soll auf insgesamt vier Fahrspuren mit zwei integrierten Straßenbahngleisen und Radwegen an den Fahrbahnrändern verbreitert werden. Die Klagen richteten sich gegen zu erwartende Belastungen durch Lärm und Luftschadstoffe infolge des ansteigenden Kfz-Verkehrs. Der Senat plant, lärmmindernden Asphalt zu verbauen und Tempo 30-Zonen einzurichten; zur Schadstoffbegrenzung käme auch ein Lkw-Verbot in Betracht. Mit dem Ausbau der Invalidenstraße bezweckt der Senat, die Innenstadt von Kfz-Durchgangsverkehr zu entlasten und den Hauptbahnhof an das Tramnetz anzuschließen. (Berliner Zeitung, Tagesspiegel, futurberlin)

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Das Städtchen an der Kirche – auf Zeit

— Fotostory, Meinung —

Der Weihnachtsmarkt vorm Roten Rathaus macht Stimmung, und zwar eine ganz besondere. Veranstalter Hans-Dieter Laubinger hat hier kulissenhaft das Berliner Marienviertel aufgebaut, nach dem sich einige Architekten und Politiker Berlins so sehnen. Aber ab dem 27. Dezember wird das aufwendige Fassenwerk am Fuße des Fernsehturms wieder zurückgebaut und schon bald verschwunden sein. Und wer vermisst das Städtchen dann? Laubinger hat ein Gefühl für Orte im Wandel. Seine Weihnachtsmärkte sind vom Alexa und Palastabriss verdrängt worden. Seit drei Jahren schlägt er sein Fest vor dem Roten Rathaus auf, an der Marienkirche. Ein Interview in der Bauwelt 47.10 zeigt, dass er versteht, wie dieser besondere Stadtraum funktioniert. Hier zunächst ein paar Eindrücke. – Die erste Fotostory auf futurberlin mit 13 Bildern.

Temporäres Triadentum: Hier wird mittels leicht übermannshohem Pyramidenbau das bereits vorhandene Stadtbildpotenzial, 365 Tage im Jahr präsentiert durch das Zweiergespann Marienkirche-Fernsehturm, in einen neuen Dreiklang überführt. Berlins höchste Vertikale von 368 Metern wird über die Turmspitze der Marienkirche nahezu bis auf Kopfhöhe der Menschen heruntergebrochen. Girlande gefällig?

Es mittelaltert doch sehr. Der Nachbar dieser Taverne verkauft Ganzkörper-Felle, Met und Trinkhörner aller Art. Nur geschmiedet wird nicht.

"Adressen bilden", dieses Stichwort ist in der Berliner Stadtplanung immer wieder zu hören. Willkommen also an der Marienkirche/Ecke Neptunbrunnen mit straßenbegleitender Laterne. - Kein Armleuchter das Ding, aber vollverkabelt und ohne Gas. Rechts an das Bild schließt sich der Neptunbrunnen mit Eisbahn an.

Hier lässt sich die Marienkirche mal so richtig die Sonne auf den Pelz scheinen. Erst auf den zweiten Blick erkennt man, dass es sich hier nicht um das originale Kirchenschiff handelt, sondern um ein Altberliner Bürgerhaus. Das beides nahtlos zusammenpasst, ist hier eine Frage der fotografischen Perspektive und dort (in der Debatte) wie reichhaltig man seine Trickkiste vorher füllt, bevor man sich später argumentativ aus ihr bedient.

Alles Fließende erstarrt im neuen deutschen Winter. Auch die Berliner Damen am Beckenrand des Neptunbrunnens, der Legende nach "die einzigen Berlinerinnen, die den Rand halten können", gucken etwas bedäppert aus den Schneemassen ihrer verfrorenen preußischen Flüsse, die sie repräsentieren. Nur das Krokodil scheint irgendwie Spaß daran zu haben.

Gigantisch wie ein Atomreaktor entwächst dem Dachstuhl des Bürgerhäuschens hier der Schaft des Fernsehturms. Wenn´s Türmchen einknickt, ist´s Hüttchen futsch.

Die Kulisse der Altstadt wirkt vor dem Hintergrund der Rathauspassagen wie ein Gartenzaun für den sozialistischen Städtebau.

Auf den Anblick des Schafts des Fernsehturms werden wir verzichten müssen, sollte das Marienviertel auferstehen. Stadthausfassade oder Turmfaszination - man kann nur eines haben.

Das ist die Hauptstraße des Weihnachtsmarkts vorm Roten Rathaus: Sie führt vom Riesenrad am Neptunbrunnen geradewegs zum Hotel Park Inn.

Fassadenspielerei ist eine Facette des Städtebaus. Interessant ist hier die farbliche Verwandschaft mit dem Turm der Marienkirche.

Die Fassadenkulisse auf dem Weihnachtsmarkt ist (nur) maximal 7,50 Meter hoch. Marktleiter Hans-Dieter Laubinger gewährt der Marienkirche durchaus visuelle Mitwirkungsrechte. Bei einer Bebauung des Areals mit 22 Meter Berliner Traufhöhe würde sie aus dem Stadtbild weitesgehend verschwinden. - Aus den Augen aus dem Sinn.

Jemand zu Hause? - Wer hier in Zukunft wohnen würde, hätte weder einen langen Weg zum Rathaus, noch zu den Bänken vor dem Altar: Hier könnte er sich bei den Regierenden für die Baurechte bedanken, dort vor Gott dafür Buße tun, sich mit dem Immobilienkauf öffentlichen Raum unter den Nagel gerissen zu haben, der einst den Berlinern gehörte - und im Grunde jedermann.

Und dann taucht auf dem Weg Richtung Alexanderplatz das richtige, prächtige Kirchenschiff von St. Marien doch noch auf. Gott sei Dank, wenn auch nur in Teilen.

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Platte pokert um Millionen

— Nachricht —

Beim Kaufhausbau auf dem Wertheim-Areal am Leipziger Platz in Mitte feilscht die B.Ä.R. Grundstücksgesellschaft als Eigentümerin der benachbarten Plattenbauten an der Voßstraße mit der Orco Germany um eine Abfindung. Es gehe um etwa zehn Millionen Euro, schreibt die Berliner Zeitung. Die deutsche Tochtergesellschaft der Orco Property Group hatte das Baugrundstück 2006 erworben und will es an den Berliner Projektentwickler High Gain House Investments verkaufen, der auf knapp 9 Hektar für 400 Millionen Euro ein neues Wohn- und Einkaufszentrum errichten will. Bisher wurde der Verkauf zwischen den Entwicklern durch Klagen der Anwohner nicht vollzogen. Sie befürchten Lärmbelastungen durch zukünftigen Lieferverkehr, der über die Voßstraße abgewickelt werden soll. Rechtsgutachten der finanzierenden Banken stützen jetzt die Annahme, dass die Klagen gegen das Bauprojekt vor Gericht erfolglos bleiben werden. Ende Januar 2011 soll die Brachfläche gegenüber dem Bundesrat endlich den Besitzer wechseln und mit dem Bau begonnen werden. Der Baubeginn war zuvor immer wieder verschoben worden. Nördlich der Voßstraße, heute Standort von Botschaftsgebäuden und Plattenbauten, stand bis Anfang der 1950er Jahre Adolf Hitlers Neue Reichskanzlei. (Berliner Zeitung, Tagesspiegel, futurberlin)

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Ministerium krallt sich Uferlage am Hauptbahnhof

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Der holländische Investor OVG Real Estate will am Humboldthafen ein Bundesministerium bauen. Er hat Anfang Dezember sein Projekt dem Bezirk Mitte vorgestellt, das von Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD) hinsichtlich Nutzung und Sicherheitsauflagen kritisiert wurde. Eine Uferpromenade am Hafen und Wegeverbindungen über das Grundstück am Alexander-Ufer / Ecke Kapelle-Ufer würden infolge der Nutzung als Ministerium unmöglich gemacht. Auch befürchet Gothe eine einseitige Entwicklung des Spreebogens hin zu einem „Beamtenghetto“ und sprach von „Bundesbürokratenburgen“. – In direkter Nähe, auf dem Areal des Bundespressestrands zwischen S-Bahntrasse und Spree, bereitet der Bund den Bau des Bundesministeriums für Bildung und Forschung vor und sucht für das Gebäude, das 650 Mitarbeiter beherbergen soll, einen privaten Investor. Auf dem Moabiter Werder, nördlich des Kanzlerparks, begann am 16. Dezember der Bau des neuen Bundesinnenministeriums. Auf 3,6 Hektar sollen hier bis Ende 2014 Räumlichkeiten für ca. 1.600 Beschäftigte geschaffen werden. Das Projekt der Berliner Architekten Thomas Müller und Ivan Reimann soll 208 Millionen Euro kosten. (Berliner Zeitung)

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Springer goes Spittelmarkt

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Ab März 2011 verlängert der Senat die Axel-Springer-Straße in Richtung Spittelmarkt. Der 300 Meter lange Straßenabschnitt soll zwei Fahrspuren je Richtung haben und 11,4 Millionen Euro kosten. Anwohner und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) klagen dagegen, weil sie die Grenzwerte für Lärm und Feinstaub überschritten sehen. Der BUND hält einen zweispurigen Straßenausbau für ausreichend. Die Grünen im Abgeordnetenhaus kritisieren das Vorhaben aus finanziellen Gründen. Die frühere Lindenstraße hatte nach dem Mauerbau ihre Funktion verloren. Ursprünglich waren durch sie die historischen Stadtteile Friedrichswerder und Friedrichsstadt miteinander verbunden. Der Anschluss der heutigen Axel-Springer-Straße an die Leipziger und Gertraudenstraße ist ein verkehrsplanerischer Akt des Planwerks Innenstadt, das Anfang 2011 vom Senat neu beschlossen werden soll. Im Kreuzungsbereich Spittelmarkt eröffnete am 9. Dezember das siebente Motel One-Hotel in Berlin. Das Gebäude wurde von den Architekturbüros Kny+Weber und Knich entworfen und ersetzt einen DDR-Flachbau, in dem bis zu seinem Abriss die Modeläden Exquisit und Ebbinghaus untergebracht waren. (Berliner Zeitung, futurberlin)

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Architekten gestalten Ufer an altem Mauer-Kanal

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Das Land Berlin hat zusammen mit der Vivico Real Estate GmbH einen Wettbewerb zur Gestaltung der Freiräume in der zukünftigen Europacity nördlich des Hauptbahnhofs ausgelobt. Auf 8,2 Hektar sollen zwischen Heidestraße und dem Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal eine Uferpromenade und ein neuer Stadthafen entstehen. Die Freiräume um den Nordhafen sollen aufgewertet werden, östlich davon entsteht die neue Firmenzentrale der Bayer Schering Pharma AG. Das östliche Kanalufer soll als Verflechtungsbereich in die Überlegungen einbezogen werden, hier befinden sich auf dem Gebiet des ehemaligen Grenzstreifens die Gedenkstätte Günter Litfin und der Invalidenfriedhof. Die Wasserflächen in den Häfen jenseits der Fahrrinne sollen für den Wassertourismus erlebbar gemacht werden. Aus dem Hamburger Bahnhof soll sich ein Kunst-Campus entwickeln. Die Europacity wird mit 40 Hektar Gesamtfläche etwa doppelt so groß wie der Potsdamer Platz. Gebaut wird gerade die neue Deutschlandzentrale des Total-Konzerns, der Total-Tower an der Heidestraße, als erstes Gebäude im Gebiet. Die Bewerbungsfrist für den Wettbewerb endet am 23. Dezember. (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, competitionline, fb)

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Steglitzer Kreisel brummt wieder

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Der Senat will den Steglitzer Kreisel sanieren. Laut einer Parlamentsvorlage soll 2011 ein Planungsbüro gefunden werden, das für den asbestbelasteten Bürotower an der Schlossstraße ein Sanierungskonzept erarbeitet. Die Sanierung soll von Juli 2012 bis Ende 2014 dauern, 31,26 Millionen Euro kosten und von der landeseigenen Berliner Immobilien Management GmbH (BIM) durchgeführt werden. Parallel dazu will das Land Berlin als Miteigentümerin seinen 50 Prozent-Anteil an dem 119 Meter hohen Gebäude verkaufen. Die andere Hälfte des Hauses gehört der Immobilienfirma Becker & Kries, sie bewirtschaftet die unteren Geschosse, den Flachbau mit Hotelnutzung und Geschäften. Die Stockwerke des Turms stehen dagegen seit dem Auszug des Bezirks-Rathauses im November 2007 leer. Die Vermarktung der Immobilie war bislang schwierig. Berlin hat im März auf der internationalen Immobilienmesse in Cannes nach Käufern für das Objekt gesucht. Mit zwei Interessenten laufen Verkaufsverhandlungen. Der Kreisel wurde 1980, nach zwölfjähriger Bauzeit und Konkursgehen der Baufirma fertiggestellt. (Berliner Zeitung, Tagesspiegel, Emporis)

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Hochhausstandort bekommt Tiefgarage

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Die Münchner Baufirma Wöhr + Bauer GmbH hat nach dreijähriger Bauzeit die Tiefgarage am Alexanderplatz fertiggestellt. Ab heute stehen Autofahrern auf drei unterirdischen Parkdecks entlang der Alexanderstraße insgesamt 650 Stellplätze zur Verfügung. Der Bau kostete 32 Millionen Euro und verzögerte sich wegen archäologischer Grabungen. Man fand Fundamente einer preußischen Exerzierhalle aus dem 18. Jahrhundert und 80 Gräber. Die Alexanderstraße selbst wird noch bis Sommer 2011 weitergebaut. Der Straßenbau kostet knapp 10 Millionen Euro und wird von den anliegenden Grundstückseigentümern finanziert, u.a. von den US-amerikanischen Immobilienfirmen Blackstone Group und Hines. Der Tiefgarage kommt nach Ansicht von Wöhr + Bauer-Geschäftsführer Wolfgang Roeck bei der Weiterentwicklung des Hochhausstandorts eine Schlüsselfunktion zu. Hines-Niederlassungsleiter Christoph Reschke dagegen sieht in dem Bau keinen nennenswerten Einfluss auf die weitere Entwicklung. Er schätzt, dass die zehn geplanten Hochhäuser von Hans Kollhoff und Helga Timmermann aus dem Wettbewerb von 1993/94 wegen der wirtschaftlichen Lage erst in 15 bis 20 Jahren gebaut werden. (Berliner Zeitung)

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Schlossherren feiern Financier

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Ein neuer Geldgeber hat den Schlossbauern 4,3 Millionen Euro spendiert. Das ist die bislang größte Spende, die der Förderverein Berliner Schloss e.V. für die Rekonstruktion der barocken Schlossfassaden eingenommen hat. Die Spendensumme steigt damit auf 24 Millionen Euro, bezogen auf gemachte Zusagen von Spendern. Insgesamt 80 Millionen Euro sind für das Fassadenprojekt erforderlich. Gezahlt wurden bis jetzt 14,5 Millionen Euro. Auch der neue Financier bezahlt über 75 Prozent seiner Spende später. Sein Geld soll für das Portal V verwendet werden, dem Schlosseingang gegenüber vom Lustgarten. Spendenbeträge bis zu fünf Millionen Euro sammelt der Förderverein, für Großspender ist die Stiftung Berliner Schloss – Humboldtforum zuständig. Ein Unternehmen und ein Verband wollen angeblich die Rekonstruktion der Schlosskuppel finanzieren. Das würde etwa 15 Millionen Euro kosten. Die Kuppel ist in den Gesamtkosten des Schlossneubaus nicht enthalten. Die veranschlagten Baukosten für das Projekt sind infolge der seit 2007 gestiegenen Baupreise um 30 Millionen Euro auf 582 Millionen Euro erhöht worden. (Berliner Zeitung)

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Berlin plant – endlich

— Rezension —

„In der Summe bilden profilierte Zimmer ein charaktervolles Haus.“ Allein die bildhafte Sprache der Senatsbaudirektorin Regula Lüscher verspricht, dass sie es mit Berlin gut meint. In der neuen Edition Gegenstand und Raum sollen dem gestern vorgestellten „Berlin plant“, Herausgeber Thomas Flierl, in einer groß angelegten Buchreihe des Verlags Theater der Zeit weitere Bände folgen.

„Berlin plant“ ist, wie der Untertitel es verspricht, ein „Plädoyer für ein Planwerk Innenstadt Berlin 2.0“. Und ein Sammelband, in dem 16 Beiträge Fehler, aber auch Verdienst des berühmt berüchtigten Planwerks Innenstadt beleuchten. Das 1999 vom Senat beschlossene städtebauliche Leitbild wurde seitdem nur innerhalb der Verwaltung fortgeschrieben, ohne öffentliche Diskussion und parlamentarische Kontrolle. Und natürlich wurde es in Teilen auch gebaut. Das Buch zieht eine faire Bilanz. Es ist keine Abrechnung. Auch klassische Verfechter des Planwerks kommen darin zu Wort, wenn auch nur ein einziger.

Frischer Wind für die Debatte ist, dass Studenten mitreden. Mit wissenschaftlichen Mitteln und dem Blick über den Tellerrand – hier geht er über London bis Chicago – führen sie die Berliner Stadtplanung endlich auf ein strategisches Niveau hinauf. Medien weg von der Spree zum Hauptbahnhof, Kunst weg vom Hauptbahnhof nach Neukölln, „Idea Stores“ wie in London als Leuchtturmprojekte mit mutiger Architektur in benachteiligte Quartiere, verbunden mit der Kunst, Gentrifizierung zu vermeiden: Hier meldet sich die neue Generation der Berliner Stadtplaner und lässt die Lochfassade des Planwerk-Städtebaus hinter sich, wie es einst der Speicherchip mit der Lochkarte aus der Mechanischen Datenverarbeitung tat.

Wenn Stadträume „Begabungen“ haben können, wie wir im Buch lesen, und Planer nach Instrumenten suchen, um „Offenheit zu verstetigen“, dann stimmen die Beiträge eine fachliche Tonart an, die für das Planwerk Innenstadt vor zehn Jahren einfach zu hoch lag.

Die Berliner Stadtplanung hat die Lust an der Strategie entdeckt. Was die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung mit dem neuen „Planwerk Innere Stadt“ noch 2010 herausbringen will, ist wortwörtlich ein Werk aus Plänen. Hier überlagern sich Pläne, Themen, Teilräume und werden grafisch unter Rücksicht auf den Faktor Zeit miteinander verknüpft. Bei der Namensgebung hätte man allerdings mutiger sein können. Die inhaltliche Emanzipation des neuen Planwerks Innere Stadt vom alten Planwerk Innenstadt ist deutlich genug, dass auch sein Titel es verdient hätte, neu geboren zu werden.

(veröffentlicht in Neues Deutschland v. 22. September 2010)

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Auch Kritiker machen mal Urlaub

— Nachricht —

Alexander Kluge hat vor kurzem in der ZEIT daraufhin gewiesen: Im August brach der Erste Weltkrieg aus. Im August warfen die USA Atombomben über Hiroshima und Nagasaki ab. Im August baute die DDR die Berliner Mauer. Im August öffnete sich der Eiserne Vorhang an der ungarisch-österreichischen Grenze. Der August wäre ein gefährlicher Monat, schreibt er. Ein stillstehender Teich. Auch Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD) weiß, wann für den Bebauungsplan im Mauerpark der richtige Zeitpunkt für eine Bürgerbeteiligung gekommen ist. Seit 18. August kann die Öffentlichkeit Anregungen und Bedenken äußern, noch bis zum 22. September. Dabei kann – im Gegensatz zur Bürgerwerkstatt – auch auf die Baugebiete Bezug genommen werden. Wie auf futurberlin berichet, laufen zwei verschiedene Beteiligungen. Die nächste Bürgerwerkstatt findet am 15. September statt, dabei geht es um die Gestaltung der zukünftigen Parkerweiterungsfläche. Umstritten bei den Bürgern sind aber vor allem das geplante Wohngebiet nördlich des Gleimtunnels und das Sondergebiet an der Bernauer Straße im Bereich des heutigen Flohmarkts.

ZEIT-Artikel: http://www.zeit.de/2010/32/Interview-Kluge?page=all