Kippt Thyssen-Krupp?

— Nachricht — Die Zahl der Kritiker der umstrittenen Repräsentanz von Thyssen-Krupp am Schlossplatz wächst. Nachdem zuletzt der Stadtplaner Florian Mausbach in der Berliner Zeitung gegen das Projekt plädiert hatte, hat sich jetzt auch der Landesdenkmalrat dagegen ausgesprochen und rät, auf den Bau zu verzichten, wie der Tagesspiegel und die Berliner Zeitung heute und gestern berichten. Die Umgebung des ehemaligen Staatsratsgebäudes als Baudenkmal mit dem Liebknechtportal würde durch den neuen Glaskubus massiv geschädigt. Auch Manfred Rettig von der Stiftung Berliner Schloss – Humboldtforum und der stadtenwicklungspolitische Sprecher der CDU im Abgeordnetenhaus, Stefan Evers, schließen sich laut Tagesspiegel dieser Meinung an. Thyssen-Krupp hatte im Januar einen Entwurf des Architekturbüros Schweger & Partner präsentiert, der wegen seiner Glasarchitektur und räumlichen Nähe zum ehemaligen Staatsratsgebäude schnell auf Kritik gestoßen war. Später hatte Thyssen-Krupp angekündigt, das Gebäude nicht gegen den Willen der Berliner bauen zu wollen. (Tagesspiegel, Berliner Zeitung)

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Platte raus aus Mitte

— Nachricht — In der Wilhelmstraße sollen Plattenbauten abgerissen werden. Ein Wohnblock mit fast 100 Wohnungen zwischen Behren- und Französischer Straße nahe der Britischen Botschaft soll einem Neubau mit Lochfassade weichen, berichtet die Berliner Zeitung am Mittwoch Abend. Demnach sollen die betroffenen Mieter der Wilhelmstraße 56 bis 59 jetzt in einem Sozialplanverfahren in andere Häuser der Straße umgesetzt werden. Die meisten Mieter wehren sich dagegen und bekommen Unterstützung von der Bürgerinitiative Wilhelmstraße, die 2011 schon gegen die Nutzung der Plattenbauten als Ferienwohnungen aktiv geworden war. Auch Katrin Lompscher, stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Linken im Abgeordnetenhaus, kritisiert in dem Bericht die „Vernichtung von bezahlbarem Wohnraum“. Eigentümerin der Häuser ist die B.Ä.R. Grundstücksgesellschaft, die die insgesamt 933 Wohnungen 2003 von der Wohnungsbaugesellschaft Mitte gekauft hatte. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hatte die Bewohner über die Abrisspläne der B.Ä.R. vor zwei Wochen informiert. (Berliner Zeitung, Futurberlin)

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Wie die Bramstedter Landfrauen mich in die Bethlehemkirche brachten

— Kurzgeschichte — Wenn Gäste Wünsche äußern, sollte man auf der Hut sein. Sie können einen in die Bredouille bringen, das ganze Schiff zum Kentern bringen, sagt man zu allen Ja und Amen. Manchmal aber blasen sie damit genau das frische Lüftchen an, das die kleine Reise so richtig rund macht und den Seemann glücklich.

Als meine lieben Landfrauen aus Bramstedt kurz vor dem Ende der Tour vehement nach einer Kirche verlangten, die sie auch von innen zu sehen wünschten, war ich drauf und dran, mit ihnen zur Hedwigskathedrale zurückzuradeln. Sowas ist unschön. Doppelt hält da nicht besser, sondern macht schlapp. Ganz verwehren konnte ich ihnen den Wunsch aber nicht. Also, was tun? In einer dreiviertel Stunde, abends halb Sieben, wollten wir am Hotel in der Anhalter Straße sein. Jetzt standen wir nach Kaffee und Kuchen auf dem Gendarmenmarkt. Alle Kirchen lagen nach drei Stunden Radtour schon hinter uns, und hinzu kam, dass der Reisebusfahrer der Landfrauen, Lutz L., der an diesem Samstag seit 5 Uhr früh mit insgesamt und ausschließlich 48 Damen unterwegs gewesen war, uns drei Guides telefonisch in die Lindenstraße vors Jüdische Museum bestellte. Ein zufriedener Mann. Es lagen noch zu viele Handtaschen auf den Sitzen im Bus. Die Landfrauen würden sie brauchen, in der Stadt. Und Landfrau ist ein Beruf.

Sie hätten die Kirche nicht gefordert, wären sie auf dem Weg in die Französische Friedrichstadtkirche nicht auf verschlossene Türen gestoßen. Ausgerechnet heute, da hatten sie einfach Pech gehabt. Zuvor waren sie schon in den Deutschen Dom gegangen und hatten drinnen einen Altar erwartet. Den Hinweis auf die Ausstellung hatte ich mir heute geschenkt. Ausgerechnet heute. Die Rede ist von zwei der Landfrauen, die sich in der Kaffeepause ein bisschen die Füße vertraten. Die Beiden waren es dann auch gewesen, die den seltenen Wunsch äußerten, als ich die Räder aufschloss. Soviel Gottessuche muss belohnt werden, dachte ich. Und dann kam das leise Lüftchen, die anfliegende Idee: auf einen “halben” Kirchgang in die Mauerstraße.

Wer hier Kirchen sucht, sucht womöglich vergeblich, liegt aber gar nicht so falsch. Wir standen mit den Rädern zwischen den Bänken der Dreifaltigkeitskirche, aber meine Landfrauen zeigten auf das Museum für Kommunikation, als ich sie fragte, wo hier die Kirche sei. Die Überraschung war gelungen. Für den Kirchenraum, der sich aus dem rot-schwarz gepflasterten Grundriss erhebt, bräuchte man schon Phantasie, sagte ich. Und so ist es ja auch. Wer kennt den Ort schon? Allerdings, wer hatte ihn schon alles betreten? Vor 181 Jahren stand hier der kleine Otto, der Deutschlands größter Kanzler werden sollte und wurde konfirmiert. Das beflügelt die Phantasie, auch die Phantasie Bramstedter Landfrauen. “Kirche von unten”, mal ganz anders.

So, dann käme jetzt noch der Handtaschenpflichtstopp und das wärs, dachte ich. Zur Lindenstraße, na klar, einfach die Mauerstraße runterbrettern, Checkpoint Charlie ignorieren, links halten und da. Das war der Moment, als aus dem Lüftchen ein Wind wurde: Wir kämen zwangsläufig auch am Bethlehemkirchplatz vorbei. Gleiches Phänomen, nur ohne Reichskanzler. Nicht halten? Nicht ansprechen? – Das ist die Falle, in die man als Guide ja öfters mal tappt. An diesem Tag hatte ich keine Wahl. Nur, ich wusste es nicht.

Und dann glotzte der Seemann auf das Land, das er nicht erwartet hatte. Das Haus, in dem die Böhmen beteten, es stand wieder da! Wir sahen ein Gerippe aus Stahl, aber für die Landfrauen muss es normaler gewesen sein als für mich selbst. Hier baute ein Künstler die Bethlehemkirche wieder auf. Kein gepflasterter Grundriss mehr nötig, keine Phantasien. Ich hatte die Landfrauen in ihre Kirche geführt und war baff. Das war zwar nicht das Hotel, und die Handtaschen mussten wir auch noch holen. Aber angekommen, nach vier Stunden Fahrradtour, waren wir hier.


Der Künstler, der die Bethlehemkirche als Lichtinstallation wieder aufgebaut hat, heißt Juan Garaizabal und kommt aus Spanien. Die Installation ist vom 27. Juni bis 19. August auf dem Bethlehemkirchplatz, Mauerstraße/Ecke Krausenstraße, zu sehen. Das Museum für Kommunikation präsentiert eine Begleitausstellung. 

Schlichte Architektur für Schinkelplatz

— Nachricht — Für das reizvolle Bauland zwischen Friedrichswerderscher Kirche und dem Fassadenwerk der Bauakademie am Schinkelplatz in Mitte gibt es neue Architekturideen. Die Entwürfe der zwei Berliner Büros Volker Staat Architekten und Bruno Fioretti Marquez sind seit Donnerstag noch bis 28. Juni im Roten Saal der Bauakademie zu sehen. Sie wurden von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in einem städtebaulichen Wettbewerb preisgekrönt und stoßen bei der Gesellschaft Historisches Berlin, beim Förderverein Bauakademie und bei der Bürgerinitiative „Schöne Mitte. Schöne Stadt“ wegen undekorativer Fassadengestaltung, zum Bespiel fehlender Gesimsbänder, auf Kritik, berichtet die Berliner Zeitung. Kritiker forderten jetzt einen Alternativentwurf. Am Schinkelplatz will ein Münchner Investor Wohnungen und Büros auf 7.000 Quadratmetern  bauen. (Berliner Zeitung)

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Schlossbau beginnt

— Nachricht — Heute beginnt der Bau des Berliner Schlosses. Wie die Stiftung Berliner Schloss – Humboldtforum mitteilt, treffen sich um 11:30 Uhr Bundesbauminister Peter Ramsauer (CSU), Staatsminister Bernd Neumann (CDU), Stiftungsratsvorsitzender und Staatssekretär Rainer Bomba (CDU), Stiftungsvorstand Manfred Rettig, der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und Architekt Franco Stella auf dem Schlossplatz am Eingang Breite Straße. Es wird damit begonnen, die Baugrube auszuheben. Bis zu 300 Holzpfähle werden im Untergrund vermutet, berichtet „Berlin1.de“. Sie sollen mit dem gesamten Boden entfernt und durch Sand und Kies ausgetauscht werden. Die ausgegrabenen Fundamente des Eosanderportals sollen dagegen als begehbares archäologisches Fenster in den Neubau integriert werden. Auch die Betonwanne des ehemaligen Palastes der Republik bleibt im Boden erhalten. 2013 soll der Grundstein gelegt werden. Das Schloss soll momentan 590 Millionen Euro kosten. (Futurberlin, Berlin1.de)

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ZLB ins ICC

— Nachricht — Die Zentral- und Landesbibliothek (ZLB) soll ins Internationale Congress Centrum (ICC) einziehen. Das hat laut Tagesspiegel der haushaltspolitische Sprecher der CDU-Abgeordnetenhausfraktion Christian Goiny vorgeschlagen. Um Kosten zu sparen, will er, statt die ZLB auf dem Tempelhofer Feld neuzubauen, das ICC zur Bibliothek umbauen, das ab 2013 sowieso saniert werden soll. 270 Millionen Euro soll der geplante ZLB-Neubau in Tempelhof kosten; für das ICC stehen bisher 182 Millionen Euro im Finanzhaushalt zur Verfügung. Es seien aber etwa 300 Millionen Euro für eine Sanierung nötig, schreibt der Tagesspiegel. Jochen Esser von den Grünen kritisierte in dem Artikel den Vorschlag als „Schnapsidee“ und hält es für besser, die Bibliothek im alten Flughafengebäude auf dem Tempelhofer Feld einzurichten. Christian Goiny wolle in den nächsten Wochen mit der SPD über seinen Vorschlag reden. (Tagesspiegel)

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Neues Kulturforum für Berlin

— Nachricht — An den Spreeufern zwischen Jannowitz- und Schillingbrücke in Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg soll Berlin ein zweites Kulturforum bekommen. Dafür jedenfalls plädierte gestern Berlins Ex-Stadtenwicklungssenator Volker Hassemer in der Berliner Zeitung. Das Gebiet habe mit der alten Bar 25, dem Kater Holzig und dem Radialsystem eine kulturelle Energie, die ihresgleichen suche und das Zeug für ein neues Kulturforum, so Hassemer. Er kritisierte die geplanten Wohnungs- und Bürobauten: “Es ist notwendig durchzusetzen, dass es so nicht kommen wird”, und die stadtplanerische Vorsorge wäre offensichtlich nicht auf der Höhe der Zeit. Wie die Berliner Zeitung schreibt, planen die Betreiber vom Kater Holzig und Radialsystem, am alten Standort der Bar 25 ein Wohn- und Kulturdorf einzurichten. Die Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR) wollen das Grundstück über den Liegenschaftsfonds verkaufen. (Berliner Zeitung)

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Von Fliegern und Überfliegern – Das Labor ist eröffnet

Endlich gelandet ist, was man auf den ersten Blick als entweder elegant gestrandeten Hafencontainer oder flügelloses Rieseninsekt ausmachen könnte. Sechs Beine, auf denen es steht, hat es jedenfalls. Im Anflug auf Berlin ist dieses unbestimmbare Etwas, das über den großen Teich gehüpft ist und vor dem die Berliner Angst haben, wochenlang über der Stadt gekreist, auf der Suche nach der richtigen Piste: über der Kastanienallee, dem Pfefferberg, der Cuvrystraße in Kreuzberg. Am BER war zu wenig los. Im Tagesspiegel liest man, dass sich dort, wo das BMW Guggenheim Lab beim letzten Mal eigentlich hin sollte, dort, auf der Brache an der Spree, ein Mann, der sich “Flieger” nennt, sein Zelt aufgeschlagen hat. Er protestiere nicht, sondern seine Wohnung hätte ihn erdrückt, sagt er. Wenn das kein Fall für das Laboratorium ist: das Guggenheim Lab bietet ab 23. Juni auch Ausflüge an, “das wöchentliche städtische Abenteuer auf Rädern”, wie es im Programm heißt. Treffpunkt: Pfefferberg. Also doch, der Pfefferberg. Hier rufen die Veranstalter des Labs ab heute die Berliner zum Mitreden, Diskutieren, Experimente machen auf. Und wenn einer aus der Stadt keine Angst vorm Lab hat, dann ist das Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit. Er wolle am Nachmittag auf einen Besuch vorbeikommen, schreibt die taz. Ab 14 Uhr gehts los unter dem Motto “Gestalten Sie Ihre Stadt”. Das machen die “Leute vom Teute” schon seit Jahren. Und wer denkt, Protestieren passe nicht zum gepflegten Prenzlauer Berg, möge einen Salat machen für die Grill- und Gegen-Lab-Party auf dem Teutoburger Platz, zu der die gleichnamige Bürgerinitiative für den Samstagnachmittag auf ihrer website aufruft. Hier wird dem Lab in die offene Wunde gestochen, da nützt auch der edle Carbon-Stahl nichts: Gegen Abend zeigen die Leute einen Film über die Familie Quandt und ihre NS-Vergangenheit. Nicht von Stadt und Zukunft wird dann die Rede sein, gleich um die Ecke vom Lab, sondern von BMW. Warum rollt das Insekt eigentlich nicht auf vier Rädern?

Prinzessinnen ohne Garten

— Nachricht — Der Liegenschaftsfonds will das Grundstück, auf dem sich die Prinzessinnengärten befindet, verkaufen. Der Mietvertrag mit den urbanen Gärtnern ende Ende 2013, wie die Berliner Zeitung berichtet. Die Betreiber der Prinzessinnengärten Marco Clausen und Robert Shaw wollten demnach langfristig am Standort Moritzplatz bleiben, obwohl die Idee ursprünglich gewesen sei, mit den Pflanzen in den Behältern auch umziehen zu können. Clausen betont in dem Artikel aber jetzt die sozialen Beziehungen vor Ort, und dass der Garten kiezbasiert sei. Laut Liegenschaftsfonds hätten die Betreiber gewusst, dass das Projekt nur eine Zwischennutzung sei, schreibt die Zeitung; eine Sprecherin schließe aber eine Weiternutzung durch die Prinzessinnengärten nicht aus. Etwa 40.000 Besucher würden die Betreiber pro Jahr zählen, und etwa 1.000 Menschen engagierten sich. (Berliner Zeitung).

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„Nolle“ im Gespräch

— Nachricht — Am Freitag hat der Tagesspiegel in seiner Serie “Platz da!” mit Anwohnern, Initiativen, Architekten und Politikern auf einer Veranstaltung im Goya in Schöneberg über die Zukunft des Nollendorfplatzes geredet. Wie die Zeitung berichtet, hätten Anwohner das radikale Konzept von Janine Teßmer und Janika Schmidt favorisiert. Die Studentinnen der Landschaftsarchitektur hatten Pläne für die Umgestaltung des Platzes in einem Projekt der Technischen Universität Berlin erarbeitet (Futurberlin berichtete, siehe “Nolle unter die Lupe genommen”). Sie schlagen einen Kreisverkehr vor, der aus dem Verkehrsplatz wieder einen Stadtplatz mit Aufenthaltsqualitäten machen soll. Das fordert auch Florian Mausbach in einem zuvor erschienenen Artikel im Tagesspiegel; der Parkplatz vor dem Goya verhindere den würdigen Auftrtitt des geschichtsträchtigen Kulturdenkmals, so der Stadtplaner. Überhaupt fragt er nach dem Schönheitssinn und Gestaltungswillen Berlins und fordert in Anbetracht des vermüllten Neptunbrunnens unter der Hochbahn “Blumen statt Kronkorken”. Auch auf Berlin als Fahrradstadt weist er hin, indem er eine Radstation unter der Hochbahn am Platz vorschlägt. Anwohner wünschten sich in diesem Punkt, so der Tagesspiegel weiter, auch eine Verkehrsberuhigung und fahrbahnintegrierte Radwege in der Maaßenstraße. Ein Umbau der Verkehrswege, wie ihn die Studentinnen vorschlagen, wäre aber kostenintensiv. Stadträtin Sibyll Klotz (Grüne) versuche daher, etwas mit kleinen Maßnahmen zu bewirken; etwa durch den Rückbau von Straßenecken, wie schon geschehen an der Kleist-/Ecke Einemstraße. Im August starte ein Dialog mit Bürgern, Interessengruppen und Investoren. Dabei ginge es aber um den gesamten Kiez bis zum Winterfeldtplatz. (Tagesspiegel, Futurberlin)

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Das Wort Gottes muss durch den Mund der Menschen

Bürger platzen mit Bannern ins Tempelhofer Feld-Bürgergespräch: "Früh stören" - na, wenn das nicht zur Fußball-EM passt! (Foto: André Franke)Moderatorin Ursula Flecken greift zum Mikro, um es sogleich wieder aus der Hand zu geben. Ohne das vorher gewusst zu haben. Als die Stadtplanerin das Publikum zum Bürgergespräch über die Zukunft des Tempelhofer Feldes begrüßt, ziehen Bürgerinitiativen aus Kreuzberg, Neukölln und Tempelhof mit Bannern vor der Brust vor den Altar der Passionskirche am Marheinekeplatz. Dass man in die Kieze hineingehen wolle, teilt sie mit. Dann kann das Publikum auf den Transparenten lesen: “Kiez wehrt sich” und “Wir wollen keine Spielwiese, wir wollen die Freiheit, wie sie ist!”

Die Bürger fordern das Wort. Ursula Flecken lenkt ein. “Ich gebe das Mikrofon für fünf Minuten aus der Hand”, sagt sie. Doch es wurden mehr als dreißig. Erst liest eine Frau vom “Mieterrat Chamissoplatz” aus einer vorbereiteten Erklärung. Dann fordert ein Mann von “100% Tempelhofer Feld” die Sicherung des gesamten Tempelhofer Feldes als Freiraum und einen direkten Dialog mit der Politik, gefolgt von einem jungen Aktivisten aus Neukölln, dessen Initiative noch in der Gründung sei und noch keinen Namen hätte, wie er sagt. “Es ist eine soziale Frage”, sind seine letzten Worte, als noch schnell eine Piratin nach vorn springt und ihre Unterstützung für “100% Tempelhofer Feld” kund tut. Wer an diesem Donnerstagabend moderieren will, hat ein dickes Brett zu bohren.

So, jetzt sei alles raus, möchte man meinen. Als wäre dieser Fehlstart nicht schwierig genug, bekommt Ursula Flecken auch noch einen nicht bestellten Co-Moderator an die Seite gestellt. Ein Anwohner mit stadtplanerischem Hintergrund erklärt sich selbst dazu und will sie durch die Abend-Veranstaltung begleiten. Er stellt erstmal das Programm um und schlägt eine große Fragestunde vor.

Gegen 18:45 Uhr kommt endlich Ursula Flecken wieder zu Wort. Sie erklärt sich solidarisch und findet den Programmvorschlag und die eigene Themensetzung der Bürger erstmal gut. Gerne würde sie aber erläutern, welches Programm sie und der Veranstalter, die Tempelhof Projekt GmbH, sich für heute Abend ausgedacht haben. “Wir wollen informieren”, stellt sie klar. Über den aktuellen Stand der Planung, auch wären Arbeitsgruppen vorgesehen. – Aber das Publikum lässt sie nicht. Ein Mann ruft dazwischen: “Wir wollen nicht, dass in der Zeitung steht, man hätte die Bürger informiert!” Die Zwischenrufe reißen nicht ab. Es war weiß Gott nicht der erste. Apropos: “Das Wort Gottes hören”, steht an der märchenhaften Backsteinkanzel. Im Rücken von Flecken.

Doch aus der Fragestunde wird nichts. Die Moderatorin erkennt, dass es im Publikum durchaus Interesse daran gibt, was die Veranstalter zu berichten haben. Auf Nachfrage melden sich eine Hand voll Leute. Und als Ursula Flecken die Rebellen geschickt fragt, ob sie es den Neutralinteressierten wirklich verwehren möchten, zu ihrem Recht auf allgemeine Information zu kommen, da können die Lautstarken, so wütend sie auch sind, dann doch nicht anders und stimmen der Quickinfo zu.

Zuvor war schon der Versuch gescheitert, den Landschaftsarchitekten der geplanten Parklandschaft seine Ideen erläutern zu lassen und der Diskussion eine Grundlage zu geben. Der Co-Moderator schritt ein, forderte im Auftrag der Initiativen die Fragerunde ein. Der Architekt von GROSS.MAX. aus Edinburgh kam nicht zu Wort.

Ursula Flecken gibt das Wort also an Martin Pallgen von der Tempelhof Projekt GmbH. Nur kurz. Vorm Altar kommen jetzt Beamer und Leinwand zum Einsatz. Gäste aus dem Publikum hatten schon vor Beginn der Veranstaltung über Pallgens Outfit gelästert: Glänzende Anzüge stünden keinem Mann, urteilten sie auf der Kirchenbank. Pallgen versucht jetzt das Unmögliche: für eine Minderheit das Notwendigste in halber Zeit zu berichten und gleichzeitig die Protestler im Publikum durch vage gehaltene Informationen nicht gegen sich aufzubringen. Er schlägt sich gut. Aber die Fragen und Einwände, die das Publikum Martin Palgen immer wieder entgegenruft, entgegenschreit, lassen den Vortrag nicht allzu lang werden. Es scheint, als lehne die Menge prinzipiell das Format ab. Anzugträger, Powerpoint und die immer willkürlich erscheinende Geometrie der Pläne, mit denen “die da oben” den Berliner Boden abstecken. – “Das Wort Gottes hören”? – Die Bürger wollen selber sprechen. Fordern das jetzt. Ursula Flecken leitet über zur Fragerunde.

Kurz nach 19 Uhr hat sich am Saalmikro eine lange Schlange gebildet. Etwa zehn bis fünfzehn Wortbeiträge gehen in der nächsten knappen Stunde durch das Mikrofon. Die meisten fragen nicht, sie stellen fest. Empören sich. Ein Mann regt sich über die Grün Berlin GmbH auf, weil die Gesellschaft seiner Meinung nach an zu vielen Projekten in Berlin beteiligt ist. “Welches Recht hat Grün Berlin …?”, schimpft er. Die Antwort bekommt er vom Geschäftsführer. “Wir haben einen Auftrag vom Land Berlin, das kann man ganz nüchtern sagen”, so Christoph Schmidt, dem ein Lächeln über die Mundwinkel läuft. Die Pläne wären zum jetzigen Zeitpunkt noch aufhaltbar, mahnt ein anderer Sprecher. Und dann wieder Zwischenrufe. Viele ersparen sich ein Anstehen in der Rednerschlange, posaunen ihre Anliegen quer durch die Kirche. Heute gibt es viel Leidenschaft in der Kreuzberger Passionskirche. “Gänseblümchen sammeln und Brennnessel, mit den Kindern, das ist Bildung!”, ruft ein Vater, der sich auf das von Martin Pallgen erwähnte Bildungsquartier am Tempelhofer Damm bezieht.

Einer der Schreier kommt aus den Bänken hervor und greift zum Mikrofonständer. Ohne sich hinten anzustellen. Es sieht zuerst wie Sabotage aus. Dann erkennt man, dass der Mann das Mikro um 180 Grad drehen will, damit das Publikum die Bürgersprecher besser sehen kann. Die Moderatorin lässt ihn gewähren. Damit ist der Kirchenraum endgültig zur Verlautbarungsbühne der besorgten Initiativen geworden. Die Manager- und Moderatorenriege des Senats ist in die zweite Reihe gerückt.

Ein Berliner Ire, der für das Quartiersmanagement Schillerpromenade arbeitet, beklagt, die Tempelhof Projekt GmbH hätte mehrere seiner Projekte zur Weiterentwicklung des Tempelhofer Feldes als unausgegoren abgelehnt. Ein anderer bezweifelt den grundsätzlichen Ansatz der Parklandschaft: “Landschaft braucht nicht geplant werden, die Landschaft ist schon da!” Der junge Initiativengründer aus Neukölln kontert einen Redebeitrag einer Sachbearbeiterin aus der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung damit, dass Protest marginalisiert würde, und dass das eine große Frechheit sei; seine Vorrednerin hatte die Bürgerbeteiligung erläutert, die sie seit 2007 begleitet hat.

Wenn das Kriterium für ein erfolgreiches Bürgergespräch der Fakt ist, dass Bürger sprechen, dann war die Veranstaltung gelungen, bevor sie zu Ende war. Nach zwei Stunden Kirchenbank sind um 20 Uhr längst nicht alle Messen gesungen. Ursula Flecken und ihr Co-Moderator, der nicht von ihrer Seite wich, drängen jetzt in die Arbeitsgruppen. Der Forderung des Publikums nach eigener Themensetzung wird entsprochen. Aber müde nur rufen die von der Gemeinschaftsmoderation aufgeforderten Bürger nach ihrem Protesteifer die Stichworte aus, mit denen die AG’s betitelt werden sollen. Es stockt. Die Luft ist raus.

Aber es ist auch dem Wechsel der Spielart geschuldet. Der Bürger soll jetzt wieder was. Er soll denken. Er soll diskutieren. Er soll sogar selbst moderieren, alles in den AG’s. Die Passionskirche verwandelt sich in eine Schulbank. Und in jeder Ecke stehen Stühle und Flipcharts bereit, liegen Stifte zum Malen. Zögerlich füllen sich die AG’s. Einer ruft: “Wir brauchen hier noch einen Moderator.” Viele stehen an der Bar. Hier gibt es Brezel und Saft, gesponsert vom Veranstalter. Serviert von Kirchenleuten. Verlässt man zu diesem Zeitpunkt den Ort, kann man draußen vor dem Eingang manchen stehen und frische Luft schnappen sehen. Zum Beispiel den Mann, der mit der Politik sprechen will.

So sieht das Schloss aus

— Nachricht —

Die Musterfassade des Berliner Stadtschlosses an der Karl-Liebknecht-Brücke in Mitte ist fertiggebaut. Zu sehen ist nach einer Pressemitteilung der Stiftung Humboldtforum ein Ausschnitt aus der Südfassade des Schlosses mit einer Fensterachse über zwei Obergeschosse, dazu Hauptgesims und Balustrade. Die Stiftung wolle mit dem Bau die Materialien in den Witterungsverhältnissen testen, deshalb sei die Fassade nach Westen ausgerichtet. Sie werde bis 2017/18 stehenbleiben, solange wie die benachbarte Humboldt-Box, teilte eine Stiftungssprecherin auf Anfrage von Futurberlin mit. Die Fassade wäre mit 16 Metern Höhe etwa halb so groß wie der Originalbau. Am 21. Juni würde mit dem Bau begonnen. Bundesbauminister Peter Ramsauer (CSU) werde an dem Tag die Baustelle besuchen. (Stiftung Humboldtforum, Futurberlin)

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Keine Reko am Reko-Schloss

— Nachricht —

Der geplante Freiraumwettbewerb für die Umgebung des Humboldtforums soll im August ausgeschrieben werden. Wie die Berliner Zeitung berichtet, hat Senatsbaudirektorin Regula Lüscher das heute Nachmittg im Kulturausschuss des Abgeordetenhauses angekündigt. Alle professionellen Architekten und Landschaftsplaner könnten demnach an ihm teilnehmen. In die Wettbewerbsjury als Fachberater hinzugeladen habe Lüscher die Gesellschaft Historisches Berlin, die sich für eine Rekonstruktion der historischen Umgebung des Schlosses einsetzt, zum Beispiel für die Rückkehr des Neptunbrunnens vom Platz vor dem Roten Rathaus zurück auf den Schlossplatz. Das hatte Lüscher schon vor einigen Wochen abgelehnt. Der Schlossplatz solle aber freigehalten werden, sollten zukünftige Generationen den Brunnen versetzen wollen. An ihren aktuellen Standorten bleiben sollen auch der Große Kurfürst am Schloss Charlottenburg, die Rossebändiger im Kleistpark und der Heilige Georg im Nikolaiviertel. (Berliner Zeitung, Futurberlin)

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Osthafen wird schwimmender Kiez – vielleicht

— Nachricht —

Das Wasser- und Schifffahrtsamt Berlin (WSA) verkauft den noch aus DDR-Zeiten stammenden, ruinösen Steg im Osthafen. Zehn Investoren hätten sich beworben, die denkmalgeschützte, 480 Meter lange ehemalige Grenzanlage zu sanieren und mit neuen Konzepten weiterzuentwickeln, schreibt der Tagesspiegel. Die Betreiber vom historischen Hafen an der Fischerinsel wollten demnach im Osthafen ein Museum zur lokalen Schifffahrtsgeschichte errichten; die Osthafensteg UG wolle die Steganlage einerseits zum Gedenkort mit Aussichtspodesten umbauen, andererseits einen 35 Meter hohen Solarturm mit Solarbootsverleih errichten; und die Eventagentur Workisplay habe vor, unter dem Titel “Stadt im Fluss” aus dem Ort einen schwimmenden Kiez mit Imbiss-, Restaurant- und Ausstellungsschiffen zu machen. Partner von Workisplay ist der benachbarte Club der Visionäre an der Lohmühlensinsel. Morgen träfe das WSA gemeinsam mit der Senatsverwaltung für Umwelt und den Bezirksbürgermeistern von Friedrichshain-Kreuzberg und Treptow-Köpenick die Entscheidung, welche Idee verwirklicht werden soll. Gleich gegenüber, am Friedrichshainer Ufer, war am 23. Mai der Startschuss zum Projekt “Spree 2011” gefallen und ein 50 Meter langer Unterwassercontainer versenkt worden, der durch das Auffangen von Kanalisationswasser das Spreewasser wieder badebar machen soll. (Tagesspiegel, Futurberlin)

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Bypass zum Spittelmarkt gelegt

— Nachricht —

Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) hat am Donnerstag die neugebaute Axel-Springer-Straße in Mitte eingeweiht. Sie verbindet jetzt wieder Kreuzberg mit der Kreuzung Spittelmarkt, wo sie vierspurig inklusive Radweg auf die Leipziger und Gertraudenstraße trifft. Bis zur Wende war die Straße durch die Berliner Mauer abgeschnitten und bis vorgestern für den Straßenverkehr in Richtung Altstadt nicht befahrbar. Wie die Berliner Zeitung schreibt, sei die Fahrbahn mit lärmmindernden Asphalt gebaut worden. Außerdem wären 64 Fahrradbügel errichtet und 40 Ahornbäume gepflanzt worden. Die Klage von Anwohnern und dem Bund für Umwelt und Naturschutz in Deuschland (BUND) gegen Lärm und Feinstaub sei im Februar 2011 vor dem Verwaltungsgericht gescheitert. Der nur 300 Meter lange Bau soll 11,4 Millionen Euro gekostet haben. Die Grünen kritisierten das. (Berliner Zeitung)

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