Reisebusse in Berlin

„Reisebusse raus!“ ist zu kurzsichtig

Als Fahrrad-Guide sind mir Reisebusse mindestens suspekt. Von Hass kann keine Rede sein. Mir geht es um die Stadt …

Reisebusse in Berlin

Schon besser: Ein Sightseeing-Bus überquert den Checkpoint Charlie wegen der Baustellenumleitung von Süden nach Norden ohne Abzubiegen (Foto: André Franke)

Der Berliner Kurier macht Stimmung gegen Reisebusse. Warum auch nicht? Sie blockieren Stadtbild und Sehenswürdigkeiten, verpesten die Luft, lärmen und sind ungelenke Riesen unter den Verkehrsteilnehmern und deswegen auch gefährlich. Gerade auch, weil die Fahrer ortsfremd sind. Schwerpunkte des Busgerangels sind schnell aufgezählt: Museumsinsel, Gendarmenmarkt, Holocaust-Mahnmal und Checkpoint-Charlie. Auch die Mauergedenkstätte in der Bernauer Straße.

? Warum sanieren wir den Kolonnadenhof vor der Alten Nationalgalerie, wenn ich ihn nicht mehr sehen kann, weil der Säulengang von den Bussen zuparkt ist?

?? Wie kontraproduktiv, ja zerstörerisch sind die Reihen rollender Motoren am Gendarmenmarkt, dessen Attraktvität von der Atmosphäre straßenmusikalischer Inszenierungen lebt?

??? Und wie paradox erscheint mir die Lage am Stelenfeld, wo eine lückenlose Wagenburg die Offenheit und Begehbarkeit der Eisenman-Skulptur zu nichte macht?

Beim Checkpoint Charlie sieht man allerdings, wie eine gezielte Verkehrsführung sofort positive Effekte haben kann: Wegen der Baustelle in der Zimmerstraße müssen alle Busse aus Richtung Potsdamer Platz kommend zur Zeit über die Kochstraße fahren. Das heißt, sie überqueren den Checkpoint Charlie geradlinig, ohne links in die Friedrichstraße abzubiegen und vorher aufgrund der Vorfahrtsregeln minutenlang warten zu müssen. Hier bin ich gespannt, was die geplante „Begegnungszone“ bringt.

Berlin braucht mehr als ein Konzept für Reisebusse

Im Kurier fordert Stefan Gelbhaar von den Grünen ein Reisebus-Konzept. Ich halte das für viel zu kurz gegriffen. Denn auch Lieferverkehr stört in sensiblen Bereichen des Hauptstadt-Tourismus, und auch Pkw-Stellplätze blockieren Zugänge zu öffentlichen Räumen. Man denke mal an die East-Side-Gallery, wo die parkenden Autos den Betrachtern der Bilder den Standort für die beste Perspektive versauen.

Wir brauchen ein modifiziertes Verkehrskonzept. Und es muss eben auf die Schnittstellen zum Berlin-Tourismus abgestimmt werden.


weitere Futurberlin-Artikel zu: Checkpoint-Charlie und East-Side-Gallerie

2 Kommentare
  1. Peter Schmiedchen sagte:

    Stop Bus Overtourism – Select Vantastic Sightseeing Tours & Pleasure Trips

    Klimaanlagen für Busse sind nicht nur extrem laut, sondern auch […]!
    Umweltbundesamt.de (Auszug vom 25. Mai 2018)
    Neue Reisebusse sind üblicherweise klimatisiert. Auch immer mehr Stadt- und Überlandbusse haben Klimaanlagen. Bei Stadtbussen stieg die Klimatisierungsrate von 1993 bis 2013 von fünf auf 69 Prozent, bei (überlangen) Überlandbussen auf 88 Prozent.
    Da Busklimaanlagen keine hermetisch geschlossenen Systeme sind, entweicht während der gesamten Lebensdauer eines Busses permanent Kältemittel. Diese Emissionen tragen zur Erhöhung des Treibhauseffektes bei. Durchschnittlich verlieren Busklimaanlagen 15 Prozent ihres Kältemittels pro Jahr. Insgesamt emittierten aus Bussen im Jahr 2016 deutschlandweit etwa 104 Tonnen des Kältemittels R134a, das entspricht 148.000 Tonnen CO2-Äquivalent. Zum Vergleich: Das ist etwa so viel wie die jährliche CO2-Abgasemission von 60.000 Pkw.

    Peter Schmiedchen, Gründer und Inhaber vom https://vansation.com/about-overtourism/

    Antworten
  2. torsteni gareis sagte:

    Führungen auf Bussen sind meistens wenig zufriedenstellend. Es ist ein wenig wie gute Filme auf TV statt im Kino zu sehen – oder über gutes Essen zu lesen anstatt es selbst zu probieren. Die Leute sehen die gesamte Stadt, aber erfahren sie gar nicht. Aber letztlich soll das das Problem der Touristen sein, und nicht meins.

    Im übrigen habe ich als täglicher Radfahrer in Berlin mit Bussen weniger Probleme als mit so manch anderem Verkehrsmittel. Die gesamte Fragestellung ließe sich insofern in einen weitaus größeren Kontext stellen. Wie kann es sein, daß im 21. Jahrhundert Autos geschätzte 60-70% der zur Verfügung stehenden Flächen in einer Stadt einnehmen? Ich vermute und hoffe, dass die Menschen in 50-80 Jahren es als kompletten Wahnsinn ansehen, dass noch vor kurzem unser Lebensraum von stinkendem, lärmendem Metallschrott okkupiert wurde. Das ist natürlich auch ein urdeutsches Problem, schließlich ist das Auto ja hier ein Heiligtum. Wie erfrischend und befreiend ist da ein Blick nach Kopenhagen. Die Dänen sind da schon einen erheblichen Schritt weiter. Wenn es nur noch Busse gibt, dann wären sie auch kein Problem für uns. Um mal nicht von Fahrrädern zu sprechen.

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