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Schwerpunkte des Wohnungsbaus

Schwein gehabt auf der Elisabeth-Aue in Pankow

Hoch im Norden Pankows wetzt man nicht nur die Messer. Für den Bürgerkampf gegen die Bebauungspläne des Senats auf der Elisabeth-Aue braucht es auch ein bisschen Seele: So veranstaltete die Initiative Elisabeth-Aue e.V. am vergangenen Wochenende eine musikalisch-literarische Matineé (u.a. Lesung von und mit Beate Ruben: „Egon das Schwein“) – mit kulinarischen Leckerbissen, um Spenden zu sammeln für den Widerstand gegen den staatlich verordneten Wohnungsbau. Die Initiative will damit ihre Anwälte bezahlen.

Elisabeth-Aue in Pankow

Blick auf die noch unbebaute Elisabeth-Aue. Mit dem Bild lädt die Initiative in ihrem Newsletter zur Matineé ein (Abbildung: Elisabeth-Aue e.V., Mai 2016)

Das kennt man schon von anderen „Bürgerwehren“. Auch die Mauerpark-Allianz bittet um finanzielle Hilfen für juristischen Beistand im jahrelangen Kampf gegen das Bauvorhaben. Daran sieht man, wie sich Menschen in Berlin in ihrer Freizeit den Arsch aufreißen. (Jede andere Formulierung würde dem, was sie leisten, nicht gerecht werden.) Fünfzehn Pläne haben die Initiativen am Mauerpark verhindert – trotzdem wird heute gebaut (ein Wohngebiet mit etwa 700 Wohneinheiten).

Ich frage mich, woher die Elisabeth-Aue-Streiter ihre Zuversicht nehmen, dass der Senat von der 70 Hektar großen Stadtrandfläche die Finger lässt und auf 5.000 Wohnungen verzichtet. Die Elisabeth-Aue zählt zu den größten Wohnungsbaupotenzialen Berlins. Und das sind sie (nach einer Aufstellung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vom April 2016):

  1. Elisabeth-Aue in Pankow-Blankenfelde (5.000 Wohnungen)
  2. Blankenburger Pflasterweg/Heinersdorf in Pankow (bis 6.000 W.)
  3. Cluster Buch in Pankow (bis 2.500 W.)
  4. Michelangelostraße in Prenzlauer Berg (bis 2.500 W.)
  5. Johannisthal/Adlershof in Treptow (bis 2.500 W.)
  6. Cluster Köpenick in Köpenick (bis 4.500 W.)
  7. Buckower Felder in Neukölln (500 W.)
  8. Lichterfelde-Süd in Steglitz (bis 3.000 W.)
  9. Wasserstadt Oberhavel in Spandau (bis 5.500 W.)
  10. Gartenfeld in Spandau-Siemensstadt (bis 4.000 W.)
  11. Schumacher Quartier in Reinickendorf-Tegel (5.000 W.)
  12. Europacity/Lehrter Straße in Mitte-Moabit (4.000 W.)
Schwerpunkte des Wohnungsbaus

Die Wohngebiete liegen vor allem im Norden Berlins, wie die Karte zeigt (Quelle: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, April 2016)

Auf der website von SenStadtUm gibt es zu jedem der zwölf Standorte einen Steckbrief mit Kurzinfos, zum Beispiel dem Stand der Planung und einen Lageplan (Steckbrief Elisabeth-Aue). Wenn ich mir die Lagepläne so ansehe, sieht das siedlungstechnisch doch ganz vernünftig aus. Die Neubaugebiete werden nicht in die freie Landschaft gesetzt. Sie verstärken die Siedlungsachsen der Stadtregion und fügen sich an bebaute Gebiete an. Oder in sie ein. Weshalb also der ganze Protest? Was sind das für Seelen aus dem Berliner Norden? Langsam wächst die Neugier bei mir, mal auf einen Leckerbissen hinauszufahren. An den Stadtrand. Zur nächsten Matineé. Die Sorgen hören. Die Mühen schätzen. Und sollte am Ende doch gebaut werden – Schwein haben sie (mit Egon) an der Elisabeth-Aue ja trotzdem gehabt.

Maja Patas: Fotomontage von Andreas Geisel

Ergreift Geisel die Stadtkrone?

Maja Patas: Fotomontage von Andreas Geisel

Ein Berliner Kopf: Senator Andreas Geisel auf einer Fotoabstraktion der Künstlerin Maja Patas (© Maja Patas, mit freundlicher Genehmigung)

Unglücklicher könnte die Kombination nicht sein. Die Berliner Zeitung gab am Dienstag eine Beilage “Wirtschaft Berlin – Wohnungswirtschaft und Wohnungsbau” heraus, in der sie auf Seite 9 in einem Artikel die 24 Hauptstandorte für den Wohungsbau beleuchtet: Mauerpark, Elisabeth-Aue, Wasserstadt Spandau … Nur bebilderte die Redaktion den Beitrag mit einem Modellfoto vom gerade überarbeiteten Masterplan des Alexanderplatzes, mit einem Hochhausstädtebau, der mit seinen bis zu 150 Meter hohen Towers bei bestimmten Wetterlagen wortwörtlich “an den Wolken kratzt”. Die Hauptstadt wachse und benötige dringend bezahlbaren Wohnraum, so der Untertitel, der irreführender kaum sein kann, wenn da weiter steht: “Kommunale Gesellschaften gehören längst wieder zu den Bauherren.” – Das stimmt ja im Allgemeinen, aber nicht doch für die Türme vom Alex, die alle im Privateigentum gebaut werden. Sozialer Wohnraum entsteht hier nicht, sagte auch Senatsbaudirektorin Regula Lüscher bei der Vorstellung des neuen Kollhoff-Plans vor zwei Wochen: “150 Meter ist schon erheblich und bedeutet eine wirtschaftliche Anstrengung”. Eine Anstrengung, die belohnt werden will. Im Hines-Tower von Frank O. Gehry sollen 250 Eigentumswohnungen entstehen. Also, hier kann man wirklich auf falsche Gedanken kommen.

Auch auf den, dass Senator Geisel die Türme baut. Gleich im ersten Absatz wird seiner Manpower gehuldigt. Der Bausenator “schrecke” nicht davor zurück, “Baugrund zu Gebieten von ‘außergewöhnlicher stadtpolitischer Bedeutung’ zu erklären, um Planungs- und Beteiligungsverfahren an sich zu reißen (…)” – Reißen, nicht Ziehen. Die Wortwahl zeigt doch, dass ich mit meinem Eindruck, der Bausenator wäre eine “Erscheinung” (siehe Newsletter „Skyscraper“ #50/15) gar nicht so falsch liege und damit nicht alleine bin oder? Auch hier hat Autor Michael Hielscher ja vollkommen recht, wenn er die Beispiele aufzählt, bei denen der dynamische, durchsetzungsstarke Bausenator den Bezirken die Planungshoheit entzogen hat: Mauerpark, Elisabeth-Aue, Buckower Felder, SEZ. Den Checkpoint Charlie kann man seit kurzem auch noch hinzufügen. Aber ist er denn imstande, um zum Fehlfoto zurückzukommen, auch die “Stadtkrone” an sich zu reißen? Die Türme vom Alex in der Hand Geisels … Das ist die Assoziation, die sich dem Leser hier aufdrängt. Und ich gebe zu, ich finde sie sehr unterhaltsam.


Hier die Beilage „Wirtschaft Berlin“ der Berliner Zeitung

Dass die Skyline vom Alex grundsätzlich ausbaufähig ist, lest Ihr hier auf dem Blog in diesem Artikel

Ausstellung: Maja Patas „Berlin und seine Köpfe“, bis 9. Januar 2016 im Foyer der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, Am Köllnischen Park 3, 10179 Berlin. Die Künstlerin hat für den Artikel freundlicherweise ihr Werk vom Senator zur Verfügung gestellt. Danke.

Neinsager Nr. 51, bitte sprechen Sie jetzt

Michelangelostraße in Prenzlauer Berg, 1. Preis städtebaulicher Wettbewerb 2014: Frank Görge Architekt, Hamburg und  Breimann & Brunn, Hamburg +++ Nachverdichtung zwischen der südlich gelegenen Thomas Mann Siedlung und den Zeilenbauten im Norden

Michelangelostraße in Prenzlauer Berg, 1. Preis städtebaulicher Wettbewerb 2014: Frank Görge Architekt, Hamburg und
Breimann & Brunn, Hamburg +++ Nachverdichtung zwischen der südlich gelegenen Thomas Mann Siedlung und den Zeilenbauten im Norden

Ich kann es immer noch nicht ganz glauben, dass Pfarrer Zeiske das durchgezogen hat. Er bat um Wortmeldungen und bekam ganze 51. Als er durch die Bankreihen in der Gethsemanekirche ging, durchzählte und die Liste schrieb, dachte ich, er hört bei Nr. 20 auf und plant die Moderation um. Aber er war konsequent. Nur ein unterschwelliger Seufzer „Oh Gott …“ entglitt ihm, da war er etwa bei Nr. 40.

Anwohner der Michelangelostraße in Prenzlauer Berg waren zu einer Informationsveranstaltung gekommen, wo Baustadtrat Kirchner und Senatsbaudirektorin Lüscher ein Neubauprojekt vorstellten, bei dem 1.500 Wohnungen entstehen sollen.

Nach eineinhalb Stunden bin ich gegangen. Das Wort hatte gerade die Meldung Nr. 17. Später kam ich wieder, und sie waren doch tatsächlich mit Rede und Antwort bei Nr. 48 angelangt. Vor jedem, der zu diesem Zeitpunkt noch in der Kirche war, zöge ich den Hut, wenn ich einen hätte. Vor den Anwohnern, aber vor allem vor Kirchner, Lüscher und Zeiske. Von Anfang an hatten sie hundertprozentigen Gegenwind. Wie oft haben sie sich wiederholt und blieben doch missverstanden?

Ich spare mir Inhalte. Und Zitate. Für heute. – Es war eine starke Veranstaltung, auf beiden Seiten. Aber auch eine, die zeigte, dass Betroffenheit manchmal blind machen kann.

Übrigens interessant, dass der Live-Bericht der Abendschau die Stimmung nicht wirklich einfangen konnte. Es war rauher. Aber hier ist der Beitrag noch bis 15. April zu sehen.