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Partizipation des Vergessens

Es ist schon ganz schön viel verlangt, was Stefan Evers sich da wünscht. “Mit einem weißen Blatt Papier” sollten wir in den Stadtdialog ums Rathausforum gehen. Der stadtentwicklungs-politische Sprecher der CDU im Abgeordnetenhaus hat da schlichtweg eine Unmöglichkeit geäußert. Oder eben einen Wunsch.

Rathausforum, Design der website www.stadtdebatte.berlin.de (zebralog). Um diesen Stadtraum geht´s

Rathausforum, Design der website www.stadtdebatte.berlin.de (zebralog). Um diesen Stadtraum geht´s

Die Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung zur “Berliner Mitte” vom letzten Montag hatte Ausnahmecharakter. Es wirkte, als fände sie in einem geschützten Raum statt. Und dieser Raum kam zustande, weil jedem klar war, dass es heute nicht um Inhalte ging, sondern um die Form. Zebralog, Agentur für crossmediale Bürgerbeteiligung, stellte das “Prozessdesign” für das Debattenprojekt ums Rathausforum vor. Heute wurde nicht geboxt, sondern der Boxkampf verabredet.

Maria Brückner (links) und Daniela Riedel von zebralog: "Bürgerbeteiligung muss auch Spaß machen."

Maria Brückner (links) und Daniela Riedel von zebralog: „Bürgerbeteiligung muss auch Spaß machen.“

Und das ist nicht einmal das falsche Wort. Antje Kapek von den Grünen, wünschte sich ausdrücklich, dass die anstehende Diskussion “knackig und kontrovers” geführt werde. Bisher war es so, dass die Debatte, ob Freiraum oder Bebauung, in den Medien und über Veröffentlichungen ausgetragen wurde. Ein Vorschlag jagte den anderen. Alle waren sie unverbindlich. Und die Giganten der Stadtplanung blieben unter sich, in ihren eigenen Veranstaltungen und übten am Punching Ball. Jetzt sollen sie sich treffen. Jetzt MÜSSEN sie sich treffen. Denn wer bei diesem Partizipationsprojekt, das sich an alle wendet, nicht mitmacht und später meckert, dem wird niemand mehr zuhören. Wenn am 18. April mit der Auftaktveranstaltung im bcc am Alex der Gong zur ersten Runde schlägt, darf es kein Ausweichen mehr geben.

Dr. Benedikt Goebel, Historiker und Mitglied des Kuratoriums. Johanna Schlaack (links), von Think Berlin und ebenfalls im Kuratorium

Dr. Benedikt Goebel, Historiker und Mitglied des Kuratoriums. Dr. Johanna Schlaack (links), von Think Berlin und ebenfalls im Kuratorium

Kommen wir zu den Ringrichtern. Es gibt sie wirklich, nämlich als 14-köpfiges Kuratorium, das aus Experten besteht, die über das Verfahren wachen sollen. Am Montag bekamen wir zumindest acht von ihnen zu sehen, was ich als Veranstaltungselement sehr sympathisch fand. Aber an der Zusammensetzung des Gremiums entzündet sich Kritik. So ist an einer Schreibtafel zu lesen: “Im Kuratorium gibt es nur einen Historiker!” Die Teilnehmer der Veranstaltung konnten hier auf Akteure hinweisen, die ihrer Meinung nach im Stadtdialog noch fehlten.

Daniela Riedel und Maria Brückner von Zebralog erklären vorher Struktur und Ablauf des breitangelegten Stadtdialogs, betitelt mit: “Alte Mitte – neue Liebe?” Nach der Auftaktveranstaltung im April als Aufwärm-Event gibt es eine Online-Beteiligung. Sie wird mit Werkstätten, Spaziergängen, Kolloquien, Ausstellungen, sogar mit Theater kombiniert. Die Ergebnisse gelangen über “entsandte” Bürger ins Halbzeit-Forum. Hier entscheiden die Entsandten über die weiteren Schwerpunkte, die nach der Sommerpause zu vertiefen sind. Im November dann: das Abschluss-Forum mit einem “offenen” Ergebnis.

Prozessdesign der Stadtdebatte "Alte Mitte - neue Liebe?" 2015 (Quelle: zebralog)

Prozessdesign der Stadtdebatte „Alte Mitte – neue Liebe?“ 2015 (Quelle: zebralog)

Diese “Ergebnisoffenheit” hat manchem an diesem Abend zu schaffen gemacht. Eine Frau sagt, sie finde den Prozess nur deshalb ergebnisoffen, weil sie das Beteiligungskonzept für schwammig hält. Riedel erklärt, das Ergebnis müsse inhaltlich offen bleiben, aber ein Ergebnis als solches müsse es auf jeden Fall geben. Empfehlungen, Leitlinien, Vorschläge können das sein. Sie werden dem Abgeordnetenhaus vorgelegt, das 2016 über alles weitere entscheidet. Viele zweifeln daher an der Verbindlichkeit des Ergebnisses. Das ist an einem spontanen Meinungsbild mit Klebepunkten deutlich zu erkennen. Warum dann überhaupt mitmachen?

Senator für Stadtentwicklung und Umwelt, Andreas Geisel (SPD), Nachfolger von Michael Müller

Senator für Stadtentwicklung und Umwelt, Andreas Geisel (SPD), Nachfolger von Michael Müller

Weil es ein Experiment ist. So versteht es auch Andreas Geisel. Der neue Stadt-entwicklungssenator will, dass die Kontrahenten aufeinander zugehen, auch die eigene Meinung in Frage stellen und lernen. “Nicht in den Prozess reingehen, um zu gewinnen”, sagt er. Das klingt weniger nach Boxen. Das geht eher in Richtung Capoeira, den brasilianischen Kampftanz. Man setzt sich miteinander auseinander, aber niemand erleidet einen ernsthaften Schaden.

24 Stunden nachdem Geisel dies in seinen Schlussworten sagte, hat einer vorgemacht, wie dieses “Aufeinander Zugehen” aussehen könnte. Benedikt Goebel kommentierte vergangenen Dienstag in einem Vortrag über “Die vergessene Schönheit der Berliner Altstadt” auch ein Bild aus DDR-Zeiten. Abgebildet war der junge Freiraum am Fuße des Fernsehturms (das Rathausforum), ein coloriertes Foto, das die sozialistische Stadt von ihrer Sonnenseite zeigt (es war ein vergleichbares Foto wie unten). Goebel, der Historiker aus dem Kuratorium, gestand dem Ort in seinem damaligen Zustand eine eigene Schönheit zu (die er heute natürlich nicht mehr habe). Zugeständnisse dieser Art sind mir im Bürgerforum Berlin bisher nicht zu Ohren gekommen. Find ich gut.

Freiraum zwischen Fernsehturm und Spree zu DDR-Zeiten. Im Hintergrund: Palast der Republik. Blick in westliche Richtung +++ Foto: John Spooner, „Berlin - Hauptstadt der DDR“, CC-Lizenz (BY 2.0) http://creativecommons.org/licenses/by/2.0/de/deed.de Alle Bilder stammen aus der kostenlosen Bilddatenbank www.piqs.de

Freiraum zwischen Fernsehturm und Spree zu DDR-Zeiten. Im Hintergrund: Palast der Republik. Blick in westliche Richtung +++ Foto: John Spooner, „Berlin – Hauptstadt der DDR“, CC-Lizenz (BY 2.0) http://creativecommons.org/licenses/by/2.0/de/deed.de
Bild stammt aus der kostenlosen Bilddatenbank www.piqs.de

Stefan Evers´ Ideal vom “weißen Blatt Papier” bleibt in meinen Augen aber eine absolute Illusion oder erfordert die Kunst des Vergessens. Das gilt zumindest für Fachleute und Initiativen. Bei demselben Vortrag, der zu einer Veranstaltungsreihe in der Volkshochschule Mitte gehört, wurde geboxt. Eine Dame, die sich als Berlin-Gast ausgab, äußerte ihre ganz persönliche Stadtwahrnehmung. Sie deckte sich aber nicht mit der vorherrschenden Meinung im Raum. Eine gestandene Architektin konterte die Touristin in den Boden, dass Ex-IBA-Moderator Hildebrand Machleidt sie mit warmen Worten nach der Veranstaltung wieder auf die Beine zu bringen gedachte. Das zeigt, wie unverrückbar Haltungen sein können, die mit jahrelanger Arbeit und Leidenschaft aufgebaut, gepflegt und in die Welt getragen wurden. (Diese Arbeit verdient nebenbei gesagt auch Respekt.)

Für die Dame, die für eine ganze Interessensgruppe steht, war das “weiße Blatt Papier” allerdings Realität. Sie sieht die Stadt wie sie ist – ohne Bilder. Schade, dass dieser fruchtbare Moment am Dienstag in der Volkshochschule nicht für eine Diskussion genutzt wurde. Ihre Frage war doch eine Steilvorlage für jeden, der sich mit Stadt auskennt: “Dann erklären Sie mir, wie die Stadt funktioniert …” Allein, es blieb keine Zeit mehr dafür. Ein bisschen unglücklich war´s.

Solche Begegnungen zwischen “beschriebenen und unbeschriebenen Blättern” werden sich im Stadtdialog “Alte Mitte – Neue Liebe?” mit Sicherheit wiederholen. Dann wird es darauf ankommen, wie weit Experten Nichtfachleute mitnehmen können. Denn Zebralog hat das Prozessdesign auf eine breite Beteiligung angelegt. “Vergessen” wir also zumindest nicht den 18. April. Drei Tage nachdem die Dialogwebsite Online ging, hatten sich schon 170 Teilnehmer für die Auftaktveranstaltung angemeldet – übers Wochenende.


website des Stadtdialogs „Alte Mitte – neue Liebe?“ unter www.stadtdebatte.berlin.de (mit Anmeldung, Umfrage und Newsletter)

Livestream und Video-Aufzeichnung der Veranstaltung vom 15. Februar im Umspannwerk Alexanderplatz der Friedrich-Ebert-Stiftung unter www.sagwas.net

nächster Vortrag in der Veranstaltungsreihe „Geschichte, Gegenwart und Zukunft des Berliner Stadtkerns“ des Bürgerforums Berlin e.V. in der Volkshochschule Mitte am 3. März, dann das Thema „Totale Transformation – Stadtumbau zwischen 1840 und 1939“, mit Historiker Dr. Benedikt Goebel (kostenfrei, Anmeldung prinzipiell nicht nötig, aber erwünscht, und zwar hier)

Heute im Angebot: Argumente gegen die Groth-Pläne im Mauerpark

Flyer der Mauerpark-Allianz (Ausschnitt): Schwarze Lkw und Pkw zeigen die Befürchtungen vor erhöhter Verkehrsbelastung, besonders durch den Baustellenbetrieb

Flyer der Mauerpark-Allianz (Ausschnitt): Schwarze Lkw und Pkw zeigen die Befürchtungen vor erhöhter Verkehrsbelastung, besonders durch den Baustellenbetrieb

Ab heute beginnt für das Prozedere der Pläne im Mauerpark die zweite Stufe der Bürgerbeteiligung, die sogenannte “Öffentliche Auslegung”. Bis zum 16. März kann jeder, der möchte, seine Einwände gegen den Bebauungsplan 1-64a VE hervorbringen – in der Hoffnung, dass das Bezirksamt Mitte die Einwände berücksichtigt.

Der B-Plan soll dem Investor, der Groth Gruppe, Baurecht für ein Wohngebiet mit derzeit 709 Wohnungen nördlich des Gleim-tunnels verschaffen und ist infolge von städtebaulichen Verträgen die Voraussetzung für die Erweiterung des Mauerparks südlich davon.

Eine erste, “frühzeitige” Beteiligung, hat 2010 stattgefunden. Damals gaben Bürger 2.649 Stellungnahmen ab. Die Intitiativen kritisierten das Auswertungs-ergebnis, in dem die Einwände ihrer Ansicht nach kaum Berücksichtigung fanden. Das Bezirksamt, in Person des damaligen Baustadtrats Ephraim Gothe behauptet das Gegenteil (Fazit aus dem 18-seitigen Auswertungsergebnis; ganzes Dokument hier):

“Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass nach Abwägung der privaten und öffentlichen Belange zu den Planungszielen, das Verfahren des Bebauungsplans 1-64 unter Beachtung vorgebrachter Hinweise weiter verfolgt wird.”

Die Mauerpark-Allianz, ein Zusammenschluss aus Initiativen, Der Linken und den Piraten, informierte schon letzten Donnerstag über die Pläne und die Auslegung. Sie sieht das Prenzlauer Berger Gleimviertel und das Brunnenviertel im Wedding (Bezirk Mitte) von Gentrifizierung bedroht. Eine 3D-Animation läuft dazu auf youtube. Sie lässt die Baumassen in die Höhe wachsen und zeigt die befürchtete Verschattung der betroffenen Anrainer, wie die Jugendfarm Moritzhof.

Planzeichnung des offziellen B-Plan-Entwurfs 1-64a VE: rot bedeutet, die Flächen werden als Wohngebiet ausgewiesen. Grün: öffentlicher Spielplatz. Zu dem Plan gibt es eine schriftliche Begründung, die auch eingesehen, gelesen werden kann. Viel Spaß!

Planzeichnung des offziellen B-Plan-Entwurfs 1-64a VE: rot bedeutet, die Flächen werden als Wohngebiet ausgewiesen. Grün: öffentlicher Spielplatz. Zu dem Plan gibt es eine schriftliche Begründung, die auch eingesehen, gelesen werden kann. Viel Spaß!

Die Allianz bietet einen umfangreichen Service. In ihrem fünfsprachigen Flyer gibt sie den Bürgern, die sich beteiligen wollen, ein Abreißformular an die Hand und bietet auf ihrer website sogar Argumente gegen die Groth-Pläne an. Die Mauerpark-Allianz, zu der auch die mit dem Volksentscheid erfolgreiche Initiative 100% Tempelhofer Feld gehört, bereitet außerdem ein Bürgerbegehren gegen den B-Plan vor.


Die Mauerpark-Geschichte ist äußerst komplex. Man kann sie sich bei Gelegenheit mal erklären lassen – immer montags 19:00 Uhr in der Jugendfarm Moritzhof, Schwedter Straße 90, wo sich die Mauerpark-Aktivisten für Fragen zur Beteiligung zur Verfügung stellen. Mehr Infos zum Plan und zur Auslegung auch auf der website des Bezirksamts Mitte, hier.

Mehr Beiträge auf Futurberlin.de

  • „Der Stadtrat, der aus der Hüfte schießt“ – Wie Mittes Baustadtrat Carsten Spallek weniger Bürgerbeteiligung wagt und mit seinem kuriosen Stil bisher ganz gut fährt (März 2013), im Fokus drei Mitte-Projekte: Mauerpark, Monbijoupark und Marienkirchhof
  • „Ob es klappt, weiß man nicht“ – Interview mit Frank Bertermann (Grüne), Vorsitzender des Stadtentwicklungsausschusses der BVV Mitte, über die damals initierte Bürgerwerkstatt Mauerpark und den aufgstellten Bebauungsplan 1-64 (August 2010)

Wie ein „Bordeaux“: Stadtkern-Kurs an der VHS wirbt für Berlin-Geschichte, aber auch für die eigene Meinung

Mit der Berliner Altstadt sei es wie mit Bordeaux-Weinen, sagt Benedikt Goebel, der im Namen des Bürgerforums Berlin am Dienstag in die Volkshochschule zum Auftakt der Veranstaltungsreihe „Geschichte, Gegenwart und Zukunft des Berliner Stadtkerns“ einlud. 

„Es dauert ein Weile bis man zum Kenner wird, aber bis dahin hat man einfach eine schöne Zeit.“

Multifunktionsraum in der VHS-Mitte mit den pünktlichen Gästen. Es kamen mehr als zu sehen sind. (Foto: Christina Kautz)

Multifunktionsraum in der VHS-Mitte mit den pünktlichen Gästen. Es kamen mehr als zu sehen sind. (Foto: Christina Kautz)

Der multifunktionale Raum 1.12 in der Linienstraße 162 war gut besucht. Die VHS lieferte Stühle nach. Die Landschafts-architektin Christina Kautz und der Architekt Lutz Mauersberger hielten einen bilderreichen Vortrag über den Ursprung der Doppelstadt Berlin-Cölln und der historischen Stadtentwicklung an der Spree und dem Spreekanal. Und jene Bilder sind es eben, die einen zum Genießer werden lassen, bevor man sich versieht, weil sie Berliner Orte zeigen, die es nicht mehr gibt: Packhöfe, Oberbäume, Unterbäume, Schleusen, Pferdeschwemmen, Wasserkunst, Brückenschmuck, Fischkästen. Und Flussbäder.

Projekt Flussbad Berlin: renaturierter Spreekanal für ein sauberes Schwimmbecken direkt am Lustgarten (Bild: Flussbad Berlin e.V., realities:united)

Projekt Flussbad Berlin: renaturierter Spreekanal für ein sauberes Schwimmbecken direkt am Lustgarten (Bild: Flussbad Berlin e.V., realities:united)

Wobei die historischen Spree-Flussbäder hier eine ziemliche Steilvorlage boten für die Diskussion über das Zukunftsprojekt „Flussbad Berlin“, das auf 750 Meter Länge zwischen Bodemuseum und Schleusenbrücke gebaut werden soll und mit vier Millionen Euro aus dem Bundesprogramm „Nationale Projekte des Städtebaus“ öffentlich gefördert wird (hier mehr zum Projekt).

Das wird beim Bürgerforum sehr kritisch gesehen. Und Gründe, dem Flussbad-Projekt skeptisch gegenüber zu stehen, gibt es einige, zum Beispiel die Standortwahl: Man brauche sowas nicht an einer prominenten Stelle wie der Museumsinsel, meint Christina Kautz. Lutz Mauersberger macht auf den Preis aufmerksam, mit dem das Schwimmbecken bezahlt wird: die Filteranlage und Moorlandschaft, die den restlichen Spreekanal bis zur Mündung ausfüllen sollen. Und Benedikt Goebel ergänzt, dass Projektbilder eben auch nicht riechen. Sprich: das Projekt beeinträchtige potenziell die Wohnqualität an den angrenzenden Ufern, zum Beispiel auf der Fischerinsel.

Für einen Volkshochschulkurs könnte das für manchen ein bisschen viel Meinung gewesen sein. Oder auch nicht. Kennerschaft bringt am Ende eben auch ein handfestes Urteilsvermögen mit sich. – Prost.


Zum „Flussbad Berlin“ wird es beim Architekten- und Ingenieurverein zu Berlin (AIV) am 23. Februar eine Veranstaltung geben.

Der nächste Kurstermin für angehende und schon gereifte Stadtkernkenner findet in der VHS Mitte am 17. Februar statt, dann unter dem Thema „Vergessene Schönheit der Berliner Altstadt“.

Kommen unkompliziert: keine Anmeldung nötig, kostenfrei, und Stühle gibt es auf jeden Fall genug.

„Urbane Mitte“ – Investor ruft Laien zur Mitgestaltung im Gleisdreieckspark auf

Park am Gleisdreieck: West- und Ostpark nur durch ein Nadelöhr verbunden, das sogar eine Fahrradstraße ist. Etwa dort wird demnächst gebaut. (Bild: GrünBerlin)

Park am Gleisdreieck: West- und Ostpark nur durch ein Nadelöhr verbunden, das sogar eine Fahrradstraße ist. Etwa dort wird demnächst gebaut. (Bild: GrünBerlin)

Im neuen Park am Gleisdreieck wird wieder geplant. So ganz ist er nämlich noch nicht fertiggebaut. Da gibt es eine vier Hektar große Brachfläche direkt am Hochbahnhof, für die die Eigentümer laut „Morgenpost“ noch keine klaren Vorstellungen haben. Die Beratungsgesellschaft Dr. Markus Vogel GmbH und Copro Projektentwicklung wollen deshalb ein Werkstattverfahren mit interessierten Laien durchführen. In drei Bürgerdialogen können diese sich mit eigenen Vorschlägen für eine zukünftige Nutzung einbringen. Der erste Dialog findet am 25. November statt. Daneben gibt es auch Fachkolloquien mit Experten. Für die „Urbane Mitte“, wie das Bauprojekt heißt, ist nur soviel klar: Es wird keinen Wohnungsbau geben, sondern in Richtung gewerblich-kulturelle Nutzung gehen. Auf das Werkstattverfahren folgt im Sommer 2015 ein städtebaulicher Ideenwettbewerb und im Dezember gleichen Jahres die Aufstellung des Bebauungsplans.

Mehr Infos auch auf gleisdreieck-blog.de

BIZ bitte nicht vor den Reichstag stellen – Variante Nr. 6: Krolloper-Steg statt Teuer-Tunnel

Wenn mich nicht alles täuscht, stammen die fünf Varianten, wo am Platz der Republik potenziell ein Neubau für das geplante Besucher- und Informationszentrum des Bundestags (BIZ) hingebaut werden könnte, von der Berliner Zeitung selbst, die am Wochenende über das (inklusive Tunnel) 150 Millionen Euro teure Bauprojekt berichtete. Wenn dem tatsächlich so ist, dann bitte: Malstunde beenden, Rotstifte beiseite legen, auf den Platz der Republik gehen und die Augen öffnen: Vor die Westfassade des Reichstagsgebäudes gehört gar nichts! Dessen ist sich wohl auch der Bundestag bewusst. Sein Ältestenrat hat sich für den BIZ-Neubau für den Standort südlich der Scheidemann-Straße entschieden – abseits des Platzes. (Nicht schlecht, aber ich plädiere wie gesagt für eine Erhaltungssatzung für den Schokopudding im dort heute bereits existierenden Berlin-Pavillon, was einen Abriss desselben und eine Erschwerung der Rückkehr des Puddings an diesen Ort verhindern helfen soll.) Ich wage daher eine Variante Nr. 6: Malt ein rotes BIZ-Rechteck westlich der Heinrich-von-Gagern-Straße auf die Grünfläche, wo einst die Krolloper stand! Das wäre städtebaulich doch rund oder? Zu lang die Tunnelstrecke dann? Und zu teuer? – Macht einen oberirdischen Steg draus und verzichtet auf den Teuer-Tunnel! Drei Meter hoch dieser Steg, von transparenten (von mir aus Panzer-) Glaswänden gesäumt, der direkt ins Portal des Reichstagsgebäudes führt.

Kristallkugel, Lichtkonzept, Medienfassade – neue Idee für die Zukunft des Rathausforums

Rathausforum-Entwurf Achim und Andreas Linde

Nicht das „Festival of Lights“, sondern der Entwurf für eine Lichtinstallation zwischen Fernsehturm, Rotes Rathaus und Marienkirche – gegen eine zukünftige Medienfassade an einer noch zu bauenden, noch zu diskutierenden Zentralbibliothek (Visualisierung: Achim und Andreas Linde, 2014)

Während für das Rathausforum in Berlin-Mitte gerade ein Dialogverfahren in Vorbereitung ist, gibt es für seine zukünftige Gestaltung einen neuen Vorschlag von Architekt Achim Linde und seinem Bruder Andreas Linde. Sie entwerfen einen Mix aus Grünfläche, Bebauung und Stadtplatz. Im Detail so:

Das Marx-Engels-Forum, etwa die Hälfte des heutigen, soll eine Grünfläche mit viel Baumbestand werden (beziehungsweise bleiben) und sich mit einem Amphitheater zur Spree und zum Schloss öffnen.

Neben dem Park, also auf der anderen Hälfte des heutigen Marx-Engels-Forums, an der Spandauer Straße, soll eine Zentralbibliothek mit einem Berlin-Pavillion entstehen. Dieses Gebäude soll den anschließenden Platz fassen und eine multimedial bespielbare, konkav zum Platz verlaufende Medienfassade abgeben, auf der im Sommer Berlin-Filme laufen. Entlang der historischen Bischofstraße soll eine Sicht- und Wegeverbindung freigelassen werden, also der Blick vom Platz zum Schloss möglich sein. Der Berlin-Pavillon soll die Stadtmodelle aufnehmen und als Diskussionsort mit der Stadtverwaltung dienen. Hierbei nehmen die in Berlin lebenden Linde-Brüder eine Idee von Thomas Flierl von der Herrmann-Henselmann-Stiftung auf, die dieser in dem Buch “Berlin plant” (2010) beschrieb. So soll ein Kommunikationsort für öffentliches Leben entstehen, ein “Platz der Demokratie”.

Rathausforum-Entwurf von Achim und Andreas Linde, 2014

Park, Stadt, Platz – der Entwurf ordnet die Fläche zwischen Spree und Fernsehturm in drei klare Bereiche. Neptun soll gehen. Luther kommt. (Entwurf: Achim und Andreas Linde, 2014)

Auf dem Platz, an der Stelle, wo heute der Neptunbrunnen steht, soll eine flexible, multifunktionale Installation errichtet werden, wahlweise als Tribüne für die Medienfassade, Kristallkugel, versenktes Amphitheater oder ebenerdiger Platz. Der Neptunbrunnen soll dafür wieder zurück auf den Schlossplatz rücken. Die Brüder finden, dem Neptunbrunnen würde “zuviel Prominenz und auch Präsenz abverlangt”, und dass dieser beides nicht liefern könne. Sie treten auch für die (bereits in die Wege geleitete) Rückführung des Luther-Denkmals an den historischen Ort vor der Marienkirche ein und für die Markierung des Wohnhauses von Moses Mendelssohn in der Spandauer Straße 68, wie es auch Stadthistoriker fordern.

Die Oberfläche des Platzes soll mit einem innovativem Lichtkonzept farblich und plastisch gestaltet werden, und der Platzraum (besonders vom Fernsehturm aus gesehen) als erkennbare Gestaltungseinheit wirken. „Hier liegt das Hauptproblem des Gebietes“, heißt es im Linde-Entwurf, „es ist halb Platz und halb Park, aber keins von beiden richtig.“

Unterirdisch, direkt unter dem Platz, soll es Geschäfte und öffentliche Toiletten geben. Der Entwurf sieht außerdem die Integration des Eingangs der U5 in die Platzgestaltung vor und strebt auch die Zugänglichkeit der ausgegrabenen Alt-Berliner Rathausreste an.

Rathaus, Fernsehturm und Marienkirche werden als die drei Hauptakteure betrachtet. Der durch Teilbebauung gefasste Platz soll deren Hauptrolle unterstützen.

Achim und Andreas Linde wollen ihren Beitrag als Anregung zur Diskussion und Aufforderung zur Weiterentwicklung verstanden wissen. Das Gebäude der Bibliothek sei als Platzhalter für einen Entwurf zu betrachten, auch die Installation könne anders aussehen.


Kontakt: Dipl.-Ing. Architekt Achim Linde und Dr. Andreas Linde, ehemaliger Bezirksverordneter 

achimlinde@gmail.com 

In Jogginhosen zum Baustadtrat – Wie die Holzmarkt-Betreiber um 75 Jahre Zukunft verhandeln

Berlin wird ein Dorf: Bauwagen auf dem Holzmarkt-Gelände im September 2014

Berlin wird ein Dorf: Bauwagen auf dem Holzmarkt-Gelände im September 2014

Der “Spiegel” berichtet in der Ausgabe von letzter Woche (Nr. 36) vom Holzmarkt-Projekt an der Spree. Autor Philipp Oehmke begleitet die Clubbetreiber Juval Dieziger, Christoph Klenzendorf und deren Clubanwalt Mario Husten ins Bauamt von Friedrichshain-Kreuzberg zum Investorengespräch mit Baustadtrat Hans Panhoff. Das tun sie auf unkonventionelle Weise, in “Jogginghosen und Wanderstiefel”, und ist lesenswert. Der Artikel zeigt aber auch, wie schwer es für die Genossenschaft werden könnte, 75 Jahre Zukunft in Erbbaupacht zu gestalten. Pro Jahr sei ein Erbbauzins von mehr als 500.000 Euro fällig, und das Projekt koste mindestens 100 Millionen Euro, schreibt Oehmke. Es müsse auch der Bebauungsplan der Verwaltung geändert werden. Im Oktober könnte das schon geschehen.

Volksentscheid macht Spaß, Mutti – Und Hunger!

Flughafengebäude am Tempelhofer Feld, aus südlicher Richtung (Foto: André Franke)

Die Berliner Zeitung stellt heute in einem Artikel die Positionen der Parteien zum Volksentscheid dar. Darin zeigt sich, dass keine der fünf Parteien dasselbe will, obwohl nur zwei Volksgesetze zur Abstimmung stehen. Am interessantesten ist die Haltung der Grünen. Sie unterstützen die Bürgerinitiative 100% Tempelhofer Feld, aber sie wollen den Bibliotheksneubau nicht. Sie wollen den Charakter des Feldes bewahren, aber auch Wohnungen bauen. Und sie haben sich kurzer Hand umentschieden, bis vor kurzem standen sie noch auf Seiten des Senats. Was sagt uns das?

Erstens, dass sich mit dem Volksentscheid mehrere Themen überschneiden, infolge dessen es nach dem 25. Mai auch zu Fehlinterpretationen kommen kann. Wer sein Kreuz für die Randbebauung macht, dem kann man später sowohl nachsagen, Sozialmieten unterstützt zu haben, als auch Luxuswohnungen.

Zweitens, dass der Masterplan-Städtebau des Senats mangelhaft und im Moment ohne Alternative ist. Man kann ja durchaus die Ränder des Feldes bebauen wollen, aber so, dass der Blick von der Ringbahn und Stadtautobahn auf die Feldweite und aufs Stadtzentrum mit dem Fernsehturm nicht verstellt wird.

Und drittens, dass es legitim ist, seine Meinung kurz vor der Entscheidung noch mal zu ändern. So ein Volksentscheid muss doch auch Spaß machen oder? Also sollte man sich auf gar keinen Fall die Lust am Kreuze machen und Pläne durchkreuzen nehmen lassen, erst recht nicht an einem Sonntag im Mai.

Zu viele Feste auf Berlins Straßen und Plätze

Die Feierei im öffentlichen Raum der Berliner Innenstadtbezirke erreicht die Grenzen des Erträglichen und die Grenzen des Machbaren. Ein Artikel in der „Welt am Sonntag“ gibt einen guten Überblick darüber, wo und wie oft gefeiert wird, und wie die Behörden darauf reagieren: Mitte habe einen Kriterienkatalog, der am Brandenburger Tor und auf der Straße des 17. Juni nur Veranstaltungen „von herausragender Bedeutung“ erlauben soll. Events zu Werbezwecken seien nicht genehmigungsfähig. Friedrichshain-Kreuzberg suche nach einem zentralen Festplatz und habe eine Arbeitsgruppe für die Sondernutzung von öffentlichen Straßen und Grünflächen gegründet. Pro Jahr gäbe es hier etwa 150 Feste. Dazu führe der Bezirk seit 2009 eine Datenbank mit Beschwerden von Anwohnern. 1.635 sind seitdem dort gespeichert. Viele richteten sich gegen die im August stattfindende Biermeile in der Karl-Marx-Allee. In Pankow ist es vor allem der Mauerpark, der beim Bezirk eine restriktive Genehmigungspraxis ausgelöst hat. Durch die Karaoke-Show hätte der Park am Amphitheater dermaßen Schaden genommen, dass teilweise der Hang abgerutscht sei und sich die Steinblöcke gelöst hätten. Stadtrat Jens Holger Kirchner (Grüne) bekäme pro Jahr rund 200 Anfragen für Events. Die Bilanz des Parks für 2013 sieht so aus: 24 Karaoke-Shows, die Fête de la Musique, ein Peru-Familienfest und das Knaack-Sommerfest. Die meisten Veranstaltungswünsche bleiben hier unerfüllt. Auch Mittes Stadtrat Carsten Spallek (CDU) lehne die meisten Anfragen ab, heißt es. Er bekomme sie für die Straße des 17. Juni „nahezu täglich“. So habe er zum Deutsch-Amerikanischen Volksfest Nein gesagt, für das die Straße etwa zwei bis drei Wochen gesperrt werden müsste. Auch gegen die 150-Jahrfeier der SPD vor einigen Wochen hatte er sich gewehrt, allerdings erfolglos.

Der „Welt“-Artikel hier zu lesen in gekürzter Fassung bei der Berliner Morgenpost

Mauerpark fünf Jahre lang Baustelle und „Schaustelle“

Durch den Mauerpark soll ein Tunnel gegraben werden. Die Berliner Wasserbetriebe planen einen unterirdischen Abwasserspeicher, der in Spree und Panke eine höhere Gewässerqualität gewährleisten soll, schreibt die Berliner Zeitung. Acht Meter tief und 700 Meter lang soll er sein und einen Durchmesser von 3,80 Meter haben. Ab 2016 soll der Bau beginnen. Der Tunnelbohrer setzt am Eingang Eberswalder Straße an. Der Bezirk Pankow hat beschlossen, dass wegen der Attraktivität des Parks nur in den Wintermonaten gebaut wird. Fünf Jahre würden die Bauarbeiten dann dauern und etwa 13 Millionen Euro kosten. Die Wasserbetriebe planen eine „Schaustelle“, von der die Parkbesucher die Baustelle besichtigen können und Führungen im fertiggestellten Stauraumkanal. Die Initiativen „Weltbürgerpark-Stiftung“ und „Freunde des Mauerparks“ kritisieren, dass die Pläne bisher nicht mit ihnen diskutiert wurden. Der Senat beabsichtigt, 310.000 Kubikmeter unterirdischen Stauraum bis 2020 zu schaffen; zwei Drittel davon hat er laut Berliner Zeitung schon realisiert.

Berliner Zaunkönige anno 2013

Sie schaffen Klarheit und Ordnung, teilen die Welt in ein Drinnen und Draußen, in ein Hier und ein Drüben: Zäune sind wieder beliebt in Berlin. Immerhin haben sie Tradition. Ab 1527 hielt ein Zaun das Wild im Wald, der vor dem Schloss der jagenden Kurfürsten lag. 1961 hielt ein weiterer scheinbar wild gewordenes Ostvolk zurück, und die Jagd am Zaun begann von Neuem. 2010 gab es dann den ersten mit regulären Zaunschließzeiten. Drinnen zu sein, auf der Tempelhofer “Freiheit”, war plötzlich ein Privileg. 250 Protestierende forderten die versprochene Freiheit ein und wollten sie auch in der Nacht. Der Zaun steht noch. Der folgende noch nicht: Um den Tiergarten soll einer gebaut werden, wie seit dem Sommer immer wieder berichtet wird. Es ist einer, der Sicherheit verspricht, nicht Freiheit. Gegen den Tiergartenzaun hat sich zwar die Bezirksverordnetenversammlung von Mitte ausgesprochen, aber Mittes BVV-Beschlüsse wackeln mitunter auch. Baustadtrat Carsten Spallek (CDU) will den Zaun ja immer noch. Und ein anderer will einen anderen jetzt auch um den Görlitzer Park errichten. Timur Husein, Bezirksverordneter der CDU in Friedrichshain-Kreuzberg, setzt sich für einen eingezäunten Görli ein, wie der Tagesspiegel berichtet. Aber momentmal, steht um den Görli nicht noch die alte Bahnhofsmauer? Wilde Zeiten sind das, neue Zäune … hohe Zäune. Es ist die Renaissance des Berliner (Jagd-) Reviermanagements.

Und so klingt der Wunsch nach Gehege vom 13. Mai 1527 aus der Feder des Kurprinzen Joachim, des späteren Kürfürsten Joachim II. (aus „Der Tiergarten in Berlin“, Hrsg. Walther G. Oschilewski, arani Verlag, Berlin-Grunewald 1960, S. 5):

„Wir Joachim, von Gottes Gnaden Marggraff zu Brandenburg, der Jüngere, zu Stettin, Pommern, der Cassuben und Wenden Herzogk. Burggraff zu Nürenbergk und Fürst zu Rügen, Bekennen und thun kund öffentlich mit diesem Briefe für Unß, unsere Erben undt Nachkommen und sonst aller männigklich die ihn sehen, hören oder lesen, Nachdem unß Unser lieben getrewen Burgemeister, Rath, Gewerck undt gantz Gemeinde der Stadt Collen allhier auß Unterthenigen geneigten willen off unser gnädig und gütlich ansuchen, zu sondern gefallen für Unß, Unser Erben undt Nachkommen ein Platz und Raum, dahinden bey der freyen Arch, zu einem Thier- und Lustgarten auffzurichten undt zu machen vorgünt undt gutwilliglich zu eigen eingeräumet undt abgetreten, dass Wir Ihn dan in Gunst und Gnaden billich dankbar sein. Also gereden und aussprechen wir hierauff für Unß, Unser Erben und Nachkommen in gegenwertiger Krafft und Macht dieses Brieffes, ob sich in künftiger Zeit begeben, das Wir oder Unsere und Nachkommen solchen Platz und Raum zum Thier- und Lustgarten ferner nicht haben, sondern denselben wieder vergehen lassen würden und wolten, das Wir oder Unsere Erben undt Nachkommen alßdann den vermelten Platz und Raum, so viel sie unns daran gegeben, Niemants ander, dan dem gedachten Bürgemeister, Rath, gewerken undt Gemeinder zu Jederzeit Ihren Nachkommen wiederumb einräumen, zustellen und zueignen sollen, ohn einig hinder oder gefehr. Darzu sollen und wollen Wir bei Unserm Lieben Herrn und Vater, dem Churfürsten zu Brandenburg von solcher Zustellung wegen des Platzes zum forderlichsten darob undt an sein, das Ihnen daßelbe zu keinen Ungnaden oder Nachtheil gereichen soll. Getreulich Ungefehrlich. Zu Urkund mit Unserm hierunten uffgedruckten Secret besiegelt und gegeben Collen an der Spree am Sontage Cantate Anno MDXXVII.“

Wer wird Berlins neuer „Zaunkönig“ anno MMXIII? Die Königsfrage hat bei den Vögeln übrigens auch mit List zu tun, erzählen jedenfalls die Brüder Grimm im gleichnamigen Märchen.

 

Am Durchbruch beginnt eine neue Passage

Vor 25 Jahren hätte man sich über „Durchbrüche“ am Friedrichshainer Ufer gefreut. Jetzt ist die Freude über sie gleichbedeutend mit einem Totalabriss der East-Side-Gallery, wie Klaus Kurpjuweit im Tagesspiegel nahelegt, oder sie wird einem, wie von Claudia Fuchs in der Berliner Zeitung, felsenschwer als grundlegende Antipathie gegen das Kunstwerk und Denkmal zur Last gelegt. Ist das wirklich so einfach? Man sollte das differenzierter sehen.

Da ist zum einen die Frage der beiden Bauprojekte, die man aus der Protesthaltung heraus ganz oder teilweise ablehnen kann. Das Hochhaus wird der gebaute Mittelpunkt der grünen Uferzone sein und bringt, nicht schon heute, mehr Dramaturgie in den Freiraum. Wir müssen zukünftig an dem Ding vorbei, zwischen Spreewasser und 63 Meter hoher Balkonfassade wie durch ein Nadelöhr hindurch. Aber in beide Richtungen wartet die Freiheit auf uns. Die Grünflächen verhalten sich zum „Living Bauhaus“ wie die Flügel zum Körper eines Schmetterlings. Aber das setzt voraus, dass der 120 Meter lange Gebäuderiegel nicht auch noch gebaut wird. Und dieser Baukörper, in den auch noch ein Hotel einziehen soll, ist das größere Übel: Nimmt viel mehr Grundfläche weg, verhält sich konkurrierend zur East-Side-Gallery, denn man wird sie ja wohl nicht auf einer Länge von Hundert Metern abreißen wollen. Das Hochhaus nimmt sich nur soviel wie es braucht: Wir reden über eine Öffnung von etwa 30 Metern.

Zum andern ist da die Mauer selbst. Sie wurde zum Kunstwerk, und ihr Alleinstellungsmerkmal war einst ihr zusammenhängender Verlauf. Das bröckelt seit der großen Arena, das Werk verändert sich. Wird es deshalb aber obsolet? Die Gallery wird eine Geschichte mehr zu erzählen haben. Der Tagesspiegel hat es mit einem Bericht ja selbst dokumentiert: Die East-Side-Gallery wird sich durch Versetzungsakte einreihen – ja, sie reiht sich, während sie aus der Reihe tanzt, woanders ein -, nämlich in die berlintypische Translokations-Tradition von Gebäuden, Gebäudeteilen und Denkmälern. Man könnte fast sagen, erst wenn sich ein Denkmal an anderem Orte wiederfindet, gehört es nach Berlin. Insofern gereichen der East-Side-Gallery die Durchbrüche sogar zur Ehre. Das Kunstwerk, das einmal die Mauer war, tritt in eine neue Entwicklungs-Phase ein, die es erfordert, das Bauwerk zu reinszenieren. Schon können wieder die Künstler ran! Wie wäre es mit einem „Living Labyrinth“? – Ein dem Hochhauseingang vorgelagerter kleiner Irrgarten aus East-Side-Beständen, dessen unausweichliche Passage man auch den neuen Hochhauskiezlern quasi zur Wohnauflage macht. Dann wären vielleicht alle Interessen bedient.

Kommentar Tagesspiegel

Kommentar Berliner Zeitung

Bericht Tagesspiegel

 

Auf Wiedersehen in der Bürgerwerkstatt

Natürlich war einer gestern Abend nicht da: Carsten Spallek. Was hat schon ein Baustadtrat auf einer Veranstaltung zu tun, die nur dazu dient, weitere Veranstaltungen anzukündigen? Erst recht, wenn es sich dabei um die Bürgerwerkstatt im Mauerpark handelt. Sie ist keine politische Angelegenheit, sie ist eine Sache der Verwaltung und damit der Grün Berlin GmbH und der von ihr beauftragten Mediatoren Martin Seebauer und Beate Voskamp, die mit Mikrophonen und übergroßen, an die Brust gehängten Namensschildern in der Weddinger Ernst-Reuter-Schule stehen.

Genau wie vor über zwei Jahren sprechen Voskamp und Seebauer mit Bürgern, die gewillt sind, sich mit Ideen, Wünschen und Ansprüchen in die Gestaltung des neuen Mauerparks einzubringen. Mit Bürgern, die darüberhinaus über die beabsichtigte Bebauung nördlich des Gleimtunnels verhandeln wollen, sprechen sie nicht. Zum Beispiel mit Jörg Schleicher von der Stiftung Weltbürgerpark, der sich von Seebauer ausgegrenzt fühlt und im Laufe des Abends öfter dazwischenruft. Aber der Mediator hat dazugelernt. Schleicher wird grundsätzlich abserviert; die Bürgerwerkstatt hat ein Vorspiel.

Jetzt soll weitergespielt werden, und zwar so: Das erste Treffen der Bürgerwerkstatt ist für März geplant. Interne Arbeitstreffen wechseln sich mit öffentlichen Infoveranstaltungen ab. Seebauer will die Bürgerwerkstatt für Interessierte erweitern; bisher seien etwa 40 Teilnehmer registriert, sagt er. Die Ergebnisse sollen auf einer Liste fortgeschrieben werden, die jederzeit und für jedermann auf der Internetseite von Grün Berlin eingesehen werden können. Thematisiert wird nur die Fläche zwischen Gleimstraße im Norden und Bernauer Straße im Süden, also die zukünftige Grünfläche. Und: Seebauer erbittet sich einen fairen Umgang miteinander und erwartet von den Mitgliedern der Bürgerwerkstatt eine kontinuierliche Präsenz.

Obwohl die Bürgerwerkstatt 2011 offiziell für gescheitert erklärt wurde, haben Teile von ihr im Stillen weitergearbeitet. Vorne im Saal hängt ein Konzept (Ausschnitt siehe oben), das Alexander Puell erläutert. Der Park soll vor allem im Interesse der Anwohner gestaltet werden, weniger für die Touristen. Deshalb sollen in der Westhälfte vier Reihen Bäume gepflanzt werden, ein „Platanenhain“, während die Osthälfte auch in Zukunft frei bleiben soll. So verhält es sich auch mit Nord und Süd: Gegenstück für die „quirlige“ Nutzung, wie Puell die Gastronomien und den Flohmarkt an der Bernauer Straße bezeichnet, soll ein Spielgarten mit Teehaus sein, der sich in Höhe des Falkplatzes an der Max-Schmeling-Halle befinden soll. Puell will den Mauerpark nach Norden hin „befrieden“, wie er sagt.

Tolle Idee! Aber gerade im Norden, jenseits des Gleimtunnels (siehe Abbildung unten, roter Bereich), stehen die Zeichen auf Auseinandersetzung. Vor allem die Anwohner der Schwedter Straße im Prenzlauer Berger Gleimviertel wehren sich gegen den städtebaulichen Vertrag, der hier den Bau von 600 Wohnungen mit einer Geschossflächenzahl von 1,7 erlaubt und von der Bezirksverordnetenversammlung Mitte im letzten September nach mehreren verschobenen Sitzungen und mit knapper Mehrheit beschlossen wurde. Der Vertrag war zuvor entgegen dem Kompromiss, den die alte Bürgerwerkstatt und der Bezirk Mitte ausgehandelt hatten, zu Gunsten des Investors kurzerhand geändert worden, was vom Bürgerinitiativen-Netzwerk BIN Berlin als „Staatsstreich“ kritisiert worden war.

Neben der wieder anlaufenden Bürgerwerkstatt-Reihe zur Gestaltung der Grünfläche wird es in den nächsten Monaten auch die Fortführung des Bebauungsplans 1-64 geben. Er soll den städtebaulichen Vertrag „absichern“, wie Hans Göhler von der Grün Berlin GmbH dem Publikum erklärt. Der B-Plan soll irgendwann 2014 festgesetzt werden, nachdem die rechtlich vorgeschriebene Bürgerbeteiligung durchgeführt wurde – die mit der informellen Bürgerwerkstatt nicht zu verwechseln ist. Es hatte sogar schon eine frühzeitige Bürgerbeteiligung gegeben, die erste Stufe im Verfahren, auf der das Bezirksamt Mitte offenbar direkt aufbauen will, ohne den Verfahrensschritt zu wiederholen, wie Frank Bertermann (Grüne), Vorsitzender des Ausschusses für Stadtentwicklung in Mitte, sagte. Er fordert, das B-Planverfahren mit allen Verfahrensschritten zu wiederholen, da sich die Planungsbedingungen ja geändert hätten und außerdem im Raum stehe, den B-Plan vielleicht in verschiedene Bereiche zu teilen.

Auch wenn im Juni schon der zwei Hektar große, erste Teil der Grünfläche fertig sein soll (siehe Abbildung, dunkelgrüner Bereich), erstmal als Zwischennutzung, wird spannender bleiben, was aus dem Bebauungsplan wird. Ohne ihn, kann die Groth-Gruppe nördlich des Gleimtunnels nicht bauen. Aber ohne ihn wird im Zweifel auch der städtebauliche Vertrag rückabgewickelt, erklärt Göhler, und dann wird es auch mit dem zweiten Teil der Grünfläche nichts (hellgrüner Bereich). Wer hat sich das wohl ausgedacht?


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Auch eine Arche Noah braucht einen Bebauungsplan

Was wie eine Rettungsaktion für das C/O Berlin aussieht, ist in Wahrheit ein Kurswechsel in der Stadtplanung am Monbijoupark. Aber nicht alle wollen die Grünfläche für einen neuen Kulturstandort preisgeben.

— Bericht — Kein Wunder, dass es Stephan Erfurt auf der Suche nach der Arche Noah auch in die Märchenhütte treibt. Sie ist aus Holz und stünde auf dem Bunkerdach in sicherer Höhe, würde eine Spreeflut den Monbijoupark unter Wasser setzen. Bis jetzt steht das Wasser aber nur ihm bis zum Hals, dem Direktor des C/O Berlin, der mit seinem Forum für Fotografie bis zum Ende des Jahres das Postfuhramt in Mitte wegen Mietvertragsende verlassen muss und immer noch keinen Standort gefunden hat, auf den er ausweichen kann.

So hatte Mittes CDU-Baustadtrat Carsten Spallek am Mittwoch Abend in die Märchenhütte zu einer Bürgerversammlung eingeladen und bezeichnet sie als “frühzeitig”. Im Baugesetzbuch verwendet man die Vokabel für die erste Stufe der Bürgerbeteiligung bei der Aufstellung oder Änderung eines Bauleitplans. Als er anfängt zu reden, freut sich Spallek über die gute Akustik. Später wird er sie ausnutzen und laut werden, weil andere in der Hütte laut werden. Man ist eben zu Gast in einem Theater. Eben lief noch „Hase und Igel“, nachher kommen „Die Bremer Stadtmusikanten“. Aber Spallek tritt hier als Moderator auf, will die Kontrahenten zu Wort kommen lassen, wie es scheint, und die Bürger.

Stephan Erfurt vom C/O möchte gerne in die baufälligen Atelierhäuser ziehen oder am besten gleich einen Neubau im Park errichten, seine “lichtdurchflutete Bauskulptur mit begehbarer Dachlandschaft”, wie das Projekt auf der Internetseite des Architekten Ingo Pott betitelt wird. Dort, auf der Dachlandschaft, errichtet in den Sommermonaten Christian Schulz das Hexenkessel Hoftheater und im Winter öffnet sich die Türe zur Märchenhütte. Der Geschäftsführer des Theaters ist von den Plänen Erfurts deshalb wenig angetan. Aber damit die Pläne in Erfüllung gehen, müsste ein anderer Plan geändert werden.

Der vor Jahren festgesetzte Bebauungplan I-57 (B-Plan) sieht hier eine Grünfläche vor. Im Monbijoupark kann man nicht einfach so bauen. Es sei denn, es handelt sich um einen “fliegenden Bau” wie im Falle des Hexenkessel-Hoftheaters oder um einen “Schwarzbau”, wie die Märchenhütte einer ist. Für das, was Stephan Erfurt mit dem C/O hier vorhat, auch wenn er die Atelierhäuser nur sanieren würde, müsste der B-Plan geändert werden. Und dafür wäre wiederum eine Bürgerbeteiligung notwendig. Da macht ein rechtzeitiges Treffen aus Sicht Carsten Spalleks durchaus Sinn, der jetzt das Publikum zu Wort kommen lässt.

Die Bürger haben zum Monbijoupark verschiedene Meinungen. Die einen wollen die kulturfreie Grünfläche, wie Holger Werner von der Initiative “Rettet den Monbijoupark”. Ein Anwohner weist darauf hin, dass der Park zu Gunsten von Neubauten am östlichen Rand vor zehn Jahren schon verkleinert worden sei. Er schimpft. Das ist der Moment, in dem Spalleks Stimme die Hütte erfüllt. Tolle Akustik!

Aber nicht alle wollen mehr Grün. Es gibt auch Anwohner, die die kulturelle Nutzung vor Ort gutheißen und dem C/O Berlin gerne Asyl geben würden, auf Kosten der Grünfläche. Architekt Heinrich Burchardt sagt zum Beispiel, dass man Recht, also den B-Plan, auch ändern könne.

Na klar kann man das, wenn die Politik es will. Und die Bezirksverordnetenversammlung Mitte hat die Richtung schon vorgegeben. 2011 hat sie ihren Beschluss rückgängig gemacht, die Atelierhäuser abzureißen. Die erweiterte Grünfläche, wie einst politisch beschlossen, steht also nur noch im B-Plan. Die Verwaltung ist jetzt am Zug, Carsten Spallek. Und in weiser Voraussicht vermutet er, dass es wahrscheinlich nicht die letzte Versammlung ist, zu der er einlädt. Dann also bis demnächst, in diesem Theater.

Prinzessinnen ohne Garten

— Nachricht — Der Liegenschaftsfonds will das Grundstück, auf dem sich die Prinzessinnengärten befindet, verkaufen. Der Mietvertrag mit den urbanen Gärtnern ende Ende 2013, wie die Berliner Zeitung berichtet. Die Betreiber der Prinzessinnengärten Marco Clausen und Robert Shaw wollten demnach langfristig am Standort Moritzplatz bleiben, obwohl die Idee ursprünglich gewesen sei, mit den Pflanzen in den Behältern auch umziehen zu können. Clausen betont in dem Artikel aber jetzt die sozialen Beziehungen vor Ort, und dass der Garten kiezbasiert sei. Laut Liegenschaftsfonds hätten die Betreiber gewusst, dass das Projekt nur eine Zwischennutzung sei, schreibt die Zeitung; eine Sprecherin schließe aber eine Weiternutzung durch die Prinzessinnengärten nicht aus. Etwa 40.000 Besucher würden die Betreiber pro Jahr zählen, und etwa 1.000 Menschen engagierten sich. (Berliner Zeitung).

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