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Notizen zum Stadtkern-Walk

Auf dem Stadtkern-Walk oder dem Stadtkern-Ride geht es nicht in erster Linie um Bauprojekte, die aktuell ablaufen und auf unserer Strecke liegen. Die Idee ist: Wir UMRUNDEN den Stadtkern in flüssiger Bewegung und verinnerlichen uns seine Ausmaße und prägenden Charakterzüge mit Blick auf:

  • Barrieren in der Wegeführung für Fußgänger und Radfahrer
  • schöne Stadtbilder und Straßenzüge
  • unterentwickelte Stadträume und Flächen
  • funktionale „Kraftpakete“ am „Ring“ und deren Zusammenspiel.

Der Rausch mitten in Berlin

Im Rausch über die Gertraudenbrücke (Foto: André Franke)

Im Rausch über die Gertraudenbrücke (Foto: André Franke)

Nichts desto trotz ist die Liste der Anrainer-Projekte lang. Wir passieren neue Gebäude und Baustellen oder haben sie auf Sichtweite, so dass der Stadtkern-Walk auch dem allgemeinen Überblick über die Stadentwicklung in Zentrum der City Ost dienen kann.

Projekte am Stadtkern-Walk

  1. die Townhouses des Friedrichswerder
  2. die umstrittenen Kronprinzengärten und die Kirche Schinkels
  3. der Schinkelplatz und die Bauakademie
  4. das Schloss und sein Umfeld
  5. die U55
  6. das Flussbad im Spreekanal
  7. das abgesagte Freiheits- und Einheitsdenkmal und die zugesagten Schloss-Kolonnaden
  8. der Bauskandal der Staatsoper
  9. die autofreien „Linden“
  10. der Bauskandal im Garten des Magnus-Hauses
  11. die Museumsinsel mit dem Simon-Palais und dem Pergamon-Museum
  12. das Forum Museumsinsel von Ernst Freiberger
  13. das Alea 101 und das Cubix-Kino
  14. Deutschland größtes Motel One Hotel
  15. das leerstehende Haus der Statistik als geplantes „Zentrum für Geflüchtete“
  16. die Saturn- und Alexa-Türme
  17. der Glockenturm der Parochialkirche
  18. die neue Waisenbrücke
  19. das House of One am Petriplatz
  20. das Hochhaus auf der Fischerinsel
  21. und weitere …
Die Staatsoper-Baustelle vom Bebelplatz: aktueller Eröffnungstermin (Nr. 3) ist der 3. Oktober 2017

Die Staatsoper-Baustelle vom Bebelplatz: aktueller Eröffnungstermin (Nr. 3) ist der 3. Oktober 2017

Die nächste Stadtkern-Tour findet statt am …

Berliner Fehlinfos für alle und frei zugänglich im öffentlichen Raum

Peinlich, verwirrend und inkorrekt sind die Berliner Fehlinfos, die im öffentlichen Raum rumfliegen. Da werden Zahlen verdreht, Grenzen pauschalisiert und Planelemente durcheinander gewürfelt. Drei Beispiele, die hoffentlich die einzigen sind:

Berliner Fehlinfo Nr. 1, die peinliche

Als ich neulich bei den Stadtmodellen bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung war, ging ich in eine der Ausstellungen, die in den Räumen seitlich des Foyers stattfinden. Hier stand und steht immer noch: eine große Schautafel mit der Überschrift „Wussten Sie, Berlin hat …“ und dann folgen Infos zur Stadt, wie „… 440.000 Straßenbäume“ und eine Fehlinfo. Da las ich mit offen stehendem Mund, Berlin habe 3,2 Millionen Einwohner!! Dass man da nicht in der Jahreszahl verrutscht ist, sondern dass das ein Flüchtigkeitsfehler sein muss, zeigt die Zahl 175.000 – um diese Bevölkerungszahl ist Berlin in den letzten vier Jahren gewachsen, die ist aktuell. Aber wie konnte sich die 2.000 Mitarbeiter umfassende Planungsbehörde diesen Schnitzer erlauben? Stolz wie Bolle ist Berlin, dass es wächst und vor kurzem erstmals seit dem Krieg wieder mehr als 3,5 Millionen Menschen in der Stadt wohnen. Die Berlin-Statistik zählt mit Stand 30. Juni 2016 sogar 3,6 Millionen Einwohner.

Falsche Einwohnerzahl in Senatsverwaltung für Stadtentwicklung: 3,2 Mio. statt 3,6 Mio. (Foto: André Franke)

Falsche Einwohnerzahl in Senatsverwaltung für Stadtentwicklung: 3,2 Mio. statt 3,6 Mio. (Foto: André Franke)

Es fehlen 400.000 Einwohner zu Wahrheit (Foto: André Franke)

Es fehlen 400.000 Einwohner zu Wahrheit (Foto: André Franke)

Berliner Fehlinfo Nr. 2, die verwirrende

Konfusion beim Betrachter stiftet eine Übersichtskarte, die am Bauzaun einer Ausgrabungsstätte auf der Fischerinsel in Mitte hängt. Ein Hochhaus entsteht hier an der Ecke Gertraudenstraße, im Moment graben Archäologen aber noch den Cöllner Fischmarkt aus. Gemessen an der Geschichtsträchtigkeit des Ortes, kann die Karte nur enttäuschen, da sie die Sorgfalt vermissen lässt, mit welcher der „alten Dame Cölln“ hier der Hof gemacht wird. Ich weiß nicht, wie gut oder schlecht das Grabungsteam „archaeofakt“ seine Arbeit macht, das kann ich nicht beurteilen. Aber wenn es oben am Bauzaun schon hakt … ?! Was geht dann da unten vor sich?

Am Zaun hängt eine Lagekarte, darin verzeichnet: Gertraudenstraße, Mühlendamm, Spree, ein DDR-Fischerinsel-Hochhaus und die Grenzen der Ausgrabungsstätte. Nur fällt das Verorten der Inhalte schwer, weil das Hochhaus auf der Straße steht, und das Grabungsfeld über der Kreuzung liegt. Seltsam schieben sich die Planebenen übereinander. Das ist doch falsch? Oder habe ich einen Knick in der Optik?

Die nächste Führung durch die Funde findet am 21. Oktober statt, 14 Uhr. Trag ich mir gleich mal in den Kalender ein. Wahrscheinlich auch wieder nur ein Flüchtigkeitsfehler. Tja, wie schlimm ist das denn nun eigentlich? Ist das wichtig oder kann das weg? – Die Fehlinfo geht hier auf das Konto der Wohungsbaugesellschaft Mitte (WBM), der Bauherrin. Schlimm ist es, weil es schwer genug ist, die alten Stadtstrukturen im heutigen Bestandsberlin zu erkennen und Orientierungshilfe not tut.

Bauzaun Fischerinsel: Den Cöllnischen Fischmark ausgraben (Foto: André Franke)

Bauzaun Fischerinsel: Den Cöllnischen Fischmark ausgraben (Foto: André Franke)

Hochhaus verrutscht und Grabungsfeld. Wäre das die Realität, würde kein Auto auf der Gertraudenstraße fahren (Foto: André Franke)

Hochhaus verrutscht und Grabungsfeld. Wäre das die Realität, würde kein Auto auf der Gertraudenstraße fahren (Foto: André Franke)

Berliner Fehlinfo Nr. 3, die inkorrekte

Am Holocaust-Denkmal steht ein Schotte und liest an einer Infotafel. Er erfährt die Geschichte des Standorts an der Ebertstraße, wo auch die Mauer war:

„Nach dem Ausbau des ‚Grenzsicherungssystems‘ zwischen Ost- und Westberlin war das Gelände bis Ende 1989 Teil des verminten ‚Todesstreifens‘.“

"Verminter" Grenzstreifen? Bitte lassen Sie diese Info am besten in Berlin (Foto: André Franke)

„Verminter“ Grenzstreifen? Bitte lassen Sie diese Info am besten in Berlin (Foto: André Franke)

War die Grenze in Berlin wirklich vermint? Behauptet wird das oft, zum Beispiel auch in dem 2015 erschienenen Film „Berlin East Side Gallery“, in dem man das eine Stadtführerin sagen hört. Doch es ist eine Fehlinfo. Historiker sagen Nein. In Berlin explodierten keine Minen, weil es unter den Augen des Westens, der Welt stattgefunden hätte, weil es zu eng war … Sie taten es aber an der innerdeutschen Grenze, die Kilometer breit war. Die Mauer war eine Sondergrenze. Diesen Unterschied nicht zu machen, verdient Berlin nicht. Berlin war speziell.

Die gläsernen Infotafeln am Holocaust-Denkmal wurden von der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas und dem Regierenden Bürgermeister von Berlin, der Senatskanzlei für kulturelle Angelegenheiten aufgestellt, 2008.

Vermint oder nicht? - Wie wichtig ist es, historisch korrekt zu sein (Foto: André Franke)

Vermint oder nicht? – Wie wichtig ist es, historisch korrekt zu sein (Foto: André Franke)

Zum Trösten: Der Schotte liest den englischen Text der Tafel, und der kommt ohne die Vokabel „vermint“ aus. Von „death-strip“ ist die Rede, sonst nichts. Das ist korrekt. Und das gewährt, dass der Schotte keine falschen Geschichten auf die Insel bringt.

Auf einen Gang durch die Fischerinsel-Gassen

Blick auf die Fischerinsel von der Inselbrücke (Foto: André Franke, März 2015)

Blick auf die Fischerinsel von der Inselbrücke (Foto: André Franke, März 2015)

Das Wissen über die tiefere Historie Berlins liegt nicht grade an jeder Ecke, auch wenn jetzt direkt am Neptunbrunnen eine Open-Air-Ausstellung darüber informiert. Selbst sie, mit ihren elf Säulen, über die ich noch berichten werde, ist im Vergleich zu dem, was heute Abend beim 33. Lichtbilderabend von Benedikt Goebel geboten wird, relativ oberflächlich. Denn bei den Lichtbilderabenden geht es um einen konkreten Ort, der mit Hilfe von hunderten von historischen Abbildungen wieder zum Leben erweckt wird. Heute im Fokus: die Fischerbrücke und der Inselspeicher. Wer wissen will, wo das war, der gehe an den folgenden (noch existenten) Ort:

Landesgeschichtliche Vereinigung für die Mark Brandenburg im Marstall am Schloßplatz, Schloßplatz 7, 10178 Berlin

Zeit: 18:30 – 20:30 Uhr

(Anschließend gibt es auch noch einen kleinen Spaziergang durch die Gassen des Fischerkiezes.)

Wie ein „Bordeaux“: Stadtkern-Kurs an der VHS wirbt für Berlin-Geschichte, aber auch für die eigene Meinung

Mit der Berliner Altstadt sei es wie mit Bordeaux-Weinen, sagt Benedikt Goebel, der im Namen des Bürgerforums Berlin am Dienstag in die Volkshochschule zum Auftakt der Veranstaltungsreihe „Geschichte, Gegenwart und Zukunft des Berliner Stadtkerns“ einlud. 

„Es dauert ein Weile bis man zum Kenner wird, aber bis dahin hat man einfach eine schöne Zeit.“

Multifunktionsraum in der VHS-Mitte mit den pünktlichen Gästen. Es kamen mehr als zu sehen sind. (Foto: Christina Kautz)

Multifunktionsraum in der VHS-Mitte mit den pünktlichen Gästen. Es kamen mehr als zu sehen sind. (Foto: Christina Kautz)

Der multifunktionale Raum 1.12 in der Linienstraße 162 war gut besucht. Die VHS lieferte Stühle nach. Die Landschafts-architektin Christina Kautz und der Architekt Lutz Mauersberger hielten einen bilderreichen Vortrag über den Ursprung der Doppelstadt Berlin-Cölln und der historischen Stadtentwicklung an der Spree und dem Spreekanal. Und jene Bilder sind es eben, die einen zum Genießer werden lassen, bevor man sich versieht, weil sie Berliner Orte zeigen, die es nicht mehr gibt: Packhöfe, Oberbäume, Unterbäume, Schleusen, Pferdeschwemmen, Wasserkunst, Brückenschmuck, Fischkästen. Und Flussbäder.

Projekt Flussbad Berlin: renaturierter Spreekanal für ein sauberes Schwimmbecken direkt am Lustgarten (Bild: Flussbad Berlin e.V., realities:united)

Projekt Flussbad Berlin: renaturierter Spreekanal für ein sauberes Schwimmbecken direkt am Lustgarten (Bild: Flussbad Berlin e.V., realities:united)

Wobei die historischen Spree-Flussbäder hier eine ziemliche Steilvorlage boten für die Diskussion über das Zukunftsprojekt „Flussbad Berlin“, das auf 750 Meter Länge zwischen Bodemuseum und Schleusenbrücke gebaut werden soll und mit vier Millionen Euro aus dem Bundesprogramm „Nationale Projekte des Städtebaus“ öffentlich gefördert wird (hier mehr zum Projekt).

Das wird beim Bürgerforum sehr kritisch gesehen. Und Gründe, dem Flussbad-Projekt skeptisch gegenüber zu stehen, gibt es einige, zum Beispiel die Standortwahl: Man brauche sowas nicht an einer prominenten Stelle wie der Museumsinsel, meint Christina Kautz. Lutz Mauersberger macht auf den Preis aufmerksam, mit dem das Schwimmbecken bezahlt wird: die Filteranlage und Moorlandschaft, die den restlichen Spreekanal bis zur Mündung ausfüllen sollen. Und Benedikt Goebel ergänzt, dass Projektbilder eben auch nicht riechen. Sprich: das Projekt beeinträchtige potenziell die Wohnqualität an den angrenzenden Ufern, zum Beispiel auf der Fischerinsel.

Für einen Volkshochschulkurs könnte das für manchen ein bisschen viel Meinung gewesen sein. Oder auch nicht. Kennerschaft bringt am Ende eben auch ein handfestes Urteilsvermögen mit sich. – Prost.


Zum „Flussbad Berlin“ wird es beim Architekten- und Ingenieurverein zu Berlin (AIV) am 23. Februar eine Veranstaltung geben.

Der nächste Kurstermin für angehende und schon gereifte Stadtkernkenner findet in der VHS Mitte am 17. Februar statt, dann unter dem Thema „Vergessene Schönheit der Berliner Altstadt“.

Kommen unkompliziert: keine Anmeldung nötig, kostenfrei, und Stühle gibt es auf jeden Fall genug.