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Nachlese – Das war der #NewsRide vom 4. Oktober 2017

Der Tunnel 71

Ein Blick durchs Schaufenster des um 19:15 Uhr schon geschlossenen Ladens… Man kann sich die Baupläne für den 30 Meter langen, neu zu grabenden Tunnel, mit dem der ehemalige Fluchttunnel 71 „angegraben“ wird, im Laden des Vereins Berliner Unterwelten in der Brunnenstraße 141/143 ansehen. Einblick in den echten Fluchttunnel soll es erst nächsten Sommer 2018 geben. Das Tunnelprojekt kostet 200.000 Euro und bereichert die Gedenkstätte Berliner Mauer in der Bernauer Straße. tagesspiegel.de

Route durch Mitte: 7 Kilometer

Route durch Mitte: 7 Kilometer

Die Alliiertenorgel

An der Kapelle der Versöhnung ist im Dunkeln natürlich niemand. Aber die Holzlamellen, die eine nahe stehende Laterne belichtet, machen im Vorbeifahren eine schöne Erscheinung. Die nächsten Konzerte mit der letzte Woche neu eröffneten Schuke-Orgel, die mit vier landestypischen Klangfarben der Siegermächte aus dem Kalten Krieg ausgestattet ist, sind am 14. (17 Uhr, Romantische Musik) und 28. Oktober (15 Uhr, Luther-Lieder). Gespielt wird das Instrument von Annette Diening. weddingweiser.de

Die Europacity

Der Weg dorthin ist fast interessanter als die Europacity selbst. Im Libeskind-Bau Sapphire brennt im 1. OG hinter Gardinen Licht. Wohnt da schon jemand drin? Die Chausseestraße ist auf der einen Hälfte Baustelle, aber über den Bürgersteig am BND-Bau lässt sich locker langfahren. Ins Glasfoyer blickend ist eine graue Wand erkennbar, hinter der die Mitarbeiter nach Eintreten durch die Tür verschwinden werden. Das sieht äußerst merkwürdig aus. An der Nordseite sitzt ein normaler Pförtner im großzügigen Empfangsbereich, hier gibt es die Schutzwände komischerweise nicht.

Jenseits des Kanals liegt die Heidestraße, rechts und links von ihr liegen Brachflächen, Bauflächen. Vom konzipierten Boulevard ist nichts zu spüren. Klar, die Straße ist fertig. Mittig wächst eine Hecke. Aber was passiert eigentlich mit der Tankstelle? Auf den Flächen westlich der Heidestraße kommen also die vier Blöcke des Quartiers Heidestraße. Der Spaß besteht darin, sich das vorzustellen. Auch als Nicht-Architekten. Das kann gewissermaßen schwerfallen. Leichter fällts den Profis. Frau Lüscher: „In unseren Köpfen ist die Europacity vollendet“ (morgenpost.de). Aber wie es hier aussieht! Ein schäbiger Zweckbau, in dem die Deutsche Bahn sitzt, allein auf weiter Flur … Container. Ein neuer Wohnblock links, ein paar schöne Altbauten rechts. Die haben sogar kleine Vorgärten. In dem einen wohnen Leute. — Hier wohnen Leute!

Doch je weiter man von Norden Richtung Hauptbahnhof gelangt, desto mehr kommt einem die Zukunft entgegen. Die 50Hertz-Zentrale leuchtet. Aus dem Total Tower kommen Leute raus, wieder Leute. Feierabend. Total interessante Lamellenfassade neben dem Tower… Aber alles Gebaute hier kommt mächtig kalt rüber.

Die Staatsoper

Im Licht des Maxim-Gorki-Theaters spielen ein paar Leute Boule. Kurzer Stopp bei Heine, der Spruch ist zu schön: „Wir ergreifen keine Idee, die Idee ergreift uns und knechtet uns und peitscht uns in die Arena, wo wir wie gezwungene Gladiatoren für sie kämpfen.“ Genau, lauter Gladiatoren und keiner kann so richtig zurück.

Vor der Oper Unter den Linden liegt der rote Teppich noch. MDCCXLIII steht weit oben. Ich habe Schwierigkeiten mit dem XL und es dauert eine Weile bis ich drauf komme, dass es die gleiche Logik ist wie bei IV. Hab ich selten so gesehen. Ziehe 10 von 50 ab, und das Ganze macht Sinn: 1743. Hinter der Oper rum zur Barenboim-Said-Akademie, wo massenhaft Fahrräder vor der Tür stehen. Hinter dem Fenster lassen sich die Schauspieler und Sänger schminken. Kann man alles mitansehen. Vorm Haupteingang in der Französischen Straße rauchen Mitarbeiter. Im Foyer: Kostümierte, die sich in einer Schlange langsam Richtung Auftritt schieben. Oh Gott, die müssen durch den Tunnel, der rüber ins Opernhaus führt – noch so ein Tunnel. morgenpost.de

Dann kamen noch das Freiheits- und Einheitsdenkmal, für dessen Standortverlagerung sich jetzt auch Eva Högl (SPD) stark macht (focus.de), und auf der anderen Seite des neuen Schlosses die Spreeterrassen, deren Bau noch im Oktober beginnen soll (morgenpost.de)

Burn out für Bedarfsampel an Mauergedenkstätte

Die Bedarfsampel an der Mauergedenkstätte in Mitte meldet (wie sollte es anders sein?) Bedarf an, im Minutentakt. „Signal kommt“, leuchtet pausenlos an der Fußgängerampel, die die einzige für Besucher ist, die Bernauer Straße zu überqueren. Nicht an irgendeiner beliebigen, harmlosen, unurbanen Stelle, sondern da, wo sich das magische Dreieck der Gedenkstätte befindet: Dokumentationszentrum, Versöhnungskapelle, Todesstreifen. Nur sind die drei voneinander durch die Acker- und Bernauer Straße getrennt. Besonders die Bernauer als Hauptstraße mit dem Tramverkehr der M10 bedeutet für alle, die hier „rübermachen“ wollen, eine dynamische Barriere. Und das ist eine unglückliche, scheinbar schicksalhafte Reproduktion der hiesigen Stadtteiltektonik.

Mauergedenkstätte: crossoptimiert

Wir müssen die Mauer hier erneut einreißen, einen Nutzungskonflikt gestalten, uns an der Bernauer Straße neuer Berliner Stadtformate bedienen. Geben wir doch der Gedenkstätte mehr Raum und mehr Zeit! Besucher überqueren die Straßen von vier Standorten aus. Bisher gibt es nur eine einzige Furt (und die hängt am seidenen Faden der Bedarfsampel). Schaffen wir doch ein großräumiges, crossoptimales Querungsfeld, das sich über den gesamten Kreuzungsbereich erstreckt. Das gibt es in Berlin schon so ähnlich: an der Kreuzung Friedrichstraße /Ecke Kochstraße südlich vom Checkpoint Charlie. Dort erhalten sämtliche Fußgänger gleichzeitig grün. Sie dürfen auch diagonal kreuzen, was wirklich genial ist. – Was für ein tolles, aber in der Stadt weitestgehend unbemerktes Pilotprojekt in Kreuzberg, das doch seine Fortsetzung sucht! Oder etwa nicht?

Beringstraße für die Besucher der Mauergedenkstätte: Bedarfsampel ist definitiv zu wenig für eine Gedenkstätte von nationaler Bedeutung (Abb. André Franke)

Beringstraße für die Besucher der Mauergedenkstätte: Bedarfsampel ist definitiv zu wenig für eine Gedenkstätte von nationaler Bedeutung (Abb. André Franke)

Die Gedenkstätte Berliner Mauer ist eine Gedenkstätte von nationaler Bedeutung. Im Moment ist sie der Bernauer Straße als Hauptverkehrsstraße und Teil des Innenstadrings ganz klar untergeordnet. Aus Sicht der Verkehrsverwaltung soll wohl die zügige Verbindung der Straßenbahn und des Kfz-Verkehrs sichergestellt werden (mit Höchtsgeschwindigkeit: 50 km/h). Aber ist das wirklich notwendig? Und ist das wirklich nutzungsgerecht?

Prädestiniert für Entschleunigung

Ist es meiner Meinung nach nicht (bezogen auf die zweite Frage). Denn der Besucherverkehr in der Mauergedenkstätte ist langsam und gemächlicher Natur. Ist es nicht denkbar, auch in einer Hauptstraße eine Passage des Runterkommens einzubauen? Immerhin gibt es hier etwas zu sehen, auch für Leute, die mit Bussen (!) und Autos auf der Bernauer Straße fahren. Deshalb erscheint mir die Bernauer Straße prädestiniert für eine grundlegende Entschleunigung! Nach dem Passieren der Gedenkstätte (im Abschnitt zwischen Strelitzer und Gartenstraße) können die Autofahrer ja wieder hochschalten.

Gedenkstätten-Modus einrichten

Jedenfalls hat die Bedarfsampel Bernauer Straße ausgedient. Hier muss längst ein regulärer Übergang möglich werden, der den Gedenkstättenverkehr (950.000 Besucher im letzten Jahr) auf Augenhöhe mit dem Transitverkehr bringt. Und am besten mehr als das: Der Normalzustand des Ortes sollte die Fußquerung von Norden nach Süden (und umgekehrt) sein. Kommt die Straßenbahn werden die Ampeln für alle Besucher der Mauergedenkstätte auf Rot gestellt. Mit der Straßenbahn fahren dann auch die Autos – als Gefolge. Danach wird auf Gedenkstätten-Modus zurückgeschaltet, und es heißt wieder: „Crosszeit“. Wie wäre das?

Gäste? Nicht in meinem Garten

— Nachricht —

An der Schönholzer Straße in Prenzlauer Berg wehren sich Anwohner und mehr als zehn Hauseigentümer dagegen, ihre Grundstücke zu Gunsten der Gedenkstätte Berliner Mauer an das Land Berlin zu verkaufen. Durch die Gärten mehrerer Gebäude verläuft heute der ehemalige Postenweg, auf dem zu DDR-Zeiten Grenzsoldaten im Mauerstreifen patrouillierten. Dieser soll im Zuge der Erweiterung der Gedenkstätte wiederhergestellt und öffentlich zugänglich gemacht werden. Die Eröffnung des Postenwegs ist für August 2011 geplant, schreibt der Tagesspiegel. Zur Zeit wird für das Gedenkstättenareal ein Bebauungsplan aufgestellt, am 27. August endete die erneute öffentliche Auslegung. Drei Eigentümer ließen ihre Bedenken von Rechtsanwälten formulieren. Die Bewohner des Mehrgenerationenhauses in der Schönholzer Straße 13/14 schlugen ein Kaufangebot des Senats in Höhe von 100.000 Euro für eine Postenwegfläche von 163 Quadratmetern aus, berichtet die Berliner Zeitung. Sie kündigten an, gegen den Bebauungsplan zu klagen, falls dieser so festgesetzt würde. Eine weitere Eigentümerin lehnte ein Angebot von 305.000 Euro ab. Auf ihrem Grundstück an der Bernauer / Ecke Brunnenstraße ist der zukünftige Eingang in die Gedenkstätte geplant.

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