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Nachdenken über G.

difu-DialogIn ihren Abschlussworten mutmaßt Moderatorin Ricarda Pätzold, es könne daran liegen, dass der Saal so “sittsam” sei. Gepolsterte Stühle, Auslegware, geringe Deckenhöhe und: jede Menge Wissenschaftler – hier würde jeder Aufschrei versacken, jeder Protest versinken in analytischer Gemütlichkeit. Also gibt es auch keinen. Und es klingt fast, als hätte sich Pätzold beim gestrigen Difu-Dialog, bei dem es um das Reizthema Gentrifizierung ging, insgeheim mehr Stimmung gewünscht.

Die Volksfurcht vor der Gentrifizierung tritt sonst zutage bei jeder Infoveranstaltung oder Bürgerbeteiligung. Ein Bauprojekt braucht man. Aber das gibt es hier heute nicht. Im Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) in der Zimmerstraße geht es um Gentrifizierung ganz abstrakt, um Konzepte zu ihrer Messbarkeit, losgelöst von konkreten Städten und Stadtteilen. – Alles sehr interessant. Und je mehr ich darüber nachdenke, desto ruhiger werde ich.

Diese Wissenschaftler! Die Wissenschaft schwebt über dem Phänomen. Aber sie schafft es nicht einmal, Gentrifizierung einheitlich zu definieren. Einer der beiden Referenten, Andrej Holm, beschreibt das Bild eines von blinden Stadtforschern umgebenen Elefanten. Jeder greift nach einem anderen Teil. Niemand versteht das Ganze. Und dann kommt da der Satz eines Betroffenen in Berlin, den Holm aus einem Interview zitiert:

“Früher gab´s hier schöne Menschen, jetzt gibt´s schöne Häuser”

… (in dieser Masterarbeit nachzulesen). Na bitte, kurz und schmerzlos.

Betroffen müsste man sein, dann versteht´s jeder. (Bloß nicht natürlich!) Im Kern hat die Debatte um Gentrifizierung und Verdrängung ja mit Emotionen zu tun. In “Betongold” kommt das gut rüber, dem preigekrönten Dokumentarfilm von Katrin Rothe. Sie hätte man vielleicht einladen sollen.

Wieviele von den 140 Difu-Gästen tatsächlich von G. betroffen sind? – Es erheben sich etwa zehn, als Pätzold anfangs danach fragt. Immerhin: Holm steht auch. Er zeigt im Vortrag übrigens eine Wörter-Wolke mit Gentrifizierungsvokabular, die die Präsenz in deutschen Medien abbildet: Gentrifizierung hat in den letzten Jahren im wahrsten Sinne des Wortes Schlagzeilen gemacht. Ein Grund, das auf diesem Blog nicht fortzusetzen.

Alles geht nach Lichtenberg

— Nachricht —

Immer mehr Berliner ziehen nach Lichtenberg. Entgegen demografischer Prognosen, die dem Bezirk nach Angaben der Berliner Zeitung eine Bevölkerungszahl von ca. 250.000 vorhergesagt haben, leben mittlerweile 263.000 Menschen dort. Die Zuzügler kommen aus benachbarten Innenstadt-Bezirken, wo die Mieten steigen, aber auch aus Wedding und Neukölln. Im letzten Halbjahr seien ca. 1.000 neue Einwohner pro Monat hinzugekommen, schreibt die Berliner Zeitung. Es kämen vor allem Familien mit Kindern in den überalterten Bezirk. Daher steht der Bezirk vor der Herausforderung, seine soziale Infrastruktur anzupassen. Es fehlten 1.100 Kitaplätze, und mindestens fünf neue Grundschulen würden gebraucht. Für letztere sollen Schulgebäude reaktiviert werden, die der Bezirk in der Vergangenheit schließen musste. Keine einzige Schule soll neugebaut werden. (Berliner Zeitung)