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Eine Brache, wo sich Hund und Hund gute Nacht sagen

Ich will mal anfangen, über die News Rides zu berichten. Heute über den 9. Mai, einem warmen, sonnigen (es fühlte sich an wie ein) Sommerabend …

Zu Sechst, wenn man F. mitzählt, der vier Beine hat (und wer würde es wagen, ihn zu übersehen!), starteten wir von der holprigen „Frühlingswiese“ des Dong Xuan Centers, wo ein Unbekannter vor unseren Augen in die Büsche pinkelte, nach Osten in die Herzbergstraße zum Kunstquartier von Axel und Barbara Haubrok. Es tat gut, Lichtenberg jenseits von Stasi-Knast, Stasi-Museum, Sportforum und Dong Xuan Center zu sehen. Ich wollte schon immer mal wissen, wo genau die ehemalige Fahrbereitschaft des DDR-Ministerrats liegt, von der man seit ein paar Jahren hört – eben weil da jetzt Kunst gemacht wird. Sie befindet sich gleich um die Ecke.

Mit freundlichen Grüßen, Bezirksamt

Wir drehten eine Runde über das Gelände, konnten in die offenstehende 100 Meter lange, von Arno Brandlhuber entworfene Halle reinschauen, wo sogar jemand rumsaß und die ein Bilderrahmenbauer zu über die Hälfte der Fläche nutzt, wie es heißt. Den Haubroks hatte vor kurzem Stadträtin Birgit Monteiro (SPD) untersagt, weitere Ausstellungen durchzuführen. Im Moment läuft noch „Paper Works“, aber ab 7. Juli soll nach den Worten von Axel Haubrok „Schluss sein“. Monteiro will das in der Herzbergstraße ansässige Gewerbe schützen, 800 Unternehmen mit bis zu 10.000 Arbeitsplätzen. Die B.Z. hatte berichtet. Auch die Künstler des alten Tacheles gründeten vor ein paar Wochen in der Nachbarschaft einen neuen Kunststandort, die „Kulturbotschaft“. Das hat möglicherweise zu der harten Haltung des Bezirks beigetragen. Erst als wir das Gelände verließen, bemerkten wir das Riesenplakat am Eingang. Es war das Behördenverbot in Form der originalen Email an Haubrok. Hängt dort, kann jeder lesen.

Baurechtliche Untersagung von Kunst im Gewerbegebiet per Email (Foto: Andrea Künstle)

Dann ging´s über Herzbergstraße, Vulkanstraße (hier für ein paar Meter von M. begleitet, der uns auf dem Nachhauseweg von Küstrin nach Pankow durch Zufall traf), Ruschestraße und Schulze-Boysen-Straße (…) westlich an der Viktoriastadt vorbei, ziemlich straight nach Alt-Stralau. Die Kynaststraße bleibt Radfahrern ein Rätsel. Man ist gezwungen, auf der Straße (ohne Radweg) zu fahren. Tut man es nicht und benutzt den Gehweg, fährt man bald gegen eine Straßenlaterne, weil der Gehweg immer schmaler wird, auf dem sie steht. Umgekehrt entwächst der Fahrbahn, hat man die Brücke im Scheitel überquert, unverhofft ein Radweg, über den man sich wundert: Warum tauchst Du erst jetzt auf?

Teppichfabrik à la Baukademie

Von der Alten Teppichfabrik in Alt-Stralau war letzte Woche zu lesen, dass es mehrere Bauanfragen gab. Nach der Besetzung im Sommer 2017 steht sie leer (und unter Denkmalschutz). Völlig offen, ob Wohnungen oder Gewerbe einzieht. Jedenfalls hat sie einen neuen Eigentümer, „s.Oliver“, die Bekleidungsfirma. Die B.Z. berichtete darüber (man muss es wegen der spärlichen Infos wohl eher „erwähnen“ nennen). Das Backsteingebäude, das auf der Stralauer Halbinsel die Industrialisierung einleitete, erinnert voll an die Bauakademie, die in der nächsten Woche wohl mit in den News Ride kommt.

Über die Elsenbrücke ging´s weiter durch den Treptower Park. In Höhe des Sowjetischen Ehrenmals war ganz schön was los: Uns fiel ein, dass ja „Tag der Befreiung“ war, und in sich die „Nachtwölfe“ in Berlin angekündigt hatten. Am Karpfenteich vorbei, folgten wir von da an dem Heidekampgraben, durch zahlreiche Kleingartenkolonien in Treptow, kamen an dem Denkmal für die Trepower Mauertoten vorbei, kamen in den Regen. Tja.

Herzbergstraße in der Abendsonne (Foto: Andrea Künstle)

Als es wieder aufgehört hatte, überquerten wir den Britzer Verbindungskanal und folgten ihm (immer noch auf dem Mauerweg unterwegs) bis zum Denkmal für Chris Gueffroy. Auf Treptower Seite erstrecken sich hier vier Kleingartenkolonien, die ich zum Anlass nahm, über die Vision von Arne Piepgras zu berichten, der die Gärten alle nach Brandenburg auslagern möchte, um die Flächen mit Wohnungen zu bebauuen. Die Schrebergärten Berlins haben seinen Angaben zufolge ein Potenzial von 3.000 Hektar. Das ist 15 mal der Tiergarten. 400.000 Wohnungen fänden darauf Platz, so Piepgras, der als Investor in Berlin auch am Dragoner-Areal tätig war und jetzt vor Gericht gegen die Übertragung des Grundstücks an Berlin streitet. Der Tagesspiegel hatte den offenen Brief als Anzeige gedruckt und u.a. infolge dessen eine interaktive Karte mit Berlins Kleingärten erstellt, in der man sogar Infos darüber erhält, wieviele Dauerbewohner in der jeweiligen Anlage leben (sehr zu empfehlen, sich da mal durchzuklicken).

Es folgen noch ein paar Kilometer entlang des Teltowkanals. Langsam wurde es dunkler. In Johannesthal wechselten wir auf die andere Seite der Autobahn und gelangten in den Eisenhutweg, eine Straße, die die Wissenschaftsstadt Adlershof westlich begrenzt und an der lauter Einfamilienhäuser stehen, manche mit Säulenportalen oder anderem Schnickschnack, angesichts der vorstädtischen Lage so affig, dass man drüber lachen muss. Ein Hochspannungsmast markiert das Ende der Stromleitung. Die Siedlungsmasse rechts reißt ab, und wir radeln entlang einer Brache. Einer großen Brache. Nach einer Weile biegen wir rechts rein und fahren einfach drauf. Hinter uns der Eisenhutweg, vorne die Autobahn. Dazwischen Gras und Büsche. Und Hunde. Die bellen, weil wir ihr Revier betreten. Und die bellen wohl auch wegen F., der seit drei Kilometern im Lenkerkorb sitzt und nicht mehr selbst rennt.

Im Airport-Korridor

In Adlershof gibt es also noch Brachen. Die hier soll mit 600 Wohnungen bebaut werden, von den Architekten, die auch im Mauerpark bauen. Nach Fertigstellung sollen die Wohnungen – voraussichtlich – an eine städtische Wohnungsbaugesellschaft übergeben werden, um sozialverträgliche Mieten zu gewährleisten. Die B.Z. berichtete, wenn auch nur kurz. Allerdings fand ich bei der Recherche noch ein weiteres Bauprojekt, das gleich daneben entsteht: die „BRAIN BOX BERLIN“. Klingt krass. Sieht auch spektakulär aus, ein Bürokomplex mit flexiblen Raumstrukturen und Marktplatz im Gebäude, langgezogen über die Riesenbrache, von der hier draußen kein Ende zu sehen ist. Wir befanden uns trotzdem nicht „draußen“. Der News Ride endete im „in Entstehung befindlichen“ Airportkorridor. Betonung auf: in Entstehung befindlich … (wie man auf der website der Wissenschaftsstadt Adlershof liest). Und weil wir dabei auf den aktuellen BER-Eröffnungstermin zu sprechen kamen, hier noch mal der Stand der Dinge: Herbst 2020, wie die Berliner Zeitung im März schrieb.

 

Ohne Brecht zu bemühen: Plädiere für Erhaltungssatzung für den Pudding im Berlin-Pavillon am Platz der Republik

Besucherbuden blockieren Bundestag. Weg damit, mit den Besucherbaracken.

Besucherbuden blockieren Bundestag. Weg damit, mit den Besucherbaracken.

Der Pavillon schmeckt und ist aus manchen Perspektiven kaum zu sehen. Mehr noch, er passt sich bescheiden in die Atmosphäre ein.

Der Pavillon schmeckt und ist aus manchen Perspektiven kaum zu sehen. Mehr noch, er passt sich bescheiden in die Atmosphäre ein.

Fährt man fast dran vorbei, außer man war beim Zahnarzt, musste das Mittagessen aufschieben und hat Hunger. Nochmal: atmosphärisch stört die Bude nicht. - Stehenlassen bitte.

Fährt man fast dran vorbei, außer man war beim Zahnarzt, musste das Mittagessen aufschieben und hat Hunger. Nochmal: atmosphärisch stört die Bude nicht. – Stehenlassen bitte.

Überraschung: Stadtmodell in 3D auf der Grundlage des Planwerks Innenstadt aus dem Jahre 2005. Macht sich mindestens gut als Orientierungshilfe. Holzmarkt muss ge-updated werden!

Überraschung: Stadtmodell in 3D auf der Grundlage des Planwerks Innenstadt aus dem Jahre 2005. Macht sich mindestens gut als Orientierungshilfe. Holzmarkt muss ge-updated werden!

"Stäv" lässt grüßen: Aber ein Altkanzler-Filet ist es nicht. Auch nicht ganz so teuer, sondern "nur" 6,90 Euro.

„Stäv“ lässt grüßen: Aber ein Altkanzler-Filet ist es nicht. Auch nicht ganz so teuer, sondern „nur“ 6,90 Euro.

Na bitte. Das Besucher- und Informationszentrum des Bundestages soll nicht länger unterirdisch geplant, sondern als ganz normales Haus im Tageslicht gebaut werden. Kein “Grab des Volkes” mehr, immerhin. Aber weichen soll ein Haus, wie die Berliner Zeitung schreibt, das am Platz der Republik schon steht, schon länger: der Berlin-Pavillon. Dabei handelt es sich um eine Fressbude, gar nicht mal um eine schlechte. Schöne, dicke Currywürste, wahlweise mit Pommes oder Bratkartoffeln gibt es da; auf dem Teller sieht’s aus wie im “Stäv” am Schiffbauerdamm, wenn man ein Altkanzler-Filet bestellt. Schmeckt auch fast so gut wie dort, nur das Kraut fehlt und die Nationalflagge. Aber die kann sich die Gastro bei dem Schwarz-Rot-Gold-Aufgebot nebenan wirklich sparen. Will sagen: ich mag den Pavillon! Trotz der sechs Euro neunzig, die ich für die Wurst mit Pommes gestern bezahlt habe und vor denen ich nicht zurückschreckte, weil ich mein Mittagessen um zwei Stunden verschieben musste, weil ich zuvor beim Zahnarzt war. (Mal herhören: Der Schoko-Pudding ist der absolute Hammer! Sehr flüssig, fast trinkbar. Tipp: Esslöffel benutzen! Kosten: zwei Euro zwanzig.) Also, ich mag die Bude. Sie ist sogar informativ und besonders bei Regen tourtechnisch ansteuerbar für Berliner Stadtführer, wegen seines großflächigen 3D-Stadtmodells an der Wand. Aber ich mag das Ding auch, weil es architektonisch so unscheinbar ist, grau, gut getarnt. Ich fürchte, von dem zukünftigen Besucherhaus wird man das nicht erwarten dürfen, es wird bestimmt in Sichtbeton, wie beim “Band des Bundes”, hell aus den Büschen des Tiergartens blitzen. Und wir werden denken: noch Baustelle oder schon fertig gebaut? Aber das ist nur eine Vermutung. Naja, der Pavillon ist jedenfalls mehr als ein Zelt, mehr als eine Humboldt-Box. Ich werde Abschied nehmen. Pudding essen. Mit großem Löffel. Tag für Tag. Ab morgen. Oder kommt die Moral etwa doch zuerst?