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„Die Pistole auf die Brust gesetzt“ – A100 bricht sich Bahn in Treptower Beermannstraße

16. Bauabschnitt der A100, Grafik: Flyer SenStadtUm

16. Bauabschnitt der A100, Grafik: Flyer SenStadtUm

Für die Mieter der zwei vor dem Abriss stehenden Altbauten in der nahe des S-Bahnhofs Treptow gelegenen Beermannstraße wird es in diesen Tagen ernst. Ihnen wurde wegen des unmittelbar bevorstehenden Weiterbaus der A100 von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (SenStadtUm) gekündigt. Die Abendschau hat einen der zwölf noch verbliebenen Mieter interviewt, dem SenStadtUm zuvor Ersatzwohnungen mit (im Vergleich zur Bestandsmiete) 60 bis 120 Prozent höher liegenden Mietpreisen angeboten hatte. Doch Benjamin S. schlug die Angebote aus. Er sieht sich, wie es im Beitrag heißt, mit einer „vorzeitigen Besitzeinweisung“ konfrontiert und wird per Email aufgefordert, die Wohnung bis zum 31.10.2014 zu übergeben. „Man hat uns sozusagen die Pistole auf die Brust gesetzt“, sagt er. Auch die benachbarten Kleingärtner sollen für den 473 Millionen Euro teuren 16. Bauabschnitt der Stadtautobahn zum 15. November die Schlüssel übergeben. 2022 soll sie auf dann neugebauten 3,2 Kilometern Länge vom Autobahndreieck Neukölln zum Treptower Park führen. Tobias Trommer vom „Aktionsbündnis A100 stoppen“ kritisiert die Verwaltung für den Umgang mit den Mietern und ist sprachlos.

RAW-Kulturensemble stellt Ergebnisse der Bewohnerbefragung vor

RAW-Gelände (Reichsbahnausbesserungswerk) in Friedrichshain, im Hintergrund: Spree mit Oberbaumbrücke. Partizipation erwünscht.

RAW-Gelände (Reichsbahnausbesserungswerk) in Friedrichshain, im Hintergrund: Spree mit Oberbaumbrücke. Partizipation erwünscht. (Bild: RAW-Kulturensemble)

Nachdem die „aktivierende“ Anwohnerbefragung zur Zukunft des Friedrichshainer RAW-Geländes im August zu Ende gegangen war, lädt das RAW-Kulturensemble am 6. November ab 18 Uhr zur Präsentation und Diskussion der Ergebnisse ein. Knapp 1.000 Leute aus dem Kiez haben an der Befragung teilgenommen und ihre Wünsche für die Stadtentwicklung zwischen Revaler Straße und Spree abgegeben. Anwohner und Nutzer des RAW wollen den mittlerweile 15-jährigen Kulturstandort aber auch selber mitgestalten, und so geht es am nächsten Donnerstag auch um die Frage, auf welche Weise eine partizipative Stadtplanung organisiert werden kann. Das RAW-Gelände soll geteilt werden. Die Eigentümer der östlichen Teilfläche wollen Wohnungen bauen.

Europalette? Passt schon! – Kreuzberger Lasträder von „Velogista“ mischen motorisierten Lieferverkehr in Berlin auf

Leichtgewicht: Ein Elektrolastrad der Transportfirma "Velogista" aus Kreuzberg. Bald in Scharen? - Es wird Zeit, dass sie kommen!

Leichtgewicht: Ein Elektrolastrad der Transportfirma „Velogista“ aus Kreuzberg. Bald in Scharen? – Es wird Zeit, dass sie kommen!

Ein Kreuzberger Transportunternehmen namens „Velogista“ will die Revolution des innerstädtischen Lieferverkehrs in Berlin, aber auch andernorts. Elektrolastenräder, die mehr Masse transportieren können, als sie selber auf die Waage bringen, sollen motorisierte Lkw und Lieferfahrzeuge ersetzen. (Hier das Konzept.) Noch hat „Velogista“ gerade einmal zwei Lasträder, aber die im Mai gegründete Genossenschaft um Gründer Martin Seißler und Mitgründerin Sabine Föppl plant den offensiven Ausbau ihrer Flotte mit einer im Oktober angelaufenen Crowdfunding-Kampagne, die noch 22 Tage läuft. Für „Velogista“ arbeiten derzeit acht Leute ehrenamtlich. Drei Fahrer sind (auch das ist revolutionär, für die Branche) nicht „Velogista“-Subunternehmer, sondern festangestellt. Das Projekt zählt bereits über 30 Geschäftskunden.

BIZ bitte nicht vor den Reichstag stellen – Variante Nr. 6: Krolloper-Steg statt Teuer-Tunnel

Wenn mich nicht alles täuscht, stammen die fünf Varianten, wo am Platz der Republik potenziell ein Neubau für das geplante Besucher- und Informationszentrum des Bundestags (BIZ) hingebaut werden könnte, von der Berliner Zeitung selbst, die am Wochenende über das (inklusive Tunnel) 150 Millionen Euro teure Bauprojekt berichtete. Wenn dem tatsächlich so ist, dann bitte: Malstunde beenden, Rotstifte beiseite legen, auf den Platz der Republik gehen und die Augen öffnen: Vor die Westfassade des Reichstagsgebäudes gehört gar nichts! Dessen ist sich wohl auch der Bundestag bewusst. Sein Ältestenrat hat sich für den BIZ-Neubau für den Standort südlich der Scheidemann-Straße entschieden – abseits des Platzes. (Nicht schlecht, aber ich plädiere wie gesagt für eine Erhaltungssatzung für den Schokopudding im dort heute bereits existierenden Berlin-Pavillon, was einen Abriss desselben und eine Erschwerung der Rückkehr des Puddings an diesen Ort verhindern helfen soll.) Ich wage daher eine Variante Nr. 6: Malt ein rotes BIZ-Rechteck westlich der Heinrich-von-Gagern-Straße auf die Grünfläche, wo einst die Krolloper stand! Das wäre städtebaulich doch rund oder? Zu lang die Tunnelstrecke dann? Und zu teuer? – Macht einen oberirdischen Steg draus und verzichtet auf den Teuer-Tunnel! Drei Meter hoch dieser Steg, von transparenten (von mir aus Panzer-) Glaswänden gesäumt, der direkt ins Portal des Reichstagsgebäudes führt.

Ohne Brecht zu bemühen: Plädiere für Erhaltungssatzung für den Pudding im Berlin-Pavillon am Platz der Republik

Besucherbuden blockieren Bundestag. Weg damit, mit den Besucherbaracken.

Besucherbuden blockieren Bundestag. Weg damit, mit den Besucherbaracken.

Der Pavillon schmeckt und ist aus manchen Perspektiven kaum zu sehen. Mehr noch, er passt sich bescheiden in die Atmosphäre ein.

Der Pavillon schmeckt und ist aus manchen Perspektiven kaum zu sehen. Mehr noch, er passt sich bescheiden in die Atmosphäre ein.

Fährt man fast dran vorbei, außer man war beim Zahnarzt, musste das Mittagessen aufschieben und hat Hunger. Nochmal: atmosphärisch stört die Bude nicht. - Stehenlassen bitte.

Fährt man fast dran vorbei, außer man war beim Zahnarzt, musste das Mittagessen aufschieben und hat Hunger. Nochmal: atmosphärisch stört die Bude nicht. – Stehenlassen bitte.

Überraschung: Stadtmodell in 3D auf der Grundlage des Planwerks Innenstadt aus dem Jahre 2005. Macht sich mindestens gut als Orientierungshilfe. Holzmarkt muss ge-updated werden!

Überraschung: Stadtmodell in 3D auf der Grundlage des Planwerks Innenstadt aus dem Jahre 2005. Macht sich mindestens gut als Orientierungshilfe. Holzmarkt muss ge-updated werden!

"Stäv" lässt grüßen: Aber ein Altkanzler-Filet ist es nicht. Auch nicht ganz so teuer, sondern "nur" 6,90 Euro.

„Stäv“ lässt grüßen: Aber ein Altkanzler-Filet ist es nicht. Auch nicht ganz so teuer, sondern „nur“ 6,90 Euro.

Na bitte. Das Besucher- und Informationszentrum des Bundestages soll nicht länger unterirdisch geplant, sondern als ganz normales Haus im Tageslicht gebaut werden. Kein “Grab des Volkes” mehr, immerhin. Aber weichen soll ein Haus, wie die Berliner Zeitung schreibt, das am Platz der Republik schon steht, schon länger: der Berlin-Pavillon. Dabei handelt es sich um eine Fressbude, gar nicht mal um eine schlechte. Schöne, dicke Currywürste, wahlweise mit Pommes oder Bratkartoffeln gibt es da; auf dem Teller sieht’s aus wie im “Stäv” am Schiffbauerdamm, wenn man ein Altkanzler-Filet bestellt. Schmeckt auch fast so gut wie dort, nur das Kraut fehlt und die Nationalflagge. Aber die kann sich die Gastro bei dem Schwarz-Rot-Gold-Aufgebot nebenan wirklich sparen. Will sagen: ich mag den Pavillon! Trotz der sechs Euro neunzig, die ich für die Wurst mit Pommes gestern bezahlt habe und vor denen ich nicht zurückschreckte, weil ich mein Mittagessen um zwei Stunden verschieben musste, weil ich zuvor beim Zahnarzt war. (Mal herhören: Der Schoko-Pudding ist der absolute Hammer! Sehr flüssig, fast trinkbar. Tipp: Esslöffel benutzen! Kosten: zwei Euro zwanzig.) Also, ich mag die Bude. Sie ist sogar informativ und besonders bei Regen tourtechnisch ansteuerbar für Berliner Stadtführer, wegen seines großflächigen 3D-Stadtmodells an der Wand. Aber ich mag das Ding auch, weil es architektonisch so unscheinbar ist, grau, gut getarnt. Ich fürchte, von dem zukünftigen Besucherhaus wird man das nicht erwarten dürfen, es wird bestimmt in Sichtbeton, wie beim “Band des Bundes”, hell aus den Büschen des Tiergartens blitzen. Und wir werden denken: noch Baustelle oder schon fertig gebaut? Aber das ist nur eine Vermutung. Naja, der Pavillon ist jedenfalls mehr als ein Zelt, mehr als eine Humboldt-Box. Ich werde Abschied nehmen. Pudding essen. Mit großem Löffel. Tag für Tag. Ab morgen. Oder kommt die Moral etwa doch zuerst?

Meister Hinkel auf Brückenfahrt

Ja hat denn der Investor keine Brückenfahrt gemacht? - Überstempelt hat er den Schaft des Fernsehturms, ein Stadtbild versaut. Kann er es durch Architektur wieder gut machen?

Ja hat denn der Investor keine Brückenfahrt gemacht? – Überstempelt hat er den Schaft des Fernsehturms, ein Stadtbild versaut. Kann er es durch Architektur wieder gut machen?

Eine Spreefahrt kann weh tun: Wenn das alte, geliebte, angepriesene, ganz und gar vollendet zu scheinende Stadtbild neuerdings nicht mehr ist, es jemand plötzlich überstempelt, ja überrumpelt hat, zerstört mit einem Pinselstrich, einem, der hätte auf einer anderen Leinwand gemalt werden sollen, aber doch nicht hier! Nicht doch zwischen die Türme der Oberbaumbrücke!! Da wanderte noch im Jahr zuvor der Fernsehturm, wenn man auf der Brückenfahrt in den Kanal einfuhr: ganz langsam, sein schlanker Schaft, von einem Turm zum andern. Jetzt rollt höchstens noch seine Kugel übers Dach vom “Living Levels”. Und die Frage, die ich mir seit dem Frühjahr stelle, ist: Hat Investor Hinkel jemals die Brückenfahrt gemacht? So ist es entweder Zufall oder Kalkül und am Ende auch egal. Nur zu hoffen bleibt, dass der Wohnturm mit seiner strahlend weißen Balkonfassade (und begrünt soll sie sein, obendrein!) in der Wirklichkeit auch hält, was er verspricht. Dann lässt der Schmerz nach, hoffentlich.

Spaziergangswettbewerb 2014 ausgelobt

Spazierengehen - um die Wette: 2014 gilt es, "Sequenzen" aufzuspüren

Spazierengehen – um die Wette: 2014 gilt es, „Sequenzen“ aufzuspüren

Mikromakrowelt (Büro für Stadtforschung, experimentelle Raumpraxis und urbane Bildung) hat wieder einen Spaziergangswettbewerb ausgelobt. Bis zum 31. Oktober können Ideen zu Spaziergängen eingereicht werden, die in direkter oder kreativer Weise das Thema “Sequenzen” behandeln. Die Städte, in denen sie stattfinden, sind frei wählbar. Beiträge für Berlin haben jedoch den Vorteil, dass sie im Falle der Prämierung Anfang 2015 zusammen abgelaufen werden können. Mitmachen kann jeder, auch hauptberufliche Stadtführer. Dann allerdings unter besonderen Voraussetzungen, da die Spaziergangswettbewerbe von mikromakrowelt eine nicht-kommerzielle Veranstaltung sind. Mehr Infos zum Wettbewerb hier … Im letzten Jahr gewann Pieke Blieffert mit ihrem Spaziergang „Lost and found“ in Leipzig.

Kristallkugel, Lichtkonzept, Medienfassade – neue Idee für die Zukunft des Rathausforums

Rathausforum-Entwurf Achim und Andreas Linde

Nicht das „Festival of Lights“, sondern der Entwurf für eine Lichtinstallation zwischen Fernsehturm, Rotes Rathaus und Marienkirche – gegen eine zukünftige Medienfassade an einer noch zu bauenden, noch zu diskutierenden Zentralbibliothek (Visualisierung: Achim und Andreas Linde, 2014)

Während für das Rathausforum in Berlin-Mitte gerade ein Dialogverfahren in Vorbereitung ist, gibt es für seine zukünftige Gestaltung einen neuen Vorschlag von Architekt Achim Linde und seinem Bruder Andreas Linde. Sie entwerfen einen Mix aus Grünfläche, Bebauung und Stadtplatz. Im Detail so:

Das Marx-Engels-Forum, etwa die Hälfte des heutigen, soll eine Grünfläche mit viel Baumbestand werden (beziehungsweise bleiben) und sich mit einem Amphitheater zur Spree und zum Schloss öffnen.

Neben dem Park, also auf der anderen Hälfte des heutigen Marx-Engels-Forums, an der Spandauer Straße, soll eine Zentralbibliothek mit einem Berlin-Pavillion entstehen. Dieses Gebäude soll den anschließenden Platz fassen und eine multimedial bespielbare, konkav zum Platz verlaufende Medienfassade abgeben, auf der im Sommer Berlin-Filme laufen. Entlang der historischen Bischofstraße soll eine Sicht- und Wegeverbindung freigelassen werden, also der Blick vom Platz zum Schloss möglich sein. Der Berlin-Pavillon soll die Stadtmodelle aufnehmen und als Diskussionsort mit der Stadtverwaltung dienen. Hierbei nehmen die in Berlin lebenden Linde-Brüder eine Idee von Thomas Flierl von der Herrmann-Henselmann-Stiftung auf, die dieser in dem Buch “Berlin plant” (2010) beschrieb. So soll ein Kommunikationsort für öffentliches Leben entstehen, ein “Platz der Demokratie”.

Rathausforum-Entwurf von Achim und Andreas Linde, 2014

Park, Stadt, Platz – der Entwurf ordnet die Fläche zwischen Spree und Fernsehturm in drei klare Bereiche. Neptun soll gehen. Luther kommt. (Entwurf: Achim und Andreas Linde, 2014)

Auf dem Platz, an der Stelle, wo heute der Neptunbrunnen steht, soll eine flexible, multifunktionale Installation errichtet werden, wahlweise als Tribüne für die Medienfassade, Kristallkugel, versenktes Amphitheater oder ebenerdiger Platz. Der Neptunbrunnen soll dafür wieder zurück auf den Schlossplatz rücken. Die Brüder finden, dem Neptunbrunnen würde “zuviel Prominenz und auch Präsenz abverlangt”, und dass dieser beides nicht liefern könne. Sie treten auch für die (bereits in die Wege geleitete) Rückführung des Luther-Denkmals an den historischen Ort vor der Marienkirche ein und für die Markierung des Wohnhauses von Moses Mendelssohn in der Spandauer Straße 68, wie es auch Stadthistoriker fordern.

Die Oberfläche des Platzes soll mit einem innovativem Lichtkonzept farblich und plastisch gestaltet werden, und der Platzraum (besonders vom Fernsehturm aus gesehen) als erkennbare Gestaltungseinheit wirken. „Hier liegt das Hauptproblem des Gebietes“, heißt es im Linde-Entwurf, „es ist halb Platz und halb Park, aber keins von beiden richtig.“

Unterirdisch, direkt unter dem Platz, soll es Geschäfte und öffentliche Toiletten geben. Der Entwurf sieht außerdem die Integration des Eingangs der U5 in die Platzgestaltung vor und strebt auch die Zugänglichkeit der ausgegrabenen Alt-Berliner Rathausreste an.

Rathaus, Fernsehturm und Marienkirche werden als die drei Hauptakteure betrachtet. Der durch Teilbebauung gefasste Platz soll deren Hauptrolle unterstützen.

Achim und Andreas Linde wollen ihren Beitrag als Anregung zur Diskussion und Aufforderung zur Weiterentwicklung verstanden wissen. Das Gebäude der Bibliothek sei als Platzhalter für einen Entwurf zu betrachten, auch die Installation könne anders aussehen.


Kontakt: Dipl.-Ing. Architekt Achim Linde und Dr. Andreas Linde, ehemaliger Bezirksverordneter 

achimlinde@gmail.com 

Neue Online-Plattform „openberlin“ vernetzt Projekte der Stadtentwicklung

Die neue Online-Plattform openBerlin mit Infos zu alternativen Projekten der Stadtentwicklung in Berlin.

Die neue Online-Plattform openBerlin mit Infos zu alternativen Projekten der Stadtentwicklung in Berlin.

Ab heute gibt es die neue Online-Plattform openberlin.org. Sie ist ein interaktives Werkzeug für partizipative Stadtentwicklung in Berlin und bündelt Informationen zu Projekten, Ideen, Akteuren und Erfahrungen unter der Devise „Stadt selber machen!“ Zu den Projekten zählen unter anderen die Prinzessinnengärten, der Spreepark, aber auch das Tempelhofer Feld. Im Rahmen der Experimentdays’14 laden die Vereinsgründer von openBerlin e.V. heute ab 20:00 Uhr in den Wilhelmine-Gemberg-Weg 10-14 (ehemals Kiki Blofeld) an die Spree zur Projektvorstellung und zum gemeinsamen Launch ein. Hervorgegangen ist openBerlin aus einer Gruppe von Architekturstudenten um Johannes Dumpe von der TU Berlin.

Checkpoint Disney adé!

Yadegar Asisi-Panorama im Hintergrund. Die Zeit der Rundumschläge am Checkpoint Charlie ist bald vorbei.

Yadegar Asisi-Panorama im Hintergrund. Die Zeit der Rundumschläge am Checkpoint Charlie ist bald vorbei.

Der “Berliner Kurier” schreibt am Dienstag, dass der irische Eigentümer seine Grundstücke am Checkpoint Charlie beiderseits der Friedrichstraße verkaufen will (oder – die staatliche Bank “Nama” im Nacken sitzend – verkaufen muss). Das heißt, Disneyland verabschiedet sich. Zum Ende des Jahres ziehen die Buden ab. Ich wette, wir werden sie uns zurückwünschen! Denn die Friedrichstraße/ Ecke Zimmerstraße wird bald nicht mehr von der Friedrichstraße/ Ecke Leipzigerstraße und von der Friedrichstraße/ Ecke Krausenstraße und von der Friedrichstraße/ Ecke x-beliebige Straße zu unterscheiden sein. Das wäre schlimmer als das, was wir heute haben. Aber was wäre eigentlich besser als der Mansch von heute? Eine Gedenkstätte? Ein Platz? Ein Park? Ein Panzer-Denkmal? Oder doch ein banales Bürohaus in Rasterfassaden? Eigentlich ist doch alles besser als die Grenze von vor 25 Jahren.

In Jogginhosen zum Baustadtrat – Wie die Holzmarkt-Betreiber um 75 Jahre Zukunft verhandeln

Berlin wird ein Dorf: Bauwagen auf dem Holzmarkt-Gelände im September 2014

Berlin wird ein Dorf: Bauwagen auf dem Holzmarkt-Gelände im September 2014

Der “Spiegel” berichtet in der Ausgabe von letzter Woche (Nr. 36) vom Holzmarkt-Projekt an der Spree. Autor Philipp Oehmke begleitet die Clubbetreiber Juval Dieziger, Christoph Klenzendorf und deren Clubanwalt Mario Husten ins Bauamt von Friedrichshain-Kreuzberg zum Investorengespräch mit Baustadtrat Hans Panhoff. Das tun sie auf unkonventionelle Weise, in “Jogginghosen und Wanderstiefel”, und ist lesenswert. Der Artikel zeigt aber auch, wie schwer es für die Genossenschaft werden könnte, 75 Jahre Zukunft in Erbbaupacht zu gestalten. Pro Jahr sei ein Erbbauzins von mehr als 500.000 Euro fällig, und das Projekt koste mindestens 100 Millionen Euro, schreibt Oehmke. Es müsse auch der Bebauungsplan der Verwaltung geändert werden. Im Oktober könnte das schon geschehen.

Die fragwürdigste Wohnarchitektur in Berlin – ein Vorschlag für den Plattformpreis 2014

Plattform Nachwuchsarchitekten suchen für ihren diesjährigen Plattformpreis Vorschläge zu fragwürdiger Architektur in Berlin im Bereich Wohnen. Mein Vorschlag: das für Studenten gebaute Containerdorf am Plänterwald in der Eichbuschallee 51 in Treptow. Aus später einmal insgesamt 412 ausgedienten, übereinander gestapelten Schiffscontainern stellt Investor Jörg Duske mit dem Projekt „Franky & Johnny“ comfortablen, der deutschen Baunorm entsprechenden Wohnraum für Berliner Studenten her und baut damit auch ein Stück Stadt. Fragwürdig daran ist für mich:

  1. Ist das schon Städtebau oder einfach nur herzlos?
  2. Wie wegweisend wird das Bauen in Modulen bei Erfolg des Projekts für Berlin an anderen Orten in der Zukunft sein?
  3. Warum leisten sich die Studenten für die 14 Euro pro Quadratmeter, die sie für den Container zahlen, keine herkömmliche, frisch sanierte Berliner Dachgeschoss-Wohnung in den innerstädtischen Gründerzeitvierteln?

20 von insgesamt 412 Containern sind schon gebaut. Jeden Samstag finden Führungen statt, bei denen man die Wohnungen besichtigen kann.

Containerdorf in der Eichbuschallee 51: modular wie Plattenbau, aber hochflexibel, Juli 2014

Containerdorf in der Eichbuschallee 51: modular wie Plattenbau, aber hochflexibel, Juli 2014

 

Die halbe Henne von Hohenzoll – eine animalische Ballade in 14 Strophen

… Schloss-Satire #3

Und das ist der lange Schatten meines Besuchs in der Ausstellung Schlossbaumeister: Der geschundene Adler Preußens ließ mich nicht mehr los, auch nicht auf dem Weg in den Urlaub. Welch schöneren Anlass als einen Aufenthalt in Weimar könnte ich nehmen, das Genre zu wechseln und auch einmal dem Lyrischen zu verfallen? Hier also das erste Gedicht auf Futurberlin – eine Hommage an alle gluckenden Greifvögel. Zunächst: das Objekt der Inspiration, die halbe Henne…

Halbe Henne, mehr ist nicht dran. Bodemuseum Juli 2014, Ausstellung "Schlossbaumeister"

Halbe Henne, mehr ist nicht dran. Bodemuseum Juli 2014, Ausstellung „Schlossbaumeister“

(1)

Die halbe Henne von Hohenzoll

Ist schon ein merkwürdiges Wesen

Sie sitzt nur da und wundert sich

Warum sie nicht kann fliegen

(2)

Da stolpert in das Museum rein

Und kehrt mit ehrwürdigem Besen

Der Pförtner, spricht: Erinn’re dich!

Du warst ein hohes Wesen

(3)

Oh sag, mein Lieber, du kanntest mich?

Erzähl mir mehr von diesem Leben

Was war, wo flog, wie stürzte ich?

Wie kam ich ins Museum?

(4)

Du stiegst gen Himmel – ja wundervoll

Dank deiner hergeraubten Federn

Sie hielten in den Schwingen sich

Die Schwingen bald verwesten

(5)

Verwesten! – Wo ich doch fliegen soll?

Das ging ja herzlos denn daneben

Zerstaubt mein edles Flügelpaar?

Was bin ich denn gewesen?

(6)

Du warst der Adler von Hohenzoll

Ein wahrlich jagdtaugliches Wesen

Mit Krallen, Schnabel, Augenlicht –

Nur Großes konnt’ es lesen

Ganz klar: ein Adler. Wohin der fliegen wird, ist unklar.

Krumme Neese – ganz klar: ein Adler. Wohin der fliegen wird, ist unklar.

(7)

Ich nahm den Schnabel gar allzu voll?

Ist schon sehr lehrreich, dein Benehmen

Doch warte, langsam dämmert’s mich:

Ich stürzte ganz verwegen …?

(8)

Des Königs’s-Adlers Kanonenhall

Samt seinen kaiserlichen Späßen

War’n lustig für die Menschen nicht

Die Adler drüber schwebten

(9)

Im Traume flog ich nach Niederland

War es denn groß, das Reichsbegehren?

Der Luftraum bald verdunkelt sich

Und neuzehnsiebenvierzig …

(10)

Die Alliierten von überall

In einer meisterlichen Geste

Erkoren als das Übel: dich!

Nur Eier sollst du legen

(11)

Als Henne wie in’em Hühnerstall?

Da bleibt ja kaum was zu erstreben

Die Flügel wachsen innerlich

Bald werd’ ich mich erheben

Schlossbaustelle Juni 2014

Hier erhebt sich ein Wesen mit steinernen Flügeln. Schlossbaustelle Juni 2014

(12)

Du heile Henne von Hohenzoll

Wie eine Katze hast du Leben!

Wie Phoenix aus der Asche kam

Wirst du am Schlosse kleben

(13)

Jawohl mein Lieber, von Hohenzoll!

Das war der Name meiner Väter

Was kommt zurück im Donnerhall:

Bin ich, ein Adlerswesen!

(14)

Da stolpert aus dem Museum raus

Und hat die Zukunft ausgelesen

Der Pförtner, schwört: Ich spende nicht!

Bleibst hier, du krumme Neese!

 

ENDE

Acht Minuten Zukunft – neuer Euref-Film erklärt die Energiestadt von morgen

Auf dem Schöneberger Euref-Campus wird die Stadt von morgen gebaut. Was Berlin fürs Jahr 2050 anstrebt, ist hier schon heute Realität, zum Beispiel CO2-Neutralität. Aber wer versteht die Stadt der Zukunft eigentlich? Wer begreift, was die Wissenschaftler am Gasometer im Einzelnen treiben? – Ehrlich gesagt, ich nicht. Der Ort ist mir bisher verschlossen geblieben, weil er mir zu technisch ist – Elektromobilität, Emissionen … Und ich glaube, so geht es vielen. „Die Menschen mitnehmen … auch gedanklich“, heißt es deshalb nicht umsonst in dem neuen Image-Film des Euref-Campus, der jetzt auf youtube zu sehen ist und den ich heute empfehle. Mir helfen immer auch Bilder wie dieses: Der Euref-Campus spart eine Wassermenge von 27.864 Badewannen pro Jahr, wie es in einem Artikel von dab-online heißt. Die Gelegenheit, sich dort umzugucken, ist übrigens gerade günstig: Bis zum 26. September kann man sich mit Veranstaltungen in den Gasometer einmieten, zu Sonderkonditionen, weil Günther Jauch seine Sommerpause macht.

Euref-Campus

Euref-Campus in der Entstehung: 27.864 Badewannen. Die stehen hier zwar nicht herum, aber genau diese Menge an Wasser spart die Schöneberger Klimastadt pro Jahr. (Bild: EUREF AG)

 

Ente gut, alles gut? – tieranatomisches Rätselraten bei Schlossbaumeistern

Henne von Hohenzoll 2

Die halbe Henne von Hohenzoll / Ist schon ein merkwürdiges Wesen / Sie sitzt nur da und wundert sich / Warum sie nicht kann fliegen …

Schloss-Satire #2 — Mal ehrlich, ich hätte diesen Vogel nicht ausgestellt. Es ist ja überhaupt nicht klar, welcher Art er ist, welcher Gattung er angehört. Aber er ist das sehenswerteste der aktuellen Ausstellung „Schlossbaumeister“, zumindest für mich. Das gute Stück erlaubt haarsträubende Interpretationen oder führt ganz einfach zu Verwechslungen. Wer also beim Rundgang durchs Bodemuseum (die Ausstellung ist bis 24. August verlängert worden) auf ein Steintier trifft, von dem er nie zuvor gehört oder gesehen hat, dem sei ein Eintrag aus dem Ethymologischen Wörterbuch mit auf den Weg gegeben, der vielleicht weiterhilft:

Adler m. großer heimischer Greifvogel, mhd. adelar(n), adlar, adler (…) ist eine (im Nhd. nicht mehr erkennbare Zusammensetzung von mhd. adel (s. Adel) und ar (s. Aar), eigentl. ‘edler Aar’. Der Name entsteht, als mit der im 12. Jh. zur Blüte gelangenden Falknerei der Adler von den übrigen niederen Jagdvögeln unterschieden wird.”

… „niedere Jagdvögel“ – da haben wir´s doch: Wir sehen ein Huhn mit starkem Schnabel, das Körner jagd und Eier legt, respektive: Spenden sammelt, Beton abwirft. Darüber wird zu berichten sein, zu dichten sein: über „die halbe Henne von Hohenzoll“ – eine Ballade, in der Schloss-Satire #3

Mit Schiller: Was heißt und zu welchem Ende studiert man Fahrradgerechtigkeit?

Es war ein Satz wie aus einem Drehbuch. Deshalb war er mir sofort symphatisch. Senator für Stadtentwicklung Michael Müller (SPD) freut sich in einem Artikel der “Welt” darüber, dass immer mehr Berliner mit dem Rad fahren, lässt die Infrastruktur für den Radverkehr ausbauen, schiebt aber allzu großen Hoffnungen auf eine entschlossene Wende in der Berliner Verkehrspolitik den Riegel vor:

„Wir werden den alten Fehler einer autogerechten Stadt nicht durch den neuen Fehler einer fahrradgerechten Stadt wiederholen.”

Linienstraße Ecke Gormannstraße

Linienstraße Ecke Gormannstraße: eine Alltagsblockade im Juni 2014. Ich zähle 4 Kfz und 5 Radfahrer. Das macht zwar einen Radverkehrsanteil im Modalsplit von über 50 Prozent, aber durch kommt hier keiner mehr.

Klingt gut, wie gesagt, trifft aber ins Leere:

  1. weil die neuen, potenziellen Fehler einer fahrradgerechten Stadt verglichen mit den Schwerst-Eingriffen der autogerechten Stadt leichtfüßiger, stadtraumverträglicher und schneller revidierbar wären. Der Umbau der Stadt von der autogerechten zur fahrradgerechten ist organisatorischer Art, nicht baulicher;
  2. weil sich “Autogerechtigkeit” und “Fahrradgerechtigkeit” gar nicht unbedingt ausschließen. Die “Fahrradstraße” Linienstraße in Mitte zum Beispiel soll ja von ihrer Konzeption her Klarheit schaffen: Autos auf die Torstraße, Räder auf die parallel verlaufende Linienstraße. Beide Verkehrsarten profitierten davon, wenn man das Konzept konsequent umgesetzt hätte und den Kompromiss mit der Anliegerstraße nicht eingegangen wäre. Stattdessen haben wir mit der unheilvollen Kombination aus (sowohl fahrendem, als auch ruhendem) Anlieger-, Liefer- und besonders durch die Taxen praktizierten Durchgangsverkehr, nach einem Bericht der Berliner Zeitung den drittgefährlichsten Radverkehrsort in Berlin geschaffen (nach Schönhauser Allee: Nr. 1 und Unter den Linden: Nr. 2);
  3. weil es jenseits von beidem um eine übergeordnete Verkehrsgerechtigkeit gehen muss, die nicht nur kleinräumig, wie am Beispiel von Tor- und Linienstraße, sondern auch auf größerem Maßstab zum Tragen kommen sollte. Michael Müller sagt ja auch, es sei wichtig, die Verkehrspolitik an das sich wandelnde Mobilitätsverhalten anzupassen. Das hieße aber, die gemessenen Verschiebungen im Modalsplit auf die Straße zu übertragen. Automatisch entstünde die Fahrradstadt in Teilen der Berliner Innenstadt, und es bliebe gleichzeitig genug Autogerechtigkeit für den Kfz-Verkehr in den Außenbezirken, Radial- und Tangentialstraßen.

Wir dürfen keinen Leitbild-Krieg führen. Vielleicht meint der Senator das. Aber wie zwei Muskeln im konträren Zusammenspiel dafür sorgen, dass sich der Knochen bewegt (was mir mein gerade zu Ende gehender Hexenschuss im Negativ vor Augen führte), so brauchen wir auch beide, aufeinander abgestimmte und sich nicht gegenseitig blockierende “Teilgerechtigkeiten” für die Bewegung in Berlin – damit kein Krampf entsteht wie in der Linienstraße und damit wir uns die Knochen am Ende nicht brechen.

Schiller philosophierte bei seiner akademischen Antrittsrede in Jena einst über die Frage: “Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?” und beschreibt die ideale Geisteshaltung des Wissenschaftlers, den “philosophischen Kopf”, den wir wider aller Systeme und Fahneninschriften in Berlin brauchen:

“Neue Entdeckungen im Kreise seiner Tätigkeit, die den “Brotgelehrten” niederschlagen, entzücken den philosophischen Geist. Vielleicht füllen sie eine Lücke, die das werdende Ganze seiner Begriffe noch verunstaltet hatte, oder setzen den letzten noch fehlenden Stein an sein Ideengebäude, der es vollendet. Sollten sie es aber auch zertrümmern, sollte eine neue Gedankenreihe, eine neue Naturerscheinung (z.B. 50 Prozent Radverkehrsanteil in der Kastanienallee schon im Jahre 2010 – Anm. d. Verf.), ein neuentdecktes Gesetz in der Körperwelt den ganzen Bau seiner Wissenschaft umstürzen: so hat er die Wahrheit immer mehr geliebt als sein System, und gerne wird er die alte mangelhafte Form mit einer neuern und schönern vertauschen. Ja, wenn kein Streich von außen sein Ideengebäude erschüttert, so ist er selbst, von einem ewig wirksamen Trieb nach Verbesserung gezwungen, er selbst ist der erste, der es unbefriedigt auseinanderlegt, um es vollkommener wiederherzustellen.”

Perspektive Osten: Skyline vom Alex noch ausbaufähig

Einer geht noch rein. Die Skyline am Alexanderplatz ist ausbaufähig, wie dieses Foto vom Balkon an der Danziger Straße zeigt.

Einer geht noch rein. Die Skyline am Alexanderplatz ist ausbaufähig, wie dieses Foto vom Balkon an der Danziger Straße zeigt.

Ich habe Freunde am Volkspark Friedrichshain, die lecken sich die Finger nach Neuzugängen in der Skyline von Berlin (Zoofenster, Backfabrik u.a.), denn sie blicken von der Terrasse ihrer Wohnung über den großen Bunkerberg direkt ins Stadtzentrum. Als wir neulich grillten (und uns die Finger leckten), sah ich in diesem Panorama schon den Gehry-Tower von morgen und stellte fest, dass er im Grunde gut ist. Aus der Weite betrachtet, erscheint der 150-Meter-Maßstab der Türme vom Alex recht passabel, verbindet die vertikalen Extreme, mäßigt den Höhenzug im Panorama. Toll! Lasst uns ihn bauen! Der Gehry-Tower würde sich einreihen, dachte ich, genau zwischen dem Hotel Park Inn und Fernsehturm und die Lücke füllen. Aber ganz so hundertprozentig passt er dann doch nicht, jedenfalls nicht aus dieser Perspektive: Er stünde etwas links vom Haus des Reisens, dass auf dem Foto direkt vorm Schaft des Fernsehturms steht. Meinen Freunden bliebe der Berliner Dom und die Marienkirche erhalten, zwei Zwergengipfel von Sehenswürdigkeiten in diesem Bild, für die man schon etwas genauer hinsehen muss, um sie zu erkennen. Und der Gehry-Tower erweist sich von hier aus sogar als geschichtsverträglich – sieht man von anderen Blockade-Effekten direkt vor Ort einmal ab.

Stadtforscherin misstraut Humboldtforum-Rhetorik vom “Dialog der Welten”

Ausstellungsstücke in der Humboldt-Box, 2014

Das Humboldtforum ist ein exotisches Konzept. Nicht nur, wegen des Ethnologischen Museums aus Dahlem, das mit seinem Einzug Ozeanien vom Stadtrand an den Schlossplatz katapultiert. Es ist eben auch (positiv ausgedrückt) vielseitig oder (negativ) zersplittert, weil auch die Humboldt-Uni mit ihren Wissenschaftssammlungen und die Zentral- und Landesbibliothek (ZLB) mit einem repräsentativen Schaufenster einziehen sollen. Sogar kommt als vierte “tragende Säule” das Forum dazu, der Kulturdebattenort. Aber wie sensibel ist diese Exotik des Konzepts gegenüber der Kolonisationsgeschichte der Deutschen? Die asiatisch-deutsche Stadtforscherin Noa Ha vom Center für Metropolitan Studies (CMS) glaubt nicht daran, dass das Humboldtforum einen überzeugenden Beitrag für die urbane Dekolonisierung in Berlin leisten kann und schreibt in einem Beitrag für die Zeitschrift sub\urban in einem Unterkapitel über die Rolle des Humboldtforums als sogenannte (eher negativ konnotierte) “Contact Zone”:

Stadtforscherin Noa Ha, kritisiert den mangelnden Dekolonisierungseffekt des Humboldforums

“Nicht nur können die ethnologischen Sammlungen bzw. deren Ausstellungsorte zu ,Contact Zones‘ werden, in denen enteignetes Wissen über ,Andere‘ katalogisiert und dargestellt wird, sondern, wie das Beispiel des Humboldt-Forums zeigt, sind diese Sammlungen ferner in stadtpolitische Debatten eingebunden, die die europäische Stadt als ,Contact Zone‘ reproduzieren. Diese Funktion als ,Contact Zone‘ wird auch mit einem Umzug der Ethnologischen Sammlung von der Berliner Peripherie nach Berlin-Mitte aufrechterhalten werden, weil die grundsätzliche Gegenüberstellung von Europa als einem Ort der Hochkultur und dem Rest der Welt nicht aufgehoben, sondern nur von einer unglaubwürdigen Rhetorik („Dialog der Welten“) abgelöst wird, die die unüberwindbare Kluft der ,Contact Zone‘ kaum überbrücken kann – während wichtige Fragen nach Provenienz und Restitution in den westlichen Gesellschaften kaum gestellt, geschweige denn beantwortet werden.”

Die Cuvrybrache an der Spree – Favela* mit erklärungsbedürftigem Sternchen

Cuvrybrache 2014Aufgeworfene Frage in der Facebook-Gruppe „Berlin Guides“: Ist die Cuvrybrache eine Favela in Berlin? – Auf den ersten Blick klingt das übertrieben. Die Favelas sind größer und werden von bis zu 200.000 Menschen bewohnt, liegen am Stadtrand und werden im Zuge ihrer Entwicklung sogar zu offiziellen Stadtvierteln erklärt. Die “Cuvry” ist dagegen überschaubar, kann in keine Himmelsrichtung expandieren, liegt in der Innenstadt, sogar an der Spree, und die Chancen, dass das, was die “Cuvryianer” dort laut einer Reportage des Tagesspiegel treiben, von Staatswegen annerkannt wird, sind gleich Null, schätze ich. Trotzdem: Wenn die Favela als brasilianische Variante einer informellen Siedlung in ihrer Riesendimension und mit ihrer oft nachträglich durch die Behörden gebauten Infrastruktur bildhaft die Hohe See ist, muss man in der “Cuvry” mehr oder minder den Dorfteich erkennen. Aber warum?

  1. Nun, sie expandiert zumindest in die Vertikale. Laut der oben genannten Reportage von Nik Afanasjew, die wirklich lesenswert ist, wurde bereits die erste Hütte mit zwei Geschossen gebaut, was zeigt, dass die Siedlung sich im Rahmen ihrer grundsätzlichen Flächenbegrenzung baulich weiterentwickelt und verdichtet. Das die Favelas ausmachende endogene Wachstum findet auch in der „Cuvry“ statt.
  2. Die “Cuvry” ist absolut informell. Das sind die brasilianischen Favelas auch. Genauso Gecekondus in der Türkei. Nur die Namen des immer gleichen Phänomens der Notverstädterung sind geografisch verschieden. So heißen sie in Argentinien „Villa Miseria“, in Chile „Poblaciones“, in Pakistan „Katchi Abadis“.
  3. Die “Cuvry” (und ich plädiere für eine gleichlautende Namenstaufe für deutsche oder zumindest Berliner informelle Siedlungen) ist Anlaufstation und Auffangbecken für Zuwanderer, ein Berliner Kopfbahnhof des 21. Jahrhunderts! Da wird berichtet von einem Philmon aus Lybien, auch von einem Polen aus Breslau und von bulgarischen Wanderarbeitern. Über den grauen Teppich, keinen roten, gelangen sie in die Großstadt. Auch die Tore von Sao Paulo & Co. sind für die Mittellosen grau. Von der Hüttenstadt aus denken und handeln sie, so auch in der „Cuvry“: Während Philmon erkennt, dass er Arbeit braucht, gehen Andere kriminellen Aktivitäten nach: “Wir gehen die Sinti und Roma klatschen”, heißt es in dem Bericht.

Was spricht noch dafür, dass die „Cuvry“ Berlins Favela ist? Kommentiert!

Ich, der Großspender

Eosanderportal pink PunkteSchloss-Satire #1 — Ja, ich habe gespendet. Ich habe mein Geld für das Schloss gegeben. Als ich am Tag der offenen Schlossbaustelle (was wundert’s, es war ja Kindertag!) im Vorbeischlendern durch die Humboldtbox das nackte, künftige Eosanderportal glänzen sah, packte mich pures Mitleid mit dem heraufziehenden, Gewitterwolkenartigen Rohbauschloss und verfiel einer verspielten, aber großzügigen Geste. Ich griff in die Konfettibox und klebte so viele pinkfarbene Klebepunkte ans Portal, bis die Humboldtboxer, weil sie mit dem Punkte-Nachzählen gar nicht nachkamen, mich aufforderten, damit aufzuhören. “Wollen Sie denn meine Spende nicht?”, fragte ich. Man hielt mir vor, ich könne das doch gar nicht alles bezahlen. ”Aber ich arbeite im Berlin-Tourismus. Die Saison läuft gut, und ich spende meine ganzen Frühjahrs-Honorare für die Hohenzollernfarce!”, sagte ich. Da ließ man mich weiterkleben und nahm meinen Scheck an. Er liegt in der Spendenbox, zwischen den Zehnern und der Portaldeko, das müsst Ihr mir glauben, auch wenn das schwer zu erkennen ist! Das Foto verruckelte, weil die herandrängenden, verblüfften Leute mich, den Großspender!, im Moment der Aufnahme und sicher ohne böse Absichten, anstießen. Nennen wir es doch die Humboldt’sche Unschärferelation, die an jenem ausgesprochen sonnigen Sommersonntag die Sicht auf die kassierten Finanzen ein bisschen ins Trübe zieht.

Spendenbox

 

Zu kuschelig fürs Rathausforum? – Zeit für ein Jahr Streit im neuen Dialog um die Mitte und dann: Finito

Andries GeerseIn Mitte wird jetzt verbindlich über die Zukunft des Rathausforums diskutiert, der Großfläche zwischen Spree und Fernsehturm. Senatsbaudirektorin Regula Lüscher hat einen Dialogprozess angestoßen, der im Juli beginnen und im April 2015 abgeschlossen werden soll. Sie berichtete bereits im Mai darüber bei einer Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES). Jetzt ist eine komplette Aufzeichnung davon im Livestream verfügbar.

Darin berichtet Stadtplaner Andries Geerse aus Rotterdam (Bild oben) lebhaft von seinen Erfahrungen mit Beteiligungsformaten und belächelt das “typisch deutsche” Handbuch der Partizipation der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Dem Publikum sind die Projekte von Geerse aber zu “kuschelig”, wie jemand sagt. Die Realität am Rathausforum sei eine andere. Manchem ist auch die Zeit für den Dialog von nur einem Jahr zu knapp.

Ein externer Dienstleister soll zunächst die Struktur des Dialogsprozesses entwerfen, die “Prozessarchitektur”, wie Lüscher sagt. Ein bereits eingerichtetes Kuratorium mit Anrainern und Experten soll den Prozess dahin gehend überwachen, dass er transparent und ergebnisoffen geführt wird. Es soll aber nicht inhaltlich arbeiten; das sollen diejenigen, die sich beteiligen.

Bernd Albers RathausforumAm Ende entscheidet über das Ergebnis des Dialogs das Abgeordnetenhaus. Noch 2015 soll auf der Grundlage des Dialogergebnisses ein Wettbewerb ausgelobt werden. Drei Grundrichtungen zeichnen sich ab: eine Bebauung (wie im Bild links nach einem Entwurf von Bernd Albers), eine Teilbebauung oder eine Freiraumgestaltung. Um bisher alle Varianten offen zu halten, steht im Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU entsprechend nichtssagend:

“Die Gestaltung des Rathausforums ist eine große Chance, das Areal zwischen Alexanderplatz und Humboldtforum nachhaltig zu beleben. In der konkreten Ausgestaltung wollen wir, dass die richtige Balance gefunden wird, zwischen der Sensibilität für die historische Gestalt der Berliner Altstadt, einer möglichen baulichen Entwicklung und der Bewahrung bzw. Qualifizierung grün geprägter städtischer Freiräume. Auf dieser Grundlage soll ein städtebaulicher Wettbewerb durchgeführt werden.” (Seite 27)

Die nächste Veranstaltung der FES zu dem Thema wird am 15. September sein. Im November gibt es eine Zwischenbilanz. Wann und wo man sich genau einbringen kann, ist im Moment noch offen. Katrin Lompscher (Die Linke) forderte bei dem FES-Event zumindest, den Dialog dahin zu verorten, wo er hingehört – ans Rathausforum.


Die Projekte von Andries Geerse auf http://www.welovethecity.eu/en/office