Perspektive Osten: Skyline vom Alex noch ausbaufähig

Einer geht noch rein. Die Skyline am Alexanderplatz ist ausbaufähig, wie dieses Foto vom Balkon an der Danziger Straße zeigt.

Einer geht noch rein. Die Skyline am Alexanderplatz ist ausbaufähig, wie dieses Foto vom Balkon an der Danziger Straße zeigt.

Ich habe Freunde am Volkspark Friedrichshain, die lecken sich die Finger nach Neuzugängen in der Skyline von Berlin (Zoofenster, Backfabrik u.a.), denn sie blicken von der Terrasse ihrer Wohnung über den großen Bunkerberg direkt ins Stadtzentrum. Als wir neulich grillten (und uns die Finger leckten), sah ich in diesem Panorama schon den Gehry-Tower von morgen und stellte fest, dass er im Grunde gut ist. Aus der Weite betrachtet, erscheint der 150-Meter-Maßstab der Türme vom Alex recht passabel, verbindet die vertikalen Extreme, mäßigt den Höhenzug im Panorama. Toll! Lasst uns ihn bauen! Der Gehry-Tower würde sich einreihen, dachte ich, genau zwischen dem Hotel Park Inn und Fernsehturm und die Lücke füllen. Aber ganz so hundertprozentig passt er dann doch nicht, jedenfalls nicht aus dieser Perspektive: Er stünde etwas links vom Haus des Reisens, dass auf dem Foto direkt vorm Schaft des Fernsehturms steht. Meinen Freunden bliebe der Berliner Dom und die Marienkirche erhalten, zwei Zwergengipfel von Sehenswürdigkeiten in diesem Bild, für die man schon etwas genauer hinsehen muss, um sie zu erkennen. Und der Gehry-Tower erweist sich von hier aus sogar als geschichtsverträglich – sieht man von anderen Blockade-Effekten direkt vor Ort einmal ab.

Stadtforscherin misstraut Humboldtforum-Rhetorik vom “Dialog der Welten”

Ausstellungsstücke in der Humboldt-Box, 2014

Das Humboldtforum ist ein exotisches Konzept. Nicht nur, wegen des Ethnologischen Museums aus Dahlem, das mit seinem Einzug Ozeanien vom Stadtrand an den Schlossplatz katapultiert. Es ist eben auch (positiv ausgedrückt) vielseitig oder (negativ) zersplittert, weil auch die Humboldt-Uni mit ihren Wissenschaftssammlungen und die Zentral- und Landesbibliothek (ZLB) mit einem repräsentativen Schaufenster einziehen sollen. Sogar kommt als vierte “tragende Säule” das Forum dazu, der Kulturdebattenort. Aber wie sensibel ist diese Exotik des Konzepts gegenüber der Kolonisationsgeschichte der Deutschen? Die asiatisch-deutsche Stadtforscherin Noa Ha vom Center für Metropolitan Studies (CMS) glaubt nicht daran, dass das Humboldtforum einen überzeugenden Beitrag für die urbane Dekolonisierung in Berlin leisten kann und schreibt in einem Beitrag für die Zeitschrift sub\urban in einem Unterkapitel über die Rolle des Humboldtforums als sogenannte (eher negativ konnotierte) “Contact Zone”:

Stadtforscherin Noa Ha, kritisiert den mangelnden Dekolonisierungseffekt des Humboldforums

“Nicht nur können die ethnologischen Sammlungen bzw. deren Ausstellungsorte zu ,Contact Zones‘ werden, in denen enteignetes Wissen über ,Andere‘ katalogisiert und dargestellt wird, sondern, wie das Beispiel des Humboldt-Forums zeigt, sind diese Sammlungen ferner in stadtpolitische Debatten eingebunden, die die europäische Stadt als ,Contact Zone‘ reproduzieren. Diese Funktion als ,Contact Zone‘ wird auch mit einem Umzug der Ethnologischen Sammlung von der Berliner Peripherie nach Berlin-Mitte aufrechterhalten werden, weil die grundsätzliche Gegenüberstellung von Europa als einem Ort der Hochkultur und dem Rest der Welt nicht aufgehoben, sondern nur von einer unglaubwürdigen Rhetorik („Dialog der Welten“) abgelöst wird, die die unüberwindbare Kluft der ,Contact Zone‘ kaum überbrücken kann – während wichtige Fragen nach Provenienz und Restitution in den westlichen Gesellschaften kaum gestellt, geschweige denn beantwortet werden.”

Die Cuvrybrache an der Spree – Favela* mit erklärungsbedürftigem Sternchen

Cuvrybrache 2014Aufgeworfene Frage in der Facebook-Gruppe „Berlin Guides“: Ist die Cuvrybrache eine Favela in Berlin? – Auf den ersten Blick klingt das übertrieben. Die Favelas sind größer und werden von bis zu 200.000 Menschen bewohnt, liegen am Stadtrand und werden im Zuge ihrer Entwicklung sogar zu offiziellen Stadtvierteln erklärt. Die “Cuvry” ist dagegen überschaubar, kann in keine Himmelsrichtung expandieren, liegt in der Innenstadt, sogar an der Spree, und die Chancen, dass das, was die “Cuvryianer” dort laut einer Reportage des Tagesspiegel treiben, von Staatswegen annerkannt wird, sind gleich Null, schätze ich. Trotzdem: Wenn die Favela als brasilianische Variante einer informellen Siedlung in ihrer Riesendimension und mit ihrer oft nachträglich durch die Behörden gebauten Infrastruktur bildhaft die Hohe See ist, muss man in der “Cuvry” mehr oder minder den Dorfteich erkennen. Aber warum?

  1. Nun, sie expandiert zumindest in die Vertikale. Laut der oben genannten Reportage von Nik Afanasjew, die wirklich lesenswert ist, wurde bereits die erste Hütte mit zwei Geschossen gebaut, was zeigt, dass die Siedlung sich im Rahmen ihrer grundsätzlichen Flächenbegrenzung baulich weiterentwickelt und verdichtet. Das die Favelas ausmachende endogene Wachstum findet auch in der „Cuvry“ statt.
  2. Die “Cuvry” ist absolut informell. Das sind die brasilianischen Favelas auch. Genauso Gecekondus in der Türkei. Nur die Namen des immer gleichen Phänomens der Notverstädterung sind geografisch verschieden. So heißen sie in Argentinien „Villa Miseria“, in Chile „Poblaciones“, in Pakistan „Katchi Abadis“.
  3. Die “Cuvry” (und ich plädiere für eine gleichlautende Namenstaufe für deutsche oder zumindest Berliner informelle Siedlungen) ist Anlaufstation und Auffangbecken für Zuwanderer, ein Berliner Kopfbahnhof des 21. Jahrhunderts! Da wird berichtet von einem Philmon aus Lybien, auch von einem Polen aus Breslau und von bulgarischen Wanderarbeitern. Über den grauen Teppich, keinen roten, gelangen sie in die Großstadt. Auch die Tore von Sao Paulo & Co. sind für die Mittellosen grau. Von der Hüttenstadt aus denken und handeln sie, so auch in der „Cuvry“: Während Philmon erkennt, dass er Arbeit braucht, gehen Andere kriminellen Aktivitäten nach: “Wir gehen die Sinti und Roma klatschen”, heißt es in dem Bericht.

Was spricht noch dafür, dass die „Cuvry“ Berlins Favela ist? Kommentiert!

Ich, der Großspender

Eosanderportal pink PunkteSchloss-Satire #1 — Ja, ich habe gespendet. Ich habe mein Geld für das Schloss gegeben. Als ich am Tag der offenen Schlossbaustelle (was wundert’s, es war ja Kindertag!) im Vorbeischlendern durch die Humboldtbox das nackte, künftige Eosanderportal glänzen sah, packte mich pures Mitleid mit dem heraufziehenden, Gewitterwolkenartigen Rohbauschloss und verfiel einer verspielten, aber großzügigen Geste. Ich griff in die Konfettibox und klebte so viele pinkfarbene Klebepunkte ans Portal, bis die Humboldtboxer, weil sie mit dem Punkte-Nachzählen gar nicht nachkamen, mich aufforderten, damit aufzuhören. “Wollen Sie denn meine Spende nicht?”, fragte ich. Man hielt mir vor, ich könne das doch gar nicht alles bezahlen. ”Aber ich arbeite im Berlin-Tourismus. Die Saison läuft gut, und ich spende meine ganzen Frühjahrs-Honorare für die Hohenzollernfarce!”, sagte ich. Da ließ man mich weiterkleben und nahm meinen Scheck an. Er liegt in der Spendenbox, zwischen den Zehnern und der Portaldeko, das müsst Ihr mir glauben, auch wenn das schwer zu erkennen ist! Das Foto verruckelte, weil die herandrängenden, verblüfften Leute mich, den Großspender!, im Moment der Aufnahme und sicher ohne böse Absichten, anstießen. Nennen wir es doch die Humboldt’sche Unschärferelation, die an jenem ausgesprochen sonnigen Sommersonntag die Sicht auf die kassierten Finanzen ein bisschen ins Trübe zieht.

Spendenbox

 

Zu kuschelig fürs Rathausforum? – Zeit für ein Jahr Streit im neuen Dialog um die Mitte und dann: Finito

Andries GeerseIn Mitte wird jetzt verbindlich über die Zukunft des Rathausforums diskutiert, der Großfläche zwischen Spree und Fernsehturm. Senatsbaudirektorin Regula Lüscher hat einen Dialogprozess angestoßen, der im Juli beginnen und im April 2015 abgeschlossen werden soll. Sie berichtete bereits im Mai darüber bei einer Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES). Jetzt ist eine komplette Aufzeichnung davon im Livestream verfügbar.

Darin berichtet Stadtplaner Andries Geerse aus Rotterdam (Bild oben) lebhaft von seinen Erfahrungen mit Beteiligungsformaten und belächelt das “typisch deutsche” Handbuch der Partizipation der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Dem Publikum sind die Projekte von Geerse aber zu “kuschelig”, wie jemand sagt. Die Realität am Rathausforum sei eine andere. Manchem ist auch die Zeit für den Dialog von nur einem Jahr zu knapp.

Ein externer Dienstleister soll zunächst die Struktur des Dialogsprozesses entwerfen, die “Prozessarchitektur”, wie Lüscher sagt. Ein bereits eingerichtetes Kuratorium mit Anrainern und Experten soll den Prozess dahin gehend überwachen, dass er transparent und ergebnisoffen geführt wird. Es soll aber nicht inhaltlich arbeiten; das sollen diejenigen, die sich beteiligen.

Bernd Albers RathausforumAm Ende entscheidet über das Ergebnis des Dialogs das Abgeordnetenhaus. Noch 2015 soll auf der Grundlage des Dialogergebnisses ein Wettbewerb ausgelobt werden. Drei Grundrichtungen zeichnen sich ab: eine Bebauung (wie im Bild links nach einem Entwurf von Bernd Albers), eine Teilbebauung oder eine Freiraumgestaltung. Um bisher alle Varianten offen zu halten, steht im Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU entsprechend nichtssagend:

“Die Gestaltung des Rathausforums ist eine große Chance, das Areal zwischen Alexanderplatz und Humboldtforum nachhaltig zu beleben. In der konkreten Ausgestaltung wollen wir, dass die richtige Balance gefunden wird, zwischen der Sensibilität für die historische Gestalt der Berliner Altstadt, einer möglichen baulichen Entwicklung und der Bewahrung bzw. Qualifizierung grün geprägter städtischer Freiräume. Auf dieser Grundlage soll ein städtebaulicher Wettbewerb durchgeführt werden.” (Seite 27)

Die nächste Veranstaltung der FES zu dem Thema wird am 15. September sein. Im November gibt es eine Zwischenbilanz. Wann und wo man sich genau einbringen kann, ist im Moment noch offen. Katrin Lompscher (Die Linke) forderte bei dem FES-Event zumindest, den Dialog dahin zu verorten, wo er hingehört – ans Rathausforum.


Die Projekte von Andries Geerse auf http://www.welovethecity.eu/en/office

Das abgesteckte Feld – Stephan Braunfels setzt Tempelhof eine Krone auf

– Slideshow – Nach dem erfolgreichen Volksentscheid für die Initiative 100% Tempelhofer Feld steckt Architekt Stephan Braunfels das Feld in einem Entwurf mit Hochhäusern ab. Der Vorschlag ist dem von den Berlinern abgelehnten Masterplan des Senats im wahrsten Sinne des Wortes „haushoch“ überlegen. Mehr als doppelt so viele Wohnungen könnten entstehen, fast die gesamte Freifläche bliebe unbebaut, Sichtachsen übers Feld aus allen Himmelsrichtungen wären garantiert, und die Winde  bliesen weiterhin für die Kitesurfer, weil die Solitäre sie durchließen. Am erfrischendsten am Entwurf finde ich aber: Berlin sähe das Feld! Das ist eine Qualität, die der Masterplan mit seiner traditionell aus der Stadtplaner-Kiste geholten Berliner Blockrandbebauung (ein Fehlgriff für das Feld!) nie hervorgebracht hat. Und eine Tempelhofer Feldkrone würde letzten Endes vielleicht auch den mit dem Kollhoff-Plan heraufbeschworenen Kronenzwang am Alexanderplatz lösen. Hier eine Slideshow zum Braunfels-Entwurf (Fotos: Stephan Braunfels Architekten):

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