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Volksgefährt a.D. sucht Palastparkplatz – Warum der Schlossmission weiterhin nicht zu trauen ist

Als Bundesbauminister Peter Ramsauer (CSU) vergangenen Mittwoch von den Wahrheiten der zukünftigen Schlossarchitektur sprach, konnte man durchaus ungläubig werden – selbst wenn man sich zu den Schlossbefürwortern zählen sollte. Bei der Grundsteinlegung verkaufte er den Architekturmix aus zeitgenössischen und Barockfassaden als Geste für ein Geschichtsverständnis, das immer auch „verschiedene Wahrheiten“ gelten lasse. Der Ort hätte nach seiner Auffassung also nur zwei Geschichten zu erzählen: die des Schlosses der Berliner Könige und Kaiser auf der einen Seite und die Geschichte des zukünftigen Humboldtforums auf der anderen. Das konnte natürlich auch eine rhetorische Raffinesse gewesen sein, die Volkspalastgeschichte vom „Wahrheits“-Begriff komplett auszuklammern. Doch die Humboldt-Box selber zeigt, dass die Verdrängung der DDR-Geschichte auch an diesem Ort nicht möglich ist: Die taz-Autorin Nina Apin hat bei einem Besuch der „offenen Baustelle“ am Sonntag im Souvenirsverkauf in der Box Trabant-Modelle entdeckt. Die dritte Wahrheit, in Gestalt des sozialistischen Volksgefährts, bahnt sich ihren Weg. Immerhin war der Ort auch einmal Großparkplatz! Aber da beißt sich doch die Katze, der Bauakt, in den eigenen Schwanz. Der Schlossverein kalkuliert sein Barockprojekt mit der Attraktivität des untergegangenen Staates. Dabei setzt er in der Humboldt-Box auf die Touristen und muss sich vielleicht auch eingestehen, dass aus Besucherperspektive der DDR-Kitsch heute greifbarer ist – weil nicht so lange her -, als die schwerer zu greifende Antwort auf die Frage, warum eine Demokratie ein Gebäude der Monarchie aufbaut.

Eine Mitte der Bürgerschaft (10/22)

In dieser 22-teiligen Serie beschreibt Florian Mausbach seine persönlichen Vorstellungen für eine Umgestaltung des Rathausforums in Mitte. Die Texte gehen aus einem Vortrag hervor, den der Autor im September 2012 auf einer Veranstaltung zum Thema gehalten hat.

Streit ums Schloss

Heute, zwei Jahrzehnte nach friedlicher Revolution und Wiedervereinigung ist die Hochhausscheibe des DDR-Außenministeriums verschwunden und bereits vergessen. Sie wurde in den Neunzigern abgetragen. An ihrer Stelle künden Kulissen vom Wiederaufbau der Bauakademie. Im Lustgarten – er macht seinem Namen wieder Ehre – tummelt sich heiter Volk aus aller Welt. Der Palast und seine Republik sind nicht mehr. Langen Streit gab es um Abriss oder Erhalt der Asbest-Ruine. Hätte man den Palast einfach abschrauben können und als „Erichs Lampenladen“ ins Einkaufszentrum am Alexanderplatz versetzt, stünde er noch – am passenden Ort.

Günter de Bruyn sieht eine Ursache des Streits um den Wiederaufbau der historischen Mitte in dem

in Berlin besonders ausgeprägten Mangel an Ehrfurcht vor dem historisch Überkommenen, wie heutzutage auch der hartnäckige, glücklicherweise aber erfolglose Widerstand gegen die aus städtebaulichen und historischen Gründen notwendige Wiedererrichtung des Schlosses zeigt. Vielleicht ist das auf den immer hohen Anteil von Neuberlinern, besonders auch unter den Regierenden, zurückzuführen, mehr aber wohl auf einen allgemeinen Mangel an historischem Empfinden, der, da alle Kultur auf Geschichte gründet, auch ein Zeichen von Kulturlosigkeit ist.“

Das Hohenzollern-Schloss wurde 1950 als angeblich reaktionäres Symbol des preußischen Absolutismus zerstört. Die Diskussion um den Wiederaufbau des Berliner Schlosses wird weiterhin bestimmt von einer ideologischen oder antiautoritären Geschichtsbetrachtung seiner Gegner, von einer seltsamen Geringschätzung eines architektonischen Meisterwerks des barocken Absolutismus und einer seltsamen Zuneigung für die banale Palast-Architektur einer spießbürgerlich-proletarischen Diktatur.

Morgen: Teil 11 „Absolutismus und real-existierender Sozialismus“

 

Schlossbau beginnt

— Nachricht — Heute beginnt der Bau des Berliner Schlosses. Wie die Stiftung Berliner Schloss – Humboldtforum mitteilt, treffen sich um 11:30 Uhr Bundesbauminister Peter Ramsauer (CSU), Staatsminister Bernd Neumann (CDU), Stiftungsratsvorsitzender und Staatssekretär Rainer Bomba (CDU), Stiftungsvorstand Manfred Rettig, der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und Architekt Franco Stella auf dem Schlossplatz am Eingang Breite Straße. Es wird damit begonnen, die Baugrube auszuheben. Bis zu 300 Holzpfähle werden im Untergrund vermutet, berichtet „Berlin1.de“. Sie sollen mit dem gesamten Boden entfernt und durch Sand und Kies ausgetauscht werden. Die ausgegrabenen Fundamente des Eosanderportals sollen dagegen als begehbares archäologisches Fenster in den Neubau integriert werden. Auch die Betonwanne des ehemaligen Palastes der Republik bleibt im Boden erhalten. 2013 soll der Grundstein gelegt werden. Das Schloss soll momentan 590 Millionen Euro kosten. (Futurberlin, Berlin1.de)

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