Beiträge

Entglitten aus „guten Händen“, MFG BIma

Dragoner-Areal Kreuzberg

Areal der alten Dragoner-Kaserne in Kreuzberg. Der Senat will es zum Sanierungsgebiet erklären. Es laufen die Vorbereitenden Untersuchungen. Aber es läuft auch der Verkauf. (Abbildung: Initiative „Stadt von Unten“)

Der kleine Till hält einen Luftballon in der Hand. Drei Minuten später fliegt er ihm davon und steigt gen Himmel. Da sieht Till dem Ballon lange hinterher, denn eigentlich wollte er ihn behalten. Aber Till ist noch klein. Er weiß nicht, was Helium ist und was es anrichtet.

Diese Szene habe ich beobachtet als ich im Garten des Bundesministeriums für Finanzen stand. Es war vor anderthalb Wochen und Tag der offenen Tür. Und Tills Luftballon war weiß Gott nicht der einzige, der an diesem Sonntag aus Kinderhänden entglitt. Ironischerweise waren die Luftballons mit einem Slogan der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BIma) bedruckt, der für alle, die wissen, wie es um das Kreuzberger Dragoner-Areal steht, nur unter Schmerzen zu schlucken war. Da stand:

„BIma – Immobilien in Guten Händen“

Ob das Dragoner-Areal heute Abend noch in den „guten Händen“ des Bundes verblieben sein wird oder ob es aus den „guten Händen“ in die vermeintlich „bösen“ der österreichischen Immobilienfirma „Dragonerhöfe“ übergehen wird, entscheidet heute der Finanzausschuss des Bundesrates. Das ist der dritte Anlauf, nachdem die Verkaufsentscheidung schon zweimal aufgeschoben worden war.


Hier eine Diskussion vor Ort auf dem Dragoner-Areal mit Inforadio

Am Samstag gibt es Führungen über das Gelände und mehr

Critical Mass: StVO im Kasernenton

Eigentlich wollte ich gestern noch was zum Zu-Fuß-Gehen schreiben, aber angesichts der „Critical Mass“ vom Freitag schalte ich in den zweiten Gang menschlicher Mobilität. Ist das nicht das Radfahren?

Als sich am Freitagabend gegen halb acht Uhr etwa 20 Leute am Mariannenplatz in Kreuzberg versammelt hatten, dachte ich nicht, dass wir zwei Stunden später mit, ich schätze, mehr als 2.000 Rädern die Spandauer Altstadt umrunden würden. Was zog sich die Strecke dorthin jenseits der Stadtautobahn … U-Bahhof Ruhleben … Endlich Ikea! Die „Ruhlebener Klause“ klatschte Beifall. An den Tanken holten wir was zum Trinken. Ein Vater, der seine Tochter im Lastenrad chauffierte, rief: „Und einen Lutscher!“ Andere „korkten“, wie es heißt, die Straßenquerungen, um sicherzustellen, dass nicht Busse, nicht Autos, nicht andere Fahrradfahrer, auch nicht Fußgänger die mobile Masse, die „kritische“ Masse an der Durchfahrt hinderten. Denn die ist legitim. Jedenfalls solange der Verband zusammenhängend bleibt. Und zu einem solchen werden wir nach der Straßenverkehrsordnung ab 16 Radfahrern.

Korken? Die Critical Mass ist auch „critical“

Das Korken bringt Konflikte mit genervten Auto- aber auch Mopedfahrern mit sich. Eigentlich ist es rechtlich „Too much“. Aber ohne diese Flankensicherung würden querende Verkehrsteilnehmer frustriert in die Menge fahren. Ein Mopedfahrer hat das gegen dreiundzwanzig Uhr auf der Leipziger Straße getan, fuhr einfach in die Masse rein. – Sehr verrückt. Das brachte einen Critical-Mass-Fahrer dermaßen in Rage, dass ich glaubte, auch dieser müsse verrückt geworden sein. Er schrie den Verkehrsverletzer mit maximaler Lautstärke an. Das Verrückte, das Zivilisierte: Er kam ihm nicht zu nahe, wurde nicht handgreiflich, nicht ausfällig, nicht vulgär. Stattdessen rezitierte er die Straßenverkehrsordnung. Akkurat im Kasernenton. Aber voller Leidenschaft.

Macht mal anders

Die „Critical Mass“ ist eine Machtdemonstration. Das begriff ich nach etwa 30 Kilometern. Sie kehrt das alltägliche Kräfteverhältnis zwischen (insbesondere) Autofahrern und Radfahrern ins Gegenteil. Einmal pro Monat. Das tut gut. Ich glaube, beide Seiten lernen.

Gegen Mitternacht war ich wieder zu Hause. War etwa 45 Kilometer gefahren. Hatte einen Sturz gesehen, auch: eine verzweifelt auf der Kreuzung Potsdamer- /Ecke Bülowstraße stehende Polizistin, die entweder nicht informiert war oder den sich lose auseinanderziehenden „Verband“ nicht akzeptieren wollte. Und hatte mit meinem niederländischen Kollegen Sido radelnd auch einmal entspannt über unsere Rente geplaudert. Sieht so aus, als würden wir noch sehr lange radeln müssen. Aber das w o l l e n wir ja.


Mehr Artikel zum Thema Fahrradstadt auf Futurberlin.de

Tränen wein´ich in Übersee – Abschied von der Streetart von Blu an der Cuvrystraße

Ein Jammer, dass es sie nicht mehr gibt - It makes me feel blue, Blu.

Ein Jammer, dass es sie nicht mehr gibt – It makes me feel blue, Blu.

Diesem malerischen Eingriff weine ich eine dicke, fette Träne nach! Wie mir trotz 13.587 Kilometern Entfernung in Perth zu Ohren kommt, hat man in Berlin die Mega-Bilder des Streetartisten Blu mit totschwarzer Farbe bedeckt. Man möge es mir nachsehen, wenn ich das Ergebnis daher als Leichentuch interpretiere. Was an der Cuvrystraße in nächster Zeit begraben wird, ist nicht unbedingt das, was es bereits seit September nicht mehr gibt, nicht die abgeräumte Zeltstadtromanze. Besiegelt und unter die betonierte Erde gebracht wird vielmehr etwas, womit selbst die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung (SenStadt) seit Jahren wirbt und wovon auch sie sich allmählich verabschieden muss. Dieses Etwas, das Berlin im Vergleich mit anderen Großstädten hat und sukzessive verliert, ist sein natürgemäß nicht dauerhaftes Entwicklungspotenzial. Es schrie durch die Blu-Bilder zum Himmel! Etwa: „Dies ist die Stadt, in der alles noch offen ist, und wir werden sie gestalten.“ Dieser Aussagekraft schien sich auch SenStadt nicht entziehen zu können. Und so schmückt die Verwaltung auf ihrer website das Stadtentwicklungskonzept 2030 seit Jahren mit den Bildern von Blu. Ich warte auf den Moment, wann sie sie löscht.