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Klein-Lichtenberg mitten in Mitte: Plattenbauten am Schiffbauerdamm werden abgerissen

Das ist einen Steinwurf von der Friedrichstraße entfernt und vom Reichstagsgebäude. Abrissarbeiten am Schiffbauerdamm, Januar 2015

Dieses temporäre Stadtbild ist einen Steinwurf von der Friedrichstraße entfernt und vom Reichstagsgebäude. Abrissarbeiten am Schiffbauerdamm, Januar 2015

Abrissarbeiten am Schiffbauerdamm im Januer 2015: Einer von drei Plattenbauten aus DDR-Zeiten ist schon weg. Im Hintergrund (roter Klinker) ist das "Newscenter" zu sehen, ein denkmalgeschütztes Gebäude, das für den sogenannten "Luisenlblock-Ost" nicht weichen braucht.

Abrissarbeiten am Schiffbauerdamm im Januer 2015: Einer von drei Plattenbauten aus DDR-Zeiten ist schon weg. Im Hintergrund (roter Klinker, flach) ist das „Newscenter“ zu sehen, ein denkmalgeschütztes Gebäude, das für den sogenannten „Luisenblock-Ost“ nicht weichen braucht.

Das ist schon krass, wie man mitten in Mitte plötzlich das Gefühl bekommt, im Lichtenberger Industriegebiet Herzbergstraße zu sein. Am Schiffbauerdamm, zwischen Spree und S-Bahntrasse, ganz in der Nähe vom „Newscenter“, wo RTL, Reuters und n-tv ihre Studios haben, werden die Plattenbauten abgerissen, die den Ort freimachen für die Vollendung des „Band des Bundes“. Wie dieses nicht gerade ungigantische Architekturensemble (mit dem Kanzleramtspark im Westen beginnend) jenseits der Luisenstraße aussehen soll, hat ein städtebaulicher Ideenwettbewerb im Jahre 2009 entschieden, den Kusus + Kusus Architekten gewannen. Sie entwarfen ein markantes Oval. Nicht nur weitere Büros für die Bundestagsabgeordneten sollen entstehen, sondern auch Wohnraum und Gewerbeflächen. Skurril jedenfalls ist derzeit der Anblick eines ehemaligen Hauseinganges jener Plattenbauten, der samt Kellerfenstern für wer weiß wie lange auf der Abrissbaustelle noch zu bestaunen ist, worauf ich mit diesem Blogpost Lust machen will.

Filmkritik „Berlin East Side Gallery“ – zu lang, ohne Fokus und nicht glaubwürdig

IMGP7405IMGP7406IMGP7408IMGP7393IMGP7412Als ich vor einiger Zeit einen in Berlin spielenden historischen Hugenottenroman las und der Autor bei seinen Ausführungen zur Leidenschaft des preußischen Königs zum Tabakkollegium Friedrich I. mit dessen Sohn, dem “Soldatenkönig” verwechselte, war das Buch für mich zu Ende, denn die Geschichte war nicht mehr glaubwürdig. Letzte Woche Dienstag im Kino Babylon geschah bei der Weltpremiere von “Berlin East Side Gallery” das Gleiche auf der Leinwand: In der Einleitung werden in chronologischer Reihenfolge die Klassiker-Zitate aus der Historie des geteilten Berlins eingespielt, beginnend mit Ernst Reuter und seinem Luftbrücken-Appell an die “Völker der Welt …”, datiert auf 1961 statt 1948. Darf das in einem Film, der auf die Geschichtsträchtigkeit eines Denkmals setzt, passieren?

Ja, natürlich. Fehler werden überall gemacht. Nur dürfen die Filmemacher nicht erwarten, dass ich als Zuschauer ihnen dann noch irgendetwas glaube. Weder, dass der Grenzstreifen in Berlin vermint war, wie eine Stadtführerin in der Doku erzählt. Noch, dass alle, die gegen den Abriss der East Side Gallery protestieren, die Guten sind. Ich bin nicht einmal mehr von der Notwendigkeit überzeugt, die Gemälde von den Schmierereien zu befreien. Ein falscher Reuter hat seinen Preis.

Die Glaubwürdigkeit des Films ist also dahin für mich. Trotzdem hat er etwas geschafft, was zum 25. Jubiläum des Mauerfalls ohne Frage auch schön ist. Er feiert die Künstler, zeigt viele von ihnen in Portraits. Und er hat sie bei der Premiere zusammen auf die Bühne gebracht. Auch Dave Monty, der 1990 die Idee zu einer Mauergallerie ins Leben gerufen hatte, war mittenmang. Das war wohl historisch. Historisch korrekt. Denn das wird es wahrscheinlich nicht noch einmal so geben.

Der Film will zuviel

Über zwei Stunden Spielzeit (für einen Dokumentarfilm) zeigen dann aber doch die eigentliche Schwäche des Films. Er hat einen schwammigen Fokus. Geschichte, Kunst und Stadtentwicklung kriegten Karin Kaper und Dirk Szuszies, die an dem Film sechs Jahre arbeiteten, nicht unter einen Hut. Sie reihen sich mit ihrem Werk in die Protestdemos von 2013 ein, erklären aber nicht, wie das Politikum des “Living Levels” Luxuswohnhochhauses und das Baurecht des Investors Maik Uwe Hinkel überhaupt entstanden sind. Ich würde sagen, der Fall macht eine eigene Doku (und wäre sie wert).

Was der Film so wenig wie die Proteste in Bezug auf die Aufgabe der East Side Gallery als Geschichtsvermittler macht, ist, eine gesamtstädtische Perspektive einzunehmen. Es wird so getan, als ginge es um das letzte Grenzrelikt in Berlin und als könne die East Side Gallery die Berlinteilung (am besten) erklären. Sie kann es ja gerade nicht! 25 Jahre nach dem Fall der Mauer haben wir in Berlin eine gepflegte Arbeitsteilung unter den Mauersehenswürdigkeiten erreicht. Dokumentieren, was geschah und was die Grenze war, kann die (im Film unerwähnte) Mauergedenkstätte in der Bernauer Straße viel besser. Wenn der Film die Frage nach der Zukunftsbestimmung der East Side Gallery stellt, ohne über den Tellerrand zu schauen, erscheint mir das irgendwie ignorant.

IMGP7378Die Rolle der East Side Gallery in dieser Arbeitsteilung ist doch keine dokumentarische. Sie ist ein Kunstwerk. Die Menschen kommen wegen der Bilder, des “Bruderkusses” von Dmitri Vrubel zum Beispiel. Das erzählt der Film wiederum sehr gut und umfangreich.

Als Kunstwerk verstanden, kann ich mir die Zukunft der East Side Gallery dann auch flexibel vorstellen, losgelöst von der Straßenbegrenzungslinie der Mühlenstraße. Postiv gesehen, machte “Living Levels” das Betrachten wenigstens eines der Bilder, nämlich “Himlen over Berlin” von der Spree und vom Kreuzberger Ufer möglich. Auch die Fotogallerie „Wall on wall“ von Kai Wiedenhöfer, 2013 an die Westseite montiert, vermittelte die Kunst in eine neue Richtung.

IMGP7387Darum sollte es in Zukunft darum gehen, die Kunst zu erschließen. Die Bürgersteig-Gallerie ist entlang der parkenden Autos eher ein Spießrutenlauf als Vergnügen. Die Bilder sind groß, man muss sie aus ein paar Meter Distanz betrachten, um sie sehen und fotografieren zu können. Geht man auf die andere Straßenseite, stören wiederum die Autos.

"Himlen over Berlin", East-Side-Gallery, März 2013, © André FrankeIMGP7432Stellen wir die Bilder doch in die Grünanlage! Als Bilderhain, Bilderlabyrinth, Bilderstrecken. Lösen wir die East Side Gallery aus ihren Fundamenten, öffenen wir sie! Folgen wir “Himlen over Berlin” ins Grüne, an die Spree! Umdrehen ist noch lange kein Abreißen.

Natürlich müssten die Künstler diese Reinszenierung mitgestalten. Das ist doch der eigentliche Skandal gewesen oder? Dass sie nicht gefragt und von den Eingriffen überrascht wurden.

Und jetzt zu den Schmierereien: Ja. Man kann sie verabscheuen und man kann sie wieder abscheuern. Aber ich glaube, man wird diese Kommentarfunktion auf Dauer nicht ausschalten können. Und das macht die East Side Gallery auch zur Pinwand. Natürlich sind die Tags oberflächlich. Ich bezweifle aber, dass sie durchweg respektlos sind, denn sie sind das Feedback der Welt, international, eigentlich ein Riesen-Kompliment. Wer immer da seinen Wilhelm an die Wand setzt, steht in der Anziehungskraft der Mauerkunst und schmiert, schreibt, kritzelt, weil er oder sie nicht anders kann. Das ist die Macht der Maler, die Helden sind. So hätte ich den Film wegen seiner Portraits übrigens auch genannt: “Die Helden der Wand”.

Kristallkugel, Lichtkonzept, Medienfassade – neue Idee für die Zukunft des Rathausforums

Rathausforum-Entwurf Achim und Andreas Linde

Nicht das „Festival of Lights“, sondern der Entwurf für eine Lichtinstallation zwischen Fernsehturm, Rotes Rathaus und Marienkirche – gegen eine zukünftige Medienfassade an einer noch zu bauenden, noch zu diskutierenden Zentralbibliothek (Visualisierung: Achim und Andreas Linde, 2014)

Während für das Rathausforum in Berlin-Mitte gerade ein Dialogverfahren in Vorbereitung ist, gibt es für seine zukünftige Gestaltung einen neuen Vorschlag von Architekt Achim Linde und seinem Bruder Andreas Linde. Sie entwerfen einen Mix aus Grünfläche, Bebauung und Stadtplatz. Im Detail so:

Das Marx-Engels-Forum, etwa die Hälfte des heutigen, soll eine Grünfläche mit viel Baumbestand werden (beziehungsweise bleiben) und sich mit einem Amphitheater zur Spree und zum Schloss öffnen.

Neben dem Park, also auf der anderen Hälfte des heutigen Marx-Engels-Forums, an der Spandauer Straße, soll eine Zentralbibliothek mit einem Berlin-Pavillion entstehen. Dieses Gebäude soll den anschließenden Platz fassen und eine multimedial bespielbare, konkav zum Platz verlaufende Medienfassade abgeben, auf der im Sommer Berlin-Filme laufen. Entlang der historischen Bischofstraße soll eine Sicht- und Wegeverbindung freigelassen werden, also der Blick vom Platz zum Schloss möglich sein. Der Berlin-Pavillon soll die Stadtmodelle aufnehmen und als Diskussionsort mit der Stadtverwaltung dienen. Hierbei nehmen die in Berlin lebenden Linde-Brüder eine Idee von Thomas Flierl von der Herrmann-Henselmann-Stiftung auf, die dieser in dem Buch “Berlin plant” (2010) beschrieb. So soll ein Kommunikationsort für öffentliches Leben entstehen, ein “Platz der Demokratie”.

Rathausforum-Entwurf von Achim und Andreas Linde, 2014

Park, Stadt, Platz – der Entwurf ordnet die Fläche zwischen Spree und Fernsehturm in drei klare Bereiche. Neptun soll gehen. Luther kommt. (Entwurf: Achim und Andreas Linde, 2014)

Auf dem Platz, an der Stelle, wo heute der Neptunbrunnen steht, soll eine flexible, multifunktionale Installation errichtet werden, wahlweise als Tribüne für die Medienfassade, Kristallkugel, versenktes Amphitheater oder ebenerdiger Platz. Der Neptunbrunnen soll dafür wieder zurück auf den Schlossplatz rücken. Die Brüder finden, dem Neptunbrunnen würde “zuviel Prominenz und auch Präsenz abverlangt”, und dass dieser beides nicht liefern könne. Sie treten auch für die (bereits in die Wege geleitete) Rückführung des Luther-Denkmals an den historischen Ort vor der Marienkirche ein und für die Markierung des Wohnhauses von Moses Mendelssohn in der Spandauer Straße 68, wie es auch Stadthistoriker fordern.

Die Oberfläche des Platzes soll mit einem innovativem Lichtkonzept farblich und plastisch gestaltet werden, und der Platzraum (besonders vom Fernsehturm aus gesehen) als erkennbare Gestaltungseinheit wirken. „Hier liegt das Hauptproblem des Gebietes“, heißt es im Linde-Entwurf, „es ist halb Platz und halb Park, aber keins von beiden richtig.“

Unterirdisch, direkt unter dem Platz, soll es Geschäfte und öffentliche Toiletten geben. Der Entwurf sieht außerdem die Integration des Eingangs der U5 in die Platzgestaltung vor und strebt auch die Zugänglichkeit der ausgegrabenen Alt-Berliner Rathausreste an.

Rathaus, Fernsehturm und Marienkirche werden als die drei Hauptakteure betrachtet. Der durch Teilbebauung gefasste Platz soll deren Hauptrolle unterstützen.

Achim und Andreas Linde wollen ihren Beitrag als Anregung zur Diskussion und Aufforderung zur Weiterentwicklung verstanden wissen. Das Gebäude der Bibliothek sei als Platzhalter für einen Entwurf zu betrachten, auch die Installation könne anders aussehen.


Kontakt: Dipl.-Ing. Architekt Achim Linde und Dr. Andreas Linde, ehemaliger Bezirksverordneter 

achimlinde@gmail.com 

Über dem Tempel schwebt das Damkoklesschwert und droht das Heilige zu zerteilen

Das „Kulturensemble RAW“ lädt heute auf das Gelände des ehemaligen Reichsbahnausbesserungswerks in Friedrichshain zu mehreren Veranstaltungen, unter anderem zwei Podiumsdiskussionen zur Zukunft des „RAW-Tempels“ ein: ab 15 Uhr 30 in der Theaterlounge des Stoff- und Gerätelagers unter dem Titel „Beteiligungsmöglichkeiten in der Stadtentwicklung – wo soll es hingehen?“ und ab 18 Uhr im Cassiopeia unter dem Titel „Verstetigung von Pionierprojekten“ mit Katrin Lompscher, Sprecherin der Linken für Stadtentwicklung im Abgeordnetenhaus. Das Kulturensemble RAW ist eine im Januar 2013 gegründete Initiative, die sich für eine bestandsorientierte Weiterentwicklung des Geländes mit seiner soziokulturellen Nutzung und gegen seine geplante Teilung und den Wohnungsbau der Eigentümer im östlichen Bereich einsetzt. Die Initiative will die Zukunft des Ortes mitgestalten und den Bezirk dazu bewegen, sich für den gewachsenen Kulturstandort gegenüber den Eigentümern stark zu machen. Sie stellt gerade einen „Einwohnerantrag“, den man auf der Internetseite der Initiative unterschreiben kann und führt dort eine Umfrage durch. Die anklickbaren „Luxuswohnungen“ schneiden gegenüber den favorisierten „Grünanlagen“, „Kulturvereinen“ und „Ateliers“ erwartungsgemäß schlecht ab. Die heutige Veranstaltung findet im Rahmen des Tags des offenen Denkmals und der Experimentdays 2013 statt.

Was im Flughafengebäude geplant ist und warum keine Bibliothek reinpasst

Nachdem vor drei Wochen der Tagesspiegel über den schlechten Zustand des Flughafengebäudes in Tempelhof berichtet hatte, weist die Tempelhof Projekt GmbH in einer Pressemitteilung Darstellungen zurück, in der das Gebäude als “Bauruine” bezeichnet wird. Es sei nur “stark sanierungsbedürftig”. Sie beschreibt darin auch, wie das Flughafengebäude in Zukunft genutzt werden soll und warum es sich nicht als Standort für die Zentral- und Landesbibliothek eignet.

Das steht im Entwicklungskonzept:

  • Nutzung der historischen Räume durch Unternehmen der Kreativwirtschaft und aus dem Bildungbereich
  • Sanierung und Öffnung des bislang geschlossenen ehemaligen Offiziershotels der U.S. Air Force am Platz der Luftbrücke als Kreativ- und Gründerzentrum mit Gastronomie, Touristeninfo, Ausstellungen und Konferenzen
  • weitere und verstärkte Nutzung der Hangars, Haupthalle, Transitbereiche und des Vorfelds für Veranstaltungen
  • Installation einer Photovoltaikanlage auf dem 1,2 Kilometer langen Dach
  • Einrichtung von öffentlich zugänglichen Besucherterrassen mit Geschichtsgalerie auf dem Dach
  • Einzug des Alliierten-Museums ab 2017 in Hangar 7

Und hier die Gründe, die gegen eine Bibliothek im Flughafengebäude sprechen:

“Das Flughafengebäude Tempelhof eignet sich nach Ansicht der Zentral- und Landesbibliothek auch nicht für den Bibliotheksbetrieb. Das langgestreckte Terminalgebäude, für den Flugbetrieb gebaut, entspricht in keiner Weise den heutigen logistischen Anforderungen an einen Bibliotheksbau. Ein effizienter und wirtschaftlicher Betrieb ist auf einen überaus kompakten, funktionalen Baukörper angewiesen, der ein hohes Maß an Flexibilität aufweisen und in seiner Geometrie so schlicht wie möglich sein muss. Die erforderliche Einbeziehung der Flugsteige für die öffentlichen Bereiche würde beispielsweise mehrere hundert Meter lange Wege für die Bibliotheksnutzerinnen und –nutzer zur Folge haben. Auch sämtliche Transportstrecken für Medien innerhalb der Bibliothek wären sehr aufwändig. Sie verhindern eine hohe Servicedichte und fordern gleichzeitig mehr Personaleinsatz. So wäre die Bibliothek im Flughafengebäude nicht wirschaftlich zu betreiben. Die Unterbringung der ZLB im Flughafengebäude gliche einem Neubauvorhaben unter erschwerten Bedingungen. Die Kosten sind nicht günstiger als bei dem geplanten Neubau am Rand des Tempelhofer Feldes.”

 

Zustand des Flughafengebäudes in Tempelhof wechselhaft wie der Sommer 2013

So schnell kann es gehen. Drei Tage hat es gedauert, und die Lage im Flughafengebäude in Tempelhof hat sich bemerkenswert geändert. War am 31. Juli noch ein Drittel der Flächen im Gebäude vermietet, ist es seit dem 3. August die Hälfte, beide Angaben stammen aus ein und derselben Redaktion, des Tagesspiegels. Aber auch bröckeln tut’s nicht mehr. “Es seien noch keine Betonbrocken von der Decke gefallen, toi-toi-toi …”, steht jetzt in einem Artikel, wogegen neulich die Rede davon war, dass bei der Bread & Butter-Messe Betonbrocken und Mörtel heruntergefallen wären. Was kann man denn jetzt weitererzählen?

Der Saturn-Tower ist der überzeugendere Verbau am Alex

Wer heutzutage mit dem Rad die Alexanderstraße vom Park Inn Hotel kommend Richtung Straußberger Platz rausfährt, dem bläst unter Umständen, sagen wir unter gewissen Wetterlagen, ein kräftiger Wind entgegen, Ostwind. Gleichzeitig erhält der Radler durch die Hinderung im Vorwärtsstreben einen verlängerten Augenblick, zeitlich gemeint, sich das Mosaikfries von Walter Womacka am Haus des Lehrers anzuschauen – zu empfehlen vor allem in den Abendstunden, wenn eine untergehende Sonne Szenen eines untergegangenen Staates beleuchtet. Dieser Augenblick wird bald sehr kurz sein, wenn es den Saturn-Tower gibt, von dem Senatsbaudirektorin Regula Lüscher hofft, dass er in zehn Jahren stehen wird, wie sie am 11. April in einem Interview mit der Berliner Zeitung sagte.

Von einem anderen Tower hofft sie das nicht: Das Hochhaus am Alexa würde den Blick aus der Grunerstraße auf das Haus des Lehrers und die Kongresshalle blockieren. Aber wie in der unten stehenden Slideshow erkennbar, stimmt das nicht so ganz. Ein Bau am Eingang zum Kaufhaus Alexa verdeckte gerade einmal die Hälfte der Kongresshalle, und das Haus des Lehrers bliebe komplett frei einsehbar. Allerdings würde man aus dieser Richtung blickend nur eine schmale Seite vom Fries sehen, nicht die breite Hauptseite. Wollte die Senatsbaudirektorin am Alexanderplatz eine Lanze für die Ostmoderne brechen, wie es den Anschein hat, sollte sie das Hochhaus von Hines am Saturn-Sockel verhindern. Der Verlust im Stadtbild wäre hier größer als dort. Man könnte auch sagen, der Verbau wäre überzeugender, berlinerischer.

Auch Hans Stimmann sagte in einem Interview mit der gleichen Zeitung drei Tage zuvor, wenn man den Bebauungsplan ändern wolle, müsse man ihn allerdings jetzt ändern, schon für das Hines-Projekt. Wenn man jetzt diese zwei Dinge zusammennimmt, den Stimmann-Sinn für dringliches Handeln auf der einen Seite und den Mut Lüschers zu einer Neuausrichtung der Vorstellungen von einem zukünftigen Berliner Alexanderplatz auf der anderen Seite, dann wäre die Nullrunde perfekt und nichts wüchse am Ende aus den Sockeln. Aber ist das einen „historischen Moment“ wert, von dem Regula Lüscher sprach? Immerhin gibt es Spiele, bei denen siegt am Schluss, wer keinen Stich macht.

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Hasselhoff opfert sich für East-Side-Gallery – traditionsbewusst oder nicht

Auch an der East-Side-Gallery bahnt sich die Prophezeiung ihren Weg. Ein Denkmal wird versetzt, auf die eine Weise oder auf die andere. Schon am Sonntag geht es los, wenn David Hasselhoff kommt. Aber wenn Hasselhoff kommt, dann kommen viele andere auch, wahrscheinlich mehr als vor zwei Wochen, und dann ist das Thema vollends international, so wie es sich für die bunte Mauer ja auch gehört.

Wenn der Bauherr von „Living Bauhaus“, das künftige Hochhaus, das die Lücke verlangt, jetzt mitdenkt, organisiert er für Sonntag den Kran, den gleichen, der vor zwei Wochen das Mauerstück aus dem Gemälde von Lotte Haubart und Karina Bjerregaard herausgehoben hatte. Mit Hasselhoff auf dem Kran, medienwirksam inszeniert, singend und schwebend diesmal nicht überm Brandenburger Tor, sondern über der East-Side-Gallery, werden noch bevor Günter Jauch sonntagabend das Gasometer verlässt, auch die restlichen, noch zu verkaufenden Eigentumswohnungen an den Mann gebracht sein. Und wer sich bis heute das Werk der dänischen Künstlerinnen einmal näher angesehen hat, mit seiner Lücke, und es von vorher kennt, dem bleibt nicht viel anderes übrig, als im Sprung Hasselhoffs über den großen Teich die Rückkehr des Engels von Berlin zu erkennen. Ja, es fehlt ausgerechnet der Engel im Bild, dem Bild mit dem legendären Titel „Himlen over Berlin“, das das Brandenburger Tor zeigt. Der bauliche Eingriff steckt so voller Symbolik! Es könnte alles geplant sein. Aber von wem?

Das Schicksalhafte, das sich jetzt abzeichnet, hat mit der Berliner Tradition, Baudenkmäler zu versetzen, zu tun. Unter der Bedingung, dass sie von Künstlern als Kunstobjekt reinszeniert würde, könnte die teilversetzte East-Side-Gallery am Spreeufer in diese Tradition mit Würden eingehen. Aber offensichtlich befürwortet das außer mir niemand anders. Alle wollen die Gallery retten, sogar David Hasselhoff. Und genau hier geschieht es: Es wird nicht die Mauer, sondern das Monument Hasselhoff versetzt. Der Kransänger vom Silvester’89, ein Denkmal für Deutschlands Wiedervereinigung, findet sein Berliner Domizil im Jahre’13 am Mühlendamm an der Spree.

 

 

Besetzt! – Warum ein Sicherheitsabstand für Mahnmale die Mahnungen glaubwürdiger macht

Zwei Mahnmale in einem Hain – das geht nun wirklich nicht. Die Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft möchte ein Mahnmahl neben dem Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma im Tiergarten errichten. Das bedeutet, dass es ein sehr kleines werden wird, denn zwischen Reichstag und dem Denkmal ist kaum Platz. Nur ein paar Büsche stehen dort und schützen das kreisrunde Wasserbecken mit der immer frischen Blume auf dem Podest vor dem Straßenlärm. Wer auf dem Weg vom Platz der Republik zum Brandenburger Tor diese ruhige Idylle betritt, ist durch eine Art Tür gegangen, die ständig offen steht. Wer sie wieder verläßt, geht mit erhobenem Zeigefinger und trägt die Mahnung, von den Toten überbracht, zu denen, die sie brauchen, notfalls vor Ort. Möge der Zeigefinder überzeugend sein! Zwei, zur gleichen Zeit in der Luft, sind es aus meine Sicht jedenfalls nicht.

Am Durchbruch beginnt eine neue Passage

Vor 25 Jahren hätte man sich über „Durchbrüche“ am Friedrichshainer Ufer gefreut. Jetzt ist die Freude über sie gleichbedeutend mit einem Totalabriss der East-Side-Gallery, wie Klaus Kurpjuweit im Tagesspiegel nahelegt, oder sie wird einem, wie von Claudia Fuchs in der Berliner Zeitung, felsenschwer als grundlegende Antipathie gegen das Kunstwerk und Denkmal zur Last gelegt. Ist das wirklich so einfach? Man sollte das differenzierter sehen.

Da ist zum einen die Frage der beiden Bauprojekte, die man aus der Protesthaltung heraus ganz oder teilweise ablehnen kann. Das Hochhaus wird der gebaute Mittelpunkt der grünen Uferzone sein und bringt, nicht schon heute, mehr Dramaturgie in den Freiraum. Wir müssen zukünftig an dem Ding vorbei, zwischen Spreewasser und 63 Meter hoher Balkonfassade wie durch ein Nadelöhr hindurch. Aber in beide Richtungen wartet die Freiheit auf uns. Die Grünflächen verhalten sich zum „Living Bauhaus“ wie die Flügel zum Körper eines Schmetterlings. Aber das setzt voraus, dass der 120 Meter lange Gebäuderiegel nicht auch noch gebaut wird. Und dieser Baukörper, in den auch noch ein Hotel einziehen soll, ist das größere Übel: Nimmt viel mehr Grundfläche weg, verhält sich konkurrierend zur East-Side-Gallery, denn man wird sie ja wohl nicht auf einer Länge von Hundert Metern abreißen wollen. Das Hochhaus nimmt sich nur soviel wie es braucht: Wir reden über eine Öffnung von etwa 30 Metern.

Zum andern ist da die Mauer selbst. Sie wurde zum Kunstwerk, und ihr Alleinstellungsmerkmal war einst ihr zusammenhängender Verlauf. Das bröckelt seit der großen Arena, das Werk verändert sich. Wird es deshalb aber obsolet? Die Gallery wird eine Geschichte mehr zu erzählen haben. Der Tagesspiegel hat es mit einem Bericht ja selbst dokumentiert: Die East-Side-Gallery wird sich durch Versetzungsakte einreihen – ja, sie reiht sich, während sie aus der Reihe tanzt, woanders ein -, nämlich in die berlintypische Translokations-Tradition von Gebäuden, Gebäudeteilen und Denkmälern. Man könnte fast sagen, erst wenn sich ein Denkmal an anderem Orte wiederfindet, gehört es nach Berlin. Insofern gereichen der East-Side-Gallery die Durchbrüche sogar zur Ehre. Das Kunstwerk, das einmal die Mauer war, tritt in eine neue Entwicklungs-Phase ein, die es erfordert, das Bauwerk zu reinszenieren. Schon können wieder die Künstler ran! Wie wäre es mit einem „Living Labyrinth“? – Ein dem Hochhauseingang vorgelagerter kleiner Irrgarten aus East-Side-Beständen, dessen unausweichliche Passage man auch den neuen Hochhauskiezlern quasi zur Wohnauflage macht. Dann wären vielleicht alle Interessen bedient.

Kommentar Tagesspiegel

Kommentar Berliner Zeitung

Bericht Tagesspiegel

 

Der Marienkirche wird der Hof gemacht

— Audio — Der Bezirk Mitte will das Umfeld der Marienkirche verschönern. Ihr Pfarrer beschwert sich über Urin und Fäkalien im Außenraum. Ein Architekt hat gestern in der Kirche sein Konzept vorgestellt. Er will sie mit steinernen Sitzbänken einrahmen und das Luther-Denkmal vor den Eingang der Kirche zurückholen. Zu kurz gegriffen im Großen, meint die Gesellschaft Historisches Berlin und fordert eine Gesamtplanung für das Rathausforum. Zu kurz gegriffen im Detail, meint das Bürgerforum Historische Mitte, die in dem „sinnlosen, großen Rechteck“, wie Benedikt Göbel das Konzept beschreibt, Schwierigkeiten hat, den historischen Marienkirchhof wiederzuerkennen. Hier der ganze Kommentar des Historikers in Audio … (und wegen der überbordenden Akustik der Marienkirche zum Mitlesen ins Zitat gesetzt.)

[audio:https://futurberlin.de/wp-content/uploads/2012/09/Auszug-Benedikt-Göbel.mp3|titles=Kommentar von Benedikt Göbel]

Mein Name ist Benedikt Göbel, ich bin Historiker und auch Teil der Planungsgruppe Stadtkern des Bürgerforums Historische Mitte. Ich möchte gerne in aller Kürze sagen, dass aus meiner historischen Betrachtung in diesem Stadtraum Alt-Berlin/Alt-Cölln seit 170 Jahren radikal modernisiert worden ist; die alte Stadt ist zerstört worden und banalisiert. Diese Planung, die uns heute vom Büro Levin Monsigny vorgestellt worden ist, im Auftrag des Bezirksamtes, des Senats, steht für mich in dieser Modernisierungstradition. Ihre Planung ist gut gemeint, Sie meinen es gut, Sie führen schöne Worte im Mund. An der Folie stand, dem Genius Loci wird man nur gerecht, wenn man (…). Was machen Sie aber faktisch? Faktisch ästhetisieren Sie diese Brachialmodernisierung, die in den 60er/70er Jahren durchgeführt worden ist; Sie verharmlosen sie, Sie verschleifen sie; Sie führen ein sehr großes Rechteck, völlig sinnloses großes Rechteck ein, in den Stadtraum, parallel zur großen Achse; und Sie ignorieren, treten mit Füßen die historische Figur des Marienkirchhofs. Das ist eine weitere Banalisierung und Zerstörung dieses Stadtraums. Und ich kann den Bezirk, den Senat, der das verantwortet, nur dringend dazu ermuntern, es anders zu versuchen, es anders zu wollen; dem Ort gerecht zu werden, indem man ihn ernst nimmt, und wirklich die historischen Schichten in die gegenwärtige Gestaltung in echten Dialog treten lässt und es nicht alles zudeckt mit neuer Art von Oberfläche. Vielen Dank.

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