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Boddien erklärt die Barockfassaden

Schlossbauhütte: Gipsmodell des Innenportals II von Barockbildhauer Frank Kösler, März 2015 (Foto: André Franke)

Schlossbauhütte: Gipsmodell des Innenportals II von Barockbildhauer Frank Kösler, März 2015 (Foto: André Franke)

Es ist soweit. Mit den Barockfassaden bin ich übern Berg. Als letztens die Berliner Zeitung ihren Aprilscherz über sie machte, blieb mein Zwerchfell weitestgehend unbewegt. Das mag daran liegen, dass ich mittlerweile schon zum zweiten Mal in der Schlossbauhütte war und zuviel gesehen habe. Zuviel Arbeit, zuviel Kunst. Und zuviel Bildhauerleidenschaft. Wenn Frank Kösler zu mir sagt: „Ich lebe und sterbe für diese Aufgabe“, dann glaub ich ihm das. Er hat die Portalkrönung des Innenportals II modelliert (siehe Bild oben), eine Teilrekonstruktion. Die dunklen „Genien“ rechts und links sind hier nur Platzhalter aus Plastik. Die noch vorhandenen Originale werden später in das Sandsteinportal eingesetzt. Heute hält Wilhelm von Boddien, Geschäftsführer des Fördervereins Berliner Schloss e.V., einen Vortrag über die Schlossfassaden (19 Uhr in der ZLB, Säulensaal im Alten Marstall, Breite Straße 30-36). 

Ende April erscheint auch ein Artikel von mir in der neuen Ausgabe von „Berlin vis à vis“ zum Fassadenprojekt 

Die halbe Henne von Hohenzoll – eine animalische Ballade in 14 Strophen

… Schloss-Satire #3

Und das ist der lange Schatten meines Besuchs in der Ausstellung Schlossbaumeister: Der geschundene Adler Preußens ließ mich nicht mehr los, auch nicht auf dem Weg in den Urlaub. Welch schöneren Anlass als einen Aufenthalt in Weimar könnte ich nehmen, das Genre zu wechseln und auch einmal dem Lyrischen zu verfallen? Hier also das erste Gedicht auf Futurberlin – eine Hommage an alle gluckenden Greifvögel. Zunächst: das Objekt der Inspiration, die halbe Henne…

Halbe Henne, mehr ist nicht dran. Bodemuseum Juli 2014, Ausstellung "Schlossbaumeister"

Halbe Henne, mehr ist nicht dran. Bodemuseum Juli 2014, Ausstellung „Schlossbaumeister“

(1)

Die halbe Henne von Hohenzoll

Ist schon ein merkwürdiges Wesen

Sie sitzt nur da und wundert sich

Warum sie nicht kann fliegen

(2)

Da stolpert in das Museum rein

Und kehrt mit ehrwürdigem Besen

Der Pförtner, spricht: Erinn’re dich!

Du warst ein hohes Wesen

(3)

Oh sag, mein Lieber, du kanntest mich?

Erzähl mir mehr von diesem Leben

Was war, wo flog, wie stürzte ich?

Wie kam ich ins Museum?

(4)

Du stiegst gen Himmel – ja wundervoll

Dank deiner hergeraubten Federn

Sie hielten in den Schwingen sich

Die Schwingen bald verwesten

(5)

Verwesten! – Wo ich doch fliegen soll?

Das ging ja herzlos denn daneben

Zerstaubt mein edles Flügelpaar?

Was bin ich denn gewesen?

(6)

Du warst der Adler von Hohenzoll

Ein wahrlich jagdtaugliches Wesen

Mit Krallen, Schnabel, Augenlicht –

Nur Großes konnt’ es lesen

Ganz klar: ein Adler. Wohin der fliegen wird, ist unklar.

Krumme Neese – ganz klar: ein Adler. Wohin der fliegen wird, ist unklar.

(7)

Ich nahm den Schnabel gar allzu voll?

Ist schon sehr lehrreich, dein Benehmen

Doch warte, langsam dämmert’s mich:

Ich stürzte ganz verwegen …?

(8)

Des Königs’s-Adlers Kanonenhall

Samt seinen kaiserlichen Späßen

War’n lustig für die Menschen nicht

Die Adler drüber schwebten

(9)

Im Traume flog ich nach Niederland

War es denn groß, das Reichsbegehren?

Der Luftraum bald verdunkelt sich

Und neuzehnsiebenvierzig …

(10)

Die Alliierten von überall

In einer meisterlichen Geste

Erkoren als das Übel: dich!

Nur Eier sollst du legen

(11)

Als Henne wie in’em Hühnerstall?

Da bleibt ja kaum was zu erstreben

Die Flügel wachsen innerlich

Bald werd’ ich mich erheben

Schlossbaustelle Juni 2014

Hier erhebt sich ein Wesen mit steinernen Flügeln. Schlossbaustelle Juni 2014

(12)

Du heile Henne von Hohenzoll

Wie eine Katze hast du Leben!

Wie Phoenix aus der Asche kam

Wirst du am Schlosse kleben

(13)

Jawohl mein Lieber, von Hohenzoll!

Das war der Name meiner Väter

Was kommt zurück im Donnerhall:

Bin ich, ein Adlerswesen!

(14)

Da stolpert aus dem Museum raus

Und hat die Zukunft ausgelesen

Der Pförtner, schwört: Ich spende nicht!

Bleibst hier, du krumme Neese!

 

ENDE

Wetten daß… und dann das Schloss rückbauen – Auch dafür kann man schon spenden

Der Stammtisch Moritzplatz neigte sich dem Ende, als der Begriff „zweite Protestgeneration“ fiel. Die erste hatte gerade eine gute Stunde lang über den Schlossbau geredet, lässig und mit Bierchen in der Hand. Und sie hat sich eingestanden: „Man hat einen Kampf geführt, und man hat ihn verloren“, so deutlich sprach es zumindest Marion Pfaus aus, nachdem der Moderator in die Runde gefragt hatte, warum sich die schweigende Schlossgegner-Masse nicht artikuliere, warum der Aufschrei aus dem Volke ausbleibe. Jetzt, wo am Schlossplatz der Grundstein gelegt ist.

„Glaubst du noch an das Schloss?“, fragten sich Pfaus, Nina Brodowski und Ernst Wolf Abée am Donnerstag Abend gegenseitig, und was dabei herauskam, war eine Mischung aus einer Bilanz der vergangenen Protestgeschichte und der Prophezeiung einer konfliktreichen Schlosszukunft. „Sie werden viele Fehler machen“, sagte jemand aus dem Publikum, und spätestens dann werde der Protest wieder in Schwung kommen.

Nina Brodowski, damals Mitinitiatorin der Kampagne „Kein Schloss in meinem Namen“, empörte sich zum Beispiel über die Beauftragung Martin Hellers für das Konzept zum Humboldtforum, das gerade vorgestellt, aber in der Öffentlichkeit kaum Beachtung gefunden hatte – im Gegensatz zur Grundsteinlegung am 12. Juni. Sie habe davon nichts mitbekommen und rief „Empört Euch!“ vom Podium hinein ins Publikum. Dort saßen etwa 25 Gäste und blieben relativ ruhig. Die zweite Generation, wenn es sie gibt, steckt noch in den Kinderschuhen.

Was die Filmemacherin und Schriftstellerin Marion Pfaus betreibt, ist denn auch ein Beispiel dafür, dass der Protest neue Formen angenommen hat, und wegen der gebauten Fakten vielleicht auch annehmen muss: Der Schlossprotest wird Satire. Wie der Förderverein Berliner Schloss sammelt Pfaus Spenden, allerdings nicht für des Schlosses Barockfassaden, sondern für deren Rückbau. „Mich beflügelt die Sache“, sagt sie und meint die Grundsteinlegung, bei der sie als akkreditierte Journalistin dabei war. Auf ihrer Internetseite „humboldt21.de“ kann man außerdem auf den Eröffnungstermin des neuen Schlosses wetten. Der entfernteste liegt aktuell bei August 2045. Zu gewinnen gibt es den Jackpot, mit im Moment 25 Euro. Achtung: Das Wettbüro schließt am 30. Juni 2015.

Das könnte für weitere, neue Proteste schon zu spät sein. „Jeder Kubikmeter Beton, der dort erstarrt, ist auch erstarrt“, sagte Ernst Wolf Abée, der dritte Podiumsgast bei der Veranstaltung. Anders als Pfaus, die dem Schloss gewissermaßen eine Chance gibt, eine Chance auf Realisierung und es dann wieder rückbauen will, ist Abée der Meinung, man müsse das Wiederaufbauprojekt jetzt bekämpfen. Mit dem Kollektiv „Schlossfreiheit“ fordert er einen sofortigen Baustopp und unter anderen Punkten auch Transparenz in der Spendensammlung für die Barockfassaden. Er glaubt nicht an das Schloss. „Es ist ein zynisches Projekt, weil es ein Beharrungsprojekt ist“, sagte Abée.

Über „Beharrlichkeit“ schrieb übrigens schon Friedrich der Große. Ein Auszug aus seinem gleichnamigen Gedicht:

„Stillsichere Seelenkraft,

Die sich im Dulden strafft,

Die allen Schicksalsschlägen

Ausdauernd, heldenhaft,

Trotz setzt entgegen –

Preis dir und Ehren!“

(aus: Friedrich der Große, Historische, militärische und philosophische Schriften, Gedichte und Briefe, Hrsg. Gustav Berthold Volz, Anaconda Verlag, Köln, 2006, S. 563)