Stadtkern im Uhrzeigersinn

Eine Nachlese zum Stadtkern-Walk vom 25. Januar …

Zu sechst waren wir am Mittwoch beim Stadtkern-Walk, dem ersten eigentlich, wenn man den letzten nicht zählt, was ja auch irrig wäre, weil er im Dezember mangels Anmeldungen ausfiel (acht Gäste warteten damals trotzdem spontan auf den Tourstart, nur der Guide kam nicht, weil er in der Kita war. Drum sag ich: Anmelden Leute, bitte regt Euch, auch wenn´s spontan ist). Danke an die Fünfe, die es diesmal tatsächlich taten!

Viadukt im Längsschnitt

Drei Stunden waren wir unterwegs, liefen ziemlich zügig, wenn ich das rekapituliere. Warmen Aufenthalt, vielmehr Durchgang, bot uns der Bahnhof Alexanderplatz. Das war ganz schön (nicht nur, weil es warm war), nachdem wir vorher nur entlang des Viadukts, auf dem die Bahn fährt, gegangen waren, entweder außen entlang oder innen. Auf einmal hatten wir hier die Möglichkeit, (was ich so auch nicht geplant hatte) nicht nur den Viadukt durch einen seiner Bögen zu queren, sondern sogar längs zu durchwandern.

Volle Kanne das Gegenteil wartete auf uns, als wir wieder rauskamen. Ein einziger Weg bleibt, um die Grunerstraße, hier: den Alexandertunnel zu überqueren. Wir mischen uns in den Menschenstrom, der sich in das Alexa ergießt. Hätten wir gleich drin bleiben können und folgen, in das Ding hinein und hinten wieder raus – wäre noch ein warmer Indoor-Streifzug geworden. Aber so kalt war´s nun auch wieder nicht am Mittwoch Abend. Und: der Bogen zwischen Viadukt und Alexa ist sehr anziehend, man sieht ihn ja schon, wenn man noch drüben auf der anderen Seite des Tunnels steht und sich nur fragt, wie man da rüber soll. Auch die Soundkulisse läuft auf dem Abschnitt mit: Riesenlärm beim Rübermachen zum Alexa, aber je weiter man die südliche Dircksenstraße abläuft, desto leiser wird´s. Bis hin zur Totenstille am Parochialkirchhof.

Der (Alexander-)Tunnel der Tonner (Foto: André Franke)

Der (Alexander-)Tunnel der Tonner (Foto: André Franke)

Parochialkirche kurz vor Spiel

Da stehen wir an der Ecke Littenstraße und warten auf das 18-Uhr-Glockenspiel. Doch der neue Kupferturm der Parochialkirche tut uns den Gefallen nicht. Wir quatschen uns die Zwischenzeit rum, denn es sah so aus, als stünde die Turmuhr auf 17:58 Uhr. Doch es war dunkel, und wir hatten es falsch gesehen. Erst zehn vor Um war´s. Zu lange Warten für den Stadtkern-Walk. Immerhin waren wir noch nicht mal Dreiviertel der Strecke rum.

Was an der Parochialkirche zu früh war, war am Märkischen Museum zu spät. Hier schließen die Stadtmodelle der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung gegenüber um 18 Uhr. Sechs Minuten später war es, als wir ankamen. Diesen Indoor-Stopp hatte ich allerdings auf dem Plan. Schade, denn Martina, die schon lange im Stadtkern wohnt, kannte diese Ausstellung der Stadtmodelle noch nicht.

Und was sagt uns das? – Den nächsten Stadtkern-Walk andersherum laufen!

Friedrichstraße? Nee, nee

Ich springe zurück. Zur Strecke zwischen Hackescher Markt und Alexanderplatz. Dort liefen wir die äußere, durchaus belebte und mit Geschäften und Kneipen besetzte Viaduktstraße (auch Dircksenstraße) ab, dann bogen wir durch eine Unterführung in die Rochstraße auf die innere Seite ein. – Sowas von tote Hose. Dunkel und still. Hier im Hinterland der Wohnscheiben der Liebknechtstraße, wo es auch eine Schule gibt, ist der Stadtraum am Bahnviadukt gewerblich genutzt, stehen Lieferwagen vor Lagerräumen zwischen Büschen rum. Ein Zaun trennt das Gelände von der Rochstraße ab, aber die Türe steht offen. Da stehen wir, gucken das an, als eine Touristin kommt, sie mag italienisch gewesen sein, die fragte mich, ob es hier zur Friedrichstraße geht (und zeigte in Richtung Gewerbebüsche!). Sie hatte Glück, ich bewahrte sie vor der Sackgasse. Wer hier reingeht (und das geht), steht nach 150 Metern erneut vor einem Zaun und muss umkehren.

Das ist nicht die Friedrichstraße und man gelangt auch nicht zu ihr, wenn man hier durchgeht (Foto: André Franke)

Das ist nicht die Friedrichstraße und man gelangt auch nicht zu ihr, wenn man hier durchgeht (Foto: André Franke)

Das Verbrechen am Kupfergraben

Noch vorher, als wir an der Museumsinsel waren, mogelte sich das Magnus-Haus in die Tour. Wie in den Notizen zum Stadtkern-Walk beschrieben, geht es ja nicht unbedingt um die Bauskandale und Bauprojekte am Wegesrand, sondern um Defizite und Potenziale der Stadträume am Stadtkern. Da aber alle Gäste an diesem barocken Stadtpalais und seinem Garten interessiert waren, bogen wir spontan (vor Merkels Haustür) in die Bauhofstraße ab. Gegenüber vom Collegium Hungaricum warfen wir einen Blick über den Gartenzaun des denkmalgeschützen Areals, auf dem Siemens seine Hauptstadtrepräsentanz bauen will. Beim Anblick des Gartens fragten wir uns alle gemeinsam, wo genau das Gebäude hier eigentlich stehen soll? Überall Garten, Bäume, Grün. Wer sich traut, an diesem verträumten Ort auch nur einen Baukran aufzustellen, dem müssen die Sinne einen makabren Streich spielen (bitte nach Hause fahren und mal kräftig ausschlafen!)

Barocker Stadtgarten - es gibt ja sonst keine Bauflächen in Berlin (Foto: André Franke)

Barocker Stadtgarten – es gibt ja sonst keine Bauflächen in Berlin (Foto: André Franke)

Ich belasse diese Nachlese mit dieser Handlungsempfehlung – und stelle nur noch fest: Die komplette Umrundung haben wir nicht geschafft, weil die Zeit fehlte. Kurz vor sieben Uhr, pünktlich zum Lichtbilderabend in der Stadtbibliothek, war der Stadtkern-Walk zu Ende. Die schöne Wallstraße (ein Potenzial), wäre es wert gewesen abzulaufen. Dann beim nächsten Mal wahrscheinlich, wenn es heißt: gegen den Uhrzeigersinn.

Notizen zum Stadtkern-Walk

Auf dem Stadtkern-Walk oder dem Stadtkern-Ride geht es nicht in erster Linie um Bauprojekte, die aktuell ablaufen und auf unserer Strecke liegen. Die Idee ist: Wir UMRUNDEN den Stadtkern in flüssiger Bewegung und verinnerlichen uns seine Ausmaße und prägenden Charakterzüge mit Blick auf:

  • Barrieren in der Wegeführung für Fußgänger und Radfahrer
  • schöne Stadtbilder und Straßenzüge
  • unterentwickelte Stadträume und Flächen
  • funktionale „Kraftpakete“ am „Ring“ und deren Zusammenspiel.

Der Rausch mitten in Berlin

Im Rausch über die Gertraudenbrücke (Foto: André Franke)

Im Rausch über die Gertraudenbrücke (Foto: André Franke)

Nichts desto trotz ist die Liste der Anrainer-Projekte lang. Wir passieren neue Gebäude und Baustellen oder haben sie auf Sichtweite, so dass der Stadtkern-Walk auch dem allgemeinen Überblick über die Stadentwicklung in Zentrum der City Ost dienen kann.

Projekte am Stadtkern-Walk

  1. die Townhouses des Friedrichswerder
  2. die umstrittenen Kronprinzengärten und die Kirche Schinkels
  3. der Schinkelplatz und die Bauakademie
  4. das Schloss und sein Umfeld
  5. die U55
  6. das Flussbad im Spreekanal
  7. das abgesagte Freiheits- und Einheitsdenkmal und die zugesagten Schloss-Kolonnaden
  8. der Bauskandal der Staatsoper
  9. die autofreien „Linden“
  10. der Bauskandal im Garten des Magnus-Hauses
  11. die Museumsinsel mit dem Simon-Palais und dem Pergamon-Museum
  12. das Forum Museumsinsel von Ernst Freiberger
  13. das Alea 101 und das Cubix-Kino
  14. Deutschland größtes Motel One Hotel
  15. das leerstehende Haus der Statistik als geplantes „Zentrum für Geflüchtete“
  16. die Saturn- und Alexa-Türme
  17. der Glockenturm der Parochialkirche
  18. die neue Waisenbrücke
  19. das House of One am Petriplatz
  20. das Hochhaus auf der Fischerinsel
  21. und weitere …
Die Staatsoper-Baustelle vom Bebelplatz: aktueller Eröffnungstermin (Nr. 3) ist der 3. Oktober 2017

Die Staatsoper-Baustelle vom Bebelplatz: aktueller Eröffnungstermin (Nr. 3) ist der 3. Oktober 2017

Die nächste Stadtkern-Tour findet statt am …

Nachlese zum #NewsRide 02/17

Am Mittwoch Schneegestöber, am Freitag Schneeregen – keine idealen Bedingungen für eine Radtour. Aber ich mache die Verwirklichung meiner Ideen nicht vom Wetter abhängig. Für alle, die mehr über die NewsRide-Orte von letzter Woche wissen wollen, ohne selbst mitgeradelt zu sein, habe ich diese „Nachlese“ geschrieben. Sie könnte in Zukunft standardmäßig in der Woche nach dem NewsRide kommen, besonders, wenn sich auf der Tour Fragen ergeben. Die Antworten „liefere“ ich dann zum Nachlesen nach.

Kröten am Pankower Tor

Was ist hier los? – Auf dem Areal zwischen Berliner Allee im Westen und Prenzlauer Promenade im Osten ist eine Grundschule mit 400 Schülern, ein Einkaufszentrum, etwa 1.000 Wohnungen, einen Stadtpark, einen Höffner-Fachmarkt und eine Gemeinschafts- und Sekundarschule geplant. Außerdem befindet sich östlich die Ruine des Rundlokschuppens, der unter Denkmalschutz steht. Eine neue Nutzung für diesen zu finden, erweist sich als schwierig, weil die Wiederherstellung des Gebäudes teuer ist. Die Zukunftswerkstatt Heinersdorf hat die Idee, aus dem Schuppen die Mensa der geplanten Schule zu machen.

Ein grauer Riese - das Gelände "Pankower Tor“ (Pankow-Karte der Kindergärten NordOst)

Ein grauer Riese – das Gelände „Pankower Tor“ (Pankow-Karte der Kindergärten NordOst)

Was gibt´s Neues? – Im Januar baggert man auf dem Gelände Krötenteiche aus. Die letzten Berliner Kreuzkröten müssen umgesiedelt werden, bevor der Stadtteil gebaut wird.

Links und Infos:

  • Pankows Bürgermeister und vorübergehender Stadtrat für Stadtentwicklung Sören Benn (Linke) im Interview mit der Berliner Woche, 02.01.2017
  • Die Krieger Grundstück GmbH (KGG) dokumentiert ihr Projekt (allerdings nicht akualisiert) auf pankower-tor.de
  • Der Tagesspiegel zum Rundlokschuppen und einer möglichen Integration der Ruine in die geplante Schule (als Mensa), 19.12.2016

Ideen für den Bürgerpark

Was ist hier los? – Eine Bürgerpark-Initiative hat sich gegründet (August 2016) mit dem Ziel, ein einheitliches Gestaltungs- und Denkmalschutzkonzept für den Park zu erarbeiten, da es ein solches im Moment nicht gibt. Sie kritisiert das Senatsprojekt „Panke 2015“, mit dem die Panke renaturiert werden soll (Projekt ruht derzeit) und ist nicht einverstanden mit den damit verbundenen „verheerenden Eingriffen“ in den Bürgerpark. Außerdem gefällt ihr die Idee eines Tierschutzvereines nicht, im Bürgerpark einen „Vogelgnadenhof“ und ein Altenheim für Tiere anzusiedeln; das Bezirksamt setzt sich aber für es sein. Die Initiative fordert auch eine bessere Parkpflege. Es geht es bei der aktuellen Diskussion um die Neugestaltung auch um die Zukunft der alten Meierei, die Einrichtung einer Skater-Anlage und ein gastronomisches Gesamtkonzept im Park.

Märchenstunde im Bürgerpark. Mimachen ist angesagt - bis 31. Januar (Foto: André Franke)

Märchenstunde im Bürgerpark. Mimachen ist angesagt – bis 31. Januar (Foto: André Franke)

Was gibt´s Neues? – Die Initiative hat einen alle Bürger gerichteten Ideenwettbewerb zur Umgestaltung des Bürgerparks ausgelobt. Er läuft noch bis zum 31. Januar. Insbesondere können Kinder mitmachen.

Links und Infos:


Holm und die Humboldt-Uni

Was ist hier los? – Hier forschte und lehrte der umstrittene Berliner Staatssekretär Andrej Holm ab 2005. Er war am Institut für Sozialwissenschaften, im Lehrbereich Stadt- und Regionalsoziologie tätig und beschäftigte sich mit Gentrifizierung, partizipativer Stadtentwicklung und Wohnungs- und Mietenpolitik. Holm betrieb nebenbei den Gentrification-Blog, auf dem er gegen die Spekulation mit Immobilien anschrieb.

Was gibt´s Neues? – Letzten Donnerstag, am 12. Januar, endete die Frist, die die Universität dem umstrittenen Staatssekretär Andrej Holm gesetzt hatte, eine Stellungnahme zu sein falsch gesetztes „Stasi-Kreuz“ abzugeben. Der Uni-Briefkasten soll bis zum Nachmittag leer geblieben sein, wie Tagesspiegel-Autor Björn Seeling am Freitag im „Checkpoint“-Newsletter schrieb.

Links und Infos:

  • Rechtsanwalt Johannes Eisenberg schreibt in der taz, dass die Humboldt-Uni sich aus Sicht des Arbeitsrechts für Holm entscheiden müsse. Er vergleicht den Fall Holm mit den Geschichten eines Gefängniswärters und eines NPD-Aktivisten, die, beide im öffentlichen Dienst tätig, Falschangaben gegenüber ihren Arbeitgebern machten. Das Bundesarbeitsgericht urteilte gegen die Arbeitgeber. Holm durfte sogar Lügen, so Eisenberg. Und die Uni hätte 2005 gar nicht nach seiner hauptamtlichen Tätigkeit bei der Stasi fragen dürfen., 09.01.2017

Tempohomes Alte Jakobstraße

Was ist hier los? – Auf der Brachfläche ist ein Tempohome geplant, ein Containerdorf für Geflüchtete. Die bis zu 500 Personen, die hier untergebracht werden, leben im Moment noch in Berliner Turnhallen. Die Tempohomes, von denen in Berlin etwa 30 entstehen, sollen die Turnhallen als Notunterkünfte ablösen. Die Container werden nicht übereinander gestapelt. Im Gegensatz zum Studentendorf Plänterwald, das auch aus Containern besteht, gibt es nur ein Erdgeschoss für alle Gebäude. Den Standort, wie auch die anderen Standorte der Tempohomes und MUFs, hat die Senatsverwaltung für Finanzen ausgewählt. Sie hat mit einer Expertenkommission über 1.500 Grundstücke in Berlin auf ihre Eignung hin untersucht. Ursprünglich war der 16.000 Quadratmeter große Standort an der Alten Jakobstraße für eine MUF geplant („Modulare Unterkunft für Flüchtlinge“). Das Tempohome soll laut Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) Ende März 2017 fertiggestellt sein.

3 Container in einem Tempohome mit Küche und Bad bilden eine Wohnung für 4-8 Personen

Eine Wohnung in einem Tempohome mit Küche und Bad (Quelle: LAF, Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten)

Eine Wohnung (gelb) in einem „Gebäude“. Äußere Erschließung (Quelle: LAF)

Eine Wohnung (gelb) in einem „Gebäude“. Äußere Erschließung (Quelle: LAF)

Was gibt´s Neues? – Die Alte Jakobstraße ist eines von elf Tempohomes, für die gerade Betreiber gesucht werden. Es läuft eine Ausschreibung, zu deren Stand die SPD-Abgeordnete Clara West Ende letzten Jahres beim Senat angefragt hatte.

Links und Infos:

  • Übersichtskarte zu Tempohomes und MUFs in Berlin auf rbb-online, 07.01.2017
  • FAQ zu Tempohomes auf berlin.de (vom Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten)
  • Schriftliche Anfrage von Clara West, 17. November 2016