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Eine Mitte der Bürgerschaft (17/22)

In dieser 22-teiligen Serie beschreibt Florian Mausbach seine persönlichen Vorstellungen für eine Umgestaltung des Rathausforums in Mitte. Die Texte gehen aus einem Vortrag hervor, den der Autor im September 2012 auf einer Veranstaltung zum Thema gehalten hat.

Selbstdarstellung der Kommune

Diktaturen inszenieren ihre Macht in Monumentalbauten, Staatsachsen und Aufmarschplätzen, in organisierten Paraden und Aufzügen. Doch auch die Demokratie braucht symbolische Orte und eigene Formen der Selbstfeier und Selbstbestätigung. Der Literaturwissenschaftler Viktor Klemperer, der als Jude das „Dritte Reich“ in Dresden überlebte, notierte in seinem Tagebuch am 11. August 1934:

“Ich glaube, der 11. August war der >Verfassungstag< der Republik. Dieses >ich glaube< ist charakteristisch; die Feier wurde nie populär, nie mit Schwung und Resonanz durchgeführt. Die Republik war in diesem Punkt allzu protestantisch; sie vertraute allzu sehr auf das Geistige und verachtete das Sinnliche, sie überschätzte das Volk. Bei der gegenwärtigen Regierung ist das Gegenteil der Fall, und sie übertreibt dieses Gegenteil ins Unsinnige.“

Das Gegenteil des Unsinnigen ist nicht der Verzicht, sondern eine sinnvolle, der Demokratie angemessene öffentliche Selbstdarstellung. Aus der Geschichte zu lernen  heißt, die Demokratie populär und sinnlich zu gestalten in Orten, Bauten und Plätzen.

Dies ist nach zwei Jahrzehnten Wiedervereinigung  im Parlaments- und Regierungsviertel, der staatsbürgerlichen Mitte der Bundeshauptstadt, bereits gelungen. Es wird vollendet mit den nationalen Kulturbauten der weltbürgerlichen Mitte im historischen Zentrum und der Erweiterung der Museumsinsel um das Humboldtforum im Berliner Schloss. Die im Bau befindliche U-Bahn-Linie U5 markiert die West-Ost-Wanderung des Wiederaufbaus der Mitte Berlins mit ihren Stationen: Hauptbahnhof, Reichstag, Brandenburger Tor, Unter den Linden, Museumsinsel, Berliner Rathaus.

Der Spatenstich zum Bau der U-Bahnstation Berliner Rathaus, der die Leere vor dem Rathaus für Jahre zur Baustelle machen wird, sollte das Signal sein für den letzten Akt des Wiederaufbaus der Mitte Berlins – die Gestaltung eines Rathausplatzes und Bürgerforums.

Morgen: Teil 18 „Historischer Stadtgrundriss und Traditionsinseln“