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Der geschminkte Osten

Mutter und Kind füttern Meisen. Das Eichhörnchen hilft beim Wäsche aufhängen. Ein Ehepaar ergötzt sich am Ara im Baum, aber um den zu erkennen, muss man schon genauer hinsehen. Das Wandbild an dem Plattenbau in der Straße Am Tierpark im Bezirk Lichtenberg ist schön. Am Donnerstag fand seine feierliche Übergabe statt. Als größtes bewohntes Wandbild der Welt ist es fürs Guinnessbuch der Rekorde angemeldet, schreibt die Berliner Morgenpost.

Es ist aber auch scheinheilig. Die Kunst des “Friedrichsfelder Triptychons”, das ist der Name der Idee, bereichert das Stadtbild, keine Frage. Aber macht es uns nicht auch etwas vor? Die Aras waren früher die Friedenstauben. Und wo sie flogen, wachte unweit ein Soldat. Das sieht man am Mosaikfries am Haus des Lehrers noch. Schön ist auch das. Aber auch wenn die “Bauchbinde” dort ein Beispiel des sozialistischen Realismus ist, verkündete es Ideale und nicht die Realität. Und was verkündet das Triptychon, das aus insgesamt drei verschiedenen Wandbildern besteht?

Verheißt es eine Zukunft in Friedrichsfelde, in der die Freiheit eines womöglich vermissten, ausgebüchsten Papageien mehr wiegt als der potenzielle Gefallen, den das fröhlich-kulant dreinschauende Mieterpaar seinem klagenden Nachbarn erweisen würde, wenn es stattdessen zum Kescher greifen und den Vogel für ihn einfangen würde? Oder gibt es eine Zukunft hier, in der Musiker vom Gang in den Proberaum verschont bleiben, indem man ihnen erlaubt, bei geöffnetem Fenster E-Gitarre zu spielen, ohne dass sich auch nur ein einziger Mieter, inklusive Meisen, Eichhörnchen und auch nicht unser bunter Ara gestört fühlen? Wenn Menschen aus verschiedenen Gründen zur gleichen Zeit strahlen, muss etwas faul sein. – Heile Welt im Osten? Ich bevorzuge den “Osten ungeschminkt”. Bei der gleichnamigen Radtour von Berlin on Bike wird man in Zukunft einen großen Bogen um das Triptychon machen müssen, wo der Osten von jetzt an geschminkt ist.

 

Bezirk Mitte (fast) ohne Mittel gegen Ferienwohnungen

Jetzt geht’s den Partytouristen in den Plattenbauten der Wilhelmstraße an den Kragen. Wie die Berliner Zeitung schreibt, will der Bezirk Mitte mit strengeren Auflagen und Kontrollen dafür sorgen, dass die Nutzung der Gebäude als Ferienwohnungen für den Eigentümer unattraktiver wird. Um das zu tun, braucht der Bezirk offenbar Mieterlisten als „Beweismaterial“, die er sich jetzt vom Eigentümer vorlegen lassen will. Der Bezirk will außerdem Ferienwohnungen verbieten, wie es Pankow und Friedrichshain-Kreuzberg vor kurzem vorgemacht haben. Als Grundlage dafür sollen Milieuschutzgebiete festgelegt werden, Moabit zum Beispiel.

Aber wie aussichtsreich ist diese Idee für die Bewohnerschaft der Wilhelmstraße, und leben sie eigentlich in einem Kiez? Vor einiger Zeit sollte einer der Plattenbauten abgerissen werden, ist er samt seiner Einwohner, inklusive Partytouristen, eigentlich gerettet oder nicht?

zum Artikel der Berliner Zeitung