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Berliner Fehlinfos für alle und frei zugänglich im öffentlichen Raum

Peinlich, verwirrend und inkorrekt sind die Berliner Fehlinfos, die im öffentlichen Raum rumfliegen. Da werden Zahlen verdreht, Grenzen pauschalisiert und Planelemente durcheinander gewürfelt. Drei Beispiele, die hoffentlich die einzigen sind:

Berliner Fehlinfo Nr. 1, die peinliche

Als ich neulich bei den Stadtmodellen bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung war, ging ich in eine der Ausstellungen, die in den Räumen seitlich des Foyers stattfinden. Hier stand und steht immer noch: eine große Schautafel mit der Überschrift „Wussten Sie, Berlin hat …“ und dann folgen Infos zur Stadt, wie „… 440.000 Straßenbäume“ und eine Fehlinfo. Da las ich mit offen stehendem Mund, Berlin habe 3,2 Millionen Einwohner!! Dass man da nicht in der Jahreszahl verrutscht ist, sondern dass das ein Flüchtigkeitsfehler sein muss, zeigt die Zahl 175.000 – um diese Bevölkerungszahl ist Berlin in den letzten vier Jahren gewachsen, die ist aktuell. Aber wie konnte sich die 2.000 Mitarbeiter umfassende Planungsbehörde diesen Schnitzer erlauben? Stolz wie Bolle ist Berlin, dass es wächst und vor kurzem erstmals seit dem Krieg wieder mehr als 3,5 Millionen Menschen in der Stadt wohnen. Die Berlin-Statistik zählt mit Stand 30. Juni 2016 sogar 3,6 Millionen Einwohner.

Falsche Einwohnerzahl in Senatsverwaltung für Stadtentwicklung: 3,2 Mio. statt 3,6 Mio. (Foto: André Franke)

Falsche Einwohnerzahl in Senatsverwaltung für Stadtentwicklung: 3,2 Mio. statt 3,6 Mio. (Foto: André Franke)

Es fehlen 400.000 Einwohner zu Wahrheit (Foto: André Franke)

Es fehlen 400.000 Einwohner zu Wahrheit (Foto: André Franke)

Berliner Fehlinfo Nr. 2, die verwirrende

Konfusion beim Betrachter stiftet eine Übersichtskarte, die am Bauzaun einer Ausgrabungsstätte auf der Fischerinsel in Mitte hängt. Ein Hochhaus entsteht hier an der Ecke Gertraudenstraße, im Moment graben Archäologen aber noch den Cöllner Fischmarkt aus. Gemessen an der Geschichtsträchtigkeit des Ortes, kann die Karte nur enttäuschen, da sie die Sorgfalt vermissen lässt, mit welcher der „alten Dame Cölln“ hier der Hof gemacht wird. Ich weiß nicht, wie gut oder schlecht das Grabungsteam „archaeofakt“ seine Arbeit macht, das kann ich nicht beurteilen. Aber wenn es oben am Bauzaun schon hakt … ?! Was geht dann da unten vor sich?

Am Zaun hängt eine Lagekarte, darin verzeichnet: Gertraudenstraße, Mühlendamm, Spree, ein DDR-Fischerinsel-Hochhaus und die Grenzen der Ausgrabungsstätte. Nur fällt das Verorten der Inhalte schwer, weil das Hochhaus auf der Straße steht, und das Grabungsfeld über der Kreuzung liegt. Seltsam schieben sich die Planebenen übereinander. Das ist doch falsch? Oder habe ich einen Knick in der Optik?

Die nächste Führung durch die Funde findet am 21. Oktober statt, 14 Uhr. Trag ich mir gleich mal in den Kalender ein. Wahrscheinlich auch wieder nur ein Flüchtigkeitsfehler. Tja, wie schlimm ist das denn nun eigentlich? Ist das wichtig oder kann das weg? – Die Fehlinfo geht hier auf das Konto der Wohungsbaugesellschaft Mitte (WBM), der Bauherrin. Schlimm ist es, weil es schwer genug ist, die alten Stadtstrukturen im heutigen Bestandsberlin zu erkennen und Orientierungshilfe not tut.

Bauzaun Fischerinsel: Den Cöllnischen Fischmark ausgraben (Foto: André Franke)

Bauzaun Fischerinsel: Den Cöllnischen Fischmark ausgraben (Foto: André Franke)

Hochhaus verrutscht und Grabungsfeld. Wäre das die Realität, würde kein Auto auf der Gertraudenstraße fahren (Foto: André Franke)

Hochhaus verrutscht und Grabungsfeld. Wäre das die Realität, würde kein Auto auf der Gertraudenstraße fahren (Foto: André Franke)

Berliner Fehlinfo Nr. 3, die inkorrekte

Am Holocaust-Denkmal steht ein Schotte und liest an einer Infotafel. Er erfährt die Geschichte des Standorts an der Ebertstraße, wo auch die Mauer war:

„Nach dem Ausbau des ‚Grenzsicherungssystems‘ zwischen Ost- und Westberlin war das Gelände bis Ende 1989 Teil des verminten ‚Todesstreifens‘.“

"Verminter" Grenzstreifen? Bitte lassen Sie diese Info am besten in Berlin (Foto: André Franke)

„Verminter“ Grenzstreifen? Bitte lassen Sie diese Info am besten in Berlin (Foto: André Franke)

War die Grenze in Berlin wirklich vermint? Behauptet wird das oft, zum Beispiel auch in dem 2015 erschienenen Film „Berlin East Side Gallery“, in dem man das eine Stadtführerin sagen hört. Doch es ist eine Fehlinfo. Historiker sagen Nein. In Berlin explodierten keine Minen, weil es unter den Augen des Westens, der Welt stattgefunden hätte, weil es zu eng war … Sie taten es aber an der innerdeutschen Grenze, die Kilometer breit war. Die Mauer war eine Sondergrenze. Diesen Unterschied nicht zu machen, verdient Berlin nicht. Berlin war speziell.

Die gläsernen Infotafeln am Holocaust-Denkmal wurden von der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas und dem Regierenden Bürgermeister von Berlin, der Senatskanzlei für kulturelle Angelegenheiten aufgestellt, 2008.

Vermint oder nicht? - Wie wichtig ist es, historisch korrekt zu sein (Foto: André Franke)

Vermint oder nicht? – Wie wichtig ist es, historisch korrekt zu sein (Foto: André Franke)

Zum Trösten: Der Schotte liest den englischen Text der Tafel, und der kommt ohne die Vokabel „vermint“ aus. Von „death-strip“ ist die Rede, sonst nichts. Das ist korrekt. Und das gewährt, dass der Schotte keine falschen Geschichten auf die Insel bringt.