Tegel TXL Nachnutzung

Bauen wie blöde – hier ein Überblick

Falls es noch immer jemand nicht kapiert haben sollte: „Wir wachsen wie blöde!“, sagte Philipp Bouteiller von der Tegel Projekt GmbH so auch mit entsprechendem Nachdruck im Januar auf der Standortkonferenz von Berlin TXL, dem Nachnutzungsprojekt für den Flughafen Tegel. Und „wie blöde“ wird anscheinend auch geplant und gebaut. Senator für Stadtentwicklung Andreas Geisel (SPD) hatte im Sommer die 0hnehin schon steile Bevölkerungsprognose noch weiter nach oben korrigiert: Bis 2030 würde Berlin beinahe eine Vier-Millionenstadt sein. Energisch ist denn auch des Senators Bauwille. Hier ein steckbriefartiger Überblick über die spannendsten Projekte des Berliner Wohnungsneubaus …


Europacity

Europacity

Europacity-Brachfläche 2015: Versprengte Gründerzeitbauten entlang der Heidestraße. Noch nicht allzu viel los (Foto: André Franke)

Beiderseits entlang der Heidestraße entsteht im Norden des Hauptbahnhofs ein komplettes nutzungsgemischtes Stadtviertel. Neben Büros, Einzelhandel und dem Kunstcampus werden am Spandauer Schifffahrtskanal 2.860 Wohnungen gebaut. Die begrünten offenen Wohnblöcke sollten sich ursprünglich um einen Stadthafen gruppieren. Wegen nicht bestätigter EU-Fördergelder wird aber statt des neuen Hafens leider nur ein Stadtplatz entstehen. Besonders ärgerlich: Nur 42 Wohnungen werden mit einer Mietpreisbindung von maximal 7,50 Euro (Nettokalt) pro Quadratmeter angeboten. Die Politik beschloss erst 2014 den neuen sozialen Wohnungsbau, die städtebaulichen Verträge stammen aber schon von 2011. Die Europacity umfasst 40 Hektar Fläche. Damit ist sie viermal größter als das nahegelegene Gelände der neuen BND-Zentrale an der Chausseestraße.


Mauerpark

Mauerpark-Plan

Wohngebiet Mauerpark (© 2014 Groth Development GmbH & Co. KG)

Bedeutend kleiner wird das neue Wohnquartier im Mauerpark. Mehr als 700 Wohnungen baut die Groth Gruppe nördlich des Gleimtunnels, trifft hier aber auf energischen Widerstand der Mauerpark-Allianz. Das Bündnis aus mehreren Initiativen hatte gegen das laufende Bebauungsplanverfahren 39.000 Stellungnahmen eingereicht und ein Bürgerbegehren vorbereitet. Dann entzog der Senat dem Bezirk Mitte das Verfahren, wodurch das Bürgerbegehren ins Leere lief. Die von der Allianz so genannte „Geiselattacke“ zeigt, wie ernst es Senator Geisel auch mit einer eher geringen Anzahl von Neubauwohnungen meint. Ende des Jahres soll der Investor Baurecht bekommen. Davon hängt auch die in einem umstrittenen städtebaulichen Vertrag geregelte Erweiterung des Mauerparks Richtung Brunnenviertel ab. Seit zwanzig Jahren ist der Park schon geplant.


Elisabeth-Aue

Elisabeth-Aue (zentral) am nördlichen Stadtrand Berlins. (Karte "20 grüne Hauptwege" piekart-Verlag)

Elisabeth-Aue (zentral) am nördlichen Stadtrand Berlins. (Karte „20 grüne Hauptwege“ piekart-Verlag)

Der neueste Coup des Senators trifft die Elisabeth-Aue im Norden Pankows. Nicht nur der Umfang des Projekts mit 5.000 Wohnungen erschreckt fast. Auch der landwirtschaftliche Charakter des Standorts und seine Lage am äußersten Stadtrand, angrenzend an ein Landschaftsschutzgebiet, lässt einen aufhorchen. Von offizieller Seite als „Gartenstadt des 21. Jahrhunderts“ proklamiert, befürchtet die Bürgerinitiative Elisabeth-Aue eine Trabantenstadt à la Märkisches Viertel. Das 73 Hektar große Areal liegt zwischen Französisch-Buchholz und Blankenfelde. Beides sind Ortsteile Berlins. Blankenfelde ist aber das letzte von Feldern umgebene Dorf auf Berliner Stadtgebiet. Die Elisabeth-Aue ist außerdem Teil des Naturparks Barnim. Seine Wohnungsbauziele erreicht der Senat – anders als auf der Stadtbrache Heidestraße – hier nur auf Kosten einer Natur- und Kulturlandschaft.


Kurt-Schumacher-Quartier

Tegel TXL Nachnutzung

Kurt-Schumacher-Quartier (rechts): Wohnen am zukünftigen Industriegebiet (Ausschnitt Flächenplan Tegel, Berlin TXL)

Ebenfalls 5.000 Wohnungen will Senator Geisel im Kurt-Schumacher-Quartier in Tegel bauen. Es war bis zum Frühling als potenzieller Standort für das Olympische Dorf vorgesehen. Nach der Olympia-Absage für Berlin hat die SPD das Gelände zwischen Flughafen und U-Bahnhof Kurt-Schumacher-Platz (U6) als Megastandort für den Wohnungsbau entdeckt. Die Stadt soll hier auf das Flughafenareal heraufwachsen. Ursprünglich waren im Zuge der TXL-Nachnutzung gerade einmal 1.000 Wohnungen geplant. Der Koalitionspartner CDU kann sich maximal 3.000 Wohnungen vorstellen, und nur dann, wenn die industrielle Nutzungsperspektive von Berlin TXL als „Smart City“ (The Urban Tech Republic) nicht beeinträchtigt wird. Nicht zuletzt hängt das Wohngebiet von der Schließung des TXL (Frühling 2018) und der Eröffnung des BER Ende 2017 ab. Ein städtebaulicher Wettbewerb soll Anfang 2016 ausgelobt werden.


Historische Mitte / Alexanderplatz

Gehry-Wohnturm

Der Gehry-Wohn-Tower am Alexanderplatz (© Hines, Januar 2014)

Auch in der City Ost verzeichnet die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung mit höchst unterschiedlichen Städtebauprojekten Nachverdichtungspotenziale mit bis zu 2.500 Wohnungen. Am Molkenmarkt, wo die sechsspurige Grunerstraße verlegt wird, entstehen 381 Wohnungen in traditioneller Berliner Blockrandbebauung. Ganz anders: das neue Wohnen am Alex. Im Hines-Tower, der gewagten 150-Meter-Wohnschraube von Architekt Frank O. Gehry, sollen in 39 Stockwerken 300 Eigentumswohnungen errichtet werden. Da der Alexanderplatz im Zuge der aktuellen Überarbeitung des Masterplans von 1994 auch in Zukunft ein Hochhausstandort bleiben soll, können wir davon ausgehen, dass der Gehry-Turm hier nicht das einzige Wohnhochhaus bleiben wird.


Die Mauerpark-Allianz veranstaltet am Samstag ein Lärmdemo gegen Verdrängung

Die Bürgerinitiative Elisabeth-Aue bietet am Sonntag eine Führung über das Gelände

1 Antwort
  1. Oskar sagte:

    Wohnungsbau ist ja schön und gut aber was hilft es wenn sich die Bevölkerung diese neunen Wohnungen gar nicht leisten kann?
    Egal wie viel gebaut wird, der Druck auf dem Markt wird nicht sinken solange am Bedarf vorbei gebaut wird.
    Es entsteht ein neuer Wohnturm mit Eigentumswohnungen (der auch noch hässlich ist wie die Nacht), es entsteht ein neues Quartier mit 2% bezahlbaren Wohnungen oder es entstehen neue Häuser am Mauerpark von denen nur ein Drittel bezahlbar sein wird.
    Das Endergebnis wird sein das sich einfache Arbeiter und dazu der Großteil der Armen in Spandau, Neuköln Süd und Marzahn konzentrieren werden und wir im schlimmsten Fall Pariser Verhältnisse bekommen.
    Das scheint allerdings ein generelles Problem zu sein, das Beispiel Hamburg zeigt wo solche Entwicklungen auch in Deutschland bereits hingehen.
    Dort sind die Mieten mittlerweile so hoch, dass über die Hälfte der Menschen einen Anspruch auf geförderten Wohnraum hätte allerdings sind nur etwa 10 % geförderter Wohnungen vorhanden. Der Rest der Leute wird wohl oder übel aus der Stadt verdrängt was mehr Raum für neue Geldquellen wie Touristen in innenstadtnahen Quartieren schafft

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