Las Vegas Benz, die East Side Mall und das Vier-Millionen-Zimmer

Die Morgenpost schreibt zweimal (zwei Richtfeste in eine Woche) über das Entertainment-Viertel rund um die Mercedes-Benz-Arena. In „So sieht das Viertel rund um den Mercedes Platz aus“ spricht sie mit:

  1. Katharina Dinovski, die ihr Büro im S-Bahnbogen hat,
  2. Moritz Hillebrand, der seit 18 Jahren für die Anschutz Entertainment Group (AEG) arbeitet,
  3. Marcin Markovski, der dort wohnt (!), aber bald nach Amsterdam weiterzieht.

East Side Mall mit Hochhaus (Bild: FREO Group)

In dem Artikel „Am Donnerstag feiert die East Side Mall Richtfest“ erfährt man, dass von der Warschauer Brücke eine 60 Meter lange Brücke (Baubeginn 13. November) in das 68. Einkaufszentrum Berlins rüberführen soll, eine Verbindung, auf der auch die Besucher der East Side Gallery entlang geführt werden, direkt durch die Mall. Daneben entsteht ein Bürohochhaus von 140 Metern Höhe. Zitiert werden der Mall-Projektleiter, Martin Sänger, und der Vice President von AEG, Michael Kötter. Letzterer mit der Größe des Mercedes-Platzes: 13.000 Quadratmeter. Im ersten Artikel war er noch halb so groß. Kötter beschwört Las Vegas herauf: Multiplex-Kino, Music-Hall, Bowling-Bahn, acht Medientürme mit Lichtshows …


Die B.Z. hat Berlins teuerste Einraumwohnung ausfindig gemacht: Sie kostet 3.950.000 Euro. Erster Haken: Das ist der Preis für den Rohbau. Einrichtung kostet extra. Zweiter Haken: Die Wohnung ist sehr groß (329 Quadratmeter), was den Preis erklärt. Der Quadratmeter kostet also nur noch ca. 12.000 Euro, was in Berlin angesichts von „The Wilhelm“ (31.880 Euro pro Quadratmeter) keine weltbewegende Größenordnung mehr ist. Das Fundstück der B.Z. befindet sich im „Metropolpark“ (Projektname), gegenüber vom ehemaligen Bärenzwinger. Ganzer Artikel: „Vier Millionen Euro – das ist Berlins teuerste Einzimmer-Wohnung“…

Im Stadtkern ist die Hölle los

Vergleicht man das Bauen in Berlin mit der Arbeit eines Chirurgen am Körper, dann fällt auf, die operativen Eingriffe konzentrieren sich zur Zeit stark auf das Herz. Berlins Stadtkern wird von Endoskopen durchdrungen, von Klemmen zerdrückt, mit Pinzetten gepiesackt, mit Messern durchschnitten sowieso. Es wirkt, als wäre kein Arzt am Werk, eher eine Gruppe Aasgeier, die über das blutende Organ herfallen. Ja, mit dem Hammer draufhauen. Wenn am Ende wieder ein Herz herauskommen sollte, hat Berlin mehr als Schwein gehabt.

Die Hölle ist ein Ort auf Erden: Berlin-Mitte. 38 Projekte des Bauens, Planes, Diskutierens

Die Hölle ist ein Ort auf Erden: Berlin-Mitte 2017. 38 Projekte des Bauens, Planes, Diskutierens

Auch innerhalb des Stadtkerns konzentrieren sich die Projekte in bestimmten Bereichen. Ich nenne sie entsprechend „Bauhöllen“. Die 38 Projekte sind aber nicht nur reine Baustellen. Manche sind in Planung. Andere gerade fertiggebaut. Auch Denkmäler sind mit dabei, über deren Standorte gestritten wird. Und Stadtplätze, die neu entstehen. Und jetzt: Ab durch die Mitte – ab durch die Hölle!

Bauhölle Nord (1-5)

Auf der Museumsinsel wird das (1) Pergamonmuseum umgebaut. Es erhält einen vierten Flügel und soll nach Bauverzögerung und Kostenanstieg 2023 fertig sein. Daneben entsteht die (2) James-Simon-Galerie als zentraler Eingang in die unterirdische archäologische Promenade, die alle fünf Museen erschließt. Die Verkehrsverwaltung hat im September angekündigt, das Umfeld der Museumsinsel aufzuwerten, so auch die Straße (3) Am Kupfergraben, die teilweise aus Kopfsteinpflaster besteht. Sie wird erneuert. Der Unternehmer Ernst Freiberger saniert auf der anderen Seite der Insel mit dem (4) Forum Museumsinsel sieben denkmalgeschützte Gebäude zwischen Spree und Oranienburger Straße und belebt dadurch die Verbindung zwischen Spreeinsel und Spandauer Vorstadt. Auch das Berliner Traditionsunternehmen Siemens profiliert sich als Anrainer der Museumsinsel. Es baut seine Firmenrepräsentanz mitten im Garten vom (5) Magnus-Haus und wirkt dabei wie der Elefant im Porzellanladen. Das Gebäude mit Garten ist ein denkmalgeschütztes barockes Stadtpalais, wie es es in Berlin so kein zweites Mal gibt.

Letztes barockes Stadtpalais mit Garten - bitte einmal kräftig reinbauen! Siemens macht´s trotz Architektenprotest. (Foto: André Franke)

Letztes barockes Stadtpalais mit Garten – bitte einmal kräftig reinbauen! Siemens macht´s trotz Architektenprotest. (Foto: André Franke)

Bauhölle West (6-15)

Nach sieben Jahren sind endlich die Bauarbeiten an der (6) Staatsoper beendet. Das macht zwar eine Baustelle weniger in Mitte, aber vom Bebelplatz Richtung Osten häuft sich das Baugeschehen. Das (7) Opernpalais wird saniert, von dem es heißt, Bauherr sei Springer-Chef Mathias Döpfner. Der lässt die Berliner zappeln und verschweigt bislang, was aus dem Gebäude werden soll. Die Luxus-Appartments der (8) Kronprinzengärten sind fast fertig. Völlig fertig ist die (9) Friedrichswerdersche Kirche, und zwar in dem Sinne, dass sie zur Baustelle gemacht wurde. Daran waren die Tiefgaragen der Kronprinzengärten schuld. Sie brachten die Kirchenfundamente zum Wackeln. Jetzt stützen Gerüste Schinkels Bauwerk auf unbestimmte Zeit von innen. Eintreten bleibt ein Traum. Arme Kirche: Auf der anderen Seite baut die Frankonia Eurobau (10) Wohn- und Geschäftshäuser am Schinkelplatz. Durch den Wiederaufbau entsteht auch der (11) Werdersche Markt als Stadtplatz neu. Prominenteste Anrainerin wird hier die (12) Bauakademie. Der Ideenwettbewerb für den langersehnten, 62 Millionen teuren Wiederaufbau läuft bis Januar, die Jury entscheidet im April. Über das (13) Freiheits- und Einheitsdenkmal auf der anderen Seite des Spreekanals ist hingegen entschieden. Der Bundestag bestätigte den umstrittenen Bau der „Wippe“ im Sommer, nachdem das Projekt im wahrsten Sinne des Wortes ins Schaukeln geraten war. Die begehbare Plattform, die sich neigt, wenn sich eine kritische Masse an Besuchern auf eine Seite bewegt (offizieller Titel: „Bürger in Bewegung“), wird genau vorm (14) Berliner Schloss platziert. Es ist immer noch Berlins beste Baustelle, bei der man im Kosten- und Zeitplan liegt. Erste Barockfassaden sind vom Baugerüst befreit. Vom Lustgarten sind sie zu sehen. Wenn das Schloss als Humboldtforum 2019 eröffnen wird, werden die Bauarbeiten in der Nähe aber weitergehen. Nicht wundern. Der (15) U-Bahnhof Museumsinsel der Linie U5 braucht ein bisschen länger.

Bauhölle Mitte (16-21)

Die Linie der „Kanzlerbahn“, die vom Alexanderplatz bis zum Brandenburger Tor gebaut wird, bringt noch eine weitere Bahnhofsbaustelle mit sich. Für den neuen (16) U-Bahnhof Berliner Rathaus wurden die Reste der bei den Bauarbeiten freigegrabenen Tuchhalle des alten Rathauses zerstört. Keine schöne Geschichte. Nur weil in Berlin immer alles schnell gehen muss. Vier Denkmäler stehen auf dem Rathausforum, der Freifläche zwischen Spree und Fernsehturm. Das (17) Marx-Engels-Denkmal ist wegen der Baustelle der BVG an die Karl-Liebknecht-Straße gerückt. Wo es in Zukunft stehen soll, ist nicht sicher. Der neueste Vorschlag kommt von Annette Ahme (Verein Berliner Historische Mitte), es vor das Haus des Reisens zu bringen (mehr dazu später). Doch vermutlich kommt es ins Zentrum des Marx-Engels-Forums, einer Teilfläche des Rathausforums, zurück. Das (18) Luther-Denkmal ist zum Reformationsjubiläum vor die Marienkirche zurückgekehrt. Hier stand Luther seit Ende des 19. Jahrhunderts, allerdings auf einem Sockel und mit Begleitfiguren. Ein zweiter Neuzugang in der Nähe ist das (19) Denkmal für Moses Mendelssohn. Micha Ullmann („Bibliothek“ auf dem Bebelplatz) hat die Fassade des Hauses in der Spandauer Straße in die Horizontale gelegt. Der Aufklärer, der mit 14 Jahren als Jude nach Berlin kam, wohnte hier. Zwischen Marienkirche und Rathaus steht der (20) Neptunbrunnen. Auch er ist in der Diskussion, vielmehr sein Standort. Mit dem Bau des Schlosses wird auch der Wunsch bei vielen stärker, den ehemaligen Schlossbrunnen zurück zum Schlossplatz zu bringen. Zwar hatte der Bund dafür Geld zugesagt, aber das Land Berlin hat bislang nichts dergleichen entschieden. Alle genannten Projekte sind Teil des schon erwähnten (21) Rathausforums. Für dieses große Areal beschloss das Abgeordnetenhaus 2016 zehn Bürgerleitlinien, die das Ergebnis einer ganzjährigen Stadtdebatte mit Bürgern, Architekten und Stadtplanern waren. Es soll ein Stadtraum für alle sein, mit öffentlicher Nutzung und viel Grünfläche. Ein städtebaulicher Wettbewerb, wie er noch im Koalitionsvertrag von Rot-Schwarz 2011 geplant war, ist damit vom Tisch.

Genial und nur bei Regen: gespiegelte Umwelt des Denkmals (Foto: André Franke)

Mendelssohn-Denkmal von Micha Ullmann: Genial und nur bei Regen: gespiegelte Umwelt des Denkmals (Foto: André Franke)

Bauhölle Ost (22-29)

Rund um den Alex entstehen vor allem Hotelneubauten. Mit dem (22) Motel One an der Grunerstraße ist das erste, 60 Meter hohe und mit 708 Zimmern größte der Marke in Europa schon fertig. Ins (23) „Volt Berlin“ (südlich vom „Alexa“ und der Voltaire-Straße), wo nach ursprünglichen Plänen mit Surfing und Skydiving das Einkaufen zum Erlebnis gemacht werden sollte, zieht ein Hotel der Lindner-Gruppe. Hier werden gerade die Fundamente gegraben, für einen nun doch eher normalen Geschäfts- und Büroblock, wie es heißt. Südlich vom „Volt“ kommt (24) The Student Hotel, für das entlang der Alexanderstraße auf einer Fläche von 17.000 Quadratmetern 457 Zimmer für Studenten errichtet werden. Nördlich vom „Volt“ baut dagegen ein niederländischer Investor mit dem (25) „Grandaire“ ein klassisches, von Chicago inspiriertes Wohnhochhaus von 65 Metern Höhe und mit 269 Wohnungen. Der Bau eines (26) Hotels nördlich des Panorama-Hauses an der Karl-Liebknecht-Straße wird gerade in zweiter Instanz vor Gericht verhandelt. Eine Baugenehmigung gibt es hier schon seit 2012. Das Panorama-Haus landet gewissermaßen im Hinterhof. Soweit zu den konventionellen Projekten. Doch der (27) Alexanderplatz wird Hochhausstandort. Und die ersten zwei (von insgesamt neun geplanten) 150 Meter hohen Türme befinden sich auf dem Weg der Verwirklichung. Am Alexa baut nach Plänen des Architekturbüros Ortner & Ortner das russische Unternehmen Monarch, und am Saturn-Gebäude hat sich das US-amerikanische Unternehmen Hines für Entwürfe von Frank O. Gehry entschieden. Nicht nur die Skyline des Stadtkerns verändert sich. Es ist die Skyline Berlins. Nachdem die Hochhauspläne am Alex überarbeitet worden sind, entstehen auch neue Stadtplätze: (28) „Vorm Haus des Reisens“ und (29) „An der Markthalle“ sind die ersten Projekte, an deren Gestaltung auch die Berliner mitwirken können. Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) hat angekündigt, die Stadtdebatte vom Rathausforum (siehe oben) weiterzuführen und die Bürger mitentscheiden zu lassen.

Bauhölle Süd (30-32)

Eher klein, aber fein erscheinen drei Projekte am Märkischen Museum. Mit dem (30) Metropolpark bauen die Architekten Axthelm Rolvien die expressionistische AOK-Zentrale zu Apartments um. Bis zu 370 Quadratmeter werden die Eigentumswohnungen groß, manche Räume haben eine Deckenhöhe von 6 Metern. Gleich gegenüber ist mit dem Tod der Stadtbären Maxi und Schnute die Geschichte des legendären (31) Bärenzwingers abgelaufen. In den nächsten zwei Jahren wird über eine neue Nutzung des denkmalgeschützten Gebäudes diskutiert, es laufen auch Austellungen. Um den schlecht angebundenen Köllnischen Park aus seinem Schattendasein zu befreien, gibt es auch Entwürfe des Architekten Detlev Kerkow für den Wiederaufbau der im Krieg zerstörten (32) Waisenbrücke. Auf der To-Do-Liste des Senats erscheint sie aber bis auf weiteres leider nicht.

Enturf für eine neue Waisenbrücke. Blick aufs Märkische Museum am südlichen Spreeufer (Abb. Detlev Kerkow)

Bauhölle Süd-Ost (33-36)

Schließlich verändet sich auch das Zentrum Alt-Cöllns. Nach dem Abriss des DDR-Bauminsteriums und den archäologischen Grabungen ensteht an der Breiten Straße ein ganzer Block neu. Das sanierte (33) Kaufhaus Hertzog ist Teil davon. Am Petriplatz nebenan kommt der Neubau des (34) Archäologischen Zentrums, von dem aus ein Informationswegesystem geplant ist, das durch die Altstadt führt. Aufsehen erregt hier vor allem aber das (35) House of One. Das interreligiöse Gotteshaus, das Kirche, Synagoge und Moschee in einem sein soll, ist mittlerweile zu einem Projekt des nationalen Städtebaus prämiert worden. Selbst die (36) Fischerinsel ist vor Bauaktivitäten nicht mehr sicher. Zwar sind die Pläne nach Protesten der Anwohner für ein Hochhaus abgesagt worden, doch die Ecke an der Grunerstraße, wo im Moment noch ein tiefes Loch klafft, bekommt auf jeden Fall einen neuen Block.

Bauhölle kommunikativ (37-38)

Zwei umfangreiche Projekte dürfen nicht unerwähnt bleiben. Beim Projekt (37) Molkenmarkt wird die Grunerstraße nach Norden an die Rückseite des Rathauses verschwenkt und Bauland gewonnen. Zweieinhalb Berliner Blöcke erwachsen so dem Klosterviertel. Die Bauhölle Ost verbindet sich mit der Bauhölle Süd-Ost. Und das (38) Flussbad Berlin, dem Ort, an dem Berlin bald baden gehen könnte, zieht sich entlang des Spreekanals vom Märkischen Museum an Alt-Cölln vorbei bis zur Museumsinsel. Drei Bauhöllen stehend somit in direkter Verbindung.

Nachlese – Das war der #NewsRide vom 4. Oktober 2017

Der Tunnel 71

Ein Blick durchs Schaufenster des um 19:15 Uhr schon geschlossenen Ladens… Man kann sich die Baupläne für den 30 Meter langen, neu zu grabenden Tunnel, mit dem der ehemalige Fluchttunnel 71 „angegraben“ wird, im Laden des Vereins Berliner Unterwelten in der Brunnenstraße 141/143 ansehen. Einblick in den echten Fluchttunnel soll es erst nächsten Sommer 2018 geben. Das Tunnelprojekt kostet 200.000 Euro und bereichert die Gedenkstätte Berliner Mauer in der Bernauer Straße. tagesspiegel.de

Route durch Mitte: 7 Kilometer

Route durch Mitte: 7 Kilometer

Die Alliiertenorgel

An der Kapelle der Versöhnung ist im Dunkeln natürlich niemand. Aber die Holzlamellen, die eine nahe stehende Laterne belichtet, machen im Vorbeifahren eine schöne Erscheinung. Die nächsten Konzerte mit der letzte Woche neu eröffneten Schuke-Orgel, die mit vier landestypischen Klangfarben der Siegermächte aus dem Kalten Krieg ausgestattet ist, sind am 14. (17 Uhr, Romantische Musik) und 28. Oktober (15 Uhr, Luther-Lieder). Gespielt wird das Instrument von Annette Diening. weddingweiser.de

Die Europacity

Der Weg dorthin ist fast interessanter als die Europacity selbst. Im Libeskind-Bau Sapphire brennt im 1. OG hinter Gardinen Licht. Wohnt da schon jemand drin? Die Chausseestraße ist auf der einen Hälfte Baustelle, aber über den Bürgersteig am BND-Bau lässt sich locker langfahren. Ins Glasfoyer blickend ist eine graue Wand erkennbar, hinter der die Mitarbeiter nach Eintreten durch die Tür verschwinden werden. Das sieht äußerst merkwürdig aus. An der Nordseite sitzt ein normaler Pförtner im großzügigen Empfangsbereich, hier gibt es die Schutzwände komischerweise nicht.

Jenseits des Kanals liegt die Heidestraße, rechts und links von ihr liegen Brachflächen, Bauflächen. Vom konzipierten Boulevard ist nichts zu spüren. Klar, die Straße ist fertig. Mittig wächst eine Hecke. Aber was passiert eigentlich mit der Tankstelle? Auf den Flächen westlich der Heidestraße kommen also die vier Blöcke des Quartiers Heidestraße. Der Spaß besteht darin, sich das vorzustellen. Auch als Nicht-Architekten. Das kann gewissermaßen schwerfallen. Leichter fällts den Profis. Frau Lüscher: „In unseren Köpfen ist die Europacity vollendet“ (morgenpost.de). Aber wie es hier aussieht! Ein schäbiger Zweckbau, in dem die Deutsche Bahn sitzt, allein auf weiter Flur … Container. Ein neuer Wohnblock links, ein paar schöne Altbauten rechts. Die haben sogar kleine Vorgärten. In dem einen wohnen Leute. — Hier wohnen Leute!

Doch je weiter man von Norden Richtung Hauptbahnhof gelangt, desto mehr kommt einem die Zukunft entgegen. Die 50Hertz-Zentrale leuchtet. Aus dem Total Tower kommen Leute raus, wieder Leute. Feierabend. Total interessante Lamellenfassade neben dem Tower… Aber alles Gebaute hier kommt mächtig kalt rüber.

Die Staatsoper

Im Licht des Maxim-Gorki-Theaters spielen ein paar Leute Boule. Kurzer Stopp bei Heine, der Spruch ist zu schön: „Wir ergreifen keine Idee, die Idee ergreift uns und knechtet uns und peitscht uns in die Arena, wo wir wie gezwungene Gladiatoren für sie kämpfen.“ Genau, lauter Gladiatoren und keiner kann so richtig zurück.

Vor der Oper Unter den Linden liegt der rote Teppich noch. MDCCXLIII steht weit oben. Ich habe Schwierigkeiten mit dem XL und es dauert eine Weile bis ich drauf komme, dass es die gleiche Logik ist wie bei IV. Hab ich selten so gesehen. Ziehe 10 von 50 ab, und das Ganze macht Sinn: 1743. Hinter der Oper rum zur Barenboim-Said-Akademie, wo massenhaft Fahrräder vor der Tür stehen. Hinter dem Fenster lassen sich die Schauspieler und Sänger schminken. Kann man alles mitansehen. Vorm Haupteingang in der Französischen Straße rauchen Mitarbeiter. Im Foyer: Kostümierte, die sich in einer Schlange langsam Richtung Auftritt schieben. Oh Gott, die müssen durch den Tunnel, der rüber ins Opernhaus führt – noch so ein Tunnel. morgenpost.de

Dann kamen noch das Freiheits- und Einheitsdenkmal, für dessen Standortverlagerung sich jetzt auch Eva Högl (SPD) stark macht (focus.de), und auf der anderen Seite des neuen Schlosses die Spreeterrassen, deren Bau noch im Oktober beginnen soll (morgenpost.de)

Mauerfall am Ersten: Sind wir nicht alle ein bisschen Schabowski?

Vor genau einem Jahr, am 10. Oktober 2016, schrieb ich über Fehlinfos im öffentlichen Raum … über den „verminten Todesstreifen“, verrutschte Lagekarten und falsche Bevölkerungszahlen, die uns auf Berliner Straßen von den Behörden vor die Nase gehalten werden. Jetzt hab ich noch eine gefunden. An der Heinrich-Heine-Straße.

Postsozialistische Infotafel am ehemaligen Grenzübergang Heinrich-Heine-Straße. Mauerfall. Acht Tage vor Schabowskis „Sofort“?

Postsozialistische Infotafel am ehemaligen Grenzübergang Heinrich-Heine-Straße. Mauerfall. Acht Tage vor Schabowskis „Sofort“?

Entweder ich übersehe da etwas ganz Simples oder ein Detail. Oder jemand Verantwortliches hat den Mauerfall (Mittwoch, Merkel in der Sauna) mit seinem eigenen Sauna-Termin durcheinander gebracht.

Der Schock beim Lesen

An der Heine-Straße steht eine Infotafel. Ein Trabi und ein Moskwitsch fahren vom Westen in den Osten. Drumherum stehen Menschen in einer dichten, langen Schlange (nach Ost) und andere flanieren Richtung Freiheit. Da es hell ist, muss es sich um den 10. November 1989 handeln. Wir lesen: 1.11.1989.

Wie kann so was passieren? Wahrscheinlich hat man hier einfach die Null hinter der ersten Eins vergessen. Wer ist „man“, der oder die sich so einen Flüchtigkeitsfehler erlaubt? Geschichte durcheinander bringt. Einem Guide in Berlin potenziell die Nerven raubt, wenn er irgendwann mal behaupten wird, die Mauer fiel an einem Dienstag. Den 1. November.

Schusselig ist menschlich – Sind wir nicht alle ein bisschen Schabowski?

Darf so was passieren? – Ja. Irgendwie ja. Denn mir fällt sofort – sofort – ein eigener Flüchtigkeitsfehler ein, den ich hier mal nicht ausbreiten möchte. Flüchtigkeitsfehler sind meistens die Sorte Fehler, die andere ausbaden müssen. In dem Falle: ich. So kommt mein eigener also endlich zurück. Die Dinger kommen immer zurück …

In der 44. und 45. Kalenderwoche bitte aufpassen! Wenn die Tafel an der Heine-Straße nur den Bruchteil ihrer möglichen Wirkung entfaltet hat, könnte es nämlich sein, dass sich einer hinstellt und drauf beharrt: „Nee, det war ´n Mittwoch. Heute ist Mauerfall.“ Obwohl noch nicht der Neunte ist. Der fällt diesjahr nämlich auf einen Donnerstag. Der Erste auf einen Mittwoch. Im Zweifel: in die Sauna gehen.

Hier der Artikel vom 10. Oktober 2016: „Berliner Fehlinfos für alle und frei zugänglich im öffentlichen Raum“

Die Oberwallstraße ist ein starker Zug!

Dass die Staatsoper eröffnet, bedeutet nicht nur das Ende eines Bauskandals. Mehr als das Haus selbst kriegen wir einen Platz zurück und eine völlig unterschätzte Straße. Was freue ich mich auf den Bebelplatz! Den ganzen. Er hat wieder Micha Ullmanns Mittelpunkt, die Kellerbibliothek. Er atmet wieder auf zwei Lungenflügeln, anstatt auf nur einem. Die Leute werden wieder Kreise um das Denkmal ziehen, anstatt Halbkreise am Bauzaun. Jeder wird wissen, wo er hier hin muss. Und die Hedwigskirche strahlt bis Unter den Linden.

Comeback eines Straßenzugs

Die Baustellen gehen, Berlin kommt! Das gilt auch für die andere Seite der Staatsoper. Hinter dem Opernpalais rappelt sich die Oberwallstraße wieder auf. Hoffentlich nicht nur, um im Dezember zum Weihnachtsmarkt zu mutieren. Nachdem die „Kronprinzengärten“ jetzt fertig sind, kann man hier zu Fuß schon wieder langgehen. Mehr schleichen eigentlich, an den Containern vorbei und an den Baufahrzeugen. Es kann nicht mehr lange dauern, und die ganze Straße wird frei. Befahrbar. Seit ich den Stadtkern-Ride mache, warte ich auf das Comeback dieses Straßenzugs.

Oberwallstraße nach Süden. Blickpunkt Hausvogteiplatz-Fassade. Links: Friedrichswerdersche Kirche und achteckiger Schinkel-Pavillon (Foto: André Franke)

Oberwallstraße nach Süden. Blickpunkt Hausvogteiplatz-Fassade. Links: Friedrichswerdersche Kirche und achteckiger Schinkel-Pavillon (Foto: André Franke)

Warum denn? 

Weil er so schön vom Hausvogteiplatz durch die Brückenbogen des Opernpalais Über die Linden zur Ecke „Hinterm Gießhaus“ führt. Die Oberwallstraße ist wörtlich: ein guter Zug. Das Beste an ihm: Er ist absehbar (wieder wörtlich zu nehmen): Man blickt von einem Ende zum andern …

Die visuelle Qualität der Oberwallstraße ist aber nicht ihre einzige. Sie hat auch historische (Nicht gleich gähnen!), dramaturgische und überlokale Fähigkeiten. Was die so alles kann …

  1. Sie erzählt an drei Stellen (Hausvogteiplatz, Hedwigskirche, „Hinterm Gießhaus“) die Geschichte der Festungsstadt.
  2. Sie inszeniert Unter den Linden dadurch, dass sie beim Durchqueren des nördlichen Brückenbogens das Panorama des Boulevards aufmacht: Humboldt-Universität, Neue Wache, Zeughaus, Berliner Dom, Fernsehturm, Schloss.
  3. Sie verbindet als Segment eines potenziellen Stadtkern-Rundwegs das Märkische Museum mit der Museumsinsel.
Oberwallstraße, Blick durch Brückenbogen zum Palais am Festungsgraben. Zuviel Blech im Stadtraum, inklusive Parkscheinautomat (Foto: André Franke)

Oberwallstraße, Blick durch Brückenbogen zum Palais am Festungsgraben. Zuviel Blech im Stadtraum, inklusive Parkscheinautomat (Foto: André Franke)

Eine Offenbarung erfährt, wer hier weitergeht. Aus der Enge heraus entfaltet sich das Panorama von Unter den Linden: 180 Grad Berlin (Foto: André Franke)

Eine Offenbarung erfährt, wer hier weitergeht. Aus der Enge heraus entfaltet sich das Panorama von Unter den Linden: 180 Grad Berlin (Foto: André Franke)

Hier wird die Oberwallstraße zu „Hinterm Gießhaus“. In der Ecke, am Baum, biegt der Straßenzug nach rechts ab zur Mueumsinsel. (Foto: André Franke)

Hier wird die Oberwallstraße zu „Hinterm Gießhaus“. In der Ecke, am Baum, biegt der Straßenzug nach rechts ab zur Mueumsinsel. (Foto: André Franke)

Die Oberwallstraße sollte deshalb mehr werden als Glühwein-Quelle und Hinterhof der Kronprinzengärten. Sie sollte eine echte Aufgabe bekommen:

Das Aufmerksamkeitsgefälle

zwischen nördlichem und südlichem Stadtkern

verringern helfen,

indem sie die Besucherströme verteilt, ein alternatives Angebot zur Touristenbahn „Gendarmenmarkt – Bebelplatz – Lustgarten“ macht und mehr Durchwegungsattraktivität entwickelt.

Natürlich nicht für Autos.