Das Städtchen an der Kirche – auf Zeit

— Fotostory, Meinung —

Der Weihnachtsmarkt vorm Roten Rathaus macht Stimmung, und zwar eine ganz besondere. Veranstalter Hans-Dieter Laubinger hat hier kulissenhaft das Berliner Marienviertel aufgebaut, nach dem sich einige Architekten und Politiker Berlins so sehnen. Aber ab dem 27. Dezember wird das aufwendige Fassenwerk am Fuße des Fernsehturms wieder zurückgebaut und schon bald verschwunden sein. Und wer vermisst das Städtchen dann? Laubinger hat ein Gefühl für Orte im Wandel. Seine Weihnachtsmärkte sind vom Alexa und Palastabriss verdrängt worden. Seit drei Jahren schlägt er sein Fest vor dem Roten Rathaus auf, an der Marienkirche. Ein Interview in der Bauwelt 47.10 zeigt, dass er versteht, wie dieser besondere Stadtraum funktioniert. Hier zunächst ein paar Eindrücke. – Die erste Fotostory auf futurberlin mit 13 Bildern.

Temporäres Triadentum: Hier wird mittels leicht übermannshohem Pyramidenbau das bereits vorhandene Stadtbildpotenzial, 365 Tage im Jahr präsentiert durch das Zweiergespann Marienkirche-Fernsehturm, in einen neuen Dreiklang überführt. Berlins höchste Vertikale von 368 Metern wird über die Turmspitze der Marienkirche nahezu bis auf Kopfhöhe der Menschen heruntergebrochen. Girlande gefällig?

Es mittelaltert doch sehr. Der Nachbar dieser Taverne verkauft Ganzkörper-Felle, Met und Trinkhörner aller Art. Nur geschmiedet wird nicht.

"Adressen bilden", dieses Stichwort ist in der Berliner Stadtplanung immer wieder zu hören. Willkommen also an der Marienkirche/Ecke Neptunbrunnen mit straßenbegleitender Laterne. - Kein Armleuchter das Ding, aber vollverkabelt und ohne Gas. Rechts an das Bild schließt sich der Neptunbrunnen mit Eisbahn an.

Hier lässt sich die Marienkirche mal so richtig die Sonne auf den Pelz scheinen. Erst auf den zweiten Blick erkennt man, dass es sich hier nicht um das originale Kirchenschiff handelt, sondern um ein Altberliner Bürgerhaus. Das beides nahtlos zusammenpasst, ist hier eine Frage der fotografischen Perspektive und dort (in der Debatte) wie reichhaltig man seine Trickkiste vorher füllt, bevor man sich später argumentativ aus ihr bedient.

Alles Fließende erstarrt im neuen deutschen Winter. Auch die Berliner Damen am Beckenrand des Neptunbrunnens, der Legende nach "die einzigen Berlinerinnen, die den Rand halten können", gucken etwas bedäppert aus den Schneemassen ihrer verfrorenen preußischen Flüsse, die sie repräsentieren. Nur das Krokodil scheint irgendwie Spaß daran zu haben.

Gigantisch wie ein Atomreaktor entwächst dem Dachstuhl des Bürgerhäuschens hier der Schaft des Fernsehturms. Wenn´s Türmchen einknickt, ist´s Hüttchen futsch.

Die Kulisse der Altstadt wirkt vor dem Hintergrund der Rathauspassagen wie ein Gartenzaun für den sozialistischen Städtebau.

Auf den Anblick des Schafts des Fernsehturms werden wir verzichten müssen, sollte das Marienviertel auferstehen. Stadthausfassade oder Turmfaszination - man kann nur eines haben.

Das ist die Hauptstraße des Weihnachtsmarkts vorm Roten Rathaus: Sie führt vom Riesenrad am Neptunbrunnen geradewegs zum Hotel Park Inn.

Fassadenspielerei ist eine Facette des Städtebaus. Interessant ist hier die farbliche Verwandschaft mit dem Turm der Marienkirche.

Die Fassadenkulisse auf dem Weihnachtsmarkt ist (nur) maximal 7,50 Meter hoch. Marktleiter Hans-Dieter Laubinger gewährt der Marienkirche durchaus visuelle Mitwirkungsrechte. Bei einer Bebauung des Areals mit 22 Meter Berliner Traufhöhe würde sie aus dem Stadtbild weitesgehend verschwinden. - Aus den Augen aus dem Sinn.

Jemand zu Hause? - Wer hier in Zukunft wohnen würde, hätte weder einen langen Weg zum Rathaus, noch zu den Bänken vor dem Altar: Hier könnte er sich bei den Regierenden für die Baurechte bedanken, dort vor Gott dafür Buße tun, sich mit dem Immobilienkauf öffentlichen Raum unter den Nagel gerissen zu haben, der einst den Berlinern gehörte - und im Grunde jedermann.

Und dann taucht auf dem Weg Richtung Alexanderplatz das richtige, prächtige Kirchenschiff von St. Marien doch noch auf. Gott sei Dank, wenn auch nur in Teilen.

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Platte pokert um Millionen

— Nachricht —

Beim Kaufhausbau auf dem Wertheim-Areal am Leipziger Platz in Mitte feilscht die B.Ä.R. Grundstücksgesellschaft als Eigentümerin der benachbarten Plattenbauten an der Voßstraße mit der Orco Germany um eine Abfindung. Es gehe um etwa zehn Millionen Euro, schreibt die Berliner Zeitung. Die deutsche Tochtergesellschaft der Orco Property Group hatte das Baugrundstück 2006 erworben und will es an den Berliner Projektentwickler High Gain House Investments verkaufen, der auf knapp 9 Hektar für 400 Millionen Euro ein neues Wohn- und Einkaufszentrum errichten will. Bisher wurde der Verkauf zwischen den Entwicklern durch Klagen der Anwohner nicht vollzogen. Sie befürchten Lärmbelastungen durch zukünftigen Lieferverkehr, der über die Voßstraße abgewickelt werden soll. Rechtsgutachten der finanzierenden Banken stützen jetzt die Annahme, dass die Klagen gegen das Bauprojekt vor Gericht erfolglos bleiben werden. Ende Januar 2011 soll die Brachfläche gegenüber dem Bundesrat endlich den Besitzer wechseln und mit dem Bau begonnen werden. Der Baubeginn war zuvor immer wieder verschoben worden. Nördlich der Voßstraße, heute Standort von Botschaftsgebäuden und Plattenbauten, stand bis Anfang der 1950er Jahre Adolf Hitlers Neue Reichskanzlei. (Berliner Zeitung, Tagesspiegel, futurberlin)

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Ministerium krallt sich Uferlage am Hauptbahnhof

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Der holländische Investor OVG Real Estate will am Humboldthafen ein Bundesministerium bauen. Er hat Anfang Dezember sein Projekt dem Bezirk Mitte vorgestellt, das von Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD) hinsichtlich Nutzung und Sicherheitsauflagen kritisiert wurde. Eine Uferpromenade am Hafen und Wegeverbindungen über das Grundstück am Alexander-Ufer / Ecke Kapelle-Ufer würden infolge der Nutzung als Ministerium unmöglich gemacht. Auch befürchet Gothe eine einseitige Entwicklung des Spreebogens hin zu einem „Beamtenghetto“ und sprach von „Bundesbürokratenburgen“. – In direkter Nähe, auf dem Areal des Bundespressestrands zwischen S-Bahntrasse und Spree, bereitet der Bund den Bau des Bundesministeriums für Bildung und Forschung vor und sucht für das Gebäude, das 650 Mitarbeiter beherbergen soll, einen privaten Investor. Auf dem Moabiter Werder, nördlich des Kanzlerparks, begann am 16. Dezember der Bau des neuen Bundesinnenministeriums. Auf 3,6 Hektar sollen hier bis Ende 2014 Räumlichkeiten für ca. 1.600 Beschäftigte geschaffen werden. Das Projekt der Berliner Architekten Thomas Müller und Ivan Reimann soll 208 Millionen Euro kosten. (Berliner Zeitung)

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Springer goes Spittelmarkt

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Ab März 2011 verlängert der Senat die Axel-Springer-Straße in Richtung Spittelmarkt. Der 300 Meter lange Straßenabschnitt soll zwei Fahrspuren je Richtung haben und 11,4 Millionen Euro kosten. Anwohner und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) klagen dagegen, weil sie die Grenzwerte für Lärm und Feinstaub überschritten sehen. Der BUND hält einen zweispurigen Straßenausbau für ausreichend. Die Grünen im Abgeordnetenhaus kritisieren das Vorhaben aus finanziellen Gründen. Die frühere Lindenstraße hatte nach dem Mauerbau ihre Funktion verloren. Ursprünglich waren durch sie die historischen Stadtteile Friedrichswerder und Friedrichsstadt miteinander verbunden. Der Anschluss der heutigen Axel-Springer-Straße an die Leipziger und Gertraudenstraße ist ein verkehrsplanerischer Akt des Planwerks Innenstadt, das Anfang 2011 vom Senat neu beschlossen werden soll. Im Kreuzungsbereich Spittelmarkt eröffnete am 9. Dezember das siebente Motel One-Hotel in Berlin. Das Gebäude wurde von den Architekturbüros Kny+Weber und Knich entworfen und ersetzt einen DDR-Flachbau, in dem bis zu seinem Abriss die Modeläden Exquisit und Ebbinghaus untergebracht waren. (Berliner Zeitung, futurberlin)

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Architekten gestalten Ufer an altem Mauer-Kanal

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Das Land Berlin hat zusammen mit der Vivico Real Estate GmbH einen Wettbewerb zur Gestaltung der Freiräume in der zukünftigen Europacity nördlich des Hauptbahnhofs ausgelobt. Auf 8,2 Hektar sollen zwischen Heidestraße und dem Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal eine Uferpromenade und ein neuer Stadthafen entstehen. Die Freiräume um den Nordhafen sollen aufgewertet werden, östlich davon entsteht die neue Firmenzentrale der Bayer Schering Pharma AG. Das östliche Kanalufer soll als Verflechtungsbereich in die Überlegungen einbezogen werden, hier befinden sich auf dem Gebiet des ehemaligen Grenzstreifens die Gedenkstätte Günter Litfin und der Invalidenfriedhof. Die Wasserflächen in den Häfen jenseits der Fahrrinne sollen für den Wassertourismus erlebbar gemacht werden. Aus dem Hamburger Bahnhof soll sich ein Kunst-Campus entwickeln. Die Europacity wird mit 40 Hektar Gesamtfläche etwa doppelt so groß wie der Potsdamer Platz. Gebaut wird gerade die neue Deutschlandzentrale des Total-Konzerns, der Total-Tower an der Heidestraße, als erstes Gebäude im Gebiet. Die Bewerbungsfrist für den Wettbewerb endet am 23. Dezember. (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, competitionline, fb)

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Steglitzer Kreisel brummt wieder

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Der Senat will den Steglitzer Kreisel sanieren. Laut einer Parlamentsvorlage soll 2011 ein Planungsbüro gefunden werden, das für den asbestbelasteten Bürotower an der Schlossstraße ein Sanierungskonzept erarbeitet. Die Sanierung soll von Juli 2012 bis Ende 2014 dauern, 31,26 Millionen Euro kosten und von der landeseigenen Berliner Immobilien Management GmbH (BIM) durchgeführt werden. Parallel dazu will das Land Berlin als Miteigentümerin seinen 50 Prozent-Anteil an dem 119 Meter hohen Gebäude verkaufen. Die andere Hälfte des Hauses gehört der Immobilienfirma Becker & Kries, sie bewirtschaftet die unteren Geschosse, den Flachbau mit Hotelnutzung und Geschäften. Die Stockwerke des Turms stehen dagegen seit dem Auszug des Bezirks-Rathauses im November 2007 leer. Die Vermarktung der Immobilie war bislang schwierig. Berlin hat im März auf der internationalen Immobilienmesse in Cannes nach Käufern für das Objekt gesucht. Mit zwei Interessenten laufen Verkaufsverhandlungen. Der Kreisel wurde 1980, nach zwölfjähriger Bauzeit und Konkursgehen der Baufirma fertiggestellt. (Berliner Zeitung, Tagesspiegel, Emporis)

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