Platte bezwingt Planwerk – Hintergründe im Fall „Haus der Statistik“

— Bericht —

Es ist ein Sieg für die Ost-Moderne. Platte bezwingt Planwerk. Thomas Flierl (Linke), Stadtentwicklungspolitiker aus dem Berliner Abgeordnetenhaus, spricht vom „geordneten Rückzug des Planwerk Innenstadt.“ Der Ex-Baustadtrat von Mitte hatte zur Abwehr des Planwerks einst B-Pläne aufstellen lassen, um die sozialistischen Großstadtsiedlungen entlang der Karl-Marx-Allee zu schützen, mit Erfolg. Der Senat hatte die Weiterbearbeitung der B-Pläne zwar untersagt, aber es kam zu einem politischen Kompromiss. Die verschollene Landsberger Straße sollte nur noch als Fuß- und Radwegebeziehung ausgebaut werden, anstatt als Erschließungsstraße mit Straßenbahnlinie wiederbelebt zu werden. Das war 1998.

Diese Lösung wird jetzt mit dem prämierten Entwurf von Augustin und Frank Architekten Berlin für das Areal des ehemaligen „Hauses der Statistik“ am Alexanderplatz fortgeschrieben. Mehr noch, die geplanten Blöcke passen sich an die Plattenbauten an. Und, im Hinblick auf die Nutzung, auch die Solitäre, in denen nur gewohnt werden soll.

„Noch vor Jahren hätten wir eine Hochhausdiskussion gehabt und hätten einen Wohnanteil festschreiben müssen“, hieß es von Manfred Kühne bei der Ausstellungseröffnung letzten Donnerstag. Der Städtebauer vom Senat verwies auf die Marktlage und Nutzungsinteressen der Eigentümer. Der Bund und das Land Berlin wollen auf dem Gelände keine Grünfläche errichten, denn die kostet. Das Planwerk Innenstadt hatte ihnen die Nutzung aufgebrummt, verbindlich als städtbebauliches Leitbild seit dem Planwerks-Beschluss des Senats vom 18. Mai 1999.

Gedacht war damals eine extreme Verdichtung an der Karl-Marx-Straße / Ecke Otto-Braun-Straße. Eine dahinterliegende Grünfläche sollte die Verdichtung kompensieren. Jetzt räumt Kühne ein, dass eine Grünfläche an einer Hauptstraße wie der Otto-Braun-Straße keine hohe Aufenthaltsqualität haben könne. Das alte Planwerk ist obsolet geworden.

Zwar sei es nach 1999 verwaltungsintern weiterentwickelt und überarbeitet worden, sagt Flierl. Eine politische Diskussion und ein neuer Senats-Beschluss stünden dagegen noch aus. Noch 2010, kündigte Kühne an, werde ein Beschluss vorbereitet werden. Fehlt nur noch die Debatte. Stadtplaner veranstalten am 28./29. Januar im Center for Metropolitan Studies an der TU Berlin einen Workshop „Beyond Planwerk Innenstadt“ und rufen zum strategischen Weiterdenken auf.

ANZEIGE


Rückzug des Planwerk Innenstadt an Karl-Marx-Allee

— Bericht —

Für das Gelände des ehemaligen „Hauses der Statistik“ an der Karl-Marx-Allee Ecke Otto-Braun-Straße in Mitte gibt es eine neue städtebauliche Planung. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hat ein konkurrierendes städtebauliches Gutachterverfahren durchgeführt und präsentiert die Entwürfe von vier Berliner Architekturbüros im Rahmen einer Ausstellung. Das Areal am Alexanderplatz sei in den vergangenen Jahren „Ort heftigster planungspolitischer Auseinandersetzungen“ gewesen, sagte Manfred Kühne, Leiter der Abteilung Städtebau und Projekte in der Senatsverwaltung. Er eröffnete die Ausstellung am Donnerstag und betonte die Kooperation im Verfahren mit Architekten, dem Bezirk Mitte und den Eigentümern, der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben und dem Liegenschaftsfond Berlin.

Der prämierte Entwurf des Büros Augustin und Frank Architekten lieferte die geforderte hohe Bandbreite an Gebäudetypologien und beantwortete die zentrale Wettbewerb-Frage nach der räumlichen Vernetzung des Plangebiets mit dem angrenzenden Wohngebiet an der Karl-Marx-Allee am überzeugendsten. Ausgehend von einer klaren Stadtkante an der Otto-Braun-Straße verjüngen sich drei 9-geschossige Blöcke trapezartig im rückwärtigen Bereich. Der Nutzungsmix aus Einzelhandel, Büros/Hotels und Wohnen variiert zwischen den Geschossen und in Abhängigkeit von der Nähe zum Wohngebiet. Zwei 11- und 15-geschossige Solitäre leiten zur offenen Bauweise über und dienen fast ausschließlich dem Wohnen. Ecke Karl-Marx-Allee schließt ein 13-stöckiges Büro- und Hotelhochhaus das Gebiet an den Alexanderplatz an, es ragt aus einem 4-geschossigen Block-Sockelbau heraus, der die Bauflucht der alten Landsberger Straße wieder aufnimmt.

Entgegen älteren Planungen hat die Landsberger Straße in dem Entwurf keine grundstückserschließende Funktion und wird nur mit landschaftsgestalterischen Mitteln wiederhergestellt. Die Blöcke orientieren sich am rechtwinkligen Straßengrundriss des DDR-Wohngebiets. Der radikale Ansatz des Planwerks Innenstadt von 1998, der eine starke städtebauliche Überformung des Gebiets mit der radialen Struktur der alten Königsstadt vorsah, sei aufgegeben worden, sagte Kühne. Inzwischen hätten sich die Nutzungsinteressen der Eigentümer, wie auch die Lage am Markt geändert, und es gäbe eine höhere Nachfrage nach Wohnen als in den Jahren zuvor.

Der Vorsitzende des Stadtentwicklungsausschusses im Abgeordnetenhaus Thomas Flierl (Linke) findet die Planung richtig und gut. Schon als Baustadtrat von Mitte (1998-2000) hatte er sich für den Erhalt der Ost-Moderne an der Karl-Marx-Allee eingesetzt, heute fordert er die verwaltungsexterne Weiterentwicklung des Planwerks Innenstadt mit politischem Beschluss. Nach Angaben von Kühne soll ein neuer Planwerksbeschluss noch in diesem Jahr gefasst werden. Die Ausstellung der Gutachter-Entwürfe läuft bis 6. Februar im Lichthof der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Am Köllnischen Park 3.

(teilweise veröffentlicht in Neues Deutschland v. 23.01.2010)

ANZEIGE


Auferstanden aus Ruinen – Abschied vom „Haus der Statistik“

— Bericht —

Getrost kann man an der Karl-Marx-Allee Ecke Otto-Braun-Straße von einem städtebaulichen Missstand sprechen. Das ehemalige „Haus der Statistik“ am Alexanderplatz verschreckt durch sein ruinöses Erscheinungsbild Autofahrer in den unterirdischen Kreuzungstunnel. Aber das wird sich ändern, das Grundstück wird neu bebaut.

Vier Berliner Architekturbüros haben dazu Entwürfe erarbeitet, Senatsbaudirektorin Regula Lüscher stellt die Pläne am Donnerstag vor. Sie sind das Ergebnis eines konkurrierenden städtebaulichen Gutachterverfahrens, das die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zusammen mit den Eigentümern und dem Bezirk Mitte durchgeführt hat. Der Siegerentwurf des Büros Augustin und Frank Architekten sieht vor, den baufälligen Gebäudekomplex in drei Blöcke aufzubrechen und im Kreuzungsbereich ein Hochhaus zu errichten. Die Arbeiten werden bis 6. Februar im Lichthof der Senatsverwaltung Am Köllnischen Park 3 ausgestellt.

Der 1970 errichtete Bürobau ist heute abrissreife Bausubstanz. Die Staatliche Zentralverwaltung für Statistik hatte vor der Wende hier ihren Sitz. Bekannt war das Haus auch für den „Natascha-Laden“ und die „Suhler Jagdhütte“. DDR-Bürger konnten hier Erzeugnisse aus der Sowjetunion kaufen oder sich in dem Jägerei-Fachgeschäft mit Ferngläsern, Flinten und Hirschfängern ausrüsten. Mieter nach 1990 waren die Berliner Außenstelle des Statistischen Bundesamtes und die Zentralstelle der „Birthler-Behörde“. Das Gebäude steht heute leer. Eine Zukunft jenseits des 40. Geburtstages wird es für das Bauwerk nicht geben. Auf den Jahrestag genau folgt es dem Staat ins Grab, der es gebaut hat.

Auferstehen wird auf dem Gelände ein Stück Vorkriegs-Berlin. Hier lag einst die historische Georgenvorstadt, später Königstadt genannt, deren Straßen ursprünglich strahlenförmig vom Alexanderplatz wegführten. DDR-Architekten haben den alten Stadtgrundriss an dieser Stelle mit einem 1962 fertiggestellten Plattenbau-Wohngebiet überplant. Die Landsberger Straße verschwand so aus dem Stadtraum. Einzig das 1913 gebaute „Haus der Gesundheit“ steht noch in der alten Straßenflucht. Mit ihrem Entwurf holen die Gewinner-Architekten sie ins Gedächtnis der Stadt zurück – teilweise.

(teilweise veröffentlicht in Neues Deutschland v. 23.01.2010)

ANZEIGE