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Wieder „Kaiserwetter“ am Schloss?

Das Schloss feiert Richtfest. Das Humboldtforum auch. Mögen beide Sonne tanken im „Kaiserwetter“ …

Am Freitag wird es sonnig und heiß. Ob dann jemand aus der geladenen Richtfestgesellschaft auf der Schlossbaustelle wieder von „Kaiserwetter“ sprechen wird? Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, hatte vor zwei Jahren bei der Grundsteinlegung keine Scheu, dieses Wort auszusprechen. Ich habe es selbst gehört, ich war dabei. Diesmal wird es mir nicht vergönnt sein. Weil ich nicht in Besitz eines Presseausweises bin, hat das große Haus keinen Platz für kleine Schreiber wie mich. Der Bau, den ich vor kurzem in einem Blogpost willkommen hieß, lässt mich vor der Türe stehen. Wenigstens nicht bei Regen. Oder begünstigt mich das Schicksal etwa mit der Perspektive von außen? Vom Schinkelplatz? Thyssen-Krupp-Platz? Den Kranz auf der Kuppel baumeln sehen, das geht doch am besten mit etwas Abstand, denke ich. So sag ich in weiser Voraussicht schon mal Danke, liebe Stiftung.

Schlosskuppel mit Dixieklo im Mai 2015: Menschlichkeit auf der Baustelle (Foto: Frank aus Hermsdorf, aufgenommen während der Zukunft-Berlin-Tour)

Schloss schlägt Humboldtforum

Doch das „Kaiserwetter“ macht mich immer noch ein bisschen kirre. Das Wort, sollte es jemand in Reden bemühen, klängen heute anders als 2013. Damals standen wir in der Baugrube, unter Straßenniveau. Jetzt redet man von der Kuppel herab. Der Bau selber spricht, der Rohbau wohlgemerkt, schreit: Schloss, Kaiser, Deutsches Reich! Das ist ein Dreiklang, der in keinem Forum weggeredet werden kann. Wilhelm von Boddien sagt in einem Interview, das Humboldtforum würde bei den Menschen nicht hängenbleiben. Sie würden zukünftig ins „Schloss“ gehen, weil sie den Begriff „Humboldtforum“ noch nicht verstanden hätten.

Werbung fürs Schloss. Kaiserwetter auch im Thälmannpark möglich

Werbung fürs Schlossrichtfest im Thälmannpark. Links: Gast auf der „Osten ungeschminkt“-Tour mit Berlin on Bike am 10. Juni 2015 (Foto: André Franke)

So ist es. Das habe ich selbst bei jenen beobachtet, die genau wissen, was das Humboldtforum sein soll. Im Februar dieses Jahres bemühte sich Staatssekretär Engelbert Lütke-Daldrup bei einer Veranstaltung in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung wirklich darum, nicht vom „Schloss“ zu sprechen. Es fiel ihm gar nicht so leicht. Aber das immer erklärungsbedürftige „Humboldtforum“ wollte sich einfach nicht auf seine Zunge legen. Am Ende seiner Ausführungen, befördert durch Emotion beim Reden, vergaß er den Vorsatz, und es kam wieder das einsilbige, schnelle Schloss heraus. Ist ja auch gar nicht schlimm, ich mach´s ja genauso. Boddien hat längst gewonnen.

Die letzten Sonnenstrahlen im Schloss 1918

Aber mit dem Kaiserwetter sollte man vorsichtiger sein am Freitag. Mögen die Gäste es bloß nicht herbeirufen! Einmal aufgegangen, bleibt die wilhelminische Sonne, jegliche Menschlichkeit verachtend, fest am Himmel stehen. Und geht als letzte unter. Wie im November 1918. Über die letzten „Sonnenstrahlen“ im Berliner Schloss (als Lebensmittelvorräte des Kaisers) schreibt Heinz Knobloch unter Berufung auf den Zeitzeugen Wilhelm Carlé etwas, bei dem sich des Lesers Magen umdreht, so er denn gefüllt ist:

„Bereitwillig führt man mich in die großen Lagerräume. Ich war darauf gefasst, ein Lager vorzufinden, aber das dort gesehene übertrifft doch alle meine Erwartungen. In großen, weiß getäfelten Kammern stand hier alles, aber auch wirklich alles, was man sich an Lebensmittelvorräten überhaupt denken kann. Nein, ich muss mich verbessern, man kann es sich nicht ausdenken, dass nach vierjährigem Krieg noch solche ungeheuren Mengen von Lebensmitteln aufgespeichert sind. Da finden wir Fleisch und Geflügel auf Eis, Saucentunken in großen Kisten, blütenweißes Mehl in Säcken bis an die hohe Decke aufgestapelt, tausende von Eiern, Riesenbassins mit Schmalz, Kaffee, Tee, Schokoladen, Gelees und Konserven jeder Art aufgeschichtet in unendlich scheinenden Reihen. Hunderte von blauen Zuckertüten, Hülsenfrüchte, Dörrobst, Zwieback usw. Man ist sprachlos und denkt unwillkürlich an den alten Witz, dass die Mengen so groß sind, dass ein Mann allein sich davon unmöglich einen Begriff machen kann. Der Wert der Vorräte beläuft sich auf mehrere hunderttausend Mark. Wenn diese Lebensmittelvorräte augenblicklich nicht besser zu gebrauchen wären, so möchte  man vorschlagen, sie unberührt dem deutschen Volke im Nationalmuseum als ein ewiges Zeichen zu erhalten, damit Kinder und Kindeskinder noch sehen mögen, wie in Deutschland, während Millionen hungerten, ‚Gottbegnadete‘ durchhielten.“ (aus: Berlins alte Mitte, Jaron-Verlag, 1996, Berlin)


Futurberlin-Eventreport zur Grundsteinlegung des Schlosses am 13. Juni 2013 

Boddien-Interview mit Deutschlandradio Kultur

Kürzliche, jetzt fragwürdige Futurberlin-Anfreundung mit dem Schlossbau

Schlossverkauf: Große Erzähler braucht das Land

"Extrablatt" des Fördervereins Berliner Schloss e.V. - Herstellungskosten 30 Cent, Spendeneffekt: 17.000 Euro (Foto: André Franke)

„Extrablatt“ des Fördervereins Berliner Schloss e.V. – Herstellungskosten 30 Cent, Spendeneffekt: 17.000 Euro (Foto: André Franke)

Wilhelm von Boddien ist ein bestechender Rhetoriker. Alle gesammelte Erfahrung gipfelt in Anekdoten. Dabei besitzt er die Gelassenheit eines Mannes, der es geschafft hat. Immerhin hat er nicht nur den Bundestag vom Schlossbau überzeugt, sondern ist auch Vater und Großvater von 5 Kindern und 13 Enkelkindern, wie er letzten Montag bei dem Vortrag zu den Schlossfassaden sagte. Seine Erzählkunst verbindet sich aber automatisch mit dem Marketingexperten, der er gleichermaßen ist. Das „Extrablatt“, das er als Geschäftsführer des Fördervereins Berliner Schloss herausgibt, koste ihn pro Heft 30 Cent, sagt er. Mit Versandkosten etwa 2,50 Euro. Aber jedes einzelne bringe immerhin bis zu 17.000 Euro in die Spendenkasse. Deshalb sei ihm das Heft sehr wichtig. Und am wichtigsten die letzte Seite, die mit dem Ausfüllformular: „Bitte ankreuzen und abschicken!“. Das ist nicht nur in Ordnung, sondern fast schon beneidenswert. Seine Leidenschaft hat einen klaren Zweck (die Spende). So ist auch das Humboldtforum für ihn ein Mittel zum Zweck (die Schlossgeschichte). Mit den Geschichten, die das Humboldtforum zu erzählen vermag, so beschreibt es Boddien metaphorisch, müsse der Geist der unkultivierten, ungebildeten Jugendlichen unseres Landes geöffnet werden, wie man die Schnäbel von Gänsen öffnet, bevor man sie stopft. Dann käme es darauf an, in die freudige, erwartungsvolle Offenheit (das sind meine eigenen Worte) das nachzuschieben, was ab 2019 dann die Kunstsprache der rekonstruierten Fassadenwelt kommuniziert. Das ist hohe Erzählkunst, die bei der Seidenstraße beginnen mag und in Berlin am Schlosse endiget. Tja, und genau das hat Wilhelm von Boddien am Montag vorgemacht.

Boddien erklärt die Barockfassaden

Schlossbauhütte: Gipsmodell des Innenportals II von Barockbildhauer Frank Kösler, März 2015 (Foto: André Franke)

Schlossbauhütte: Gipsmodell des Innenportals II von Barockbildhauer Frank Kösler, März 2015 (Foto: André Franke)

Es ist soweit. Mit den Barockfassaden bin ich übern Berg. Als letztens die Berliner Zeitung ihren Aprilscherz über sie machte, blieb mein Zwerchfell weitestgehend unbewegt. Das mag daran liegen, dass ich mittlerweile schon zum zweiten Mal in der Schlossbauhütte war und zuviel gesehen habe. Zuviel Arbeit, zuviel Kunst. Und zuviel Bildhauerleidenschaft. Wenn Frank Kösler zu mir sagt: „Ich lebe und sterbe für diese Aufgabe“, dann glaub ich ihm das. Er hat die Portalkrönung des Innenportals II modelliert (siehe Bild oben), eine Teilrekonstruktion. Die dunklen „Genien“ rechts und links sind hier nur Platzhalter aus Plastik. Die noch vorhandenen Originale werden später in das Sandsteinportal eingesetzt. Heute hält Wilhelm von Boddien, Geschäftsführer des Fördervereins Berliner Schloss e.V., einen Vortrag über die Schlossfassaden (19 Uhr in der ZLB, Säulensaal im Alten Marstall, Breite Straße 30-36). 

Ende April erscheint auch ein Artikel von mir in der neuen Ausgabe von „Berlin vis à vis“ zum Fassadenprojekt