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Ein Wort der Wahrheit

Als ich vor Weihnachten über das „Wort zuviel“ schrieb, über das „Noch“ in dem Rettig-Satz, beim Berliner Schloss (eben: noch) auf gutem Wege zu sein, ahnte ich nicht, dass die Wende am Bau so kurz bevorstand. Es war ein Wort der Wahrheit, nichts Geringeres, das wissen wir jetzt. Und es macht jetzt – nach dem erklärten Rückzug Rettigs – sogar Sinn. Nur so. Er wusste, dass er geht. Wir wussten es nicht.

Schlossbaumanager Manfred Rettig wirbt in Tagesspiegel-Anzeige für plankonformes Verhalten aller Baubeteiligten - kurz vor Weihnachten 2015 (Foto: André Franke)

Schlossbaumanager Manfred Rettig wirbt in Tagesspiegel-Anzeige für plankonformes Verhalten aller Baubeteiligten – kurz vor Weihnachten 2015 (Foto: André Franke)

Das kleine Wort entfaltet große Wirkung. Die Zeitungen finden in den Quartalsberichten und Sitzungsprotokollen der Schlossstiftung die Wahrheit über die „beste Baustelle Berlins“: Die Baustelle ist wie alle andern. 2019 gibt´s eine Teileröffnung, der Bau wird teurer. Der Risikopuffer gleicht die Mehrkosten momentan – noch – aus. Denn wie klein erscheint die Risikosumme von 29,9 Millionen Euro vor der Größe des Rufs des Kreateurs von der Insel.

Die dritte Wahrheit tritt hier hervor: Rettig geht, weil MacGregor kommt. Das hat nichts mit groß und klein zu tun. Nur mit der Unvereinbarkeit zweier Projekte. Wo das starre Schloss ist, kann kein dynamisches Humboldtforum sein. Wo Neil MacGregor Welten arrangiert, müssen Wände so flexibel sein wie die Ausstellungsgegenstände selbst. Die Exponate, sagt Rettig in der Morgenpost, seien aber bis auf den Zentimeter genau eingeplant. „Wir wissen genau, wo was hinkommt.“ Das heißt, das Humboldtforum wurde bis jetzt mit dem Geist des Schlosses geplant. Damit ist Schluss. Jetzt kommt der Weltgeist in ein Haus, wo die deutsche Industrienorm schon auf der Zielgeraden war, holt tief Luft, bläst die Backen auf und pustet mit Rückenwind von ganz oben den Laden kräftig durch. Da platzen im Schloss die frisch eingebauten Fenster auf, fallen Wände und am Ende sogar die Barockfassaden. Jetzt kommt die Nutzung, die sich den Körper baut.

Rettigs Ruhestand war eine weise Entscheidung. Und eine sympathische dazu, sagt er doch, er sei gesund und munter und er wolle vom Leben noch etwas haben. Offenbar gibt es Wichtigers als ein Schloss zu bauen. Sehe ich genau so: einen Flughafen bauen. Die Schloss-BER-Assoziation ist in letzter Zeit wahrhaftiger geworden.


Manfred Rettig wird bei Lea Rosh zu Gast sein, wenn es am 1. Februar in der Kommunalen Galerie, Hohenzollerndamm 176, um das Umfeld des Humboldtforums gehen wird – ab 20 Uhr (Eintritt 10 EUR)