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Piraten-website „BERwatch“ rettet alle Flughafen-Verwirrten – DANKE!

Ein Eldorado für alle Flughafen-Verrückten: die website "BERwatch" von den Berliner Piraten

Ein Eldorado für alle Flughafen-Verrückten: die website „BERwatch“ von den Berliner Piraten

Als ich vor ein paar Wochen mit Kollegen in der Stadtklause am Askanischen Platz saß und wir über den BER redeten, wurde mir klar, dass das Problem des Flughafenprojekts aus heutiger Sicht im Grunde darin besteht, dass die Vorgänge und verschiedensten Aspekte nicht mehr kommunizierbar sind. Es fehlt die Zeit, um die ganze Geschichte zu erzählen. Und hätte man sie, fehlte den Zuhörern die Geduld. Denn es müsste ja so lange dauern!

Ich frage mich, in welcher Form die Geschichte vom BER eigentlich erzählbar wäre. Wie geht diese Geschichte? Wer kann sie (mir) in zehn Minuten zu verstehen geben? Und was ist an ihr eigentlich das Wichtigste? – Eine einfache Chronik beantwortet diese Frage nicht.

Suchend bin ich gestern auf die website “BERwatch” der Berliner Piraten gestoßen, auf der sie den Bauskandal vieldimensional für den laufenden Untersuchungsausschuss im Abgeordnetenhaus aufarbeiten. Und ich bin beeindruckt. Ich will sie hiermit all jenen empfehlen, die professionell oder in ihrer Freizeit in die Wissenschaft des “komplexen Flughafenverbaus” einsteigen wollen.

Die website bietet gleich mehrere, externe Chroniken an, verlinkt zu den jeweiligen Medien. Die Chronik von BERwatch selbst ist abrufbar nach separaten Themen, zum Beispiel Standortwahl, Lärmschutz, politische Aufarbeitung. Aber nicht nur das. Die website hat auch die überholten Zielsetzungen des Projekts erfasst, und führt systematisch in den Dschungel der an dem Großprojekt beteiligten Akteure. Das ganze wird unterlegt mit fundierten und für jeden einsehbaren Dokumenten.

Wünsche viel Spaß dabei!

Entmietet durch den Staat – Berlin opfert seine Mieter für die A100

Entmietet zu werden, gehört für die Berliner seit der neuen Wohnungsnot zum Reigen potenzieller Zukunftsängste. Wen es erwischt, der ist stocksauer, erbost, verzweifelt, will nicht mehr … oder jetzt erst recht. Tritt im Entmietungsprozedere statt des verhassten privaten Immobilienhais dann auch noch der Staat als Hauptakteur auf, dann vervielfacht sich die Wut der Entmieteten, Entrechteten, wie jetzt in Treptow.

Dort führt die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung stellvertretend für die Bundesrepublik Deutschland, die die Eigentümerin ist, ein Besitzeinweisungsverfahren für zwei für den Abriss bestimmte Wohnhäuser in der Beermannstraße 20 und 22 durch. Den noch verbliebenen Bewohnern soll dadurch das Mietrecht entzogen werden. Hintergrund ist der Ausbau der A100.

Ein Artikel des Blogs “Karla Pappel”, eine Initiative gegen Mietpreiserhöhungen und Verdrängung in Alt-Treptow, bringt die Wut der zu Verdrängenden nicht zuletzt mittels der Wortwahl zum Ausdruck. Eine Aufzählung:

“Baumafia”, “Bananenrepublik”, “Senatsschweinereien”, “Drecksarbeit”, “Diktatur”.

Staatssekretär Christian Gaebler, aus dessen Email-Korrespondenz der Artikel auch zitiert, wird als “kalter Machttechniker” bezeichnet und der heutige Regierende Bürgermeister Berlins, Michael Müller, kommt aus der Stadtentwicklungsbehörde “herausgekrochen”, so steht es im Text.

Wut also. Darüber, dass die gleichen Verantwortlichen an anderer Stelle in der Stadt neue Wohnungen bauen lassen, aber in der Beermannstraße die Wohnungen opfern. Darüber, dass sie, die Bewohner, selbst geopfert werden. Für die Enteignungsbehörde sind sie “Illegale”. Und so werden sie auch behandelt: Fenster und Türen von bereits leerstehenden Wohnungen werden verbarrikadiert, die benachbarte besetzte Kleingartenanlage wird geräumt und beschädigt, Bäume werden gefällt ohne Genehmigung, und ein Bagger reißt ohne Vorwarnung eine Hofmauer ein, inklusive eines später zur Anzeige gebrachten Angriffs auf einen Anwohner. – So beschreibt der Blogartikel die jüngsten Vorkommnisse auf den Grundstücken.

Zehn Mietparteien harren in den Häusern noch aus. Die Zwangsräumung sei laut Artikel für den 16. Februar geplant. Vorher wird es noch einen Besitzeinweisungsbeschluss geben oder auch nicht.

Eine Demo gegen die Zwangsräumung und den Abriss findet am 6. Februar um 14:00 Uhr beginnend an der Cuvrystraße in Kreuzberg statt.

Der BER verdient keine Eilmeldungen

Screenshot Tagesschau.de vom 12.12.2014 - Da hat einer nicht umsonst gedrückt. (Danke David)

Screenshot Tagesschau.de vom 12.12.2014 – Da hat einer nicht umsonst gedrückt. (Danke David)

Eine Eilmeldung ist eine Nachricht, die schneller unterwegs ist als alle anderen. Sie läuft sogar Gefahr, Schallmauern von so eben Gesagtem und Gehörtem zu durchbrechen und sich selbst wieder einzuholen. Ganz so, wie es die Katze tut, die sich in den eigenen Schwanz beißt. Dann löst sich die Eilmeldung schließlich selber auf … So geschehen am Freitag, als Tagesschau.de Hartmut Mehdorns neuen Eröffnungstermin für den BER kundtat – eben als Eilmeldung. Übers Wochenende muss das Geschoss „2. Jahreshälfte 2017“ dann so dermaßen an Fahrt aufgenommen haben, dass es den Flughafenprotagonisten Mehdorn, ausgerechnet den Schöpfer des „Sprint“-Expertenteams, selber mit fortriss. Am Montag kündigte Mehdorn seinen Rücktritt an. Und Tagesschau.de schickte Eilmeldung BER Nr. 2 raus – sicherlich die gerechtfertigtere unter den zwein. Wenn aber Hartmut Mehdorn früher geht, als erwartet, und die Suche nach dem wahren Bär wieder von vorne losgeht, können wir den verkündeten, mittlerweile dreimal um die Welt gerasten Termin genauso ernst nehmen wie die vorherigen.

„Die Pistole auf die Brust gesetzt“ – A100 bricht sich Bahn in Treptower Beermannstraße

16. Bauabschnitt der A100, Grafik: Flyer SenStadtUm

16. Bauabschnitt der A100, Grafik: Flyer SenStadtUm

Für die Mieter der zwei vor dem Abriss stehenden Altbauten in der nahe des S-Bahnhofs Treptow gelegenen Beermannstraße wird es in diesen Tagen ernst. Ihnen wurde wegen des unmittelbar bevorstehenden Weiterbaus der A100 von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (SenStadtUm) gekündigt. Die Abendschau hat einen der zwölf noch verbliebenen Mieter interviewt, dem SenStadtUm zuvor Ersatzwohnungen mit (im Vergleich zur Bestandsmiete) 60 bis 120 Prozent höher liegenden Mietpreisen angeboten hatte. Doch Benjamin S. schlug die Angebote aus. Er sieht sich, wie es im Beitrag heißt, mit einer „vorzeitigen Besitzeinweisung“ konfrontiert und wird per Email aufgefordert, die Wohnung bis zum 31.10.2014 zu übergeben. „Man hat uns sozusagen die Pistole auf die Brust gesetzt“, sagt er. Auch die benachbarten Kleingärtner sollen für den 473 Millionen Euro teuren 16. Bauabschnitt der Stadtautobahn zum 15. November die Schlüssel übergeben. 2022 soll sie auf dann neugebauten 3,2 Kilometern Länge vom Autobahndreieck Neukölln zum Treptower Park führen. Tobias Trommer vom „Aktionsbündnis A100 stoppen“ kritisiert die Verwaltung für den Umgang mit den Mietern und ist sprachlos.

Europalette? Passt schon! – Kreuzberger Lasträder von „Velogista“ mischen motorisierten Lieferverkehr in Berlin auf

Leichtgewicht: Ein Elektrolastrad der Transportfirma "Velogista" aus Kreuzberg. Bald in Scharen? - Es wird Zeit, dass sie kommen!

Leichtgewicht: Ein Elektrolastrad der Transportfirma „Velogista“ aus Kreuzberg. Bald in Scharen? – Es wird Zeit, dass sie kommen!

Ein Kreuzberger Transportunternehmen namens „Velogista“ will die Revolution des innerstädtischen Lieferverkehrs in Berlin, aber auch andernorts. Elektrolastenräder, die mehr Masse transportieren können, als sie selber auf die Waage bringen, sollen motorisierte Lkw und Lieferfahrzeuge ersetzen. (Hier das Konzept.) Noch hat „Velogista“ gerade einmal zwei Lasträder, aber die im Mai gegründete Genossenschaft um Gründer Martin Seißler und Mitgründerin Sabine Föppl plant den offensiven Ausbau ihrer Flotte mit einer im Oktober angelaufenen Crowdfunding-Kampagne, die noch 22 Tage läuft. Für „Velogista“ arbeiten derzeit acht Leute ehrenamtlich. Drei Fahrer sind (auch das ist revolutionär, für die Branche) nicht „Velogista“-Subunternehmer, sondern festangestellt. Das Projekt zählt bereits über 30 Geschäftskunden.

Mit Schiller: Was heißt und zu welchem Ende studiert man Fahrradgerechtigkeit?

Es war ein Satz wie aus einem Drehbuch. Deshalb war er mir sofort symphatisch. Senator für Stadtentwicklung Michael Müller (SPD) freut sich in einem Artikel der “Welt” darüber, dass immer mehr Berliner mit dem Rad fahren, lässt die Infrastruktur für den Radverkehr ausbauen, schiebt aber allzu großen Hoffnungen auf eine entschlossene Wende in der Berliner Verkehrspolitik den Riegel vor:

„Wir werden den alten Fehler einer autogerechten Stadt nicht durch den neuen Fehler einer fahrradgerechten Stadt wiederholen.”

Linienstraße Ecke Gormannstraße

Linienstraße Ecke Gormannstraße: eine Alltagsblockade im Juni 2014. Ich zähle 4 Kfz und 5 Radfahrer. Das macht zwar einen Radverkehrsanteil im Modalsplit von über 50 Prozent, aber durch kommt hier keiner mehr.

Klingt gut, wie gesagt, trifft aber ins Leere:

  1. weil die neuen, potenziellen Fehler einer fahrradgerechten Stadt verglichen mit den Schwerst-Eingriffen der autogerechten Stadt leichtfüßiger, stadtraumverträglicher und schneller revidierbar wären. Der Umbau der Stadt von der autogerechten zur fahrradgerechten ist organisatorischer Art, nicht baulicher;
  2. weil sich “Autogerechtigkeit” und “Fahrradgerechtigkeit” gar nicht unbedingt ausschließen. Die “Fahrradstraße” Linienstraße in Mitte zum Beispiel soll ja von ihrer Konzeption her Klarheit schaffen: Autos auf die Torstraße, Räder auf die parallel verlaufende Linienstraße. Beide Verkehrsarten profitierten davon, wenn man das Konzept konsequent umgesetzt hätte und den Kompromiss mit der Anliegerstraße nicht eingegangen wäre. Stattdessen haben wir mit der unheilvollen Kombination aus (sowohl fahrendem, als auch ruhendem) Anlieger-, Liefer- und besonders durch die Taxen praktizierten Durchgangsverkehr, nach einem Bericht der Berliner Zeitung den drittgefährlichsten Radverkehrsort in Berlin geschaffen (nach Schönhauser Allee: Nr. 1 und Unter den Linden: Nr. 2);
  3. weil es jenseits von beidem um eine übergeordnete Verkehrsgerechtigkeit gehen muss, die nicht nur kleinräumig, wie am Beispiel von Tor- und Linienstraße, sondern auch auf größerem Maßstab zum Tragen kommen sollte. Michael Müller sagt ja auch, es sei wichtig, die Verkehrspolitik an das sich wandelnde Mobilitätsverhalten anzupassen. Das hieße aber, die gemessenen Verschiebungen im Modalsplit auf die Straße zu übertragen. Automatisch entstünde die Fahrradstadt in Teilen der Berliner Innenstadt, und es bliebe gleichzeitig genug Autogerechtigkeit für den Kfz-Verkehr in den Außenbezirken, Radial- und Tangentialstraßen.

Wir dürfen keinen Leitbild-Krieg führen. Vielleicht meint der Senator das. Aber wie zwei Muskeln im konträren Zusammenspiel dafür sorgen, dass sich der Knochen bewegt (was mir mein gerade zu Ende gehender Hexenschuss im Negativ vor Augen führte), so brauchen wir auch beide, aufeinander abgestimmte und sich nicht gegenseitig blockierende “Teilgerechtigkeiten” für die Bewegung in Berlin – damit kein Krampf entsteht wie in der Linienstraße und damit wir uns die Knochen am Ende nicht brechen.

Schiller philosophierte bei seiner akademischen Antrittsrede in Jena einst über die Frage: “Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?” und beschreibt die ideale Geisteshaltung des Wissenschaftlers, den “philosophischen Kopf”, den wir wider aller Systeme und Fahneninschriften in Berlin brauchen:

“Neue Entdeckungen im Kreise seiner Tätigkeit, die den “Brotgelehrten” niederschlagen, entzücken den philosophischen Geist. Vielleicht füllen sie eine Lücke, die das werdende Ganze seiner Begriffe noch verunstaltet hatte, oder setzen den letzten noch fehlenden Stein an sein Ideengebäude, der es vollendet. Sollten sie es aber auch zertrümmern, sollte eine neue Gedankenreihe, eine neue Naturerscheinung (z.B. 50 Prozent Radverkehrsanteil in der Kastanienallee schon im Jahre 2010 – Anm. d. Verf.), ein neuentdecktes Gesetz in der Körperwelt den ganzen Bau seiner Wissenschaft umstürzen: so hat er die Wahrheit immer mehr geliebt als sein System, und gerne wird er die alte mangelhafte Form mit einer neuern und schönern vertauschen. Ja, wenn kein Streich von außen sein Ideengebäude erschüttert, so ist er selbst, von einem ewig wirksamen Trieb nach Verbesserung gezwungen, er selbst ist der erste, der es unbefriedigt auseinanderlegt, um es vollkommener wiederherzustellen.”

Schweizer „Velo-Sack“ an der Oranienburger gefunden

Der Austausch über Stadtentwicklung kann so fruchtbar sein. Vor allem wenn er länderübergreifend stattfindet. Hier das Gelernte von einer exklusiven Zukunft-Berlin-Tour vom Montag.

Schweizerische Straßenbaukommissare waren am Montag unterwegs mit mir auf einer Zukunft-Berlin-Tour. Da sie sich auch speziell fürs Thema Fahrradstadt interessierten, begannen wir die Tour über die Choriner und Linienstraße. Beides sind bekanntlich ausgewiesene “Fahrradstraßen”. Etappenziel: das Fahrradfahrerlinksabbiegervorhaltefenster am Ende der Linienstraße, wo auch die Oranienburger auf die Friedrichstraße trifft. Ich wiederholte die Behördenvokabel mehrmals. Die Schweizer kannten die Einrichtung, aber nicht den Begriff. “Bei uns heißt das”, sagte einer ganz trocken, “Velo-Sack”. – Wie geil war das denn! Kurz darauf fragte einer, ob es nicht auch bei uns in Deutschland irgendeine Abkürzung dafür gebe. Ich kenne keine, aber werde mich dafür einsetzen, dass sich “Velo-Sack” durchsetzt. Versprochen, meine lieben Kommissare.

"Velo-Sack"

 

Italienischer Soziologe hält Berliner Radler für Faschisten – Mief heil …

Fiel ihm da wirklich kein anderer Begriff ein, keine treffendere Bemerkung, kein sanfteres Wort? In einem Artikel der F.A.Z. wird der Soziologe Francesco Masci aus seinem neuen Buch “Die Ordnung herrscht in Berlin” mit einem Satz zitiert, der wie eine Bombe einschlägt: Bei den Berliner Radfahrern fände sich ein gewisser Faschismus. (Der Konjunktiv möge an dieser Stelle die Bombe zu einem Blindgänger machen.)

Haben wir das verdient? Wir, die Radelnden, die als “Büroflitzer” morgens ins Büro fahren, abends zurück nach Hause und auf diese Weise unseren Bewegungsmangel kompensieren; wir, die Radelnden, die als Kuriere auf den Straßen Berlins täglich Tour-de-France-Etappen zurücklegen und quasi auf ihnen zu Hause sind; wir, die Radelnden, die im “Family-Pack”, Kind und Kegel im Karren, nach Kopenhagener Vorbild unseren Alltag gemächlich durch Kiez und Stadtteil manövrieren; und wir, die radelnden hedonistischen Touristen?

Nein. Die Berliner Radfahrerschaft ist zersplittert. Die “Flitzer”, “Herdenradler” und “Karrentreiber” fahren mit äußerst verschiedenen Geisteshaltungen über die Straßen der Stadt. Ihr nicht immer und überall zu Tage tretendes Unverständnis, ihre Arroganz und Aggression richten sich nicht “gleichgeschaltet” gegen alles Nicht-Radelnde, sondern auch gegen sich selbst. Faschismus ist hier nicht in Sicht, allein deshalb nicht, weil ohne autoritäre “Führung” geradelt wird.

Masci schreibt weiter:

“Der Berliner Radfahrer versteht sein Fahrrad als Sinnbild der Reinheit; er ist davon überzeugt, das Gute zu tun, den anderen überlegen zu sein und deshalb auch alle Rechte zu haben.”

Damit hat er den Nagel auf den Kopf getroffen, aber es klingt, als wolle er sich die erlangte Erkenntnis nicht eingestehen und den Radlern ihren Nimbus streitig machen. Dabei schreit die Überlegenheit des Fahrradfahrers gegenüber dem motorisierten Individualverkehr in der Innenstadt zum Himmel, wenn man sieht, wie spielerisch die Zweiräder an den aufgestauten Reihen der Pkw – sei es vor Ampeln oder Baustellen – vorbeiziehen. In solch einer glücklichen Lage, im Vorbeiziehen eben, sieht man, riecht man und fühlt man, dass das, was da aus den Auspuffen zum Beispiel in Form von Wärme herauskommt, ein hoher Preis für die kurze Fahrt von A nach B ist, den nicht nur diejenigen bezahlen, die drin sitzen, sondern auch alle andern draußen. Mief heil.

Und was das Recht anbelangt, hat der Berliner Radfahrer durchaus neue Rechte hinzugewonnen, für die er sich zum Teil auch lautstark einsetzt. Sie liegen zum Beispiel in der Anlage 2 der Straßenverkehrsordnung hinter dem Vorschriftszeichen 244.1 verborgen. Dort steht, dass Radlern in “Fahrradstraßen” das Nebeneinanderfahren erlaubt ist. Die gibt es zum Beispiel in Mitte oder Prenzlauer Berg. Hier aber müssen die Radfahrer um dieses Recht jeden Tag aufs Neue kämpfen – gegen Fahrzeug-“Führer”, vor allem Taxifahrer, die dieses mittlerweile bekannte Recht in Frage stellen und ignorieren. Wollen wir hoffen, dass Masci, der laut Artikel in Berlin lebt, die Idee zu einem neuen Berliner Radfahrerfaschismus nicht auf der Rücksitzbank eines gegen die Regeln verstoßenden Taxis in der Linienstraße kam. Dann hätter er seine verbale Bombe auf der falschen Seite gebaut.

Zwischen Metropolenboulevard und Großstadtkiez – Die Kleiststraße in Schöneberg ist ein Ort „dazwischen“

Hier ging Herrn Grundeis der Arsch auf Grundeis, als “Emil und die Detektive” ihn in die Bankfiliale jagten: am Nollendorfplatz, Ende Kleiststraße. Und wenig später bekam Emil sein Geld zurück – natürlich alles nur fiktiv in Erich Kästners Kinderroman. Dem Nollendorfplatz sieht man seine Legenden nicht an. Zweifelhaft, ob sich Altkanzler Helmut Schmidt mit seiner Loki hier ein zweites Mal verloben würde, wie er es 1942 tat. Der einstige Schmuckplatz ist verschmutzt, deformiert und grau. Dabei ist der “Nolle” das Tor des Nordens für den gründerzeitlichen Winterfeldtkiez. Schaut man von hier aus nach Westen, erkennt man in der Ferne Peek & Cloppenburg am Tauentzien. Das Kaufhaus drüben ist eine Perle des Metropolenboulevards der City West, aufgereiht neben einer anderen, dem KaDeWe am Wittenbergplatz. Doch dazwischen, was liegt da? Ein Spaziergang durch die Kleiststraße zeigt einen Ort, der sich verändern wird …

Der ganze Artikel ist zu lesen: gedruckt im Magazin „berlin vis à vis“ Nr. 55, Ausgabe Sommer 2013 oder hier online.

„Wir sind hier nicht in Seattle Dirk …“

Spätestens als Stefan Erfurt neulich, wie das Regionalmanagement City West berichtet, ein Bittschreiben für eine Fußgängerampel über die Hardenbergstraße an Klaus Wowereit übergab, muss dem Geschäftsführer des c/o Berlin klar geworden sein, dass das hier nicht mehr Mitte ist, wo er seine Galerie hinmanövriert hat. Und wenn er die Band Tocotronic kennen sollte, mag ihm dabei vielleicht auch die Melodie des oben angesprochenen Songs durch den Kopf gegangen sein. In der Oranienburger Straße, wo das c/o vorher war, muss kein Anrainer fürchten, von Fußvolkmassen nicht wahrgenommen und womöglich verfehlt zu werden, erst recht nicht, wenn man wie das c/o im schönen Postfuhramt saß. Hier aber, jenseits des Bahnhof Zoos kann man sich da nicht sicher sein. Wer das neue c/o im Amerikahaus besucht, der gelangt dorthin nicht zufällig, muss er doch durch die verruchte Hintertür des Bahnhofs, an der schon Christiane F. gestanden hat, und (noch) ohne Ampel die Straße überqueren. Unter Umständen nimmt er sogar mit dem Newton Museum in der benachbarten Jebenstraße vorlieb. Was liegt näher, als die beiden Kulturorte, deren Mitarbeiter sich quasi zuwinken können, wenn sie die Fenster öffnen, besucherfreundlich miteinander zu verbinden. Stefan Erfurt hat also einen Wunsch geäußert, der berechtigt ist. Aber es ist auch ein Wunsch, der unausgesprochen auch über anderen Berliner Orten schwebt: der Philipp-Scheidemann-Straße zum Beispiel, wo ein Zebrastreifen vom Platz der Republik zum Brandenburger Tor führen sollte, oder an der Karl-Liebknecht-Straße, wo morgen um 13 Uhr der Grundstein für den Grund gelegt wird, für den Touristen ab 2019 in verstärktem Maße von Museumsinsel und Lustgarten herüber gelaufen kommen. Die Songzeile endet übrigens mit „… und werden es auch niemals sein“ – Insofern, beharren Sie auf Ihren Wünschen, Herr Erfurt!

Link zum Tocotronic-Song „Wir sind hier nicht in Seattle Dirk“

Link zum c/o Berlin

Link zum Regionalmanagement City West

Flughafen und Fußball auf einen Streich! Gebrauchen wir doch die IBA

Wenn Stadtentwicklung, noch dazu Berliner Stadtentwicklung, die Geschichte des europäischen Fußballs zu bestimmen droht, wird es ernst. Zumindest für die Berliner. Halb Deutschland lacht über den Berliner BER, und die andere Hälfte auch. Selbstverständlich gehören zu diesen Glücklichen die Bayern, die sich jetzt mit München für die Fußball-EM im Jahre 2020 beworben haben, wie die Süddeutsche Zeitung schreibt. Am glücklichsten wohl: Horst Seehofer (CSU). Weil es 2020 neben zwölf europäischen Austragungsorten nur eine geben kann, eine EM-Stadt in Deutschland, konnte Seehofer bei der Verkündung der Bewerbung wohl nicht davon lassen, im Konkurrenzkampf München-Berlin den humoristischen „Dolch“ zu ziehen und pries die Allianzarena „in der Nähe eines funktionierenden Flughafens“. Das ist ein Horst im Glück. Und Klaus? Wowereit kontert, dass Berlin große Sportveranstaltungen hervorragend ausrichten könne. Größtes Defizit der Hauptstadt sind aber seine großen Bauveranstaltungen. Warum also nicht seitens Berlin ein seriöses Schwert ziehen und die Fertigstellung des BER mit der Internationalen Bauaustellung 2020 verknüpfen? Fällt doch die geplante Berliner IBA auch ins Jahr der EM. Was für eine Punktladung das werden könnte: Flughafen-Eröffnung und Fußballfest auf einen einzigen Streich! Das hat doch beim Hauptbahnhof auch so gut geklappt. Oder?

Vom Rücktritt zum Fortschritt – und zurück

Muss er denn, muss er denn, aus dem Städtele hinaus? Nein, Klaus Wowereit regiert weiter. Der zurückgetretene Aufsichtsratsvorsitzende des großen BER muss nun nicht, muss nun nicht, aus dem Städtele hinaus und bleibt Berlins Regierender Bürgermeister. Das heutige Misstrauensvotum fiel positiv für ihn aus. Aber ist das auch gut so?

Nein, es ist schade. Mit ein wenig Wirbel hätte ein Votums-„Ja“ das Ende der rot-schwarzen Koalition im Schlepptau gehabt. Zwar bemüht sich Raed Saleh, auf Inforadio Klaus Wowereits Legitimation als gewählter Bürgermeister herauszukehren, aber er vergisst, dass die Berliner im Herbst 2011 nicht nur die SPD gewählt haben, sondern auch die Grünen. Und die kompromisslose Haltung des wiedergewählten Regierenden hatte mit dazu beigetragen, dass ein Teil der Wähler in Berlin heute in der zweiten Reihe sitzt. Mit Neuwahlen, einem ähnlichen Wahlergebnis wie vor anderthalb Jahren und vor allem ohne den Regierenden, wäre Berlins Zukunft eine andere und fortschrittlichere.

Und vielleicht sähe diese Zukunft nach einem durchgeschüttelten Berliner Politbarometer auch für das BER-Projekt samt seinem anhängigen Untersuchungsausschuss anders, nämlich zielführender aus. Martin Delius von den Piraten fordert, dass der Ausschuss sich mehr mit den Versäumnissen, die in der Gegenwart gemacht wurden, auseinandersetzen solle, heißt es bei Inforadio, und nicht nur mit den Vorgängen in den 1990er Jahren. Auch über diese Frage werden die Abgeordneten bald entscheiden. Sagen sie dann „Ja“, wird es dieses Mal auch gut so sein, und nicht schade. Denn die verprellten Berliner sind auf der Suche nach Schuldigen, die noch zu greifen sind. Man lasse sich an dieser Stelle den Satz auf der Zunge zergehen, den Raed Saleh im Gespräch mit Inforadio außerdem noch gesagt hat: „Es ist ein Desaster, aber es ist falsch, das Ganze zu personalisieren.“ –

Genau des Gegenteil sollte der Fall sein. Politische Personalisierung, also diejenigen finden, die innerhalb des Politikbetriebs für Fehler, erst recht für Desaster verantwortlich sind, ist ja die unbedingte Voraussetzung für politische Verantwortbarkeit gegenüber den Bürgern schlechthin. Jeder Politiker steht überhaupt in einer permanenten Personalisierungspflicht. Und kommt er dieser nicht nach, dann ist das mehr als nur schade.

 

 

 

Bypass zum Spittelmarkt gelegt

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Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) hat am Donnerstag die neugebaute Axel-Springer-Straße in Mitte eingeweiht. Sie verbindet jetzt wieder Kreuzberg mit der Kreuzung Spittelmarkt, wo sie vierspurig inklusive Radweg auf die Leipziger und Gertraudenstraße trifft. Bis zur Wende war die Straße durch die Berliner Mauer abgeschnitten und bis vorgestern für den Straßenverkehr in Richtung Altstadt nicht befahrbar. Wie die Berliner Zeitung schreibt, sei die Fahrbahn mit lärmmindernden Asphalt gebaut worden. Außerdem wären 64 Fahrradbügel errichtet und 40 Ahornbäume gepflanzt worden. Die Klage von Anwohnern und dem Bund für Umwelt und Naturschutz in Deuschland (BUND) gegen Lärm und Feinstaub sei im Februar 2011 vor dem Verwaltungsgericht gescheitert. Der nur 300 Meter lange Bau soll 11,4 Millionen Euro gekostet haben. Die Grünen kritisierten das. (Berliner Zeitung)

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