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Eine Mitte der Bürgerschaft (11/22)

In dieser 22-teiligen Serie beschreibt Florian Mausbach seine persönlichen Vorstellungen für eine Umgestaltung des Rathausforums in Mitte. Die Texte gehen aus einem Vortrag hervor, den der Autor im September 2012 auf einer Veranstaltung zum Thema gehalten hat.

Absolutismus und „real existierender Sozialismus“

Dem Jahrhundert zentralistischer Machtentfaltung des barocken Absolutismus nach Bauernkriegen, Religionskriegen und Dreißigjährigem Krieg verdankt Europa eine Blütezeit seiner Entwicklung und die Grundlagen des modernen Staatswesens. Der Absolutismus stabilisierte zwar die feudale Macht, durch das Zurückdrängen streitender Gewalten des Adels, der Stände, der Kirche und freier Städte schuf er jedoch Territorial- und Nationalstaaten mit effizienter Verwaltung und gesetzlicher Rechtsprechung, förderte Medizin und Wissenschaft, organisierte und kontrollierte die Wirtschaft und ersetzte die Söldnerheere durch diszipliniertes Militär mit stehendem Heer. Die Zentralisierung der Macht in Hofstaaten ging einher mit einer bis heute fortwirkenden europäischen Hochkultur in Städtebau, Architektur, Gartenkunst, bildender Kunst, Musik, Oper, Theater, Dichtkunst und Kochkunst. Auf den Errungenschaften jener Zeit konnte, nachdem in der französischen Revolution mit den Köpfen auch die Perücken und Zöpfe gefallen waren, die moderne bürgerliche Gesellschaft aufbauen.

Reaktionär  war im Gegenteil – nach zwei Jahrhunderten bürgerlich-demokratischer und freier, sozialer marktwirtschaftlicher Entwicklung – die Re-Feudalisierung der Gesellschaft durch den Totalitarismus des letzten Jahrhunderts. Die Dialektik der Geschichte kennt auch die Rückwärtsspirale.

So waren die Partei- und Staatsfunktionäre der DDR Vasallen und ihr Staat ein Lehen des Kreml-Imperiums. Im Inneren verwandelte die Verstaatlichung und Kollektivierung von Produktionsmitteln und Grund und Boden die Bürger in Leibeigene des Staates, in Staatseigene. Bürger wurden erneut zu Untertanen. Die Bürgerrechte, historisch aus dem mittelalterlichen Stadtrecht hervorgegangen und über Jahrhunderte erkämpft, werden ihnen genommen – Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Meinungs- und Pressefreiheit, Freizügigkeit, freie Berufswahl, Widerstandsrecht, freies, gleiches und geheimes Wahlrecht.

Der staatseigene Untertan hat feudale Gefolgschaft zu leisten, sich dem Führer- und Personenkult der Partei- und Staatshierarchie zu unterwerfen. Unbotsame Untertanen müssen mit Verbannung durch Ausbürgerung rechnen. Nicht einmal den Verkauf von Landeskindern scheuen die Landesherren, für Devisen verkaufen sie die wachsende Zahl ihrer politischen Gefangenen.

Morgen: Teil 12 „Zukunft von gestern“

 

 

Wer Indianer will, soll nach Dahlem fahren

— Meinung —

Der folgende Text entstand als Beitrag zum Schreibwettbewerb der Akademie c/o, Neuer Kunstverein im Oktober 2010. Ausgeschriebenes Thema war die Beantwortung der Frage: „Was ist Raumproduktion in der Berliner Republik?“ Mein Text zielt auf den Schlossplatz ab.

Was ist Raumproduktion in der Berliner Republik? – Gegenfrage: Was erhofft sich der Fragesteller von dem Strauß an Antworten, die auf diese Frage möglich sind? Eine Bilanz? Eine Definition? Eine Kritik?

Zu bilanzieren wäre ein Zeitfenster von zwei Dekaden, maximal. Denn was ist die Geburtsstunde der Berliner Republik? Die Deutsche Einheit, der 3. Oktober 1990? Der Hauptstadtbeschluss des Bundestages vom 20. Juni 1991? Oder ist die neue Republik geboren, als Bundespräsident Richard von Weizsäcker 1994 ins Schloss Bellevue einzog, Bundeskanzler Gerhard Schröder 1998 ins ehemalige Staatsratsgebäude oder derselbe 2001 ins neu gebaute Kanzleramt an der Spree? Je nach Länge des Zeitfensters fiele eine Bilanz entsprechend üppiger oder schlanker aus.

Zu definieren wäre vor allem der Begriff Raumproduktion. Im Kern der Sache wird Raum dort produziert, wo gebaut wird; das leuchtet jedem ein. Wir sprächen dann über Architektur und Städtebau, auch über Infrastrukturprojekte, von der Saar bis an die Oder, von Rügen bis zum Bodensee. Das eröffnet uns ein thematisches Panorama, das nur in Auszügen dargestellt werden soll: In Ostdeutschland glänzen die Innenstädte, gerettet aus der grauen Republik. Gleichsam schrumpfen dort Großsiedlungen und produzieren mit ihrem Rückzug neue Raumfreiheiten. Im Ruhrgebiet legt eine Region ihre Autobahn lahm, errichtet auf 60 Kilometern Asphalt eine temporäre Tafel. Die Leipziger untertunneln ihren Stadtkern, auf dessen Boden sie im Herbst 1989 der Berliner Republik den Weg bereiteten. Beim Einsturz des Kölner Stadtarchivs verkehrt sich Raumproduktion ins Gegenteil, in Raumdestruktion; auch hier produzierte man untertage. In Dresden ist die barocke Frauenkirche aus ihrer Ruine auferstanden und krönt das Elbtal, das wenig später wegen eines Brückenbaus das Weltkulturerbe verliert. Die Stuttgarter hinterfragen die Grundfaktoren republikanischer Raumproduktion und entblößen eine staatliche Härte, die selbst vor den Weichteilen eines 66-jährigen Mannes nicht halt macht und ihm mittels Wasserwerfer sein Augenlicht nimmt; na so was, in der Berliner Republik?

Doch Deutschland existiert, lebt und stirbt auch am Hindukusch, setzt mit den Einsatzliegenschaften der Bundeswehr Bauten in den nordafghanischen Wüstensand. Mehr noch: Militärische Kampfhandlungen sind Raumproduktion! Das Bombardement bei Kunduz hat Chaos produziert und Raum zerstört. An diesem Punkt lässt sich der Begriff, ähnlich wie beim Kölner Stadtarchiv, ins Negative überführen und zusätzlich ins Extreme. Ins Leidvolle gerät er, wenn wir uns vor Augen halten, dass die Afghanistan-Aktivitäten der Berliner Republik im niedersächsischen Seedorf ein neues Grab entstehen lassen, für den dorther stammenden, 26-jährigen Soldat, der Anfang Oktober als 44. Todesopfer des Bundeswehreinsatzes bei einem Attentat in der Provinz Baghlan ums Leben gekommen war. – Da ist der Stein auf dem Friedhof, der zur Stätte für die Trauer der Angehörigen wird, ein neuer Lebensraum für sie, produziert von der Republik.

Zerbrechliche Republik

Republiken in Berlin sind von Natur aus fragil. Möge man die kurze von 1848, die vom Kaiserreich unterdrückte von 1871 und die Weimarer von 1918 als solche betrachten. Im Grunde können wir stolz auf die Bonner sein, stabil wie sie war. – Zerbrechlich also nenne ich das Wesen der Berliner Republik und konstatiere: Umso kolossaler hat sie ihr Nest an der Spree gebaut. Das Thema des Essays provoziert natürlich den Blick in die Hauptstadt. Und so soll es sein.

In Berlin bleibt Axel Schultes Band des Bundes ohne sein (bestechendes!) Bürgerforum bislang ein gerissenes. „Das Kanzleramt ist das, was es nie sein sollte: ein solitärer, ein isolierter Ort“,[1] klagt der Architekt – ein Solitär, geradezu wie ein Grabstein. Die Parlamentsbauten abgehängt, den Volksplatz auf verkehrlichen Durchzug gestellt, bleibt die gebaute Demokratie der Republik am Spreebogen ein flüchtiges Phänomen für Passanten. Aufenthalt unerwünscht.

Ein wahrer Titan baut sich dagegen an der Chausseestraße auf. Nicht unbedingt, weil der Neubau der BND-Zentrale so groß ist; Eindruck macht vielmehr die innere Geschlossenheit und der Zusammenhalt des Baus. Schon der Baustelle sieht man an, dass es da einen festen, unzugänglichen Kern in diesem Raumgebilde geben wird. Das wird der Ort sein, an dem zum Schutze der Republik derselben große und kleine Geheimnisse ruhen. Hoffen wir, dass wir das Gelände niemals stürmen müssen, wie 1990 die Normannenstraße in Lichtenberg.

Nicht Kolossalität, sondern Kulisse! – Das ist das Mittel, das Bund und Berliner Senat dem Schlossplatz injizieren wollen. Hier produziert die Berliner Republik ihre Trophäe, setzt sich die Krone auf, macht sich das Leben leicht. Deshalb soll der Berliner Schlossplatz als republikanisches Raumprodukt im Folgenden zum Brennpunkt für die Beantwortung der Essayfrage gemacht werden.

Am Schlossplatz scheiden sich die deutschen Geister. Das ist gut so, denn wir müssen über diesen Ort miteinander reden. Wir müssen an diesem Ort zueinander finden, groß genug ist er allemal. Dort geschieht gerade, was eigentlich am Anfang von Planung steht: Wir setzen uns mit dem Ort auseinander; das braucht Zeit. Wir regen uns auf; das braucht Meinung. Wir reiben uns an den Vorstellungen der anderen; das braucht Begegnung. Erst diese Reibung wird hervorbringen, worüber eine Kommission zu entscheiden haben sollte und worüber der Bundestag seine Beschlüsse fasst. Der Bau, der in diesem Jahr hätte beginnen sollen, gehört ans Ende dieser Geschichte. Nicht umgedreht. Der Bund aber macht es umgedreht! Am Schlossplatz wird das Pferd von hinten aufgezäumt, und die Folge davon wird sein, dass sich der Gaul nicht reiten lassen wird. Somit erleben wir gerade eine raumproduktive Frühgeburt. Mit allen Wehwehchen. – Am Schlossplatz findet die Raumproduktion in der Berliner Republik gewissermaßen im Brutkasten statt.

Betriebsblind

Es ist nicht Franco Stella, der kritisiert werden soll. Der Architekt ist ja nur als treuer Vasall den Wettbewerbsvorgaben gefolgt. Der Wettbewerb selbst ist der Irrtum, der auf das Schloss abzielte – und nur das Schloss. Dieser Ort aber hat Ideen verdient, Kreativität und die Achtung seiner Nachbarn. Denken wir vom Denkmal aus die Zukunft dieses Ortes! Auf der Schlossfreiheit steht bald das Freiheits- und Einheitsdenkmal. Von dort aus überschaut man den ganzen Platz. Die Blicke sind frei zwischen den Anrainerbauten, als hielten sie Konferenz: vom Marstall zur Museumsinsel, vom Dom zum Schlossportal im Staatsratsgebäude; von der Schlossfreiheit hinüber zum Fernsehturm; und im Rücken Schinkelplatz und Bauakademie. Der Schlossplatz brauchte keinen Schlosswettbewerb, sondern einen städtebaulichen Ideenwettbewerb vom Alten Museum bis zur Marienkirche. Hier geht es um Städtebau im Herzen der Hauptstadt, nicht nur um die Bebauung eines bundeseigenen Grundstückes. – Von daher werfe ich den Raumproduzenten in der Berliner Republik am Schlossplatz aus stadtplanerischer Sicht Betriebsblindheit vor.

Blindheit kann aber auch Methode sein, im Dienste der Politik. Und weil der Ort mit Hohenzollernschloss und DDR-Palast eine politische Seele hat, ist es nicht wirklich verwunderlich, dass sich die Raumproduktion des Bundes dort von der von Boddien´schen Stadtschlosspropaganda politisieren lässt. Wie viel Demokratie verträgt das Schlossplatzprojekt? „Die wiederholte Forderung einiger Kommissionsmitglieder, einen städtebaulichen Wettbewerb […] durchzuführen, wurde mehrheitlich zurückgewiesen“,[2] berichtet der Architekturkritiker Bruno Flierl, der als Experte dabei war. Er schreibt, Verfahren und Entscheidung der Kommission wären von einzelnen Mitgliedern kritisiert worden; Sondervoten hätten im Abschlussbericht keinen Eingang gefunden. Sollte ein so räuberisches Kommissionsergebnis die geistige Grundlage für einen für Deutschland so wichtigen Bau sein? Die zerstrittene Expertenrunde hat mit ihrer Empfehlung zum Schlossaufbau der deutschen Politik einen brisanten Pass in die Tiefe zugespielt. Der Bundestagsbeschluss soll hier nicht kritisiert werden, aber was davor geschah. – An dieser Stelle finden wir das undemokratische Element, das faule Ei, in der Raumproduktion der Berliner Republik am ausgewählten Ort.

Gewalttätig

Ist der Ort reif für einen Bau? Machen wir einen Exkurs vom Städte- in den Ackerbau. Hier wurde die zur Ruhe gelassene Brache als konsequenter Bestandteil in der Dreifelderwirtschaft über Jahrhunderte zum Garant für agrarische Qualität. Hat der Berliner Schlossplatz nicht auch ein Recht auf Regeneration? Preußen, Sozialismus, Preußen. Hält hier der Bund als Bauherr die lokale Fruchtfolge nicht ein? Was werden die Deutschen ernten, wenn die Berliner Republik ihren kostbaren, steuerlichen Samen unbedacht auf politisch ausgelaugten, vergewaltigten Boden aussät? Und die Gewalt geht weiter: Der Bau der Humboldt-Box wird vorangetrieben, auch wenn der 28 Meter hohe Solitär (ein weiterer Grabstein?) durch die bis 2014 ausgesetzten Schlossbauarbeiten seine Existenzberechtigung verliert; Bundesbauminister Peter Raumsauer fordert den legendären ersten Spatenstich noch vor Ende der Legislaturperiode, damit mit Hängen und Würgen endlich der Point Of No Return überschritten werden kann. – Die Raumproduktion in der Berliner Republik ist am Schlossplatz in der Tat eine gewalttätige.

Baupause her!

Anschlussfrage: Sind wir reif für diesen Ort? Preußen, Sozialismus, Denkpause. Das sollte aus meiner Sicht der Dreiklang sein, den wir am Schlossplatz in der aktuellen Lage der Republik zu kultivieren haben. Für Bruno Flierl sollte er „ein kulturell-kommunikativer Ort der Gesellschaft und ihrer Bürgerinnen und Bürger aus Ost und West sein, ein identitätsstiftender Ort im Prozess ihrer nationalen Vereinigung […]“[3]. Hervorragend sieht man am Wettbewerb zum Freiheits- und Einheitsdenkmal und seinen Ergebnissen, wie schwierig es ist, das Thema der Deutschen Einheit in Kunst und Architektur zu transportieren. Wie könnte sich die gesellschaftliche Annäherung an einen Stadtraum wie dem Schlossplatz gestalten, gäbe man dem Ort statt der barocken Fassaden lediglich ein bestimmtes Thema mit auf den Weg in seine Zukunft? Wie vollzöge sich die Deutsche Einheit auf der Wiese der Nation? – Angesichts dieses nicht unbedingt architekturspezifischen Aspekts trägt das Schlossprodukt der Berliner Republik dazu bei, sich potenzielle Antworten auf diese Frage wortwörtlich zu verbauen.

Dabei käme es am Schlossplatz darauf an, Spielräume offen zu halten und nicht die Spielzeuge von Gestern auszustellen: die Büffelmaske aus Kamerun, das Opfermesser aus Peru. Wer Indianer will, soll nach Dahlem fahren. Das Ethnologische Museum im Humboldt-Forum auf dem Schlossplatz überzeugt mich nicht, auch nicht Hand in Hand mit einem Schaufenster der Wissenschaften aus der Humboldt-Universität (HUB). Der Fehlgriff besteht in der Art der Nutzung. Das ist zuviel Museum auf der Museumsinsel. Am Ende geht sie uns unter. – Die Republik produziert hier ein Schwergewicht, wo die Waage weltweiter Anerkennung schon am Anschlag ist: Die Museumsinsel gehört mit ihren fünf Häusern und zehn Sammlungen zum Weltkulturerbe.

Die Ironie in der Historie ist schon bemerkenswert. Die Museumsinsel ist die von seinen Nachfolgern zu Ende gedachte und zu Ende gebaute Idee Friedrich Wilhelms III., die in den Schlössern verborgen gehaltene Kunst der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. – Jetzt bringen wir die Kunst zurück in das Stadtschloss; und was symbolisiert dieser Akt?

Opportun

Dass die Zentral- und Landesbibliothek (ZLB), der dritten Nutzerin im Bunde des Humboldt-Konzepts, ihre Bücherregale um keine 50 Meter von der Breiten Straße auf den Schlossplatz tragen soll, anstatt am Schlossplatz zu bleiben, zeigt uns: Der Bauherr produziert das mental-fixierte Fassadenwerk in anspruchsloser und opportuner Art und Weise. – Hier nimmt die Republik, was sie kriegt, um sich nicht vorwerfen lassen zu müssen, sie produziere ein Luftschloss.

Am Schlossplatz wächst leider nicht zusammen, was zusammengehört. „Form und Funktion sind als eigene Wertsetzungen völlig unabhängig voneinander konzipiert worden“,[4] kritisiert Bruno Flierl. Stattdessen soll hier komprimiert werden, was als Kulturangebot in der Stadt (mit HUB und ZLB sogar in direkter Nachbarschaft) schon vorhanden ist. – Mit dem Museums- und Medienschloss auf der Spreeinsel putzt die Republik mutlos eine Adresse auf, die eine viel volksnähere Funktion verdient hätte und homogenisiert, nicht bereichert, das städtische Nutzungsgefüge in der Mitte Berlins.

Selber forschen!

Stellen wir den Forschergeist der Humboldt-Brüder nicht aus, sondern wenden wir ihn auf das Fallbeispiel selbst an! Erforschen wir den deutschen Schlossplatz, solange es uns die Gnadenfrist der Republik gewährt. Und soll die Regierung vor Ort auch selber forschen: Sportstätten und Stadtentwicklung, multifunktionale Zentren, Jugendliche im Stadtquartier – so heißen aktuelle Forschungsfelder des Experimentellen Städtebaus in ihrem zuständigen Ministerium. Machen wir statt staubiger Bücher eine Sportstätte zum Mittelpunkt der Republik, in der Stadt zentral zugänglich und unter den Augen der Weltöffentlichkeit!

Holen wir die Tafel von Ruhr.2010 an die Spree und sitzen an ihr länger als einen Sonntag. Überlassen wir den Ruhm für wiederbelebte Barockbauten den Sachsen, die Kulturschätze jetzt dringender brauchen denn je. Irritieren wir die Menschen in Kabul nicht damit, dass ihre Schutzmacht in ihrem Heimatland mit einem Prestigeprojekt architektonische Sehnsüchte nach einem Gebäude zu stillen sucht, in welchem auch der einstige Kolonial-Kaiser Wilhelm II. zu Hause war. Beachten wir, dass bald auch der Schlossplatz von einer Bahn untertunnelt wird. Vergessen wir auch nicht, dass vor den Fenstern des alten Schlosses schon 1848 scharf geschossen worden war; der Mob der Märzrevolutionäre verlor damals mehr als sein Augenlicht und liegt heute im Volkspark Friedrichshain begraben. Ihre Grabkreuze stehen noch, produziert vom preußischen König Friedrich Wilhelm IV., der heute im Kolonnadenhof vor der Alten Nationalgalerie posiert, auf der Museumsinsel. Seine Raumproduktion ist abgeschlossen. – Diejenige der Berliner Republik dagegen läuft auf Hochtouren und ist am Berliner Schlossplatz völlig offen.

Literatur

Schultes, Axel, „Das Bundeskanzleramt“ in Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (Hrsg.), Demokratie als Bauherr – Die Bauten des Bundes in Berlin 1991-2000, Junius Verlag, Hamburg, 2000.

Flierl, Bruno, Berlin – Die Neue Mitte: Texte zur Stadtentwicklung seit 1990,  Thomas Flierl (Hrsg.), Edition Gegenstand und Raum, Verlag Theater der Zeit, Berlin, 2000.


[1] A. Schultes, „Das Bundeskanzleramt“ in Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (Hrsg.), Demokratie als Bauherr – Die Bauten des Bundes in Berlin 1991-2000, Junius Verlag, Hamburg, 2000, S. 166.

[2] B. Flierl, Berlin – Die Neue Mitte: Texte zur Stadtentwicklung seit 1990,  T. Flierl (Hrsg.), Edition Gegenstand und Raum, Verlag Theater der Zeit, Berlin, 2000, S. 170.

[3] Ebd., S. 159.

[4] Ebd., S. 170.