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„Wir sind hier nicht in Seattle Dirk …“

Spätestens als Stefan Erfurt neulich, wie das Regionalmanagement City West berichtet, ein Bittschreiben für eine Fußgängerampel über die Hardenbergstraße an Klaus Wowereit übergab, muss dem Geschäftsführer des c/o Berlin klar geworden sein, dass das hier nicht mehr Mitte ist, wo er seine Galerie hinmanövriert hat. Und wenn er die Band Tocotronic kennen sollte, mag ihm dabei vielleicht auch die Melodie des oben angesprochenen Songs durch den Kopf gegangen sein. In der Oranienburger Straße, wo das c/o vorher war, muss kein Anrainer fürchten, von Fußvolkmassen nicht wahrgenommen und womöglich verfehlt zu werden, erst recht nicht, wenn man wie das c/o im schönen Postfuhramt saß. Hier aber, jenseits des Bahnhof Zoos kann man sich da nicht sicher sein. Wer das neue c/o im Amerikahaus besucht, der gelangt dorthin nicht zufällig, muss er doch durch die verruchte Hintertür des Bahnhofs, an der schon Christiane F. gestanden hat, und (noch) ohne Ampel die Straße überqueren. Unter Umständen nimmt er sogar mit dem Newton Museum in der benachbarten Jebenstraße vorlieb. Was liegt näher, als die beiden Kulturorte, deren Mitarbeiter sich quasi zuwinken können, wenn sie die Fenster öffnen, besucherfreundlich miteinander zu verbinden. Stefan Erfurt hat also einen Wunsch geäußert, der berechtigt ist. Aber es ist auch ein Wunsch, der unausgesprochen auch über anderen Berliner Orten schwebt: der Philipp-Scheidemann-Straße zum Beispiel, wo ein Zebrastreifen vom Platz der Republik zum Brandenburger Tor führen sollte, oder an der Karl-Liebknecht-Straße, wo morgen um 13 Uhr der Grundstein für den Grund gelegt wird, für den Touristen ab 2019 in verstärktem Maße von Museumsinsel und Lustgarten herüber gelaufen kommen. Die Songzeile endet übrigens mit „… und werden es auch niemals sein“ – Insofern, beharren Sie auf Ihren Wünschen, Herr Erfurt!

Link zum Tocotronic-Song „Wir sind hier nicht in Seattle Dirk“

Link zum c/o Berlin

Link zum Regionalmanagement City West

Auch eine Arche Noah braucht einen Bebauungsplan

Was wie eine Rettungsaktion für das C/O Berlin aussieht, ist in Wahrheit ein Kurswechsel in der Stadtplanung am Monbijoupark. Aber nicht alle wollen die Grünfläche für einen neuen Kulturstandort preisgeben.

— Bericht — Kein Wunder, dass es Stephan Erfurt auf der Suche nach der Arche Noah auch in die Märchenhütte treibt. Sie ist aus Holz und stünde auf dem Bunkerdach in sicherer Höhe, würde eine Spreeflut den Monbijoupark unter Wasser setzen. Bis jetzt steht das Wasser aber nur ihm bis zum Hals, dem Direktor des C/O Berlin, der mit seinem Forum für Fotografie bis zum Ende des Jahres das Postfuhramt in Mitte wegen Mietvertragsende verlassen muss und immer noch keinen Standort gefunden hat, auf den er ausweichen kann.

So hatte Mittes CDU-Baustadtrat Carsten Spallek am Mittwoch Abend in die Märchenhütte zu einer Bürgerversammlung eingeladen und bezeichnet sie als “frühzeitig”. Im Baugesetzbuch verwendet man die Vokabel für die erste Stufe der Bürgerbeteiligung bei der Aufstellung oder Änderung eines Bauleitplans. Als er anfängt zu reden, freut sich Spallek über die gute Akustik. Später wird er sie ausnutzen und laut werden, weil andere in der Hütte laut werden. Man ist eben zu Gast in einem Theater. Eben lief noch „Hase und Igel“, nachher kommen „Die Bremer Stadtmusikanten“. Aber Spallek tritt hier als Moderator auf, will die Kontrahenten zu Wort kommen lassen, wie es scheint, und die Bürger.

Stephan Erfurt vom C/O möchte gerne in die baufälligen Atelierhäuser ziehen oder am besten gleich einen Neubau im Park errichten, seine “lichtdurchflutete Bauskulptur mit begehbarer Dachlandschaft”, wie das Projekt auf der Internetseite des Architekten Ingo Pott betitelt wird. Dort, auf der Dachlandschaft, errichtet in den Sommermonaten Christian Schulz das Hexenkessel Hoftheater und im Winter öffnet sich die Türe zur Märchenhütte. Der Geschäftsführer des Theaters ist von den Plänen Erfurts deshalb wenig angetan. Aber damit die Pläne in Erfüllung gehen, müsste ein anderer Plan geändert werden.

Der vor Jahren festgesetzte Bebauungplan I-57 (B-Plan) sieht hier eine Grünfläche vor. Im Monbijoupark kann man nicht einfach so bauen. Es sei denn, es handelt sich um einen “fliegenden Bau” wie im Falle des Hexenkessel-Hoftheaters oder um einen “Schwarzbau”, wie die Märchenhütte einer ist. Für das, was Stephan Erfurt mit dem C/O hier vorhat, auch wenn er die Atelierhäuser nur sanieren würde, müsste der B-Plan geändert werden. Und dafür wäre wiederum eine Bürgerbeteiligung notwendig. Da macht ein rechtzeitiges Treffen aus Sicht Carsten Spalleks durchaus Sinn, der jetzt das Publikum zu Wort kommen lässt.

Die Bürger haben zum Monbijoupark verschiedene Meinungen. Die einen wollen die kulturfreie Grünfläche, wie Holger Werner von der Initiative “Rettet den Monbijoupark”. Ein Anwohner weist darauf hin, dass der Park zu Gunsten von Neubauten am östlichen Rand vor zehn Jahren schon verkleinert worden sei. Er schimpft. Das ist der Moment, in dem Spalleks Stimme die Hütte erfüllt. Tolle Akustik!

Aber nicht alle wollen mehr Grün. Es gibt auch Anwohner, die die kulturelle Nutzung vor Ort gutheißen und dem C/O Berlin gerne Asyl geben würden, auf Kosten der Grünfläche. Architekt Heinrich Burchardt sagt zum Beispiel, dass man Recht, also den B-Plan, auch ändern könne.

Na klar kann man das, wenn die Politik es will. Und die Bezirksverordnetenversammlung Mitte hat die Richtung schon vorgegeben. 2011 hat sie ihren Beschluss rückgängig gemacht, die Atelierhäuser abzureißen. Die erweiterte Grünfläche, wie einst politisch beschlossen, steht also nur noch im B-Plan. Die Verwaltung ist jetzt am Zug, Carsten Spallek. Und in weiser Voraussicht vermutet er, dass es wahrscheinlich nicht die letzte Versammlung ist, zu der er einlädt. Dann also bis demnächst, in diesem Theater.