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Das Schloss bauen jetzt Engel – Amen! Ein Eventreport von der Grundsteinlegung des Schlosses

Berlin, gestern, gegen 14 Uhr. Die Sonne brennt. „Wenn Engel bauen“, begann Hermann Parzinger seine Rede auf der Grundsteinlegung zum Bau des Schlosses. „Ich könnte auch von Kaiserwetter sprechen“, sprach der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz weiter und hatte mit diesem Begriff im Grunde „Alle Neune“ abgeräumt. Es folgte der einzige wirklich lebhafte Beitrag an dem Nachmittag, der heute schon wieder Geschichte ist. Nach Parzingers Worten erschien die Idee des Humboldtforums als etwas Selbstverständliches. Nun ja, und der Himmel lachte ja auch tatsächlich.

Zuvor probten Bundesbauminister Peter Ramsauer (CSU), Staatsminister für Kultur Bernd Neumann (CDU) und Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), was für das Humboldforum Programm werden soll: den Dialog. Eine arte-Journalistin moderierte auf dem Podium.

Das Wort vom „Flughafen“ fiel insgesamt zweimal, kam immer aus dem Mund von Ramsauer, der auch behauptete, die Skeptiker des Bauprojekts wären weit in der Minderzahl. Ins Fettnäpfchen trat er, als er seine Klaviermetapher bemühte, um den Mix aus barocker und zeitgenössischer Fassadenarchitektur zu begründen. Es gäbe verschiedene Wahrheiten, sagte er. So wie es auch verschiedene Interpretationen eines Musikstücks gäbe. Jemand, der ihn nach der Wahrheit des Ortes zwischen 1950 und 2008 hätte fragen können, war auf dem Podium nicht zu sehen. Und auch die Fassaden werden darauf keine Antwort geben, wie man weiß.

Auf die Frage der Moderatorin, warum der Entwurf Franco Stellas beim Architekturwettbewerb gewonnen hätte, gab Bernd Neumann eine klare Antwort. Er sei einfach der beste gewesen. Er habe die Vorgaben „am ernstesten genommen“. Bezüglich der Finanzierung des Projekts sagte er, der Kostenrahmen werde zur Zeit sogar unterschritten. – Wenn Engel bauen …

Klaus Wowereit sagte, dass er glaube, viele hätten das Humboldtforum noch nicht verstanden. (Das war vor Parzingers Rede.) Er hofft, dass die Akzeptanz für das Projekt nach der Grundsteinlegung größer wird. „Die Sprengung dieses alten Schlosses war ein Frevel“, sagte er auch, und dass die Teilung der Stadt „widernatürlich“ gewesen sei.

Nach dem Podiumsdialog spielte der javanesische, aber seit 1987 in Berlin lebende Klangkünstler Saichu Yohansyah auf einem türgroßen Gong. Der Gong hatte vorher die ganze Zeit neben dem Grundstein gestanden. Es war ein Moment der befremdlich war, der aber zeigte, dass das Humboldtforum und das neue Schloss mit Polaritäten spielt. Danach kam Präsident Parzinger, unter anderen mit diesen Worten: „Betrachtet uns nicht nur durch die Brille des Kolonialismus!“ – Bei dem Kaiserwetter?

In der Kartusche, die jetzt im Grundstein liegt, befinden sich eine Tageszeitung, die Baupläne von Franco Stella, eine von Bundespräsident Joachim Gauck unterschriebene Urkunde und Euromünzen. Auf welche Tageszeitung die Wahl fiel, blieb ein Geheimnis. Es wird nicht die taz gewesen sein, die am Wochenende noch vom „großen Fassadenschwindel“ sprach und das Projekt inhaltlich wie architektonisch als ein „Mischwesen“ bezeichnete. Die Kartusche wurde senkrecht in den Grundstein hinabgelassen. Dann kam ein runder Steindeckel oben drauf. „Klack, klack“, hämmerte Gauck nachdem er seine Widmungen gegeben hatte. Die Segnungen übernahm ein Pfarrer, ein anderer und sprach „Amen“.

„Engel“, „Frevel“, „Amen“. Machen wir doch eine irreal-sozialistische Pagode draus. Der Wahrheiten zuliebe. Aber das ist nur ein abwegiger Gedanke meinerseits. Andererseits: „Man muss sich in diesem Land auch über etwas freuen können“, das sagte Bernd Neumann jedenfalls auch noch an diesem Nachmittag. Kann man auch, denn es lacht der Himmel über Berlin, zumindest zur Zeit.

Link zum taz-Artikel vom 7. Juni 2013, „Der große Fassadenschwindel“

Link zum Futurberlin-Interview mit Thomas Krüger (Bundeszentrale für politische Bildung) über das Humboldtforum von Juni 2011, „Ein Platzhalter, der Agora genannt wird“

„Wir sind hier nicht in Seattle Dirk …“

Spätestens als Stefan Erfurt neulich, wie das Regionalmanagement City West berichtet, ein Bittschreiben für eine Fußgängerampel über die Hardenbergstraße an Klaus Wowereit übergab, muss dem Geschäftsführer des c/o Berlin klar geworden sein, dass das hier nicht mehr Mitte ist, wo er seine Galerie hinmanövriert hat. Und wenn er die Band Tocotronic kennen sollte, mag ihm dabei vielleicht auch die Melodie des oben angesprochenen Songs durch den Kopf gegangen sein. In der Oranienburger Straße, wo das c/o vorher war, muss kein Anrainer fürchten, von Fußvolkmassen nicht wahrgenommen und womöglich verfehlt zu werden, erst recht nicht, wenn man wie das c/o im schönen Postfuhramt saß. Hier aber, jenseits des Bahnhof Zoos kann man sich da nicht sicher sein. Wer das neue c/o im Amerikahaus besucht, der gelangt dorthin nicht zufällig, muss er doch durch die verruchte Hintertür des Bahnhofs, an der schon Christiane F. gestanden hat, und (noch) ohne Ampel die Straße überqueren. Unter Umständen nimmt er sogar mit dem Newton Museum in der benachbarten Jebenstraße vorlieb. Was liegt näher, als die beiden Kulturorte, deren Mitarbeiter sich quasi zuwinken können, wenn sie die Fenster öffnen, besucherfreundlich miteinander zu verbinden. Stefan Erfurt hat also einen Wunsch geäußert, der berechtigt ist. Aber es ist auch ein Wunsch, der unausgesprochen auch über anderen Berliner Orten schwebt: der Philipp-Scheidemann-Straße zum Beispiel, wo ein Zebrastreifen vom Platz der Republik zum Brandenburger Tor führen sollte, oder an der Karl-Liebknecht-Straße, wo morgen um 13 Uhr der Grundstein für den Grund gelegt wird, für den Touristen ab 2019 in verstärktem Maße von Museumsinsel und Lustgarten herüber gelaufen kommen. Die Songzeile endet übrigens mit „… und werden es auch niemals sein“ – Insofern, beharren Sie auf Ihren Wünschen, Herr Erfurt!

Link zum Tocotronic-Song „Wir sind hier nicht in Seattle Dirk“

Link zum c/o Berlin

Link zum Regionalmanagement City West

Au weia! Tourismus in Berlin wächst langsamer – Schrumpfen aber nicht in Sicht

Ist das der Anfang vom Ende des Berlin-Tourismus? Im vergangenen April kommen weiterhin mehr Touristen nach Berlin, aber die Zuwachszahlen fallen diesmal geringer aus, berichtet das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg. Gemessen am gleichen Zeitraum des Vorjahres verbuchen die Berliner Beherbergungsbetriebe jetzt (nur noch) 3,4 Prozent mehr Gäste und 2,4 Prozent mehr Übernachtungen. Das könnte aber auch daran liegen, dass Ostern dieses Jahr in den März gefallen war. Auch die Anzahl der für die Gäste zur Verfügung stehenden Betten steigt weiterhin: Es sind jetzt schon insgesamt 128.900 in 784 Hotels. In der Statistik berücksichtigt sind Beherbergungsstätten mit mindestens zehn Schlafplätzen. Sie sind mit durchschnittlich 58 Prozent ausgelastet; Hotels mittlerer Größe (250 bis 500 Betten) sind es sogar mit 62 Prozent. Interessant an der Statistik ist auch, dass in Bezug auf April 2012 auffällig weniger Spanier (-36,9 Prozent) kommen, dafür aber mehr Briten (+24,8 Prozent) und Deutsche (+4,1 Prozent).

Humboldt-Box boxt Barockfassaden durch

Kurz vor der Grundsteinlegung am 12. Juni informiert der Förderverein Berliner Schloss die fast gleichlautende Bundesstiftung über den Stand der eingegangenen Spenden für die Rekonstruktion der Barockfassaden. Insgesamt seien bis Ende Mai 2013 mehr als 26 Millionen Euro gesammelt worden, wovon gut zehn Millionen Euro als zweckgebundene Überweisungen und ebenfalls fast zehn Millionen Euro als Sachleistungen des Vereins an die Stiftung gegangen wären, schreibt Wilhelm von Boddin, Geschäftsführer des Vereins. Damit sind etwa 20 Prozent des Spendensolls in Geld- und Sachleistungen erbracht. 2012 konnten die Bareinnahmen mit 5,4 Millionen Euro sogar gesteigert werden. Die Humboldt-Box erwies sich dabei als “Spendenmotor”: Allein dort seien seit ihrer Eröffnung Anfang Juli 2011 über 1,8 Millionen Euro akquiriert worden.

Von Boddien schreibt aber auch, der Spendeneingang müsse sich deutlich erhöhen, weil sich der Geldbedarf durch den Baufortschritt dramatisch steigern werde. “Der Deutsche Bundestag wird für die Rekonstruktion der historischen Fassaden kein Geld zur Verfügung stellen”, warnte er. Für das weitere Vorgehen hat der Verein mit der Stiftung eine Arbeitsteilung vereinbart. Sie bemüht sich um Großspenden aus börsennotierten Unternehmen, der Verein um Spenden aus der Bevölkerung.

Die Vereinskosten für Verwaltung und Öffentlichkeitsarbeit beliefen sich laut von Boddien seit 2004 auf insgesamt 5,3 Millionen Euro mit denen mehr als 30 Wanderausstellungen, der Betrieb der Humboldt-Box und die Produktion von drei Millionen Exemplaren des “Berliner Extrablatt”, die Schlosszeitung, finanziert wurden. Auch die Schlossbauhütte in Spandau, wo die historischen Fassadenstücke hergestellt werden, wird ausschließlich über Spenden finanziert. Ihre Finanzierung sei bis ins Jahr 2014 gesichert.

Projekte für Urban Intervention Award Berlin 2013 gesucht – 3.000 Euro Preisgeld zu gewinnen

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hat den Urban Intervention Award Berlin 2013 ausgeschrieben. Bis zum 24. August können Architekten, Künstler und andere europaweit Projektideen einreichen, die städtische Räume weiterentwickeln. Die Projekte können Bauten sein, aber auch Zwischennutzungen. Der Urban Intervention Award Berlin wurde zuletzt 2010 an einen spanischen und zwei deutsche Architekten vergeben. Martin Lejarraga hatte eine Bibliothek in Spanien entworfen, und Daniel Unterberg und Isabell Weiland hatten eine mobile Stadtküche in Berlin-Neukölln organisiert. Der Preis wird erstmals in Kooperation mit der Deutsche Wohnen AG vergeben, die für die drei Gewinner ein Preisgeld in Höhe von jeweils 3.000 Euro spendiert. Neben den zwei Kategorien Bau und Zwischennutzung gibt es wegen der Kooperation als dritte den Urban Living Award. (Siehe auch Eventkalender)

Kontakt:
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt
Susanne Walter
susanne.walter@senstadt.berlin.de
Tel. +49 (0) 30 / 90 25-15 04
und
Reinhard Hasselbach
hasselbach@architekturcontext.de
Tel. +49 (0) 30 / 88 66 878 15


 

“Rettung” für Alex in Sicht: Hans Kollhoff entwirft für den Wettbewerb zum Hines-Tower

Das Bonbon hob er sich für den Schluss auf: Architekt Hans Kollhoff beteilige sich nach Informationen der Berliner Zeitung am geplanten Architekturwettbewerb zum Hines-Tower am Alexanderplatz, teilte Moderator Nikolaus Bernau nach zwei Stunden und fünfzehn Minuten dem Publikum mit. Damit hatte er eine dreiviertel Stunde überzogen, wie er selber eingestand. Für einen Besucher des gestrigen Leserforums der Berliner Zeitung mit dem Titel “Ist der Alexanderplatz noch zu retten?” konnte der Abend also sehr lang werden, denn schon ab 17 Uhr 30 hatte das Verlagshaus an der Karl-Liebknecht-Straße zum Einlass geladen, obwohl die Veranstaltung erst anderhalb Stunden später begann. Viele verließen den Saal daher auch vorzeitig, was Bernau vielleicht hätte verhindern können, wenn er das Bonbon zu Beginn angekündigt hätte, natürlich noch verpackt, versteht sich. Am Ende passieren eben oft die spannendsten Sachen.

Da rutschte es Christoph Reschke, dem Deutschland-Manager von Hines, in Bezug auf das Alexa heraus, ein hübsches Einkaufszentrum habe er sowieso noch nirgends gesehen. Einen Augenblick später fällt ihm ein, dass neben ihm auf dem Podium Architekt Jan Kleihues sitzt, dessen Vater am Alexanderplatz das Galeria Kaufhof gebaut hat. Aber der Lacher war auf seiner Seite, es hatte etwas Amüsantes. Und es war spät.

Jan Kleihues selber ging es bei der Diskussion zu sehr um Hochhäuser. Er lenkte das Gespräch auf den eigentlichen Platz, den er “grauenhaft” finde, so grauenhaft, dass er nicht einmal den regelmäßig stattfindenden “Budenzauber” der Marktstände wahrnehme oder die den Alexanderplatz schwärzenden Kaugummiflecken. Dass die Leute auf den Platz spuckten, sage auch etwas über den Ort aus. Und dass Hines als erster Investor am Alexanderplatz ein Hochhaus baue, ohne zu wissen, was jetzt überhaupt mit dem Kollhoff-Plan weiter werde, findet Kleihues mutig.

Auch Architekturkritiker Thomas Flierl fand etwas mutig, und zwar dass Senatsbaudirektorin Regula Lüscher mit ihrem Vorschlag, den Kollhoff-Plan anzupassen, “einen Stein ins Wasser geworfen hat.” Zwei der zehn geplanten Tower sollten aus seiner Sicht nicht gebaut werden: der Alexa-Turm und der Turm, der aus dem Galeria-Kaufhof-Sockel herauswachsen soll. Besonders der Alexa-Turm würde vom Straußberger Platz aus die Sicht auf den Fernsehturm blockieren, und er wies darauf hin, dass dieser Blockade-Effekt durch die geringere Höhe des Park Inn Hotels aus Richtung der Prenzlauer Allee dagegen nicht eintrete.

Lüscher wies offen darauf hin, dass in fernerer Zukunft der Fall eintreten könne, auch das Park Inn Hotel abzureißen; aber nur aus pragmatischen Gründen, wenn sich bestimmte Bedingungen bis dahin geändert hätten. Sie will wie Flierl eine bestandsorientierte Modifikation des Kollhoff-Plans und sagt Ja zum Hines-Hochhaus, aber Nein zu einem neuen städtebaulichen Wettbewerb, nach dem Bernau sie fragte. Das Pragmatischste scheint ihr im Moment der Sockelbau zu Füßen des Park Inn Hotels zu sein, der den Platz zur Alexanderstraße hin schließen würde. Dann wäre der Alexanderplatz endlich eingefasst. Aber wäre er dann schon “gerettet”? Zum Glück macht Hans Kollhoff beim Hines-Tower mit.

siehe auch Artikel „Der Saturn-Tower ist der überzeugendere Verbau am Alex“

Stadtforum 2030 im Roten Rathaus – brechend voll wie Berlin selbst

Auf Anton von Werners Gemälde, das auf den Zentimeter so hoch ist wie einst die Berliner Mauer war, sitzen nur wenige, die meisten stehen. Es zeigt den Hände schüttelnden Otto von Bismarck auf dem Berliner Kongress von 1878 und hängt im Großen Saal des Roten Rathauses, wo letzten Mittwoch zwar die meisten auf Stühlen saßen, aber nicht gerade wenige den Abend auf durchgedrückten Knien verbrachten, stehend. Die Moderatorin des ersten Stadtforums 2030 erkannte das Dilemma früh. Es mögen die Jüngeren bitte ihre Plätze für die Älteren hergeben, appellierte sie vorsichtig. Das taten auch manche. Doch wo sie konnten, ließen sich die Leute früher oder später auf den Fußboden nieder und kauerten für die Zukunft Berlins. Immer wieder kamen weitere in den Saal, fanden sich in einem Wald von Zuhörern wieder, was sie nach vorn schleichen ließ, soweit wie irgend möglich, dorthin, wo noch Fläche zum Kauern war.

Was bedeutet es, wenn so eine Menge von Menschen in ein Rathaus strömt? Menschenmassen strömen für gewöhnlich in Clubs oder in Stadien, oder in Supermärkte, wenn sie vor den Pfingstfeiertagen befürchten, ihre Lebensmittelversorgung bräche ein. Es bricht doch nicht etwa etwas in Berlin ein, Herr Müller? – Es schien, als wollte, wer hierher kam, sich mit einem recht väterlichen “Alles wird gut” versorgen und es mit nach Hause nehmen, in den Kühlschrank packen. Michael Müller als Senator für Stadtentwicklung machte den Ernst der Lage beim Thema Bevölkerungsanstieg aber deutlich. Hunderttausend Menschen seien nach Berlin gezogen, nur innerhalb der letzten drei Jahre. Und jetzt waren sie scheinbar alle hier im Rathaus.

Wenn der Große Rathaussaal also ein Spiegelbild für die Lage auf den Berliner Straßen wäre, dann ließe sich auch hier beobachten, was passiert, wenn am Wohnungsmarkt eine erhöhte Nachfrage auf ein zu knappes Angebot trifft: Die gerade eintreffenden, noch sitzlosen Leute tragen Stühle in den Saal, von denen die andern, die schon drinnen auf dem Boden kauern, gar nicht wissen, dass es sie gibt. Offenbar gibt es Reserven. Und dann kann man auch eine zweite Lösung sehen: Gäste, die Sitzplätze haben, stehen nach einer Weile von selber auf (warum auch immer, es war sehr warm im Saal) und verlassen die Veranstaltung. Müsste in unserem Modell also heißen: Es gibt Menschen, die verlassen Berlin. Aber nein, wer macht denn sowas?

Link zum Tagesspiegel-Bericht übers Stadtforum

Der Saturn-Tower ist der überzeugendere Verbau am Alex

Wer heutzutage mit dem Rad die Alexanderstraße vom Park Inn Hotel kommend Richtung Straußberger Platz rausfährt, dem bläst unter Umständen, sagen wir unter gewissen Wetterlagen, ein kräftiger Wind entgegen, Ostwind. Gleichzeitig erhält der Radler durch die Hinderung im Vorwärtsstreben einen verlängerten Augenblick, zeitlich gemeint, sich das Mosaikfries von Walter Womacka am Haus des Lehrers anzuschauen – zu empfehlen vor allem in den Abendstunden, wenn eine untergehende Sonne Szenen eines untergegangenen Staates beleuchtet. Dieser Augenblick wird bald sehr kurz sein, wenn es den Saturn-Tower gibt, von dem Senatsbaudirektorin Regula Lüscher hofft, dass er in zehn Jahren stehen wird, wie sie am 11. April in einem Interview mit der Berliner Zeitung sagte.

Von einem anderen Tower hofft sie das nicht: Das Hochhaus am Alexa würde den Blick aus der Grunerstraße auf das Haus des Lehrers und die Kongresshalle blockieren. Aber wie in der unten stehenden Slideshow erkennbar, stimmt das nicht so ganz. Ein Bau am Eingang zum Kaufhaus Alexa verdeckte gerade einmal die Hälfte der Kongresshalle, und das Haus des Lehrers bliebe komplett frei einsehbar. Allerdings würde man aus dieser Richtung blickend nur eine schmale Seite vom Fries sehen, nicht die breite Hauptseite. Wollte die Senatsbaudirektorin am Alexanderplatz eine Lanze für die Ostmoderne brechen, wie es den Anschein hat, sollte sie das Hochhaus von Hines am Saturn-Sockel verhindern. Der Verlust im Stadtbild wäre hier größer als dort. Man könnte auch sagen, der Verbau wäre überzeugender, berlinerischer.

Auch Hans Stimmann sagte in einem Interview mit der gleichen Zeitung drei Tage zuvor, wenn man den Bebauungsplan ändern wolle, müsse man ihn allerdings jetzt ändern, schon für das Hines-Projekt. Wenn man jetzt diese zwei Dinge zusammennimmt, den Stimmann-Sinn für dringliches Handeln auf der einen Seite und den Mut Lüschers zu einer Neuausrichtung der Vorstellungen von einem zukünftigen Berliner Alexanderplatz auf der anderen Seite, dann wäre die Nullrunde perfekt und nichts wüchse am Ende aus den Sockeln. Aber ist das einen „historischen Moment“ wert, von dem Regula Lüscher sprach? Immerhin gibt es Spiele, bei denen siegt am Schluss, wer keinen Stich macht.

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Ein Wahrzeichen neben dem drittgrößten Gebäude der Welt?

Das Haus ist einfach eine Wucht, das alte. Als bei der gestrigen Ausstellungseröffnung am Anfang erst wenige Besucher da waren, konnte man direkt das langgeschwungene Flügelbau-Innere des Flughafengebäudes entlangblicken, wo all die 55 Beiträge von Architekten Platz fanden, die dem Traum Klaus Wowereits von einem Neubau der Zentral- und Landesbibliothek auf dem Tempelhofer Feld allmählich eine Gestalt geben. Neun von ihnen wurden preisgekrönt und kommen dem nahe, was die Jury mit dem offenen Ideenwettbewerb zu finden beabsichtigte: „Wir haben nach einem architektonischen Wahrzeichen gesucht“, sagte Senatsbaudirektorin Regula Lüscher bei der Eröffnungsrede.

Da gibt es Bibliotheken, die auf dem Feld zu stranden scheinen, wie Wale. Andere wachsen aus dem Erdboden heraus, und eine stellt sich „frech“, wie Lüscher sagt, genau an die alte Start- und Landebahn. Die „freche“ Bibliothek, die wie eine Treppe vom Feld raufwächst, ist wegen ihrer Rollbahnstellung auch mein Favorit geworden. Sie stammt von der FAR frohn & rojas Planungsgesellschaft und ANNABAU Architecture und Landschaft aus Berlin. Aber es gibt spektakulärere Entwürfe, wie den von Envés Arquitectos S.L.P., Alcorcón aus Madrid, die, so wie es aussieht, auf dem Feld ein Raumschiff landen lassen. Das ist vielleicht das imposantere Wahrzeichen, dieses Raumschiff. Und ich nenne es Raumschiff, ohne dass ich negativ davon abgeschreckt wäre. Vielleicht liegt das auch an den romantischen Farben im Hintergrund. Die Abendsonne über der Fliegersiedlung am Tempelhofer Damm macht den Entwurf ja durchaus realistisch.

Das bessere Wahrzeichen wäre aber vielleicht das bescheidenere, das auch ein bisschen mit dem Flughafengebäude kann, also dann doch das Rollbahn-Treppenhaus. Und dann gibt es da noch das Flughafengebäude selbst. Warum sucht man eigentlich ein neues architektonisches Wahrzeichen direkt neben dem drittgrößten Gebäude der Welt? Ein Besucher sprach mich an, ob ich den Entwurf links von mir hässlich fände. Es war keiner meiner Favoriten. Aber ich sagte, nein. Und dann wusch er mir kräftig den Kopf. Man solle überhaupt keine neue Bibliothek bauen, sondern erstmal das Flughafengebäude nachnutzen, das seiner Kenntnis nach zu 85 Prozent leer stehe. Das Allierten-Museum könne hinein, auch Künstler, Maler und vor allem Musiker, die in den tiefliegenden und lärmabgeschotteten Kellerräumen des Gebäudes ungestört proben könnten. Er sorgte sich auch um die Amerika-Gedenkbibliothek am Blücherplatz, deren Zukunft ungewiss sei. Aber das ist die Zukunft der ZLB sicher auch.

Einige der Entwürfe sind in der Slidshow in der Futurberlin-Sidebar zu sehen und hier:

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Die Stadt gehört den Sesshaften

In einem Leserbrief des aktuellen “Spiegel” reagiert Berlins Ex-Senatsbaudirektor Hans Stimmann auf einen Artikel von Georg Diez, der in der vorletzten Woche (Spiegel Nr. 12) gegen Berlins neue Architektur wetterte und die Verantwortung für “fade” Fassaden und den “Lego-Klassizismus” Berlins Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit höchstpersönlich in die Schuhe schob. Stimmann entlastet Wowereit und schreibt, die Verantwortung für die “ästhetischen Sünden” ruhe auf vielen Schultern.

In der Tat klingt es märchenhaft, was Georg Diez da vom Stadtoberhaupt erwartet: “Ein Bürgermeister sollte ein Bild von seiner Stadt haben, das er den Bürgern vermittelt, er sollte zeigen, was er will und was er nicht will (…) als wäre das nicht seine Aufgabe, gestalterisch zu wirken.” Ist es auch nicht. Zum Glück nicht. Es ist ja nicht seine Stadt.

Aber wie abwegig der Gedanke von der stadtbildprägenden “Wurstigkeit” Wowereits ist, wird in der Verschiedenartigkeit der angeführten Bauprojekte schnell klar. Eine Aufzählung: Hauptbahnhof, Bahnhofsvorplatz mit Hotelbauten, Trampelpfad am Spreebogen, Kanzleramt, O2-Arena, Zoofenster, East-Side-Gallery, Flughafen, Steglitzer Kreisel, Schloss, Alexa, Rathausforum, Yoo, Kronprinzengärten, Total Tower, Holzmarkt. Diez wirft der Stadt “ästhetischen Opportunismus” vor, scheint seine Beispiele aber selber opportunistisch auszusuchen. Allein der “vom Himmel gefallene” und “unelegante” Hauptbahnhof: Er wäre elegant, wenn sein Ost-West-Dach zu Ende gebaut worden wäre. Das Land Berlin, hat die Deutsche Bahn dafür immerhin verklagt, wenn auch nicht aus ästhetischen Gründen und ohne Erfolg.

Das Yoo und die Kronprinzengärten sind für Georg Diez Anzeichen einer “Russifizierung” von Mitte und einer “fortschreitenden Anästhesierung der Innenstadt”, die Fassaden des Investorenstils “von erschlagender Feigheit”. Er wundert sich, dass in Berlin “nichts Berauschendes” mehr gebaut würde und empfiehlt der Stadt Unter den Linden eine Art “Gegenwartsschock”.

Dass man die Rasterfassaden aus Naturstein mit ihrer Fifty-Fifty-Balance aus Fenster- und Fassadenfläche öde finden kann, ist gar keine Frage. Aber eine bessere wäre die: Ist das wirklich Opportunismus oder ist es gewollt und Programm?

Als es im Jahre 2010 am Center for Metropolitan Studies der TU Berlin bei einem Workshop um die Fortschreibung des Planwerks Innenstadt ging, meldete sich auch Manfred Kühne von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zu Wort. In einem Nebensatz, aber sehr überzeugend, sprach er von sich selbst als einen “Stimmann-Schüler”. Der heutige Leserbriefschreiber hat in der Verwaltung seine Spuren hinterlassen, seinen Geist, obwohl er zum Zeitpunkt des Workshops schon seit vier Jahren kein Senatsbaudirektor mehr war.

Die Stadt gehört den Sesshaften, denjenigen, die bleiben, wenn die Verantwortlich-Wechselnden gehen. Und sie gehört denen, die jene Sesshafte für ihre Ideen entflammen können, wie Stimmann. Aber ein Bürgermeister? In einer Metropole wie Berlin ist er bestimmt zu weit von der Verwaltung entfernt. Das müsste schon ein sehr großer Funke sein, der da überspringen könnte. Die “Wurstigkeit”, die keine ist, scheint also wirklich den falschen Namen zu tragen.

Hasselhoff opfert sich für East-Side-Gallery – traditionsbewusst oder nicht

Auch an der East-Side-Gallery bahnt sich die Prophezeiung ihren Weg. Ein Denkmal wird versetzt, auf die eine Weise oder auf die andere. Schon am Sonntag geht es los, wenn David Hasselhoff kommt. Aber wenn Hasselhoff kommt, dann kommen viele andere auch, wahrscheinlich mehr als vor zwei Wochen, und dann ist das Thema vollends international, so wie es sich für die bunte Mauer ja auch gehört.

Wenn der Bauherr von „Living Bauhaus“, das künftige Hochhaus, das die Lücke verlangt, jetzt mitdenkt, organisiert er für Sonntag den Kran, den gleichen, der vor zwei Wochen das Mauerstück aus dem Gemälde von Lotte Haubart und Karina Bjerregaard herausgehoben hatte. Mit Hasselhoff auf dem Kran, medienwirksam inszeniert, singend und schwebend diesmal nicht überm Brandenburger Tor, sondern über der East-Side-Gallery, werden noch bevor Günter Jauch sonntagabend das Gasometer verlässt, auch die restlichen, noch zu verkaufenden Eigentumswohnungen an den Mann gebracht sein. Und wer sich bis heute das Werk der dänischen Künstlerinnen einmal näher angesehen hat, mit seiner Lücke, und es von vorher kennt, dem bleibt nicht viel anderes übrig, als im Sprung Hasselhoffs über den großen Teich die Rückkehr des Engels von Berlin zu erkennen. Ja, es fehlt ausgerechnet der Engel im Bild, dem Bild mit dem legendären Titel „Himlen over Berlin“, das das Brandenburger Tor zeigt. Der bauliche Eingriff steckt so voller Symbolik! Es könnte alles geplant sein. Aber von wem?

Das Schicksalhafte, das sich jetzt abzeichnet, hat mit der Berliner Tradition, Baudenkmäler zu versetzen, zu tun. Unter der Bedingung, dass sie von Künstlern als Kunstobjekt reinszeniert würde, könnte die teilversetzte East-Side-Gallery am Spreeufer in diese Tradition mit Würden eingehen. Aber offensichtlich befürwortet das außer mir niemand anders. Alle wollen die Gallery retten, sogar David Hasselhoff. Und genau hier geschieht es: Es wird nicht die Mauer, sondern das Monument Hasselhoff versetzt. Der Kransänger vom Silvester’89, ein Denkmal für Deutschlands Wiedervereinigung, findet sein Berliner Domizil im Jahre’13 am Mühlendamm an der Spree.

 

 

Der Stadtrat, der aus der Hüfte schießt

Wie Mittes Baustadtrat Carsten Spallek weniger Bürgerbeteiligung wagt und mit seinem kuriosen Stil bisher ganz gut fährt

Bis vor kurzem stammte die aktuellste Meldung auf der Internetseite von Carsten Spallek (CDU) vom 24. August 2012. Die CDU-Fraktion des Bezirks Mitte berichtet dort über die tags zuvor abgebrochene Bezirksverordnetenversammlung (BVV) des Bezirks Mitte im Rathaus an der Karl-Marx-Allee. Von einem “traurigen Tag für die BVV” ist die Rede und von “150 selbsternannten Mauerparkschützern”, die den Saal besetzten und es unmöglich machten, “einen ordnungsgemäßen Beratungsverlauf sicherzustellen”. Besorgt äußert sich der CDU-Fraktionsvorsitzende Torsten Reschke in der Meldung über die Gruppen, “die jegliche demokratische Spielregeln bewusst missachteten”. Sie hatten mal eben ein demokratisch legitimiertes Staatsorgan lahmgelegt. Aber sie reagierten damit auch auf einen verwegenen “Streich” von Baustadtrat Carsten Spallek. Und ein Blick über den Mauerpark hinaus zeigt, dass der Stadtrat auch im Monbijoupark und an der Marienkirche wenig Gespür für adäquate Bürgerbeteiligung besitzt.

Auf einen Streich im Mauerpark

Was war also los im Mauerpark? Vor Mittes Chaos-BVV am 23. August hatte es eine andere, friedvolle gegeben, eine BVV, die man vielleicht als Sternstunde der informellen Bürgerwerkstatt in den Auseinandersetzungen um die Mauerparkpläne bezeichnen könnte. Die BVV hatte im April 2012 beschlossen, die Erweiterung des Mauerparks und die mit ihr zusammenhängende nördliche Bebauung an Bedingungen zu knüpfen. Bedingungen, die die Bürgerwerkstatt stellte: das “Grüne Band” entwickeln, Kaltluftschneise und Kinderbauernhof sichern. Eine Wohnbebauung wäre denkbar, heißt es in dem Beschluss. Sie solle ökologisch, nachhaltig und städtebaulich vertretbar sein. Und: “Bei der Umsetzung der Verfahren und weiteren Planungen ist die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger, wie bisher in der Bürgerwerkstatt Mauerpark geschehen, zu gewährleisten.”

Mit dem Beschluss gelang es der informellen, 2009 von der Politik eingesetzten Bürgerwerkstatt, ihren Willen in den politischen Raum zu hieven. Dabei sollte sie ursprünglich nur gestalterischen Einfluss auf die Grünfläche nehmen. Ihr Wille war jetzt demokratisch legitimiert. Aber sollte ihr Wille auch geschehen?

Die Juni-BVV vor der Sommerpause brachte ihn schon mal ins Wanken. Ein Antrag zielte auf einen mit dem Investor zu seinen Gunsten geänderten städtebaulichen Vertrag, der am 13. Juni in einem Ausschuss vorgestellt, und einen Tag später in der BVV beschlossen werden sollte, dringend. Stadtrat Spallek wollte ihn noch im Sommer unterschreiben.

Als die Bürgerwerkstatt davon erfuhr, äußerte sie in einer Mitteilung:

“Sollte die im Dringlichkeitsantrag gewünschte Maximalbebauung in der BVV eine Mehrheit finden, ist die bisher praktizierte und politisch gewollte überbezirkliche Bürgerbeteiligung (Bürgerwerkstatt) sinnlos geworden, da ihre Postitionen und Ergebnisse auf den Kopf gestellt werden. Damit wird die bisher erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem Bürger aufgekündigt.”

Sie wurde es erstmal nicht, denn der Antrag wurde auf den 23. August vertagt, jenen “traurigen Tag für die BVV”. Ende Juni, als Politik und Presse schon die Ferien planten, setzte dann Carsten Spallek noch einen Bezirksamtsbeschluss (BA-Beschluss) “über die nächsten Schritte für den Mauerpark” aufs Gleis. Schwarz auf weiß finden sich darin die investorenfreundlichen Inhalte des städtebaulichen Vertrages, die schon im Dringlichkeitsantrag standen, aber noch nicht durch das Bezirksparlament beschlossen waren. Welche demokratische Spielregel missachtet Spallek in diesem Fall? Das Bürgerinitiativen-Netzwerk BIN Berlin nannte das einen “Staatsstreich”, und Alexander Puell, Vereinsvorsitzender der Freunde des Mauerparks, die sich in der Bürgerwerkstatt engagieren, spricht von einem “Faustschlag ins Gesicht der Bürgerwerkstatt”.

Denn der städtebauliche Vertrag legte für die Bebauung nördlich des Gleimtunnels den Entwurf des Architekturbüros Lorenzen zugrunde, den ersten Preisträgerentwurf aus dem städtebaulichen Wettbewerb, den der Investor 2010 durchführte und den die Bürgerwerkstatt schon im Februar 2011 abgelehnt hatte. Hier zeigen sich die Grenzen ihrer damaligen Einflussmöglichkeiten, und desto höher ist die Bedeutung des späteren BVV-Beschlusses vom 19. April 2012 einzuschätzen, des Bürgerwerkstatt-Kompromisses, der von SPD, CDU und Grünen gemeinsam gefunden und getragen wurde. Aber wie sicher ist ein BVV-Beschluss?

Als dann am 23. August die BVV sich selbst vertagte, ohne über den Mauerpark-Vertrag zu beschließen, hatte sich mehr gebildet als die 150-köpfige Protestlergruppe, die die Politiker störte.

“Wir haben uns bereits in der Sommerpause eingehend zu diesem BA-Beschluss beraten und auch die Fraktionen in Pankow hinzugezogen”,

… sagt Franziska Briest (Grüne). Heraus kam ein bezirksübergreifendes Bündnis, dem sich sogar der CDU-Ortsverband Schönhauser Allee anschloss, Parteigenossen Spalleks. Es forderte unter anderem, an der Gestaltung des städtebaulichen Vertrags auch das Bezirksamt und die BVV Pankow mitzubeteiligen. Außerdem solle der städtebauliche Vertrag “erst im Ergebnis eines Bebauungsplanverfahrens” abgeschlossen werden. Aber wieder lag wegen Vertagung die Entscheidung in der Luft, und es blieb spannend, wenn auch nur für drei Wochen.

Dann tagte die BVV unter besonderen Bedingungen nicht im Rathaus Mitte, sondern unter Polizeischutz und obligatorischer Platzreservierung in einer Schulaula. Ergebnis: Der Antrag wurde endlich beschlossen. Aber Carsten Spallek hatte Glück gehabt. Fünf Bezirksverordnete aus den Reihen der Gegner des Antrags fehlten. Wären sie gekommen, hätte die Abstimmung mit 24:24 anders ausfallen können.

“Auch ich hätte selbstverständlich einem Antrag, der einen BVV-Beschluss aushebelt und Bürgerbeteiligung ad absurdum führt, nicht zugestimmt”,

… versichert Franziska Briest, die krank war. Mit diesen Worten bringt sie auf den Punkt, was passiert war. Nur 19 stimmten am 13. September gegen den Mauerparkvertrag. Der Wille Spalleks war geschehen, ein Beschluss rückgängig gemacht, und alles hatte wieder seine parlamentarische Ordnung.

Der tiefenentspannte Stadtrat

Die Saison für die Märchenhütte im Monbijoupark hatte am 7. November 2012 noch nicht begonnen, aber die Schauspieler probten schon. Am späten Nachmittag lief “Hase und Igel”. Im Anschluss kam Carsten Spallek. Als der Stadtrat, kurz nach 18 Uhr und fasziniert von der tollen Akustik, in der Märchenhütte die Bühne betrat, sah es zunächst so aus, als wolle er Gericht halten, anstatt eine Bürgerversammlung zu leiten. Da saß in der einen Ecke Stefan Erfurt, der für das C/O Berlin bis zum 31. Dezember eine “Arche Noah” suchte und glaubte, sie in den Atelierhäusern des Parks gefunden zu haben. Und drüben saß der Geschäftsführer des Hexenkessel Hoftheaters Christian Schulz, der in der Hütte quasi Hausherr war.

Spallek ließ die scheinbaren Kontrahenten zu Wort kommen. Es sah so aus, als müsse hier zwischen zwei Kulturtreibenden vermittelt werden. Der eine rückt dem andern auf die Pelle, und dieser lässt es sich mehr oder weniger gefallen. Wo war das Problem?

Erst als Frank Bertermann (Grüne), Mittes Vorsitzender des Ausschusses für Stadtentwicklung, aus dem Publikum heraus auf das aufmerksam machte, was die Aufgabe des Stadtrats gewesen wäre, kam Schwung in die Bude. Man müsse den Leuten offen sagen, dass es für den Monbijoupark einen rechtskräftigen Bebauungsplan (B-Plan) gäbe, der eine Grünfläche vorschreibe und eine kulturelle Nutzung überhaupt nicht zulasse. Dieser B-Plan war aber nirgendwo im Raum zu sehen. Spallek hatte ihn den Bürgern einfach vorenthalten.

Und wie realistisch war der C/O-Rettungsakt überhaupt? Damit die Fotogalerie in die Atelierhäuser hätte ziehen können, hätten sie umgebaut und erweitert werden müssen. Dafür hätte Stefan Erfurt eine Baugenehmigung gebraucht. Um sie zu bekommen, hätte der B-Plan geändert werden und eine zweistufige Bürgerbeteiligung durchgeführt werden müssen. Das alles in weniger als acht Wochen? “Das war kurz vor ultimo, hätte man sich sparen können”, meint Frank Bertermann heute. Das war wohl auch Carsten Spallek klar, denn der Stadtrat gab sich locker: “Ich bin ganz tiefenentspannt.”

Schauspieler klopfen auf einmal an die Tür. Wann wir fertig wären, fragen sie. Die Diskussion hatte gerade erst begonnen, da musste sie aus Zeitgründen schon wieder abgewürgt werden. Um 19 Uhr kamen die “Bremer Stadtmusikanten”. Der Stadtrat und seine Bürger mussten wieder gehen. Das war lachhaft, aber man saß ja im Theater.

Die Bürgerversammlung in der Märchenhütte war eine Veranstaltung reinster Desinformation. Das begann schon mit der Einladung: Es gab keine, sondern nur eine Presseerklärung. Bertermann erzählt, es wäre den Kiezinitiativen zu verdanken, dass überhaupt Leute kamen. Er und die Grünenfraktion in Mitte haben im Dezember an Spallek eine BVV-Anfrage gerichtet. Sie trug den Titel “Tiefentspannte Märchenstunde im Schwarzbau”.

Ja, die Märchenhütte ist selbst ein mutiger Streich, seit Jahren geduldet, aber offiziell nicht genehmigt. Deshalb stellte sich mit den Standortwünschen der C/O Galerie für den Bezirk Mitte prinzipiell die Frage, ob man den Monbijoupark mit den Atelierhäusern, der illegalen Märchenhütte und dem “fliegenden Bau” des Hexenkessel Hoftheaters zu einem Kulturstandort ausbaut oder als Park vollendet, wie es im B-Plan steht.

Diese perspektivische Frage, die Carsten Spallek in der Märchenhütte sorgfältig ausklammerte, stand nicht erst seit November 2012 auf der Tagesordnung, sagt Bertermann. Schon zu Ephraim Gothes Zeiten wollte man mit den Bürgern diese Frage diskutieren. Der Amtsvorgänger von Carsten Spallek, der heute Staatssekretär in der Senatsverwaltung ist, hatte dem neuen Stadtrat ein Erbe hinterlassen. Spallek schob das Bürgertreffen ein ganzen Jahr vor sich her bis es für einen realistischen Umzug des C/O Berlin einfach zu spät war. Die Galerie zieht im Frühling ins Amerika-Haus am Bahnhof Zoo.

Unter anderem wegen dieser aufgeschobenen Bürgerbeteiligung, auch wegen seines Vorgehens im Mauerpark, sah sich der Stadtrat 2012 sogar mit einem Missbilligungsantrag von der Grünenfraktion konfrontiert. Aber zum zweiten Mal in der Geschichte bleibt der Stadtrat ein Spallek im Glück, denn der Antrag wurde mehrheitlich abgelehnt. Wer so breite Unterstützung erhält, hält sich sicher an die Spielregeln. Nur mit der Wahrheit kann man dann offenbar etwas ungenauer sein. So gab die Abteilung des Stadtrats in einem Bericht an die BVV die Dauer jener “Märchenstunde” mit 18 bis 20 Uhr an. Aber Wahrheitstreue ist nur eine Tugend.

Know-how für das Herz der Stadt

Wo durch die Türe eines Gotteshauses, noch dazu eines mittelalterlichen Schmuckstücks wie der Marienkirche in Mitte, Urin fließt, ist Tatkraft gefragt und entschlossenes Handeln. Erst recht, wenn die Stadt gerade ihr 775-jähriges Jubiläum feiert und die Gemeinde schon in fünf Jahren 500 Jahre Reformation. Den Klagen der Kirchengemeinde St.Petri-St.Marien über die zunehmende Verwahrlosung des Umfelds der Marienkirche durch ungebetenes Nacht- und Partyvolk kam das Bezirksamt Mitte direkt mit der Beauftragung der Landschaftsarchitekten des in Mitte bewährten Büros Levin Monsigny nach. Architekt Rob Grotewal stellte die Entwürfe für die geplante Umgestaltung im September 2012 in der Kirche vor. Das war der Beginn und sogleich das Ende kritisch-konstruktiver Auseinandersetzung des Bauamts mit der interessierten Öffentlichkeit.

Carsten Spallek saß an jenem Nachmittag in der Kirchenbank wie alle andern. Übermorgen würde die BVV über den Mauerparkvertrag abstimmen. Ob er daran dachte, war ihm nicht anzusehen. Der Park lag drei Kilometer von der Kirche entfernt; das Ende des Jahres nur etwa zehn Wochen. Bis dahin mussten für die Umgestaltung des Kirchenumfelds die Fördermittel beantragt werden und die Planung abgestimmt sein. Vielleicht hatte der Stadtrat an diese Tunnelperspektive gedacht, als die Kritik der historischen Vereine ihm nach der Präsentation der Entwürfe die ein oder andere ehrlich gemeinte Antwort entlockte. Er halte eine Gesamtplanung für nicht realistisch und sehe die Möglichkeit dafür erst ab etwa 2020, auf keinen Fall in dieser Wahlperiode, sagte er.

Was die Bürger mit Gesamtplanung da forderten, weist darauf hin, dass die Kirche “heiß” ist. Denn sie ist Anrainer und Teil des Riesenfreiraums, den man neuberlinerisch “Rathausforum” nennt, der Fläche zwischen Fernsehturm und Spree, über die sich Politiker und Architekten die Mäuler zerreißen, weil sie schon bald unter den Hammer kommen soll. Aber darüber entscheiden Landespolitiker. Es sieht aus, als solle der Stadtrat die Kirche im Hof lassen.

Dass darunter Berlins vergessene Altstadt liegt, deren Reste unterirdisch die ganze Kirche umgeben, macht es nicht leichter und sollte ein Argument dafür sein, einen kühlen Kopf zu bewahren, sich Zeit zu nehmen. Aber die Wortwahl Rob Grotewals, des Architekten, bekundet schon die emotionale Grundhaltung im bevorstehenden Planungsakt. Schnell muss es gehen, und natürlich ringt die Kirche mit dem Rathausforum: Grotewal will erreichen, “dass die Kirche wieder Luft zum Atmen hat.“ Sie liegt 1,50 Meter unter dem Platzniveau, eingepfercht in den gepflasterten Boden und umwachsen von Büschen, in denen Passanten bevorzugt den Abort sehen. Der Plan: mehr Licht. Bäume fällen, Büsche beseitigen und neue Straßenlampen aufstellen; auch ein öffentliches Klo.

Aber zum Plan gehörte im September auch, die Kirche durch ein großflächiges Rechteck aus langen Steinbänken einzurahmen und das Erdreich, das die Kirche bedrückt, bis zu diesen Bänken abzugraben. Vor allem an diesem willkürlichen Rechteck, das dem einstigen Marienkirchhof nicht entspricht, rieben sich die Historiker und Altstadtfans, fragen den Stadtrat in der Kirche: “Warum nicht in historischer Authentizität?”

Am Ausgang der Marienkirche steht ein Ideenkasten. Carsten Spallek nimmt die Wünsche der Bürger mit aufs Amt. Ähnliches passiert mit dem Konzept von Rob Grotewal; noch hängt es in der Nähe des Altars. Viele fotografieren, denn es ist das erste und letzte Mal, dass die Eingeladenen dazu die Möglichkeit haben. Wissen tun sie das nicht.

Zwei Monate später entscheidet sich der Ausschuss für Grünflächen für ein Konzept, in dem Cortenstahlbänder, wie man sie von der Mauergedenkstätte kennt, den alten Marienkirchhof im Boden abbilden sollen. Es ist die Antwort auf die angemahnte Authentizität. Das unauthentische Rechteck aber bleibt. Vor diesem 21. November hatte das besorgte Bürgerforum Historische Mitte, in dem sich mehrere Vereine zusammengeschlossen haben, in einem Brief den Stadtrat gefragt, wann die überarbeitete Planung vorgestellt werden solle. Man dachte an eine Bürgerveranstaltung Nummer zwei. “Jetzt, hier in der Ausschusssitzung”, antwortete Carsten Spallek, der eine Debatte mit der Öffentlichkeit über den außergewöhnlichen Ort nicht für notwendig hält und auch deren Expertise nicht.

Dabei gäbe es Diskussionsbedarf. Das Bürgerforum schreibt in einem Positionspapier nach der Sitzung des Ausschusses: “Die Interpretation der Bürgerveranstaltung in der Marienkirche, es seien mehr ‘Brüche’ und ‘mehr Kollision’ gewünscht, die sich dann gestalterisch nach wie vor in einem geschichtslosen rechteckigen Marienkirchenumfeld und noch mehr Cortenstahlbändern ausdrückt, empfinden wir als oberflächlich.” Es müsse “einen Modus der Bürgerbeteiligung an der Fortschreibung der Planung geben”, so das Bürgerforum, und Planungsstände und Planänderungen sollten veröffentlicht werden. Tatsächlich war es ein Modus des Versteckspielens. Wer im September seine Kamera vergessen und im November den Ausschuss verpasst hatte, sah das Konzept erst am 13. Dezember wieder – und dann als eingeladener Journalist. Denn Carsten Spallek stellte die Pläne jetzt nur noch in einem Pressegespräch vor.

Frisch aus dem Urlaub zurückgekehrt, man darf vermuten “tiefenentspannt”, erteilte er dem Bürgerforum bei der Pressekonferenz eine weitere Absage. Anliegen des Bürgerforums war außer der historischen Authentizität immer auch die Frage gewesen, in welchem Umfang und an welchen Stellen Ausgrabungen geplant seien. Waren im November noch Grabungen im Südwesten der Kirche vorgesehen, sagte Spallek lapidar im Dezember: “Das machen wir erstmal nicht”. Im Frühling sollen die Bauarbeiten beginnen.

Vorher fordert das Bürgerforum Historische Mitte eine Beteiligungsveranstaltung. In einer Pressemitteilung vom Dezember bedauern die Mitglieder “die mangelnde Öffentlichkeitsarbeit, die falschen Darstellungen und die Zurückweisung von Sachkenntnis sehr”. Welches Zeichen setzt der Stadtrat, der hier aus der Hüfte zu schießen scheint, für den Umgang mit der historischen Altstadt von Berlin, wenn er den Historikern im Jubiläumsjahr der Stadt die Diskussion verweigert?

In Mitte nichts Neues?

An der Marienkirche war es nicht Glück und auch nicht Tiefenentspannung, die Carsten Spallek an sein Ziel führten. Der Stadtrat von Mitte hat hier einfach ortsrelevante Interessen am Wegesrand stehen lassen. Was hatte er zu verlieren, wäre er offensiv mit ihnen umgegangen – Zeit?

Die fehlte ihm schon in der Märchenhütte, wo seine Bürgerveranstaltung vom 7. November wegen der geschilderten unrealistischen Perspektive für den Umzug des C/O Berlin glatt als Schauspielerei durchgeht. Hier hat Spallek Glaubwürdigkeit eingebüßt. Wie ernst kann man ihn bei künftigen Beteiligungsbekundungen nehmen, sollte es sie je geben?

Das sollte sich vor allem die Bürgerwerkstatt im Mauerpark fragen, die weitermacht im Ringen um die Gestaltung des neuen Mauerparks und heute so tut, als hätte es Spalleks Streich vom Sommer letzten Jahres gar nicht gegeben. Als sie sich Ende Januar 2013 in der Ernst-Reuter-Schule im Weddinger Brunnenviertel neu konstituierte, war Stadtrat Carsten Spallek nicht unter den Anwesenden. Es hatten sich “Störer” angekündigt, die dieses Mal aber nicht gekommen waren.

Besetzt! – Warum ein Sicherheitsabstand für Mahnmale die Mahnungen glaubwürdiger macht

Zwei Mahnmale in einem Hain – das geht nun wirklich nicht. Die Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft möchte ein Mahnmahl neben dem Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma im Tiergarten errichten. Das bedeutet, dass es ein sehr kleines werden wird, denn zwischen Reichstag und dem Denkmal ist kaum Platz. Nur ein paar Büsche stehen dort und schützen das kreisrunde Wasserbecken mit der immer frischen Blume auf dem Podest vor dem Straßenlärm. Wer auf dem Weg vom Platz der Republik zum Brandenburger Tor diese ruhige Idylle betritt, ist durch eine Art Tür gegangen, die ständig offen steht. Wer sie wieder verläßt, geht mit erhobenem Zeigefinger und trägt die Mahnung, von den Toten überbracht, zu denen, die sie brauchen, notfalls vor Ort. Möge der Zeigefinder überzeugend sein! Zwei, zur gleichen Zeit in der Luft, sind es aus meine Sicht jedenfalls nicht.

Mehdorn, Müller, Mut – nur gemeinsam holen wir die EM 2020 ins Olympiastadion

Na, wer sagt’s denn! – Jetzt läuft alles nach Plan. Hartmut Mehdorn wird Manager des Berliner Großflughafens. Niemand, der den Futurberlin-Quickie vom 24. Februar mit Herzblut gelesen hat, hätte sich für die BER-Nachfolge jemals jemand anderen als den Mann vom Hauptbahnhof vorzustellen gewagt. Denn Mehdorn ist der „Colt für alle Fälle“, wenn es um Punktlandungen geht. Brachte er vor sieben Jahren das Kunststück fertig, nur Tage vor der Fußball-WM den Hauptbahnhof zu eröffnen, hat er es diesmal vielleicht auf die Fußball-EM im Jahre 2020 abgesehen. Dann wird eine Stadt in Deutschland die Ehre haben, neben zwölf europäischen anderen, Austragungsort zu sein. München hat die Bewerbung schon abgegeben, und Horst Seehofer freute sich zu diesem Anlass über den glasklaren Standortvorteil Münchens mit funktionierendem Flughafen – mit einem Lächeln in Richtung Berlin. Da aber noch nicht aller Tage Abend ist, schlug Futurberlin in dem Quickie vor, die in Berlin geplante Internationale Bauaustellung, die IBA 2020, die programmatisch bisher ihr Thema auf die Frage des Wohnens richtet, besser für die Fertigstellung des BER heranzuziehen, damit die Punktlandung aus Flughafen und Fußballfest größtmögliche Chancen bekommt. Dass in dieser Woche, die Mehdorns erste als BER-Manager sein wird, der Senator für Stadtentwicklung, Micheal Müller, zum IBA-Erfahrungsaustausch nach Hamburg reist, passt da vorzüglich ins Bild und macht Mut auf den Anstoß in Berlin. Bald, im Sommer 2020.

zum Futurberlin-Quickie vom 24. Februar

 

Durchbruch’13 spät

Nachdem der Durchbruch’89 den großen Umbruch brachte, kommt der Durchbruch im Jahre’13 eher spät. Oder was kommt einem in den Sinn, wenn man Polizisten entlang der Mauer gehen sieht? Und auch noch auf der historisch korrekten Seite: East-Side… Ein Bühnenstück ist das, reif für die Aufführung! Der Schutzwall-Schützer von einst, kehrt polizeistaatlich inkarniert zurück an eine alte Front, die ihrerseits selber in der Auferstehung begriffen ist. Das Stück wird zur „striking story“, spätestens an dem Punkt, an dem man erkennt, dass die Staatsbediensteten von der East-Side-Gallery am Dienstag heute genau das schützen, was es im Kalten Krieg zu verhindern galt: Durchbrüche. Und auch das Verhältnis der Staatsmacht zum Privateigentümer hat sich ins Gegenteil verkehrt. Früher hat sie ihn vergrault, heute lässt sie sich von ihm rufen. Wie kann sich ein Land in so kurzer Zeit so ändern? – Das kommt mir in den Sinn, nicht „Living Bauhaus“ und nicht die gelöcherte East-Side-Gallery. Dafür umso mehr Deutschlands Schreckens-Achtzigster, der in Berlin mit vielen Gedenkfeiern begangen wird. Gestern Rosenstraße. Was in dieser Woche zu mir durchgebrochen ist, ist die beispiellose Umbruchsaffinität von Deutschland. Nur der Frühling’13 lässt auf sich warten.

Video von Tv.Berlin zur East-Side-Gallery

 

Am Durchbruch beginnt eine neue Passage

Vor 25 Jahren hätte man sich über „Durchbrüche“ am Friedrichshainer Ufer gefreut. Jetzt ist die Freude über sie gleichbedeutend mit einem Totalabriss der East-Side-Gallery, wie Klaus Kurpjuweit im Tagesspiegel nahelegt, oder sie wird einem, wie von Claudia Fuchs in der Berliner Zeitung, felsenschwer als grundlegende Antipathie gegen das Kunstwerk und Denkmal zur Last gelegt. Ist das wirklich so einfach? Man sollte das differenzierter sehen.

Da ist zum einen die Frage der beiden Bauprojekte, die man aus der Protesthaltung heraus ganz oder teilweise ablehnen kann. Das Hochhaus wird der gebaute Mittelpunkt der grünen Uferzone sein und bringt, nicht schon heute, mehr Dramaturgie in den Freiraum. Wir müssen zukünftig an dem Ding vorbei, zwischen Spreewasser und 63 Meter hoher Balkonfassade wie durch ein Nadelöhr hindurch. Aber in beide Richtungen wartet die Freiheit auf uns. Die Grünflächen verhalten sich zum „Living Bauhaus“ wie die Flügel zum Körper eines Schmetterlings. Aber das setzt voraus, dass der 120 Meter lange Gebäuderiegel nicht auch noch gebaut wird. Und dieser Baukörper, in den auch noch ein Hotel einziehen soll, ist das größere Übel: Nimmt viel mehr Grundfläche weg, verhält sich konkurrierend zur East-Side-Gallery, denn man wird sie ja wohl nicht auf einer Länge von Hundert Metern abreißen wollen. Das Hochhaus nimmt sich nur soviel wie es braucht: Wir reden über eine Öffnung von etwa 30 Metern.

Zum andern ist da die Mauer selbst. Sie wurde zum Kunstwerk, und ihr Alleinstellungsmerkmal war einst ihr zusammenhängender Verlauf. Das bröckelt seit der großen Arena, das Werk verändert sich. Wird es deshalb aber obsolet? Die Gallery wird eine Geschichte mehr zu erzählen haben. Der Tagesspiegel hat es mit einem Bericht ja selbst dokumentiert: Die East-Side-Gallery wird sich durch Versetzungsakte einreihen – ja, sie reiht sich, während sie aus der Reihe tanzt, woanders ein -, nämlich in die berlintypische Translokations-Tradition von Gebäuden, Gebäudeteilen und Denkmälern. Man könnte fast sagen, erst wenn sich ein Denkmal an anderem Orte wiederfindet, gehört es nach Berlin. Insofern gereichen der East-Side-Gallery die Durchbrüche sogar zur Ehre. Das Kunstwerk, das einmal die Mauer war, tritt in eine neue Entwicklungs-Phase ein, die es erfordert, das Bauwerk zu reinszenieren. Schon können wieder die Künstler ran! Wie wäre es mit einem „Living Labyrinth“? – Ein dem Hochhauseingang vorgelagerter kleiner Irrgarten aus East-Side-Beständen, dessen unausweichliche Passage man auch den neuen Hochhauskiezlern quasi zur Wohnauflage macht. Dann wären vielleicht alle Interessen bedient.

Kommentar Tagesspiegel

Kommentar Berliner Zeitung

Bericht Tagesspiegel

 

Flughafen und Fußball auf einen Streich! Gebrauchen wir doch die IBA

Wenn Stadtentwicklung, noch dazu Berliner Stadtentwicklung, die Geschichte des europäischen Fußballs zu bestimmen droht, wird es ernst. Zumindest für die Berliner. Halb Deutschland lacht über den Berliner BER, und die andere Hälfte auch. Selbstverständlich gehören zu diesen Glücklichen die Bayern, die sich jetzt mit München für die Fußball-EM im Jahre 2020 beworben haben, wie die Süddeutsche Zeitung schreibt. Am glücklichsten wohl: Horst Seehofer (CSU). Weil es 2020 neben zwölf europäischen Austragungsorten nur eine geben kann, eine EM-Stadt in Deutschland, konnte Seehofer bei der Verkündung der Bewerbung wohl nicht davon lassen, im Konkurrenzkampf München-Berlin den humoristischen „Dolch“ zu ziehen und pries die Allianzarena „in der Nähe eines funktionierenden Flughafens“. Das ist ein Horst im Glück. Und Klaus? Wowereit kontert, dass Berlin große Sportveranstaltungen hervorragend ausrichten könne. Größtes Defizit der Hauptstadt sind aber seine großen Bauveranstaltungen. Warum also nicht seitens Berlin ein seriöses Schwert ziehen und die Fertigstellung des BER mit der Internationalen Bauaustellung 2020 verknüpfen? Fällt doch die geplante Berliner IBA auch ins Jahr der EM. Was für eine Punktladung das werden könnte: Flughafen-Eröffnung und Fußballfest auf einen einzigen Streich! Das hat doch beim Hauptbahnhof auch so gut geklappt. Oder?

Neues vom Sprengelkiez in Kalifornien

Wenn ich das Wort „Gentrification“ lese, geht mir oft der Refrain eines Songs von den „Red Hot Chili Peppers“ durchs Ohr: Californication… und fühle mich wie im Paradies. Der Prenzlauer Berg, wo ich wohne, befindet sich laut einer Karte des Stadtsoziologen Andrej Holm zur Geografie und zum Verlauf der Aufwertung in der Berliner Innenstadt aus dem Jahre 2009 schon in der Hyper-Gentfizierungs-Phase; Friedrichshain in der Modernisierungsphase, Kreuzberg und der Norden Neuköllns und Treptows in der Pionier- und späten Pionierphase. Wedding kommt in der Karte nicht vor. Andrej Holm hält heute um 15 Uhr einen Vortrag mit anschließendem Workshop unter dem Titel  „Chrashkurs: Gentrifizierung – nächster Halt Wedding?“ Dann geht es um den Sprengelkiez, gelegen zwischen Beuth-Hochschule, Ringbahn und Spandauer Schifffahrtskanal. Und der Ohrwurm ist vorbei. (siehe Eventkalender)

Der Medienspiegel ist tot – es lebe der Quickie!

Alles hat seine Zeit, und die des Medienspiegels auf Futurberlin ist mit dem letzten vom 5. Februar abgelaufen. Die stichpunkthafte Zusammenstellung von Berichten, Videos und Audios zu Stadtentwicklungsthemen in Berlin, die jeden Autor über kurz oder lang ermüden und zur Maschine machen, wird es auf diesem Blog nicht mehr geben. Dafür: jede Menge lebendiger „Quickies“. – Und was ist das?

 

 

 

So wird Berlin Beamtenstadt

In Berlin wackelt nicht nur die Schinkelkirche auf dem Friedrichswerder. Wofür dort der Neubau der luxuriösen Kronprinzengärten die Ursache sein soll – das muss offiziell erst noch bewiesen werden -, sorgen im Westen des Hauptbahnhofs die Bauarbeiten zum neuen Bundesministerium des Innern. Hier klagt heute noch der Hausherr der benachbarten und in Fachwerk so märchenhaft schlummernden Restauranthütte „Paris-Moskau“ über Risse im Gebäude. Aber Wolfram Ritschl wolle das seinen Gästen nicht unbedingt unter die Nase reiben, wie er in der „Abendschau“ sagt. Ein Kamerateam fährt mit der S-Bahn und zeigt die drei Bundesbaustellen Innenministerium, Bildungsministerium und Lüdershaus, die alle, teils verschneit, direkt an der Strecke liegen und ungeachtet von touristischen Augen vor sich hinwachsen. Für das Innenministerium soll das Richtfest schon am 22. Mai stattfinden. Jede Wette, dass das auch ein Grund zum Feiern für Herrn Ritschl ist.

zum Video der „Abendschau“

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Ein Kiez an der East-Side?

Man hält es im ersten Moment für einen Scherz: An der East-Side-Gallery wird ein Hochhaus gebaut. Schaut man aber ins „Planwerk Innere Stadt“ der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, dann ist tatsächlich zwischen neuer Brommybrücke und O2-Arena der grüne Uferstreifen auf Friedrichshainer Seite durch ein orange gefärbtes Baufeld unterbrochen, auf dem der fast quadratische Grundriss eines Gebäudes eingezeichnet ist. Jetzt machen der Initiativkreis „Mediaspree versenken!“, „Megaspree“ und eine ganze Reihe Aktivisten gegen den Bau mobil. Schon im März soll Baubeginn sein, und wie „Megaspree“ schreibt, werden die Wohnungen auf Immonet.de schon zum Verkauf angeboten. Natürlich ist hier Sturmlaufen ein gerechtfertigter Reflex; es gibt ja den Spreeufer-Bürgerentscheid. Aber der 60 Meter hohe Wohnturm wäre eine Bereicherung für die Berliner Architektur, weil er nicht wie zahllose Beispiele von Berliner Büro- und Einkaufsarchitektur das Stadtbild bannalisiert, sondern wegen seiner Wohnnutzung neue Formen hervorbringt. Vielleicht sollte man überlegen: Wo müsste das Haus denn stehen, wenn nicht dort? Am 26. Februar findet dazu eine Pressekonferenz statt (siehe Eventkalender).

zum Artikel von „Megaspree“ mit Bild

zum „Planwerk Innere Stadt“