Wetten daß… und dann das Schloss rückbauen – Auch dafür kann man schon spenden

Der Stammtisch Moritzplatz neigte sich dem Ende, als der Begriff „zweite Protestgeneration“ fiel. Die erste hatte gerade eine gute Stunde lang über den Schlossbau geredet, lässig und mit Bierchen in der Hand. Und sie hat sich eingestanden: „Man hat einen Kampf geführt, und man hat ihn verloren“, so deutlich sprach es zumindest Marion Pfaus aus, nachdem der Moderator in die Runde gefragt hatte, warum sich die schweigende Schlossgegner-Masse nicht artikuliere, warum der Aufschrei aus dem Volke ausbleibe. Jetzt, wo am Schlossplatz der Grundstein gelegt ist.

„Glaubst du noch an das Schloss?“, fragten sich Pfaus, Nina Brodowski und Ernst Wolf Abée am Donnerstag Abend gegenseitig, und was dabei herauskam, war eine Mischung aus einer Bilanz der vergangenen Protestgeschichte und der Prophezeiung einer konfliktreichen Schlosszukunft. „Sie werden viele Fehler machen“, sagte jemand aus dem Publikum, und spätestens dann werde der Protest wieder in Schwung kommen.

Nina Brodowski, damals Mitinitiatorin der Kampagne „Kein Schloss in meinem Namen“, empörte sich zum Beispiel über die Beauftragung Martin Hellers für das Konzept zum Humboldtforum, das gerade vorgestellt, aber in der Öffentlichkeit kaum Beachtung gefunden hatte – im Gegensatz zur Grundsteinlegung am 12. Juni. Sie habe davon nichts mitbekommen und rief „Empört Euch!“ vom Podium hinein ins Publikum. Dort saßen etwa 25 Gäste und blieben relativ ruhig. Die zweite Generation, wenn es sie gibt, steckt noch in den Kinderschuhen.

Was die Filmemacherin und Schriftstellerin Marion Pfaus betreibt, ist denn auch ein Beispiel dafür, dass der Protest neue Formen angenommen hat, und wegen der gebauten Fakten vielleicht auch annehmen muss: Der Schlossprotest wird Satire. Wie der Förderverein Berliner Schloss sammelt Pfaus Spenden, allerdings nicht für des Schlosses Barockfassaden, sondern für deren Rückbau. „Mich beflügelt die Sache“, sagt sie und meint die Grundsteinlegung, bei der sie als akkreditierte Journalistin dabei war. Auf ihrer Internetseite „humboldt21.de“ kann man außerdem auf den Eröffnungstermin des neuen Schlosses wetten. Der entfernteste liegt aktuell bei August 2045. Zu gewinnen gibt es den Jackpot, mit im Moment 25 Euro. Achtung: Das Wettbüro schließt am 30. Juni 2015.

Das könnte für weitere, neue Proteste schon zu spät sein. „Jeder Kubikmeter Beton, der dort erstarrt, ist auch erstarrt“, sagte Ernst Wolf Abée, der dritte Podiumsgast bei der Veranstaltung. Anders als Pfaus, die dem Schloss gewissermaßen eine Chance gibt, eine Chance auf Realisierung und es dann wieder rückbauen will, ist Abée der Meinung, man müsse das Wiederaufbauprojekt jetzt bekämpfen. Mit dem Kollektiv „Schlossfreiheit“ fordert er einen sofortigen Baustopp und unter anderen Punkten auch Transparenz in der Spendensammlung für die Barockfassaden. Er glaubt nicht an das Schloss. „Es ist ein zynisches Projekt, weil es ein Beharrungsprojekt ist“, sagte Abée.

Über „Beharrlichkeit“ schrieb übrigens schon Friedrich der Große. Ein Auszug aus seinem gleichnamigen Gedicht:

„Stillsichere Seelenkraft,

Die sich im Dulden strafft,

Die allen Schicksalsschlägen

Ausdauernd, heldenhaft,

Trotz setzt entgegen –

Preis dir und Ehren!“

(aus: Friedrich der Große, Historische, militärische und philosophische Schriften, Gedichte und Briefe, Hrsg. Gustav Berthold Volz, Anaconda Verlag, Köln, 2006, S. 563)
0 Kommentare

Dein Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns Deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert