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Wagins Baum

Als ich 1997 nach Berlin kam, zog ich in eine Studentenwohnung in Siegmunds Hof. Das ist kein Hof. Das ist eine Straße in Tiergarten, die eigenartig schräg nach links von der Bachstraße abgeht und Richtung Spree führt. Die S-Bahnstation Tiergarten befindet sich hier. Von dort, auf dem Bahnsteig stehend, war der „Weltbaum“ an der Brandwand des gegenüberliegenden gelben Altbaus am schönsten anzusehen. Das Mural von Ben Wagin war schon damals nicht mehr ganz beisammen. Es blätterten die Farben ab, der Baumstamm grade noch zu erkennen, auch der Motorradauspuff. Das Schiff mit den fünf markanten Bäumen war schon fast völlig verschwunden. Das Bild erstreckte sich bis unters Dach des Hauses und grüßte bis in die Straße des 17. Juni. Jeden Tag kam ich an ihm vorbei. Wirklich betrachtet, hatte ich es damals nicht.

Weltbaum mit Ablegern

Erst als das Mural vor ein paar Jahren verbaut wurde und Streetartisten es in der Lehrter Straße kopiert hatten, nahm ich mir Zeit für Wagins Kunstwerk. Der neue Standort schien besser als der alte. Die blanken Vollrohrrutschen des Spielplatzes an der Lehrter Straße wirken als würde der gemalte Auspuff aus dem Bild herausspringen, weil sich beides überlagert. Das ist genial. Umso mehr überzeugte mich die Wandbildkopie, in dem sie sogar von der Heidestraße in der Europacity zu erkennen war. Wagins Weltbaum strahlte weiter als jemals zuvor. Das ist nun wieder anders, nachdem die Blöcke in der nördlichen Heidestraße ihre geplante Höhe erreicht haben. Schade, aber schon okay.

Am S-Bahhof Tiergarten verbaut und in der Lehrter Straße von Künstlerin neu gemalt

Wie überraschte mich da ein neuer Weltbaum, als ich vor kurzem mit Gästen aus dem Hansaviertel kommend Richtung Bachstraße radelte! Ich dachte, der Weltbaum sei am Ursprungsort tot. Weit gefehlt, denn da war er noch. Da war er wieder. Eine Miniatur hängt in der Joseph-Haydn-Straße am Bahnviadukt, und ich hatte sie nicht gesehen, als ich im September mehrmals auf dem Weg von Charlottenburg nach Mitte von der Bachstraße über die Joseph-Haydn-Straße zur Klopstockstraße durch den Viadukttunnel gefahren war. Ich kam einfach aus der falschen Richtung.

Es gibt also zwei Orte, an denen Ben Wagins Weltbaum weiter wächst. Und natürlich wachsen seine Weltbäume vor allem im „Parlament der Bäume“, wohin ich es an einem Sonntag im August endlich mal schaffte. Während mein fünfjähriger Sohn mit dem Gartenschlauch spielte, unterhielt ich mich mit einem Baumpaten. Die Baumpaten kümmern sich um die Pflanzen dort. Ein ausgewachsener Baum bräuchte etwa 300 bis 500 Liter Wasser pro Tag, erzählte er mir. Ich kann mich nicht genau daran erinnern, aber ich glaube, er sagte sogar: pro Quadratmeter. Jetzt stehen im „Parlament der Bäume“ mehr als nur ein Baum. Schlagartig wurde mir klar, dass dieser Ort in zwanzig Jahren verschwunden sein wird. Ein einziger Gartenschlauch… Der Baumpate erzählte weiter vom Wetter, das nach Norden zöge und sich über der Nordsee abregnete, vom Grundwasser, das sich absenkte; sprach von einer Freundin im Alter von irgendwas über 80 Jahren, die mal zu ihm gesagt hätte: „Na Gott sei Dank, dass ich das alles nicht mehr erleben werde.“ Der Baumpate hatte mit ihr über die Dürre-Zukunft in Deutschland geredet. „Doch, Du wirst es noch erleben“, hatte er erwidert. Es kann also schneller (zu Ende) gehen als in zwanzig Jahren. Mit den Bäumen und mit uns.

Neuer Weltbaum in der Lehrter Straße, Spielplatz

Miniermotten und Missverständnisse

Eine andere Art „Baumpatin“, die allerdings nicht mehr alle beisammen hatte, traf ich neulich ganz unverhofft. Sie kehrte die Blätter einer hochgewachsenen Kastanie zusammen, als ich über einen Hinterhof lief, um meine Tochter von ihrer Freundin abzuholen. Ich solle doch bitte mithelfen, die braunen Blätter einzusammeln. Nein, „bitte“ hatte sie nicht gesagt. Wäre aber schön gewesen. Ich blieb stehen und hörte zu, als sie mir den Lebenslauf der Miniermotte erklärte. Fand ich toll. Ich hatte aber keine Zeit. Es stellte sich heraus, dass die Gute die Eigentümerin des Hauses war. Ebenso stellte sich heraus, dass es ihr scheinbar völlig egal war, dass ich nicht Mieter, sondern Besucher des Hauses war und auf dem Sprung. Dieser Baumpatron forderte von mir eine Aktion ein, die nicht auf meiner Liste stand. Es war doch nicht Sonntag. Als ich später mit meiner Tochter aus dem Quergebäude kam, schlug ich der Frau vor, ein Hoffest zu veranstalten und die Bewohner einzuladen. Leider war sie unzugänglich wie der London Tower nach 18 Uhr. Ein Baum hatte uns auseinander gebracht.

War ich denn für den Baum verantwortlich? Wenn es in diesen Septembertagen einen Berliner Baum gab, für den ich mich verantwortlich fühlte (und zwar als Tourguide), dann war das die nordamerikanische Roteiche am Teehaus im Tiergarten. Queen Elisabeth hatte sie dort im Frühling 1965 gepflanzt. Der Baum lag auf der Route gleich zweier Radtouren, und die gestorbene, damals noch nicht bestattete Königin war infolge des Medienrummels in allen Köpfen. Dieser Baum ist bemerkenswert, denn ihm wurde bereits in jüngsten Jahren das Rückgrat gebrochen. Berliner knickten den Stamm um, nachdem der Polizeischutz abgezogen war (siehe B.Z. und Tagesspiegel). Ein Meistergärtner operierte das drei Meter hohe Pflänzchen, das wieder vollständig genas. Die Narben sollten wir heute noch sehen. Doch ich fand sie nicht an dem Baum. Ich hatte den Gästen die falsche Eiche präsentiert. Ein Kollege half mir, den Irrtum aufzudecken (Danke, Alexander!). Die echte Eiche steht zwanzig Meter weiter östlich. Ich hatte daneben gegriffen. Wollte ich wirklich für einen Hofbaum sorgen, müsste ich viel lernen. Ich wusste ja nicht einmal, wie eine nordamerikanische Roteiche aussah.

Weltbaum-Miniatur am Bahnviadukt in der Joseph-Haydn-Straße

Ein Event und seine Früchte

In der Urania, am Donnerstag, den 22. September, beim „Stadt im Gespräch“, habe ich tatsächlich einiges gelernt. Die Lage in den Grünflächenämtern der Bezirke ist eine Katastrophe. Oliver Schruoffeneger (Grüne), Bezirkstadtrat in Charlottenburg-Wilmersdorf, machte deutlich, dass mit zu wenig Mitarbeitern und zu wenig Geld zu große Aufgaben erledigt werden müssen – und zwar seit zwanzig Jahren. Die Bezirke haushalten mit Budgets, die gerade soweit reichen, den Müll wegzuräumen. Das heißt, der Umbau der Stadt zu einer klimaangepassten Metropole ist bei diesen „großen Aufgaben“ noch gar nicht mit eingerechnet. Es geht bisher um den schlichten Erhalt der Grünflächen. Ob darüber hinaus der Umbau der Stadt erfolgreich sein wird, entscheide der Einsatz der Ressourcen.

Auch Darla Nickel, Leiterin der Berliner Regenwasseragentur, betonte, dass der Grünflächenerhalt das zentrale Problem sei. Froh hat mich gestimmt, wie sie Berlin als Experimentierstadt ins Feld führte, als die Perspektiven von Schruoffeneger und einem Senatskollegen gerade sehr pessimistisch wurden. Sie hatten sich über rechtliche Fallstricke geärgert, die ich hier nicht ausführen will (sie verdienen einen eigenen Artikel, vielleicht ein ganzes Buch). Aber Nickel, die mit ganz leichtem Englisch-Akzent sprach, vermochte mit ihrem Statement die Blickrichtung im wahrsten Sinne des Wortes wieder auf grün zu stellen. Es passiere viel, und wir hätten in der Stadt kein Umsetzungsproblem, sondern ein Umsetzungsgeschwindigkeits-Problem. Danke für diese genaue Beobachtung.

Verbautes Stadtbild durch den HGHI-Tower an der Bachstraße, 2022

Und dann Antje Backhaus, Landschaftsarchitektin, mit ihrem Weckruf, Regenwasserbewirtschaftung sei total einfach. Es beginne damit, das eigene Regenwasserrohr umdrehen, damit das Wasser dorthin fließt, wo es gebraucht wird. Auch sie war durchweg positiv gestimmt, wenngleich sie Berlin als etwas schwerfälliger wahrnimmt und Experimentierfreudigkeit vor allem in dänischen Städten vorgeführt bekommen hat, wie sie erzählte. Das hat sie von den Kollegen aus dem Norden mitgebracht, dass man „einfach mal machen muss“ – eine Formulierung, die Oliver Schruoffeneger sicher wieder mit einer bizarren Anekdote aus dem Grünflächenamt parieren könnte.

Unsere Ulme

Wenn es also einen Baum in Berlin gibt, für den ich mich verantwortlich fühle, dann ist es die große Ulme auf meinem Hof. Über sie wird noch zu schreiben sein, glaube ich. Nur soviel vorweg: Der Baum steht am Schnittpunkt dreier Grundstücke in einem relativ freien Hinterhof-Gelände. Ein Brombeerstrauch wächst neben ihr am Boden. Krähen haben in der Krone gerade ein neues Nest gebaut. Die Traufen von drei Gründerzeithäusern sind gerade mal eine Armlänge oder zwei von den Ästen und Zweigen der Krone entfernt. Als ich mir das ansah, fragte ich mich, warum wir überhaupt die zwanzig Meter langen Regenrinnen an die Hauswände klemmen. Die Traufen sollten ins Zentrum der Krone verlängert werden, mit Schläuchen oder so. Und dann der Schock: Die Regenrinnen münden ins Unterirdische, auch die Regenrinne an meinem Haus. Einfach umdrehen? Das Experiment ist erstmal gescheitert. Eine Stadt umdrehen, das ist eben mehr als ein Experiment.

Noch ein Veranstaltungshinweis zum Thema

Mi, 28. September 2022, 11 Uhr
Beginn der Baumfällsaison 2022
Pressegespräch des Bündnis Nachhaltige Stadtentwicklung.
Ort: Kulturmarkthalle, Hanns-Eisler-Str. 93, 10409 Berlin.
nachhaltigestadtentwicklung.berlin

Links

B.Z. v. 10.09.2022: Diese Eiche pflanzte die Q…

Tagesspiegel v. 22.06.2015: Queen in Berlin: Majestätisch gewachsen

Fanmeile am Brandenburger Tor beschert Berlin eine zweite Begegnungszone: so ganz nebenbei

Berlins zweite Begegnungszone - die Straße des 17. Juni. Da geht noch was (Foto: André Franke)

Berlins zweite Begegnungszone – die Straße des 17. Juni. Da geht noch was (Foto: André Franke)

Berlin hat nach der Maaßenstraße in Schöneberg jetzt eine zweite, unverhoffte Begegnungszone: die Straße des 17. Juni. Allerdings ist sie zeitlich begrenzt bis zum Ende der Fußball-EM, dem 12. Juli. Gemeint ist natürlich die Fanmeile. Und nicht gemeint in diesem Zusammenhang sind die Massen vorm Tor, vorm Brandenburger, die nach der Einlasskontrolle ins Festivalgelände ja ohnehin verschmelzen; hier begegnet man sich nicht, hier lösen sich Körper auf. Aber westlich, jenseits der Yitzhak-Rabin-Straße, wo ein Zaun die Fanmeile vom Rest der Straße des 17. Juni abgrenzt, beginnt Richtung Siegessäule, ich nenne es mal: die „breite Freiheit“.

Meine Beobachtungen vom Sonntag: Es gehen die Fußgänger, es fahren die Radfahrer, es reitet die Polizei und es koten die Vierbeiner. Hier ist die Weltstadt echt in Ordnung, und niemanden stört irgendwas – abgesehen von den Autofahrern, die den Preis zahlen: Staus mit „situativen“ Straßensperrungen kündigt die Verkehrsverwaltung für Unter den Linden, Wilhelmstraße, Tiergartenstraße, Leipziger Straße, Scheidemannstraße und Tiergartentunnel an.

Auf die Meile gekackt, aber der Vierbeiner ist nicht schuld - es waren die Polizeipferde (Foto: André Franke)

Auf die Meile gekackt, aber der Vierbeiner ist nicht schuld – es waren die Polizeipferde (Foto: André Franke)

Die „Freiheit“ (53 Meter breit, 1,3 Kilometer lang) bietet soviel Raum, dass man sich dort wie auf dem Feld fühlt, dem Tempelhofer. Und mit diesen Worten schafft die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung die wohl schnellst-gebaute, kostenfreiste und ungeplanteste Begegnungszone Berlins:

„Fußgänger und Radfahrer dürfen den Bereich in der spielfreien Zeit passieren.“

Sperrzaun im Tiergarten, Bellevue-Allee - dahinter lauert die Hundestaffel (Foto: André Franke)

Sperrzaun im Tiergarten, Bellevue-Allee – dahinter lauert die Hundestaffel (Foto: André Franke)

Das sollte offenbar sogar für den Bereich der Fanmeile selbst gelten, aber die Kontrollposten enttäuschen auf Nachfrage. Die Fanmeile bleibt dicht. Bis zum Schluss. Das garantieren übrigens auch jede Menge Vierbeiner, und diesmal meine ich nicht Pferde, sondern die Hundestaffel. An der Bellevue-Allee lauern sie hinter den Zäunen auf Leute, die trotz der Absperrung spontan rübermachen. Das ist ein bisschen unheimlich. Denn ich fuhr Freitag Abend mit vier Damen vom Volkshochschul-Kongress eine „Oasen-Tour“ und landete mit ihnen überrascht am Innenzaun (wir waren nicht die einzigen), weil (nicht erkennbar) Teile des Zaunes an anderer Stelle herausgenommen waren und wir so ins Sperrgebiet gelangten. Wäre das am Sonntag passiert … wir hätten wohl im wahrsten Sinn des Wortes einen Staffellauf hingelegt.

Patrouille Richtung Siegessäule - Berittene Polizisten begegnen einem Passanten (Foto: André Franke)

Patrouille Richtung Siegessäule – Berittene Polizisten begegnen einem Passanten (Foto: André Franke)

Also, Fußgänger und Radfahrer dürfen den Bereich der Fanmeile auch in der spielfreien Zeit NICHT passieren. Das kann jeder selbst ausprobieren. Aber die „breite Freiheit“ bleibt gewonnen, der beschriebene Abschnitt der Straße des 17. Juni. Und das ist ein echtes Geschenk. – Auch das kann man ausprobieren.

BIZ bitte nicht vor den Reichstag stellen – Variante Nr. 6: Krolloper-Steg statt Teuer-Tunnel

Wenn mich nicht alles täuscht, stammen die fünf Varianten, wo am Platz der Republik potenziell ein Neubau für das geplante Besucher- und Informationszentrum des Bundestags (BIZ) hingebaut werden könnte, von der Berliner Zeitung selbst, die am Wochenende über das (inklusive Tunnel) 150 Millionen Euro teure Bauprojekt berichtete. Wenn dem tatsächlich so ist, dann bitte: Malstunde beenden, Rotstifte beiseite legen, auf den Platz der Republik gehen und die Augen öffnen: Vor die Westfassade des Reichstagsgebäudes gehört gar nichts! Dessen ist sich wohl auch der Bundestag bewusst. Sein Ältestenrat hat sich für den BIZ-Neubau für den Standort südlich der Scheidemann-Straße entschieden – abseits des Platzes. (Nicht schlecht, aber ich plädiere wie gesagt für eine Erhaltungssatzung für den Schokopudding im dort heute bereits existierenden Berlin-Pavillon, was einen Abriss desselben und eine Erschwerung der Rückkehr des Puddings an diesen Ort verhindern helfen soll.) Ich wage daher eine Variante Nr. 6: Malt ein rotes BIZ-Rechteck westlich der Heinrich-von-Gagern-Straße auf die Grünfläche, wo einst die Krolloper stand! Das wäre städtebaulich doch rund oder? Zu lang die Tunnelstrecke dann? Und zu teuer? – Macht einen oberirdischen Steg draus und verzichtet auf den Teuer-Tunnel! Drei Meter hoch dieser Steg, von transparenten (von mir aus Panzer-) Glaswänden gesäumt, der direkt ins Portal des Reichstagsgebäudes führt.

Berliner Zaunkönige anno 2013

Sie schaffen Klarheit und Ordnung, teilen die Welt in ein Drinnen und Draußen, in ein Hier und ein Drüben: Zäune sind wieder beliebt in Berlin. Immerhin haben sie Tradition. Ab 1527 hielt ein Zaun das Wild im Wald, der vor dem Schloss der jagenden Kurfürsten lag. 1961 hielt ein weiterer scheinbar wild gewordenes Ostvolk zurück, und die Jagd am Zaun begann von Neuem. 2010 gab es dann den ersten mit regulären Zaunschließzeiten. Drinnen zu sein, auf der Tempelhofer “Freiheit”, war plötzlich ein Privileg. 250 Protestierende forderten die versprochene Freiheit ein und wollten sie auch in der Nacht. Der Zaun steht noch. Der folgende noch nicht: Um den Tiergarten soll einer gebaut werden, wie seit dem Sommer immer wieder berichtet wird. Es ist einer, der Sicherheit verspricht, nicht Freiheit. Gegen den Tiergartenzaun hat sich zwar die Bezirksverordnetenversammlung von Mitte ausgesprochen, aber Mittes BVV-Beschlüsse wackeln mitunter auch. Baustadtrat Carsten Spallek (CDU) will den Zaun ja immer noch. Und ein anderer will einen anderen jetzt auch um den Görlitzer Park errichten. Timur Husein, Bezirksverordneter der CDU in Friedrichshain-Kreuzberg, setzt sich für einen eingezäunten Görli ein, wie der Tagesspiegel berichtet. Aber momentmal, steht um den Görli nicht noch die alte Bahnhofsmauer? Wilde Zeiten sind das, neue Zäune … hohe Zäune. Es ist die Renaissance des Berliner (Jagd-) Reviermanagements.

Und so klingt der Wunsch nach Gehege vom 13. Mai 1527 aus der Feder des Kurprinzen Joachim, des späteren Kürfürsten Joachim II. (aus „Der Tiergarten in Berlin“, Hrsg. Walther G. Oschilewski, arani Verlag, Berlin-Grunewald 1960, S. 5):

„Wir Joachim, von Gottes Gnaden Marggraff zu Brandenburg, der Jüngere, zu Stettin, Pommern, der Cassuben und Wenden Herzogk. Burggraff zu Nürenbergk und Fürst zu Rügen, Bekennen und thun kund öffentlich mit diesem Briefe für Unß, unsere Erben undt Nachkommen und sonst aller männigklich die ihn sehen, hören oder lesen, Nachdem unß Unser lieben getrewen Burgemeister, Rath, Gewerck undt gantz Gemeinde der Stadt Collen allhier auß Unterthenigen geneigten willen off unser gnädig und gütlich ansuchen, zu sondern gefallen für Unß, Unser Erben undt Nachkommen ein Platz und Raum, dahinden bey der freyen Arch, zu einem Thier- und Lustgarten auffzurichten undt zu machen vorgünt undt gutwilliglich zu eigen eingeräumet undt abgetreten, dass Wir Ihn dan in Gunst und Gnaden billich dankbar sein. Also gereden und aussprechen wir hierauff für Unß, Unser Erben und Nachkommen in gegenwertiger Krafft und Macht dieses Brieffes, ob sich in künftiger Zeit begeben, das Wir oder Unsere und Nachkommen solchen Platz und Raum zum Thier- und Lustgarten ferner nicht haben, sondern denselben wieder vergehen lassen würden und wolten, das Wir oder Unsere Erben undt Nachkommen alßdann den vermelten Platz und Raum, so viel sie unns daran gegeben, Niemants ander, dan dem gedachten Bürgemeister, Rath, gewerken undt Gemeinder zu Jederzeit Ihren Nachkommen wiederumb einräumen, zustellen und zueignen sollen, ohn einig hinder oder gefehr. Darzu sollen und wollen Wir bei Unserm Lieben Herrn und Vater, dem Churfürsten zu Brandenburg von solcher Zustellung wegen des Platzes zum forderlichsten darob undt an sein, das Ihnen daßelbe zu keinen Ungnaden oder Nachtheil gereichen soll. Getreulich Ungefehrlich. Zu Urkund mit Unserm hierunten uffgedruckten Secret besiegelt und gegeben Collen an der Spree am Sontage Cantate Anno MDXXVII.“

Wer wird Berlins neuer „Zaunkönig“ anno MMXIII? Die Königsfrage hat bei den Vögeln übrigens auch mit List zu tun, erzählen jedenfalls die Brüder Grimm im gleichnamigen Märchen.