Beiträge

Samsungschloss beim Festival of Lights. Tausende Menschen geblendet (Foto: André Franke)

„Und plötzlich begann der Bauwahnsinn“

Bausinn, Bauwahn, Bauwahnsinn? Ja, Bauen kann Sinn machen, und wahnsinnig machen vielleicht auch (siehe „Germania“). Oder muss man andersherum zuerst wahnsinnig sein, um zu bauen?

Senator Geisel lebe in einer Parallelwelt, die neue Liegenschaftspolitik sei eine Farce, und es gebe ein Kartell von Akteuren, die kleinteilige Nutzungsmischung auf Gebäudeebene verhindere. Das war gestern beim öffentlichen Stadtgespräch im Charlottenburger Stadtbüro von Katrin Lompscher zu hören – Sätze, die nicht von ihr kamen, sondern von den Gästen, dem Publikum.

Eventnotizen, quer durch den Gemüsegarten

Das Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs Wilmersdorf, das mit mehr als 900 Wohnungen bebaut werden soll, hieße jetzt „Friedenauer Höhe“, sagt jemand mit einem Lächeln auf den Lippen.

Es wurde kritisiert, dass das Land Berlin beim Projekt Elisabeth-Aue in Pankow weiterhin Grundstücke an Private verkauft (etwa 50 Prozent, wie ich hier neulich gelesen habe), anstatt sie zu behalten und ausschließlich in Erbbaupacht zu vergeben.

Es wurde erwähnt, dass ein Investor eine (billige) Bahnfläche am Westkreuz kaufen will, um sie zu bebauen und dass der Bezirk ihm das leicht mache.

Es wurde über die zwei Volksentscheide „Fahrrad“ und „Volksentscheide retten“ gesprochen, die beide für die Bundestagswahl 2017 zu spät kämen, weil sie von der Verwaltung torpediert würden (dazu ein Interview des Tagesspiegel mit Heinrich Strößenreuther vom Fahrradvolksentscheid). Es gäbe für die Verwaltung für die Bearbeitung keine Frist, was der „Retten“-Entscheid eben auch ändern wolle.

Berlin, die „Samsung-Stadt“

Katalin Gennburg, früher Stadtbüro-Mitarbeiterin von Katrin Lompscher, jetzt gewählte Abgeordnete aus Treptow, nannte in ihrer Agenda unter anderem, sie wolle großflächige Fassadenwerbung an Baustellen verhindern. Finde ich sehr symphatisch! Zwei Beispiele fallen mir sofort dazu ein: Beim Festival of Lights vorm mal wieder phänomenal-illuminierten Berliner Dom störte vor zwei Wochen nichts den Farbton des Abends mehr als das grelle Samsungschloss. Wenigstens für das Festival hätte die Stiftung Humboldtforum das Licht ausmachen können. Genauso bezeichnend für die Unsensibilität gegenüber seiner Umwelt ist der Standort „Samsungplatz“ … Na, wo ist der? Samsung-Großbildwerbung hängt auch an der Planfassade des Skandalgrundstücks Leipziger Platz 18/19, wo der „Samsunginvestor“ F100 aus Luxemburg für die erklärte Europäische, nutzungsgemischte Stadt Berlin keine „Samsungwohnungen“ bauen braucht, weil ein „S-Senator“ („S-“ wie Stadtentwicklung) ihm eine Ausnahme erteilt (die Presse berichtete umfangreich). Neben dem Berliner Bauwahnsinn existiert also auch ein Berliner Schauwahnsinn.

Samsungschloss beim Festival of Lights. Tausende Menschen geblendet (Foto: André Franke)

Samsungschloss beim Festival of Lights. Tausende Menschen geblendet (Foto: André Franke)

Apropos Umwelt … Ein Bausenator könne nicht gleichzeitig auch Umweltsenator sein, sagte gestern auch jemand und kritisierte die Ämterhäufung in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt. Das widerspräche sich und ermögliche Amtsmissbrauch.

Schwerpunkte des Wohnungsbaus

Schwein gehabt auf der Elisabeth-Aue in Pankow

Hoch im Norden Pankows wetzt man nicht nur die Messer. Für den Bürgerkampf gegen die Bebauungspläne des Senats auf der Elisabeth-Aue braucht es auch ein bisschen Seele: So veranstaltete die Initiative Elisabeth-Aue e.V. am vergangenen Wochenende eine musikalisch-literarische Matineé (u.a. Lesung von und mit Beate Ruben: „Egon das Schwein“) – mit kulinarischen Leckerbissen, um Spenden zu sammeln für den Widerstand gegen den staatlich verordneten Wohnungsbau. Die Initiative will damit ihre Anwälte bezahlen.

Elisabeth-Aue in Pankow

Blick auf die noch unbebaute Elisabeth-Aue. Mit dem Bild lädt die Initiative in ihrem Newsletter zur Matineé ein (Abbildung: Elisabeth-Aue e.V., Mai 2016)

Das kennt man schon von anderen „Bürgerwehren“. Auch die Mauerpark-Allianz bittet um finanzielle Hilfen für juristischen Beistand im jahrelangen Kampf gegen das Bauvorhaben. Daran sieht man, wie sich Menschen in Berlin in ihrer Freizeit den Arsch aufreißen. (Jede andere Formulierung würde dem, was sie leisten, nicht gerecht werden.) Fünfzehn Pläne haben die Initiativen am Mauerpark verhindert – trotzdem wird heute gebaut (ein Wohngebiet mit etwa 700 Wohneinheiten).

Ich frage mich, woher die Elisabeth-Aue-Streiter ihre Zuversicht nehmen, dass der Senat von der 70 Hektar großen Stadtrandfläche die Finger lässt und auf 5.000 Wohnungen verzichtet. Die Elisabeth-Aue zählt zu den größten Wohnungsbaupotenzialen Berlins. Und das sind sie (nach einer Aufstellung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vom April 2016):

  1. Elisabeth-Aue in Pankow-Blankenfelde (5.000 Wohnungen)
  2. Blankenburger Pflasterweg/Heinersdorf in Pankow (bis 6.000 W.)
  3. Cluster Buch in Pankow (bis 2.500 W.)
  4. Michelangelostraße in Prenzlauer Berg (bis 2.500 W.)
  5. Johannisthal/Adlershof in Treptow (bis 2.500 W.)
  6. Cluster Köpenick in Köpenick (bis 4.500 W.)
  7. Buckower Felder in Neukölln (500 W.)
  8. Lichterfelde-Süd in Steglitz (bis 3.000 W.)
  9. Wasserstadt Oberhavel in Spandau (bis 5.500 W.)
  10. Gartenfeld in Spandau-Siemensstadt (bis 4.000 W.)
  11. Schumacher Quartier in Reinickendorf-Tegel (5.000 W.)
  12. Europacity/Lehrter Straße in Mitte-Moabit (4.000 W.)
Schwerpunkte des Wohnungsbaus

Die Wohngebiete liegen vor allem im Norden Berlins, wie die Karte zeigt (Quelle: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, April 2016)

Auf der website von SenStadtUm gibt es zu jedem der zwölf Standorte einen Steckbrief mit Kurzinfos, zum Beispiel dem Stand der Planung und einen Lageplan (Steckbrief Elisabeth-Aue). Wenn ich mir die Lagepläne so ansehe, sieht das siedlungstechnisch doch ganz vernünftig aus. Die Neubaugebiete werden nicht in die freie Landschaft gesetzt. Sie verstärken die Siedlungsachsen der Stadtregion und fügen sich an bebaute Gebiete an. Oder in sie ein. Weshalb also der ganze Protest? Was sind das für Seelen aus dem Berliner Norden? Langsam wächst die Neugier bei mir, mal auf einen Leckerbissen hinauszufahren. An den Stadtrand. Zur nächsten Matineé. Die Sorgen hören. Die Mühen schätzen. Und sollte am Ende doch gebaut werden – Schwein haben sie (mit Egon) an der Elisabeth-Aue ja trotzdem gehabt.

Bebauung Elisabeth-Aue und Pankower Tor

— Mitteilung der Bürgerinitiative Elisabeth-Aue —
Lage um Umgebung der Elisabeth-Aue in Pankow. Plangebiet für 5.000 neue Wohnungen (Quelle: SenSadtUm)

Lage um Umgebung der Elisabeth-Aue in Pankow. Plangebiet für 5.000 neue Wohnungen (Quelle: SenSadtUm)

Hallo liebe Interessierten,

heute melden wir uns wieder einmal.
Der aktuelle Stand ist immer noch, dass der Senat auf unserer Aue 5000 Wohnungen errichten möchte. Der Bezirk hat sich zwar dagegen ausgesprochen, aber der Senat hat das Verfahren an sich gezogen und möchte mit aller Macht hier ein zweites Märkisches Viertel errichten.
Wir sind allerdings der Meinung, so nicht!!!!!!!
Es ist noch nicht zu spät!!!!!
Am 08.03.2016 findet im Carl von Ossietzky-Gymnasium eine Veranstaltung mit unserem Bausenator Herr Geisel, Herr Kirchner ( Stadtrat Pankow) und Herrn Krieger ( Möbel Krieger ) statt. Es geht um die Bebauung der Elisabeth-Aue und um das Pankower Tor. Wenn ihr uns unterstützen wollt und dem Senator sagen möchtet, dass ihr gegen diesen Bauwahn seid, dann kommt in die Görschstraße 42/44. Beginn 18.00 Uhr und Ende 20.00 Uhr. Einlass ist ab 17,30 Uhr!
Desweiteren findet am 12.03.2016 um 11.00 Uhr im Treffpunkt Französisch Buchholz in der Hauptstraße ein Beteiligungsverfahren statt, in dem der Senat die Bewohner auffordert, sich am ISEK zu beteiligen. Im Anhang findet ihr die Einladung.
Vielen Dank für das entgegengebrachte Interesse und wir verbleiben mit lieben Grßen
i.A.
Ihre
Ina Kircheis-Schnabel
Anja Reichelt-Fiolka
Elisabeth-Aue
c/o Reinhard Mields
13159 Berlin
+++ Aktuelle Termine und Informationen: www.elisabeth-aue.de +++