Planschen mit Neptun – neue Pläne für das Rathausforum

— Bericht —

Der römische Gott des fließenden Wassers und der Meere würde das blaue Szenario wohl mit jubelnder Forke willkommen heißen. Weder wird darin vor dem Roten Rathaus die Berliner Altstadt auferstehen, noch der New Yorker Central Park in die deutsche Hauptstadt geholt. Nein, das Areal vor dem Fernsehturm, wo Neptun auf seiner Muschel thront, wird mit Spreewasser geflutet.

Die „Uferterrassen“ sind eins von insgesamt fünf Leitbildern, mit denen Senatsbaudirektorin Regula Lüscher die Diskussion um die Zukunft des Zentrums Historische Mitte anheizen will. Die Entwürfe wurden am 17. Dezember im Rahmen einer Bürgerwerkstatt der Öffentlichkeit vorgestellt. Ähnlich wie schon bei der Bürgerbeteiligung „Parklandschaft Tempelhof“ im Oktober bekamen die Besucher in kleinen Dialoggruppen und mit Stift und Zettel die Möglichkeit, selbst Vorschläge und Ideen einzubringen. An den Präsentationstafeln der „Uferterrassen“ vermerkte auf diese Weise ein Teilnehmer, die Tiefe des Hafenbeckens auf 30 Zentimeter zu beschränken, damit man im Sommer „auf dem Wasser laufen“ könne. – Wir können gespannt sein.

Die von Lüscher beauftragten Architekten kommen aus den verschiedenen Büros Graft, Kiefer und David Chipperfield, aber sie betonen, dass sie sich als eine Planungsgemeinschaft verstehen. Es ging ihnen vor allem darum, kräftige Bilder zu entwerfen und nicht nach dem Baukastenprinzip verschiedene Elemente der einzelnen Entwürfe miteinander zu kombinieren. Gesucht wird zum gegenwärtigen Zeitpunkt des Planungsprozesses nicht nach Kompromissen und Machbarkeit, sondern nach Kreativität.

Bis zum Sommer 2011 sollen die Ideen weiterentwickelt werden und dann in ein Entwicklungskonzept münden. Noch vor der Berlin-Wahl möchte die Senatsbaudirektorin das Konzept von Senat und Abgeordnetenhaus beschließen lassen. 2012 wird ein internationaler Gestaltungswettbewerb ausgeschrieben. Vorerst bleibt das Gelände bis voraussichtlich 2017 teilweise von einer Baustelle für die Verlängerung der U-Bahnlinie U5 besetzt.

Neben den „Uferterrassen“ eröffnen die neuen Lüscher-Entwürfe die weiteren Entwicklungsperspektiven „Stadtpark“, „Städtische Bühne“, „Esplanade“ und „Archäologischer Garten“. Keine der Varianten verfolgte die historische Rekonstruktion des Alt-Berliner Marienviertels. Konzepte mit dieser Ausrichtung sind im Rahmen eines Workshops erst vor kurzem, am 27. November, im Neuen Stadthaus präsentiert worden. Unter ihnen war auch der Entwurf des Architekten Bernd Albers, der das Gebiet im Sinne des ehemaligen Senatsbaudirektors Hans Stimmann flächendeckend mit Berliner Blöcken bebauuen will.

Im Altstadt-Szenario würde Neptun samt Brunnen freilich auf den alten Schlossplatz versetzt, wo er 1891 eingeweiht worden war. Er würde dem historisch mit dem Ort verbundenen Martin-Luther-Denkmal Platz machen. Aber wie historisch verbunden ist der Neptunbrunnen eigentlich mit dem Standort südlich vor dem Berliner Stadtschloss? Der Legende nach hat Kaiser Wilhelm II. die gesamte Brunnenanlage aufwendig drehen lassen. Er fühlte sich durch die finsteren Blicke Neptuns gestört. Offenbar hat der Herr der Meere dort relativ locker im Sattel gesessen. Und wenn man sich heute überlegt, von wem die Altstadt-Pläne politisch unterstützt werden, dann könnte man meinen, der Neptun habe seitdem kein Auge zugeschlagen. Kulturstaatssekretär André Schmitz und sogar der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit wollen sich mit Vergnügen die Sicht aus dem Roten Rathaus verbauen lassen. In der Tat schaut Neptun auf den Arbeitsplatz der Senatspolitiker. Unter seinen Blicken verrichten sie ihre Amtsgeschäfte. Doch wielange noch?

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