Eine Mitte der Bürgerschaft (7/22)

In dieser 22-teiligen Serie beschreibt Florian Mausbach seine persönlichen Vorstellungen für eine Umgestaltung des Rathausforums in Mitte. Die Texte gehen aus einem Vortrag hervor, den der Autor im September 2012 auf einer Veranstaltung zum Thema gehalten hat.

Gleichschaltung und „Volksgemeinschaft“

Hatte in der Folge der sozialen und demokratischen Revolution von 1918 die Weimarer Republik  auch die bürgerschaftliche Selbstverwaltung der Städte und Gemeinden gestärkt und durch die Weimarer Reichsverfassung garantiert, wird 1935 mit der Gleichschaltung im nationalsozialistischen Einheitsstaat, dem „Führerprinzip“ und dem  „Einklang der Gemeindeverwaltung mit der Partei“ auch die kommunale Selbstverwaltung abgeschafft. Die Macht des Bürgermeisters leitet sich vom „Führer“ ab. An die Stelle eines durch Recht und Gesetz und die Teilung der Gewalten kontrollierten Ausgleichs gesellschaftlicher Interessen treten Willkür, Zwang, Gewalt, Raub und Mord. Die bunte, vielfältige, widersprüchliche, individualistische und pluralistische Massengesellschaft wird gleichgeschaltet zur „Volksgemeinschaft“. Das „Volk“ wird, je weniger das Volk zu sagen hat, in Wort-Kompositionen inflationär: Volksgerichtshof, Volkssturm, Volksempfänger, Volkswagen –  der Propagandaminister leitet ein Ministerium für Volksaufklärung. Architektur und Städtebau werden zu Kulissen pseudodemokratischer Choreografie zur Inszenierung jubelnder Massen unter Fahnenmeeren. In der Reichshauptstadt gipfelt dies in den Plänen zur Errichtung der „Welthauptstadt Germania“, für deren megalomane Nord-Süd-Achse bereits Tausende Berliner Wohnungen dem Abriss geopfert werden, bevor der Weltkrieg sein Vernichtungswerk beginnt und schließlich Berlin in Schutt und Asche legt.

Morgen: Teil 8 „Demokratischer Zentralismus“

 

Eine Mitte der Bürgerschaft (6/22)

In dieser 22-teiligen Serie beschreibt Florian Mausbach seine persönlichen Vorstellungen für eine Umgestaltung des Rathausforums in Mitte. Die Texte gehen aus einem Vortrag hervor, den der Autor im September 2012 auf einer Veranstaltung zum Thema gehalten hat.

Demokratie ohne Autorität

Das Ende des Ersten Weltkriegs und des Kaiserreichs verschärft mit der plötzlichen Umwälzung aller Verhältnisse und der Nachkriegsnot die gesellschaftlichen Spannungen und Gegensätze. Die Demokratie, im 19. Jahrhundert zunächst durch ein freiheitlich gesinntes Bürgertum geprägt, ist durch eine sich ausbreitende Arbeiter- und Volksbewegung zur modernen Massendemokratie herangewachsen mit Pressefreiheit, freien, gleichen und geheimen Wahlen, Gemeindevertretungen und Parlamenten, Parteien und Gewerkschaften, Streiks, öffentlichen Versammlungen, Aufzügen und Kundgebungen. Jetzt wird nicht nur dem vierten Stand, den Arbeitern, sondern seit 1918 auch dem „fünften Stand“, den Frauen, durch das Frauenwahlrecht Mitwirkung und Mitbestimmung eröffnet. Dem Volk und seiner neuen Freiheit aber stehen fremd bis feindselig beharrende und überforderte Kräfte gegenüber und mit ihnen die durch Obrigkeitsdenken geprägten staatlichen Machtorgane – Verwaltung, Justiz, Polizei und Militär. Die Demokratie ist ohne Autorität. Die Auseinandersetzung um die Lösung gesellschaftlicher Konflikte verlagert sich aus gewählten Volksvertretungen auf die Straße. Radikale sozial- und nationalrevolutionäre Kräfte nutzen die Versammlungs- und Vereinigungs-freiheit, um die ungefestigte parlamentarische Demokratie durch uniformierte Aufmärsche und Straßenkämpfe zu erschüttern. Sie schüren Rassen- und Klassenhass und versprechen mit der Vernichtung innerer und äußerer Feinde nationales Heil und soziale Harmonie. Die junge Demokratie ist ihr erklärter Feind und das Opfer kommender Gewaltherrschaft.

Morgen: Teil 7 „Gleichschaltung und Volksgemeinschaft“

 

EVENTS zu IBA und U55

Heute Abend gibt es eine Veranstaltung zum Thema IBA 2020 in Tempelhof und eine andere zum Bau der U55 Unter den Linden. Siehe Eventkalender.

Eine Mitte der Bürgerschaft (5/22)

In dieser 22-teiligen Serie beschreibt Florian Mausbach seine persönlichen Vorstellungen für eine Umgestaltung des Rathausforums in Mitte. Die Texte gehen aus einem Vortrag hervor, den der Autor im September 2012 auf einer Veranstaltung zum Thema gehalten hat.

Berlin wird Weltstadt – das Stadthaus

Mit dem historischen Jahr 1871 erlebt die Reichshauptstadt einen weiteren, noch gewaltigeren Entwicklungsschub. Die Gründerzeit verwandelt die Großstadt in eine Weltstadt. Schließlich vereint Groß-Berlin in seinen neuen Grenzen fast 4 Millionen Menschen.

Mit dem raschen Wandel der Arbeitsteilung und der Trennung der Funktionen in der modernen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft entwickeln sich neue gesellschaftliche Schichten und Klassen und mit ihnen Arbeiterviertel, bürgerliche Wohn- und Villenviertel, Mischgebiete, Industrie- und Gewerbegebiete, Erholungs- und Sport-, Versorgungs- und Verkehrsanlagen.

Die Stadtmitte teilt sich in vielfältige Stadtzentren, in Mittelpunkte politischer und kultureller Repräsentation und Administration ebenso wie in Einkaufs- und  Dienstleistungszentren, Versorgungs- und Bildungszentren, Unterhaltungs- und Vergnügungszentren sowie Stadtteilzentren aller Art.

Schon um 1900 reicht das Rote Rathaus nicht mehr zur Verwaltung dieser dramatisch wachsenden Stadt, so dass von 1902 bis 1911 am benachbarten Molkenmarkt ein „Zweites Rathaus“ errichtet wird – noch größer der Bau und noch höher der Turm: das monumentale „Stadthaus“ mit fünf Innenhöfen und einem „Bärensaal“ für öffentliche Feiern der Bürgerschaft.

Morgen: Teil 6 „Demokratie ohne Autorität“

 

Sieben Thesen von „Think Berlin“: Bitte keine IBA auf Krücken

— Nachricht — Stadtplaner der Gruppe “Think Berlin plus”, zu der auch der Architekturprofessor Harald Bodenschatz von der TU Berlin gehört, fordern den Abschied von der Internationalen Bauausstellung IBA 2020, wenn von der Senatsverwaltung kein überzeugendes Konzept entwickelt würde. In einem Thesenpapier kritisieren sie, die IBA hätte keine ausreichende thematische Botschaft, kein räumliches Gliederungskonzept und die Debatte wäre nicht transparent und nicht ergebnisoffen. Vor allem die Beschränkung auf das Berliner Problemthema Wohnen werde dem Instrument einer Bauaustellung nicht gerecht. Als “Welthauptstadt der Bauausstellungen’ stünde Berlin in einer Tradition und müsse neue Maßstäbe setzen. Am Mittwoch soll die IBA 2020 im Ausschuss für Stadtentwicklung diskutiert werden.

Hier die Thesen von „Think Berlin plus“

 

Eine Mitte der Bürgerschaft (4/22)

In dieser 22-teiligen Serie beschreibt Florian Mausbach seine persönlichen Vorstellungen für eine Umgestaltung des Rathausforums in Mitte. Die Texte gehen aus einem Vortrag hervor, den der Autor im September 2012 auf einer Veranstaltung zum Thema gehalten hat.

Berlin wird Großstadt – das Rote Rathaus

Unter dem Einfluss der Aufklärung und der französischen Revolution regen sich die Anfänge modernen bürgerlichen Lebens, entwickelt sich aus dem Hofstaat und seinem Umfeld, aus Beamten und Offizieren, Gelehrten und Pädagogen, Wissenschaftlern und Medizinern, Theologen und Philosophen, Musikern und Literaten ein der Welt aufgeschlossenes Bildungsbürgertum. Es wohnt und lebt vorwiegend in den westlichen Stadterweiterungen, in Friedrichswerder, Dorotheenstadt und Friedrichstadt, aber auch in der Altstadt. Mit den Befreiungskriegen, ersten Volksbewegungen und den preußischen Reformen wachsen Selbstbewusstsein und unternehmerischer Spielraum des Bürgertums. Mit der Abschaffung der Leibeigenschaft, mit  Freizügigkeit  und Landflucht bilden sich Arbeits- und Warenmarkt und unternehmerisches Eigentum. Städten und Gemeinden werden unter staatlichem Dach Selbstverwaltung eingeräumt und stadtbürgerliche Freiheiten zurückgegeben. Aus Handwerksbetrieben und Manufakturen entwickeln sich Industriebetriebe und große Unternehmen. Gesellschaft und Wirtschaft wird Dampf gemacht. Bereits 1822 beobachtet der Berliner Student Heinrich Heine, wie mit Dampfmaschinen die Schlossbrücke  errichtet wird. Für das Neue Museum der Museumsinsel liefert Ernst Borsig Dampframmen und Dampfaufzüge. Seine Dampflokomotiven und ein wachsendes Schienennetz reißen die Zollschranken nieder und bereiten von Berlin aus den Weg zur wirtschaftlichen und politischen Einheit Deutschlands. Im Jahre 1848 macht eine Telegrafenleitung von Berlin zur Frankfurter Nationalversammlung ein frisch gegründetes Unternehmen berühmt – Siemens und Halske, das wie auch Emil Rathenaus AEG die spätere Reichshauptstadt zur Elektropolis machen wird.

Sinnbild der Historie von der Altstadt des Mittelalters zur Großstadt der Neuzeit ist das Rote Rathaus, in den Jahren 1860-67 am Ort der Gerichtslaube aus dem 13. Jahrhundert errichtet. (Die Gerichtslaube ziert heute als historisches Denkmal den Park von Babelsberg.) Das neue Rathaus der Großstadt Berlin ist ein mächtiger Bau und mit dem Rathausturm, höher als die Kuppel des Stadtschlosses, weithin sichtbarer Ausdruck eines neu erwachten großstädtischen Bürgersinns.

Der Rathauskubus – drei Mitteltrakte teilen die Vierflügelanlage in drei Höfe – erinnert mit seinen hohen Rundbogenfenstern und dem über dem Eingangsportal emporwachsenden Turm an Renaissance-Palazzi und Rathäuser stolzer italienischer Stadtstaaten. Der rote Backstein gibt dem Rathaus Namen und Tradition. Romantischer Historismus erzählt von märkischer Baukultur und die „Steinerne Chronik“ eines Terrakottareliefs von der Geschichte Berlins und Brandenburgs vom 12. Jahrhundert bis zum Jahr 1871.

Morgen: Teil 5 „Berlin wird Weltstadt – Das Stadthaus“

 

Eine Mitte der Bürgerschaft (3/22)

In dieser 22-teiligen Serie beschreibt Florian Mausbach seine persönlichen Vorstellungen für eine Umgestaltung des Rathausforums in Mitte. Die Texte gehen aus einem Vortrag hervor, den der Autor im September 2012 auf einer Veranstaltung zum Thema gehalten hat.

Altstadt im Schattendasein

Der Niedergang der Hanse, dieses frühbürgerlichen Vorläufers der modernen europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, ist mit der Herausbildung von Territorial- und Nationalstaaten vorgezeichnet. Es sind die kurfürstlichen Hohenzollern, denen es gelingt, die Mark Brandenburg zu erweitern und gegen den Widerstand des Landadels und unwilliger Städte als Territorialstaat zu festigen. Berlin und Cölln wehren sich gegen den Bau eines burgartigen Schlosses auf der Spreeinsel und fluten im  „Berliner Unwillen“ die Baugrube. Vergeblich. Kurfürst Friedrich II. „Eisenzahn“  bändigt die Städtebünde, beendet die Fehden und Räubereien des Landadels und stärkt seine fürstliche Autorität durch Bau der Schlossfestung und Gründung des Berliner Domes.

Wie kein anderes Land wird die Mark Brandenburg im Dreißigjährigen Krieg durch kaiserliche und schwedische Söldnerheere verwüstet und entleert. Berlin verliert die Hälfte seiner Einwohner. Dem Großen Kurfürsten aber gelingt es, in einem halben Jahrhundert reformfreudiger Herrschaft das Land für Zuwanderer und Flüchtlinge zu öffnen und zu stärken. Berlin erholt sich. Unter dem „preußischen Sonnenkönig“  Friedrich I. werden das Stadtschloss, der deutsche und französische Dom am Gendarmenmarkt und das Zeughaus errichtet und 1709 Berlin, Cölln, Friedrichswerder, Dorotheenstadt und Friedrichstadt zur barocken „Haupt- und Residenzstadt Berlin“ des Königreichs Preußen vereinigt. Friedrich der Große macht Preußen zur europäischen Macht. Unter den Linden entstehen Oper, St. Hedwigs – Kathedrale und Bibliothek. Im Glanz und Gloria der königlichen Residenzen in Berlin und Potsdam aber und mit der Entwicklung der Stadt nach Westen fällt das alte Berlin östlich der Spree in ein Schattendasein.

Morgen: Teil 4 „Berlin wird Großstadt – das Rote Rathaus“

 

EVENT Mieterbewegung

Heute um 14 Uhr gibt es eine Diskussionrunde zum Thema Mieterbewegung, auf der auch Stadtsoziologe Andrej Holm (Gentrification-Blog) mitreden wird. Siehe Eventkalender.

Die galaktische Mitte

Für die Architektin Petra Kahlfeldt muss ein Stadtkern die Kraft haben, den Rest der Stadt zusammenzuhalten. Das klingt physikalisch. Dass ein Freiraum wie das Rathausforum in Mitte das könnte, glaubt sie nicht. Und da wird es galaktisch, denn sie möchte aus einem schwarzen Loch eine Sonne machen, den Ort downgraden. Dort müsse gebaut werden, sagt sie auf einer CDU-Veranstaltung am Dienstag, und zwar für alle Berliner. Sie möchte Bauten mit Bauten zusammenhalten, die Bezirke Berlins mit einer Mitte-Architektur anführen, die sich gewaschen hat. Das kann man Herausforderung nennen. Aber funktioniert das?

Nicht in der Milchstraße. Milliarden Sonnen werden hier nicht durch eine Riesensonne zusammengehalten, sondern durch etwas, das anders ist als alles andere: dunkel und negativ. Das schwarze Loch im Zentrum der Galaxis hält den Laden zusammen, weil es die strahlenden Massen aufwiegt, ohne selbst Licht auszustrahlen. Kann Architektur sowas leisten?

Nein, kann sie nicht. Das städtebauliche Negativ, das wir an dieser Stelle brauchen, mit positiver Wirkung auf das Umfeld, das ja immer mehr verdichtet wird, ist ein Freiraum. Das neue Schloss, die Kronprinzengärten, die Stadthäuser am Schinkelplatz, die Türme vom Alex, die Blöcke am Molkenmarkt, der Litfassplatz am Hackeschen Markt, das Redevco-Haus an der Rathausstraße – das ist die neue Masse, die die Mitte der Mitte, das Rathausforum, zusammenhalten muss. Astronomisch funktioniert das nur über einen Kontrast. Kann für Berlin verkehrt sein, was in der Milchstraße geht?

Akzeptieren wir das grüne Loch! Wer hier baut, dessen Architekturen wird es verschlingen. Der Hunger dieser Mitte ist unerbittlich, wie die Historie zeigt, und die Sättigungszeiten sind kurz. Schon sperrt sie wieder das Maul auf. Und die Berliner werfen ihr das nächstbeste Stücken Brot in den Rachen. Mahlzeit.

[flattr btn=’compact‘ cat=’images‘ tag=’Rathausforum‘, ‚galaktisch‘ /]

 

Eine Mitte der Bürgerschaft (2/22)

In dieser 22-teiligen Serie beschreibt Florian Mausbach seine persönlichen Vorstellungen für eine Umgestaltung des Rathausforums in Mitte. Die Texte gehen aus einem Vortrag hervor, den der Autor im September 2012 auf einer Veranstaltung zum Thema gehalten hat.

Schöne Aussicht?

Welchen Blick aber, welche „schöne Aussicht“ wird Franco Stellas „Bellevue“ eröffnen, der neue Ostflügel von Schloss und Humboldtforum, auf das historische Berlin östlich der Spree, dort wo einst die Bürgerstadt Berlin entstand? Dazu ein Zitat Günter de Bruyns aus „Unter den Linden“:

 „Was die Kaiserzeit von dem rechts der Spree gelegenen alten Berlin übriggelassen hatte, wurde im Zweiten Weltkrieg zertrümmert und in den Nachkriegsjahrzehnten in eine vom Fernsehturm überragte innerstädtische Leere verwandelt, in der die Betonatrappe des Nikolaiviertels nur schlecht ans Verlorene erinnert und die erhaltene Marienkirche wie ein Fremdkörper wirkt.“

Es ist ein unwirkliches Bild, das sich da bietet, ein sonderbarer Raum. Im Vordergrund eine Kultstätte: ein großes grünes Quadrat um einen steinernen Kreis, in der Mitte ein Standbild umgeben von Stelen und Bildwerken. Im Hintergrund ein futuristisch-außerirdisch anmutendes Panorama: eine sich in Dreiecksmustern und Wasserkaskaden steigernde Achse, hinauf zu einem mit  spitzen Stacheln weit ausgreifenden Sockel, darauf, gekrönt von einer drehenden Kugel, ein hoch in den Himmel ragender Betonturm.

Zwei große Backsteinbauten – Marienkirche und Rotes Rathaus – wollen nicht in dieses Bild passen. In schräger Randlage, ihrer historischen Umgebung entkleidet und bedroht von den Stacheln des Turmsockels,  reckt  St. Marien tapfer ihren kupfernen Turmhelm. Gegenüber, brandenburgisch rot der Backstein und aufrecht der Turm, behauptet sich, ohne Rathausplatz, in die Flucht hoher Plattenbauten gedrängt, das Berliner Rathaus.

Beide Bauten, Kirche und Rathaus, erinnern an die bürgerliche Geschichte Berlins, an die kleinstädtische des Mittelalters, an die großstädtische der Neuzeit.  Die Marienkirche, einst am „Neuen Markt“ gelegen, und die wenig frühere Nikolaikirche, einst am älteren Molkenmarkt, zeugen von der aufstrebenden Kaufmanns- und Handwerkerstadt des Mittelalters. Die Marienverehrung in einer damals neuzeitlichen Hallenkirche, einer bürgerlichen Sammlungs- und Versammlungsstätte, zeugt vom Wandel des Frauen-, Menschen- und Gottesbildes. Berlin schloss sich mit seiner Zwillingsstadt Cölln der norddeutschen Hanse an, dem Schutzbündnis freier gleichberechtigter Handelsstädte. Überall in den Hansestädten werden St. Nikolaus, dem Schutzpatron der Kaufleute und Seefahrer, und der Gottesmutter Maria als „Stella Maris“, rettender Stern auf hoher See, Stadtkirchen errichtet – in Backsteingotik, dem Kleid der Hanse. Berlin ist noch eine kleine Stadt in damaliger Zeit und St. Marien eine kleine Kirche verglichen mit der Mutterkirche der Backsteingotik, der gewaltigen Bürger- und Marktkirche St. Marien in Lübeck, dem Zentrum der Hanse, kleiner auch als der Backstein-Dom der Hansestadt Brandenburg an der Havel, der Ursprungskirche märkischer Gotteshäuser.

Morgen: Teil 3 „Altstadt im Schattendasein“

 

EVENT: Global discourses

Heute ab 9 Uhr findet im Center for Metropolitan Studies eine zweitätige Konferenz zum Thema Global Discourses in local contexts statt. Anmeldung nicht erforderlich. Siehe Eventkalender.

Eine Mitte der Bürgerschaft (1/22)

In dieser 22-teiligen Serie beschreibt Florian Mausbach seine persönlichen Vorstellungen für eine Umgestaltung des Rathausforums in Mitte. Die Texte gehen aus einem Vortrag hervor, den der Autor im September 2012 auf einer Veranstaltung zum Thema gehalten hat.

Staatsbürgerliche, weltbürgerliche und bürgerschaftliche Mitte

Berlins staatsbürgerliche Mitte liegt vor dem Tor der historischen Stadt, dem Brandenburger Tor. Sie ist die neue nationale Mitte der Bundeshauptstadt, geprägt durch den Reichstag, die neuen Bauten des Bundestages und das Kanzleramt im Spreebogen. Die neue Reichstagskuppel ist wie das historische Brandenburger Tor zum Nationalsymbol geworden wie auch das Holocaust-Mahnmal, das an den Abgrund der deutschen Geschichte erinnert. Die Besucherschlange vor dem Reichstag und die nationale Feier-, Fan- und Partymeile vor dem Brandenburger Tor beweisen die Freude der Bürger der Republik über das Ende von Krieg, Teilung und Diktatur und den Stolz auf ihre in Freiheit wiedervereinigte alte und neue Hauptstadt.

Durch das Brandenburger Tor gelangt man Unter den Linden vorbei am Gendarmenmarkt über das Forum Fridericianum auf die Schloss- und Museumsinsel, dem historischen Mittelpunkt Berlins als kurfürstliche, königliche und kaiserliche Residenzstadt. Das in seinen Umrissen wieder erstehende Barockschloss wird Erinnerungen wecken an brandenburgische, preußische und deutsche Geschichte und mit den Zeugnissen der Weltkulturen im Humboldtforum, mit benachbarten Museen, Bibliotheken und Opern, mit Dom und Kathedrale zu einem Kulturzentrum mit weltweiter Ausstrahlung werden, ein Ort nicht nur nationaler, sondern auch internationaler Identität. Hier wird Berlin zur Weltbürgerstadt.

Morgen: Teil 2 „Schöne Aussicht?“

 

Kolumne am Samstag

Wer glaubt, das „Rathausforum“ läge an der Karl-Liebknechtstraße in Berlin, der hat sich in Raum und Zeit verirrt. Der Ort, den vor allem Architekten unter Beschlag nehmen wollen, liegt an der Milchstraße. Die Stadtverwicklungskolumne № IV blickt in den Sternenhimmel und findet, was das Forum braucht – am Samstag, in „Die galaktische Mitte“.

EVENT: 2

Nach der CDU laden heute Abend die Grünen in die Rosenstraße zu einer Diskussion zum Thema Rathausforum ein. Eine Stunde später wird über die Zukunft des Nollendorfplatzes geredet – aber woanders. Siehe Eventkalender.

EVENTS: 3

Heute gibt es eine CDU-Veranstaltung zur Zukunft des Berliner Stadtkerns in der Bauakademie, zeitgleich ein Treffen zum Mauerpark in Prenzlauer Berg und einen „Mietenstopp“-Film in Neukölln. Siehe Eventkalender.

Total voll im Total Tower

— Audio-Slideshow — Heute vor zwei Wochen eröffnete der Total Tower in der Heidestraße. Zwei Tage lang konnte man in den 16. Stock rauffahren und das Panorama genießen, wobei: Ich erwischte noch die 12 Uhr-Schlange, aber kaum war ich oben, drängte die Aufsicht, die eine Hälfte des Gebäudes zu verlassen und in die andere zu gehen. Genießen war das nicht. Das Schnellgeknippste hier in der Slideshow.

Dazu erzäht Burkhard Reuss, Direktor für Kommunikation bei Total, wie sich Total Deutschland in den Berliner Kiezen engagiert und in der Alten Försterei einen treuen Partner gefunden hat: den 1. FC Eisern Union. Es gibt nämlich eine „Eiserne Zapfstelle“ an der B 96a. Hier der Audio-Mitschnitt.

Beides zusammen also nachhör- und nachschaubar als erster Audio-Slide auf Futurberlin.

[fsg_gallery id=“2″] [audio:https://futurberlin.de/wp-content/uploads/2012/10/Total-Tower.mp3|titles=Eröffnung Total Tower Okt’12] [flattr btn=’compact‘ cat=’images‘ tag=’total tower‘ /]

Das Grab des Volkes

Not macht erfinderisch, sagt man. Es war die Gefahr des Terrors, die den Besucherempfang im Reichstag wie einen Hund hinaus auf die Straße setzte. Jetzt erfinden die Hausherren das Tier neu und wollen einen stattlichen Löwen aus dem begossenen Pudel machen. Die Gäste des Reichstags sollen sich über die deutsche Demokratie aufklären, Filme gucken, ihre Kinder ruhigstellen. Und mehr: an Seminaren teilnehmen und dem Bundespräsidenten begegnen – alles unter Tage bitte. Aber haben wir Erfindungen nötig, die keine sind?

Der wohl überzeugendste „Ort der Aufklärung“, wie ihn Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse vom geplanten unterirdischen Besucherzentrum nach einem Artikel von „Spiegel Online“ wünscht, ist heute schon der Deutsche Dom am Gendarmenmarkt. Hier kann man sich in einer Dauerausstellung des Bundestags (Hat er etwa vergessen, dass es sie gibt?) auf fünf Etagen kostenfrei und multimedial über die deutsche Volksherrschaft informieren bis der Parlamentsarzt kommt, wenn er denn hinfindet. Filme gucken inklusive. Was den geplanten Kinderraum angeht: Eine funktionierende Kita in himmelblau gibt es gleich um die Ecke vom Reichstag in der Otto-von-Bismarck-Allee 2. Seminarräume? – In die Politik- und Gesellschaftslehre kann man bei der Bundeszentrale für politische Bildung gehen, gleich um die Ecke vom Deutschen Dom am Checkpoint-Charlie. Und einen Repräsentationsbereich für den Bundespräsidenten, der ein Schloss (ein Schloss!) hat, auch noch mit da unten reinzuquetschen, bezeugt die heraufziehende Humboldtforums-Denke: Alles muss rein, komprimiert wie in der zip-Datei. Auch wenn es woanders längst herumschwirrt. „Woanders“ muss zu uns.

Auch das Finanzformat scheint mit 500 Millionen Euro Baukosten fast deckungsgleich mit dem Berliner Schloss. Zwei Jahre nach Eintreffen der Not sind es vorm Reichstag – Gott sei dank – die Kosten, die explodieren, und keine Bomben. Aber das muss man sich doch mal auf der Zunge zergehen lassen: Da wird vor der Türe des Reichstags ein ganzes Barockschloss versenkt! Das klingt irgendwie nicht gesund. Hier ist ein Schneeball ins Rollen gekommen und hat so dermaßen an Masse gewonnen, dass sich mir der Verdacht auftut, der Bundestag wolle seine Besucher mit dem unterirdisch-außerirdischen Besucherzentrum nicht empfangen, sondern betäuben, sie unter allen Umständen davon abhalten, die eigentliche Sehenswürdigkeit zu betreten. Kuppel ejal, ick kenn‘ dir schon vom Fülm. Neulich erzählte mir eine Frau, die in die Gedenkstätte Hohenschönhausen gehen wollte, sie hätte sich nicht mehr hineingetraut, nachdem sie sich zu Beginn den Einführungsfilm angesehen hatte. Der unpersönliche Film hat sie um die persönliche Begegnung mit einem Ex-Stasi-Häftling gebracht. Wie denken Bürger über Politik, wenn sie ihre Abgeordneten nur durch die Kamera kennen, den Plenarsaal nie unter ihren eigenen Füßen hatten?

Das Besucherzentrum als Betäubungszentrum wird auf diese Art nicht nur das viel befürchtete Milliarden-Grab. Es wird auch das Grab des Volkes, dem man bei seinem Aufstieg zur Kuppel beschäftigungstherapeutische Steine in den Weg legt. Wer hier vergisst, dass er in den Reichstag wollte, ist an der Firewall gescheitert. So gesehen, ist es eben doch eine Erfindung. Eine raffinierte sogar. Wer nicht stolpert, hat die Kuppel verdient.

Auf einen Gang durchs Bethaus

— Audio — Es hätte für den geschassten Petriplatz auch anders kommen können: runder, spitzer, farbiger. Aber es kommt der Entwurf der Architekten Kuehn-Malvezzi, über den die Presse vor kurzem berichtet hat. Wer durch die gestern eröffnete Ausstellung zu den Bet- und Lehrhäusern des Petriplatzes geht, wird kaum etwas dagegen einzuwenden haben. Das Haus, das gewonnen hat, bringt die nötige Ruhe mit, damit der umtriebige Platz „runterkommt“. Wie man „raufkommt“, bis auf die Stadtloge im Turm (auch ohne zu beten), beschreibt der Architekt Johannes Kuehn in seiner Ansprache, die er gestern in der Parochialkirche gehalten hat. Bon Voyage!

[audio:https://futurberlin.de/wp-content/uploads/2012/09/Ansprache-von-Architekt-Johannes-Kuehn.mp3|titles=Ansprache von Architekt Johannes Kuehn]

Wir haben uns in dem Projekt vor allen Dingen darauf konzentriert, die Gemeinsamkeiten des Projektes nach vorne zu bringen. Wir gehen davon aus, dass jede Religionsgemeinschaft ziemlich genau für ihren Teil Vorstellungen hat von den eigenen Räumen. Aber das Gemeinsame, was eigentlich das Besondere an dem Projekt ist – es ist ja nicht nur eine Moschee oder es ist nicht nur eine Kirche oder eine Synagoge, sondern es ist ja auch mehr als die Summe der Teile, es ist genau, dass man etwas zusammenbringt und gemeinsam etwas schafft, das jeder einzelne dieser Räume alleine nicht leisten könnte.

Es geht also sehr stark um diesen gemeinschaftlichen Raum, und das werden Sie hier drin auch wiederfinden. Den haben wir in die Mitte gestellt. Es ist auch der höchste Raum, und über diesem höchsten Raum finden Sie oben nochmal eine Erhöhung in Form eines Turmes, wie man das von Kirchentürmen her kennt – aber er sieht anders als ein Kirchenturm, weil es eben auch etwas anderes ist. Und in so fern weist er sehr weit hinaus über das, was eigentlich sich im Inneren hier abspielt. Und er weist in die Stadt hinaus. Und es war uns wichtig, mit diesem Gebäude – auch für diejenigen, die vielleicht gar nicht wissen, was es ist – in die Stadt hineinzuwirken und schon mit dem Thema des Monumentes zu arbeiten, das heißt, der Stadt etwas hinzuzufügen an dieser Stelle, die ja im Moment durch eine gewisse Trostlosigkeit gekennzeichnet ist, aufrund der Gertraudenstraße, die dort vielspurig vorbeiführt.

Und wir denken, dass es ein Ort sein kann, der der Stadt etwas zurückgibt an der Stelle, der in der Weise, dass er die Menschen animiert, in das Gebäude zu kommen, die vielleicht mit Religion erstmal nichts am Hut haben, dass sie in das Gebäude kommen, weil sie interessiert sind, weil sie etwas wissen wollen, weil sie vielleicht einfach nur auf den Turm steigen wollen. Und dann gibt es die Möglichkeit, dass man das Gebäude in seinen öffentlichen Bereichen kennenlernt, ohne überhaupt erstmal in die streng genommen religiösen … Teile vorzudringen, sodass man die Möglichkeit hat, unten reinzukommen.

Da gibts ein Café und dann kann man die Treppe hochlaufen, und die schraubt sich so zu dem zentralen Raum, von dem dann die einzelnen drei religiösen Räume abgehen und dann kann man weiterlaufen. Und dann kommt man auf eine Empore, die kann man sich als eine Bibliothek vorstellen. Dann kann man weiterlaufen, und man kommt dann oben auf der Stadtloggia, so haben wir das genannt, an, auf der Höhe von 32 Metern, wo man dann über die Dächer der Stadt schauen kann und wo man dann eigentlich wieder den Blick zurück in die Stadt werfen kann.

Und dann kann man sich beim Absteigen überlegen, ob vielleicht doch noch etwas mit den Funktionen, die in diesem Gebäude sind, zu tun haben möchte – vielleicht lässt man es, vielleicht kommt man wieder – und auf diese Weise, denken wir, schaffen wir eine Möglichkeit, einen öffentlichen Raum zu schaffen, der das Potenzial, was auf dieser relativ kleinen Fläche versammelt ist, nochmal über die Geschosse in die Vertikale bringt.


Innen hui, außen pfui – Der Marienkirche wird der Hof gemacht

— Bericht — Das Bezirksamt Mitte will das Umfeld der Marienkirche neugestalten. Das von ihm beauftragte Landschaftsarchitektur-Büro Levin Monsigny hat am Dienstag ein Konzept vorgestellt. Es soll ein steinerner, rechteckiger Platz entstehen, der die Kirche einfasst und den Marienkirchhof wieder erkennbar macht; auch das Luther-Denkmal soll vor die Kirche zurückkehren, das heute an ihrer schattigen Nordseite steht. Architekt Rob Grotewal möchte, “dass die Kirche wieder Luft zum Atmen hat”.

Damit will der Bezirk der zunehmenden Verwahrlosung vor Ort wieder Herr werden. Roland Stolte, theologischer Referent der evangelischen Kirchengemeinde St. Petri-St. Marien, hält den Zustand für nicht tolerierbar. Er beschwert sich über den Urin, der unter den Türen durchläuft und über Fäkalien an den Außenwänden der Kirche, und spricht von einer “Diskrepanz zwischen der Sorgfalt im Inneren und der Verwahrlosung außen”.

Kritisiert wird das Konzept von der Gesellschaft für Historisches Berlin (GHB) und vom Bürgerforum Historische Mitte. Klaus Krause von der GHB findet die Absenkung des Marienkirchhofs im Grunde gut, fordert aber eine Gesamtplanung des Rathausforums, weil er befürchtet, dass Fakten geschaffen würden, die einer späteren Gesamtplanung im Wege stehen könnten.

Baustadtrat Carsten Spallek (CDU) sieht für einen Masterplan Rathausforum aber wenig Chancen, zumindest “nicht in dieser Wahlperiode”. Er hält das aktuell für nicht realistisch und sieht die Möglichkeit für eine Umgestaltung des Kirchhofs – würde man auf eine Gesamtplanung warten – erst wieder im Jahre 2020.

Das Bürgerforum lobt den guten Willen des Bezirks und des Büros, fordert aber, die historische Figur des Marienkirchhofs besser zu berücksichtigen. Stadtplaner Hildebrand Machleidt fragt: “Warum nicht in historischer Authentizität?” Und für den Historiker Benedikt Goebel steht das Konzept sogar in der radikalen, seit 170 Jahre währenden Modernisierungstradition, die den Stadtraum fortlaufend zerstöre. Er forderte Bezirk und Senat auf, das Konzept zu überdenken und “es anders zu versuchen, es anders zu wollen”, so Goebel.

Nur das Denkmal Martin Luthers wollen alle. Kunsthistoriker Jörg Kuhn vom Arbeitskreis Luther-Denkmal kündigt an, es werde eine moderne Interpretation des

historischen Sockels geben und im Januar 2013 ein Expertentreffen für die Planung stattfinden. Das Denkmal wurde 1895 auf dem Neuen Markt vor der Kirche gebaut, kam zu DDR-Zeiten nach Weißensee und wurde im Oktober 1989 an der Karl-Liebknecht-Straße einzeln, ohne Beifiguren wieder aufgestellt.

Der Umbau solle Mitte 2013 beginnen und 2015 enden, sagte Christoph Katerbau vom Landschaftsplanungsamt Mitte. Bauunterbrechungen seien wegen potenzieller Ausgrabungen einkalkuliert. Im September soll das Bezirksamt einen Beschluss fassen, dann die Kosten für eine Finanzierungszusage vorbereiten. Die Finanzierung sei “das ganz, ganz, große Fragezeichen”, so Katerbau. Es handele sich dabei um einen 7-stelligen Betrag, sagte er.

Der Marienkirche wird der Hof gemacht

— Audio — Der Bezirk Mitte will das Umfeld der Marienkirche verschönern. Ihr Pfarrer beschwert sich über Urin und Fäkalien im Außenraum. Ein Architekt hat gestern in der Kirche sein Konzept vorgestellt. Er will sie mit steinernen Sitzbänken einrahmen und das Luther-Denkmal vor den Eingang der Kirche zurückholen. Zu kurz gegriffen im Großen, meint die Gesellschaft Historisches Berlin und fordert eine Gesamtplanung für das Rathausforum. Zu kurz gegriffen im Detail, meint das Bürgerforum Historische Mitte, die in dem „sinnlosen, großen Rechteck“, wie Benedikt Göbel das Konzept beschreibt, Schwierigkeiten hat, den historischen Marienkirchhof wiederzuerkennen. Hier der ganze Kommentar des Historikers in Audio … (und wegen der überbordenden Akustik der Marienkirche zum Mitlesen ins Zitat gesetzt.)

[audio:https://futurberlin.de/wp-content/uploads/2012/09/Auszug-Benedikt-Göbel.mp3|titles=Kommentar von Benedikt Göbel]

Mein Name ist Benedikt Göbel, ich bin Historiker und auch Teil der Planungsgruppe Stadtkern des Bürgerforums Historische Mitte. Ich möchte gerne in aller Kürze sagen, dass aus meiner historischen Betrachtung in diesem Stadtraum Alt-Berlin/Alt-Cölln seit 170 Jahren radikal modernisiert worden ist; die alte Stadt ist zerstört worden und banalisiert. Diese Planung, die uns heute vom Büro Levin Monsigny vorgestellt worden ist, im Auftrag des Bezirksamtes, des Senats, steht für mich in dieser Modernisierungstradition. Ihre Planung ist gut gemeint, Sie meinen es gut, Sie führen schöne Worte im Mund. An der Folie stand, dem Genius Loci wird man nur gerecht, wenn man (…). Was machen Sie aber faktisch? Faktisch ästhetisieren Sie diese Brachialmodernisierung, die in den 60er/70er Jahren durchgeführt worden ist; Sie verharmlosen sie, Sie verschleifen sie; Sie führen ein sehr großes Rechteck, völlig sinnloses großes Rechteck ein, in den Stadtraum, parallel zur großen Achse; und Sie ignorieren, treten mit Füßen die historische Figur des Marienkirchhofs. Das ist eine weitere Banalisierung und Zerstörung dieses Stadtraums. Und ich kann den Bezirk, den Senat, der das verantwortet, nur dringend dazu ermuntern, es anders zu versuchen, es anders zu wollen; dem Ort gerecht zu werden, indem man ihn ernst nimmt, und wirklich die historischen Schichten in die gegenwärtige Gestaltung in echten Dialog treten lässt und es nicht alles zudeckt mit neuer Art von Oberfläche. Vielen Dank.

[flattr btn='compact' cat='audio' tag='Marienkirchhof' /]

Kippt Thyssen-Krupp?

— Nachricht — Die Zahl der Kritiker der umstrittenen Repräsentanz von Thyssen-Krupp am Schlossplatz wächst. Nachdem zuletzt der Stadtplaner Florian Mausbach in der Berliner Zeitung gegen das Projekt plädiert hatte, hat sich jetzt auch der Landesdenkmalrat dagegen ausgesprochen und rät, auf den Bau zu verzichten, wie der Tagesspiegel und die Berliner Zeitung heute und gestern berichten. Die Umgebung des ehemaligen Staatsratsgebäudes als Baudenkmal mit dem Liebknechtportal würde durch den neuen Glaskubus massiv geschädigt. Auch Manfred Rettig von der Stiftung Berliner Schloss – Humboldtforum und der stadtenwicklungspolitische Sprecher der CDU im Abgeordnetenhaus, Stefan Evers, schließen sich laut Tagesspiegel dieser Meinung an. Thyssen-Krupp hatte im Januar einen Entwurf des Architekturbüros Schweger & Partner präsentiert, der wegen seiner Glasarchitektur und räumlichen Nähe zum ehemaligen Staatsratsgebäude schnell auf Kritik gestoßen war. Später hatte Thyssen-Krupp angekündigt, das Gebäude nicht gegen den Willen der Berliner bauen zu wollen. (Tagesspiegel, Berliner Zeitung)

ANZEIGE